Hintergrund

Im Gesundheitsreport der Techniker Krankenkasse zeigten sich bei Studierenden knapp doppelt so hohe Behandlungsraten durch Psychotherapeuten im Vergleich zu jungen Erwerbspersonen [8]. Nach dem Barmer-Arztreport 2018 stieg allein zwischen den Jahren 2005 bis 2016 der Anteil der 18- bis 25-Jährigen mit psychischen Diagnosen um 38 % und darunter bei Depressionen um 76 %. Zwar ist die Rate der Studierenden an einer Depression zu erkranken im 18. Lebensjahr niedriger im Vergleich zu Nicht-Studierenden, jedoch steigt die Erkrankungsrate bei Studierenden mit zunehmendem Alter deutlich. So liegt 10 Jahre später das Verhältnis an einer Depression zu erkranken bei Studierenden bei 3,9 % und bei den Nicht-Studierenden bei 2,7 % [7]. Eine Erklärung für diese Zunahme kann die Prävalenz starker Prüfungsangst sein, welche bei einem Viertel der Studierenden vorliegt und die wahrgenommene Belastung verstärkt. Auch wird Belastung in den einzelnen Fächergruppen sehr unterschiedlich wahrgenommen, wobei sich 78 % der Studierenden innerhalb der Rechtswissenschaften durch Leistungsanforderungen stark belastet fühlen, gefolgt von der Medizin und Naturwissenschaften zu 67 %. Als externer Faktor, welcher die wahrgenommene Belastung sowie Angst- und/oder depressive Störungen verstärken kann, stellt die Erwerbstätigkeit v. a. Studierende an Fachhochschulen vor größere Probleme, da diese häufiger ihr Studium durch eigene Arbeit finanzieren [23]. Zudem erhöht sich mit steigendem Alter der Anteil an Studierenden mit Kind sukzessive. Jede/r zweite Studierende mit Kind ist verheiratet oder führt eine eingetragene Lebensgemeinschaft; das trifft auf Frauen und Männer gleichermaßen zu. Von den Studierenden mit Kind haben 57 % Ausgaben für die Betreuung ihres Kindes durch Dritte, wie z. B. durch Tagesmütter, Babysitter, in Kindertagesstätten oder im Hort. Hierdurch ist auch ein größerer Umfang der Wochenarbeitszeit neben dem Studium im Vergleich zu Studierenden ohne Kind begründet [22].

In einer aktuellen durchgeführten internationalen Studie wird von einer weiten Verbreitung von psychischen Erkrankungen unter Studierenden berichtet. Die Teilnehmer litten v. a. unter Depressionen, gefolgt von Angststörungen [1]. Hohe Ergebniswerte im Bereich Angst- und/oder depressiven Störungen wurden in einer US-amerikanischen Studie [17] festgestellt, bei welcher spezifisch Studierende untersucht wurden. Aufgrund der Verschiedenartigkeit der Hochschulstrukturen wie auch jüngerem Durchschnittsalter ist ein Vergleich eingeschränkt.

Auch schon in früheren Jahren wurde von Belastung, steigenden Fallzahlen bei psychologischen und psychotherapeutischen Beratungsstellen sowie psychischen Beeinträchtigungen und Störungen berichtet [2, 10, 13].

Dieser Beitrag stellt eine Bestandsaufnahme von Belastung, Burnout sowie depressiven Störungen und/oder Angststörungen bei Studierenden bei Studierenden in vier unterschiedlichen Hochschulen in Süddeutschland dar. So wurde die Frage gestellt, ob sich „die Hochschulen betreffend der wahrgenommenen Belastung ihrer Studierenden“ sowie der „psychischen Gesundheit (Angst- und/oder depressiven Störung sowie Burnout)“ unterscheiden.

Methode

In einem Subprojekt einer multizentrischen Studie zu „Vereinbarkeit von Beruf und Familie, Arbeits- (Studien)zufriedenheit, psychosozialer Arbeits- (Studien)belastung und Gesundheit bei Hochschulangehörigen“ wurden Befragungen aller Studierenden der Universität Ulm (UU), der Hochschule Ulm (HU) und der Hochschule Neu-Ulm (HNU) im Wintersemester 2012/2013 durchgeführt. Die Datenerhebung wurde mit Beginn des Wintersemesters gestartet (Oktober bis Dezember), um eine starke Prüfungsbelastung zu umgehen. Zusätzlich wurde 2015 eine Erhebung an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg (DHBW) bei Studierenden zu Beginn des Wintersemesters durchgeführt [6].

Zu beachten ist, dass genannte Hochschulen unterschiedliche Schwerpunkte, Studienangebote und Studienmodelle haben [5, 14, 15, 29], welche wiederum Auswirkungen auf Alters- und Geschlechterverteilung wie auch die wahrgenommene Belastung von Studierenden haben können (Tab. 1).

Tab. 1 Hochschulen

Aufgrund fehlender Normalverteilung sowie der Größenunterschiede der verschiedenen Stichproben wurden nichtparametrische Testverfahren angewandt. Die Unterschiedsanalysen wurden mittels Kruskal-Wallis-Test durchgeführt. Um einzugrenzen, welche Gruppen sich unterscheiden, wurden Post-hoc-Tests (Dunn-Bonferroni-Test) durchgeführt.

Eine Auswertung der Entwicklung über die Zeit ist auf Basis des aktuellen Datensatzes leider nicht möglich.

Messinstrumente

Die Studienbelastung wurde im Sinne einer Gratifikationskrise mit dem an die Schul- bzw. Studienumgebung adaptierten „Effort-Reward Imbalance Questionnaire“ (ERI-SS) erhoben. Dieses Modell beschreibt das Verhältnis zwischen den Anstrengungen und der zu erwartenden Belohnung (ER-Ratio). Ergänzend wurde das „Overcommitment Questionnaire“ (OC) verwendet, das die Neigung misst, sich für sein Studium zu verausgaben [4, 28]. Der ERI-SS umfasst 19 Items („effort“ 5 Items; „reward“ 11 Items; „overcommitment“ [OC] 3 Items), welche auf einer 5‑stufigen Likert-Skala von „stimme überhaupt nicht zu“ bis „stimme voll und ganz zu“ erfasst werden [20]. Mittels der beiden Kategorien „effort“ (Anstrengung) und „reward“ (Belohnung) wurde ein Aufwand-Ertrag-Ungleichgewicht berechnet, wobei der Cut-off-Wert für die „Effort-reward-Ratio (ER-Ratio) bei einem Wert von ≥1 liegt. Eine ER-Ratio von >1 wird als kritisch im Sinne der Belastungsintensität interpretiert, da die Anstrengung im Vergleich zur erwarteten Belohnung überwiegt [27]. Mit Cronbach’s-Werten von 0,75 („effort“), 0,78 („reward“) und 0,62 (OC) zeigt der Test eine akzeptable bis gute Reliabilität.

Die Werte für depressive Symptome und Angststörungen wurden mit dem „Patient Health Questionnaire-4“ (PHQ-4) erhoben, einem Kurzfragebogen der sich aus dem PHQ‑2 und dem „Generalized Anxiety Disorder-2“ (GAD-2) zusammensetzt. Die Antworten werden bewertet von 0 (überhaupt nicht) bis 3 (fast jeden Tag). Wie im Orginalscreeninginstrument [19] wurde aus den Ergebniswerten ein Summenscore berechnet, der zwischen 0 und 12 Punkte ergibt. Werte zwischen 0 und 2 gelten in diesem Sreeninginstrument als normal, Werte zwischen 3 und 5 als milde, zwischen 6 und 8 als moderate und zwischen 9 und 12 als schwere Symptome für eine Angst- und/oder depressive Störung. Eine depressive Störung ist im Sreeninginstrument definiert mit den Werten ≥3 auf der Subkategorie PHQ‑2. Ebenso ist eine Angststörung auf der Subkategorie GAD‑2 definiert mit den Werten ≥3. Die Reliabilitätsanalyse ergab Cronbach’s α‑Werte von >0,80 [21].

Der MBI-SS [26] besteht aus 15 Items, welche die drei Kategorien Emotionale Erschöpfung (5 Items), Bedeutungsverlust des Studiums (4 Items) und Reduziertes Wirksamkeitserleben (6 Items) umfassen [11, 26]. Die Antworten werden auf einer 7‑stufigen Likert-Skala bewertet mit 0 (nie) bis 6 (täglich), wobei hohe Werte innerhalb der Kategorien Emotionale Erschöpfung und Bedeutungsverlust des Studiums sowie niedrige Werte innerhalb der Kategorie Reduziertes Wirksamkeitserleben für ein Burnout sprechen können. Die Reliabilität zeigt sich in verschiedenen Studien als adäquat [11, 16, 26].

Ein Versuch der Gegenüberstellung der Daten soll im Bereich der Angst- und depressiven Störungen durch die repräsentative Studie von Löwe et al. [21], welche 5030 Teilnehmende (53,6 % Frauen) mit einem mittleren Alter von 48,4 Jahren umfasste, unternommen werden. Innerhalb dieser Studie wurden die Instrumente PHQ‑4, PHQ‑2 und GAD‑2 validiert. Die Auswertung erfolgte getrennt nach verschiedenen Altersgruppen sowie der spezifischen Gruppe „Studierende“.

Ergebnisse

Insgesamt nahmen 4095 Studierende an der Erhebung teil. Die Stichprobengröße betrug in der UU 2582, der HU 569, der HNU 808 und der DHBW 136 Studierende. Die Rücklaufquote der Fragebögen lag bei 27,10 % an der UU, bei 14,16 % an der HU und bei 25,76 % an der HNU (Tab. 2).

Tab. 2 Rücklauf der Fragebögen

Die Rücklaufquote der DHBW konnte nicht berechnet werden, da keine Befragung der gesamten DHBW erfolge, sondern nur in ausgewählten Studiengängen, für welche eine Bewilligung erteilt wurde.

Die Geschlechterverteilung zwischen den Studierenden der Hochschulen weist innerhalb der Stichproben deutliche Unterschiede auf. Während die UU einen relativ ausgeglichenen Anteil von 54,53 % weiblichen und 45,47 % männlichen Studierenden aufzeigt, unterscheidet sich die Geschlechterverteilung bei den anderen Hochschulen stark. Einen niedrigen Anteil weiblicher Studierender weist die HU mit 28,12 % auf. Die HNU wie auch die DHBW werden im Gegensatz dazu von einer höheren Anzahl weiblicher Studierenden besucht. So sind in der Stichprobe der HNU 64,23 % und an der DHBW 83,09 % weibliche Studierende.

Das Alter liegt bei der UU, der HU und der HNU mit einem Mittelwert von 23,07–23,44 und einem Median von 22–23 eng beieinander. An der DHBW ist das Durchschnittsalter um ca. 4 Jahre erhöht (M = 27,15; Mdn = 24), wobei männliche Studierende (M = 30,82; Mdn = 25) im Vergleich zu den weiblichen Studierenden (M = 26,43; Mdn = 23) älter sind.

Studienbelastung

Der Prozentsatz von Cut-off-Werten >1 des ER-Ratio lag bei Studierenden im Durchschnitt zwischen 30,1 und 38 % zwischen den Hochschulen. Bei 30,1 und 38 % der Studierenden bestand somit ein Ungleichgewicht zwischen „effort“ und „reward“ und folglich eine als besonders stark empfundene Studienbelastung. Durchschnittlich verzeichnete die UU (M = 0,96, SD = 0,58) die höchsten Werte der ER-Ratio und die DHBW (M = 0,90, SD = 0,23) die tiefsten. Auch in der Kategorie „overcommitment“ lagen die die höchsten Werte innerhalb der UU (M = 8,52, SD = 3,41) und die tiefsten innerhalb der DHBW (M = 7,75, SD = 3,21).

Wird eine Geschlechtertrennung vorgenommen, so lag die höchste ER-Ratio bei der weiblichen Population der UU (M = 0,96, SD = 0,42), welche sich signifikant bei einer schwachen Effektstärke (U = 748.555, p = 0,002, r = 0,06) von der männlichen Population unterscheidet. 39,8 % (n= 556) dieser Gruppe hatten einen Cut-off-Wert >1. Dieser ist um 4 % höher als bei den Männern (35,8 %) (n = 413) der UU.

Verantwortlich für diese höhere ER-Ratio ist der niedrigere „Reward“-Wert (M = 37,72, SD = 6,15) und der höhere Wert für die Kategorie „effort“ (M = 15,63, SD = 3,56). Der Wert für die zu erwartende Belohnung lag am höchsten innerhalb der DHBW (M = 39,90, SD = 4,67) und am tiefsten bei der UU (M = 38,08, SD = 6,25).

Die berufliche Verausgabungsneigung lag innerhalb der HNU (M = 8,68, SD = 3,46) am höchsten und am tiefsten bei der DHBW (M = 7,75, SD = 3,21).

Der Kruskal-Wallis-Test zeigt, dass sich die Kategorie „reward“ (χ2 [3] = 19,400; p = 0,000) und die Kategorie „overcommitment“ (χ2 [3] = 8,238; p = 0,041) zwischen den Studierenden der Hochschulen bei schwachen Effektstärken unterscheiden (Tab. 3).

Tab. 3 Summenscore ERI-SS (inklusive OC) und Unterschiedsanalyse

Anschließend durchgeführte Post-hoc-Tests zeigen, dass sich drei Gruppen innerhalb der Kategorie „reward“ signifikant unterscheiden: UU und HU (z = −3,056, p = 0,013, r = −0,05), UU und DHBW (z = −3,450, p = 0,003, r = −0,07), HNU und DHBW (z = −2,845, p = 0,027, r = −0,09).

Innerhalb der Kategorie „overcommitment“, unterscheiden sich die Gruppen HNU und DHBW (z = 2,846, p = 0,013, r = 0,09) signifikant. Beide Kategorien unterscheiden sich jedoch mit schwachen Effektstärken nach Cohen (1992).

Angst- und depressive Störungen

Zur Erfassung von Depression und Angst wurde der Kurzfragebogen PHQ‑4 verwendet [19], in welchem die UU (M = 3,29, SD = 2,81, n = 2552) die höchsten Mittelwerte aufzeigt. Die Werte liegen zwischen den Hochschulen eng beieinander und zeigen keine signifikanten Unterschiede zwischen den Hochschulen (Tab. 2).

Die Werte des PHQ‑4 sind gesamthaft bei Studierenden aller vier Hochschulen relativ hoch. So können bei den Studierenden der vier Hochschulen milde Symptome einer Angst- oder depressiven Störung angenommen werden.

Werden die Daten aufgeteilt nach PHQ‑2 und GAD‑2, so liegen die Studierenden der Hochschulen im Bereich der depressiven Beschwerden zwischen 20 % (HNU/DHBW) und 20,3 % (UU) bei einem Cut-off-Wert von ≥3, im Bereich der Angststörungen zwischen 17,8 % (HU) und 20,9 % (UU) bei einem Cut-off-Wert von ≥3.

Signifikante Unterschiede mit schwachen Effektstärken zeigen sich bei den Werten des GAD‑22 [3] = 8,150, p = 0,043). Hierbei unterscheiden sich UU und HU (z = 2,816, p = 0,029, r = 0,05).

Weibliche Studierende sind jeweils häufiger betroffen als männliche Studierende (depressive Störungen ♀ 20,5 %; ♂ 20,1 %; Angststörungen ♀ 22 %; ♂ 16,9 %) und unterscheiden sich signifikant im Bereich der Angststörungen zwischen (U = 1.769.057, p = 0,000, r = 0,12).

Werden die Geschlechter innerhalb der verschiedenen Hochschulen verglichen, so weist das weibliche Geschlecht mehrheitlich höhere Werte auf (Tab. 4). Signifikante geschlechtsspezifische Unterschiede zeigen sich innerhalb der UU beim PHQ‑4 (U = 719.097, p = 0,000, r = 0,10) und beim GAD‑2 (U = 680.623, p = 0,000, r = 0,14) sowie in der HNU beim GAD‑2 (U = 67.026, p = 0,010, r = 0,09).

Tab. 4 Summenwerte PHQ‑4 und Unterschiedsanalyse

Werden diese erhöhten Werte mit den Werten, welche der soziodemographischen Charakteristik der Gesamtbevölkerung von Deutschland entspricht, verglichen [21], so unterscheiden sich die Ergebnisse stark. Der PHQ-4-Wert der deutschen Gesamtbevölkerung lag bei M = 1,74, SD = 2,05, n = 5003 (PHQ‑2M = 0,94, SD = 1,20, n = 5010; GAD‑2M = 0,82, SD = 1,10, n = 5027). Im Gegensatz hierzu liegt der PHQ-4-Wert bei Studierenden der vier Hochschulen zwischen M = 3,14 und M = 3,29.

Wird nur die Kategorie der Studierenden betrachtet, so resultiert ein noch größerer Unterschied (Tab. 5).

Tab. 5 Alle 4 HS mit den Vergleichsstichprobe PHQ‑4

Ebenso liegen diese Werte über den Ergebnissen einer aktuellen Studie, in welcher der altersgleiche Durchschnitt im Bereich der depressiven Störungen bei Frauen 16,4 % und bei Männern 9,5 % war [3].

Wird eine Unterteilung in normale, milde, moderate und schwere Symptome vorgenommen, wird auch hier die prozentuale Verteilung der Symptome im Vergleich zur deutschen Bevölkerung deutlich (Abb. 1). Können bei 63,1 % der deutschen Bevölkerung zwischen 14 und 92 Jahren die Symptome als normal bezeichnet werden, so liegt die Verteilung bei den Studierenden in den untersuchten Hochschulen zwischen 47,9 % (UU) und 50,1 % (HU).

Abb. 1
figure 1

Prävalenz einer Angststörung/Depression in Prozent (PHQ‑4, UU Universität Ulm; HU Hochschule Ulm; HNU Hochschule Neu-Ulm; DHBW Duale Hochschule Baden-Württemberg)

Burnout

Das Risiko für ein Burnout wurde mit dem MBI-SS [26] erfasst. Innerhalb der Kategorie Emotionale Erschöpfung weisen Studierende der UU (M = 2,53, SD = 1,38) den höchsten und Studierende der DHBW (M = 2,01, SD = 1,27) den tiefsten Wert auf (Tab. 6).

Tab. 6 Mittelwerte MBI-SS („Maslach-Burnout-lnventory für School Settings“) und Unterschiedsanalyse

Der Kruskal-Wallis-Test (Tab. 4) bestätigt, dass sich die Studierenden der Hochschulen betreffend der Kategorie Emotionale Erschöpfung2 [3] = 29,361, p = 0,000) des MBI-SS unterscheiden.

Anschließend durchgeführte Post-hoc-Tests zeigen, dass drei Gruppen gebildet werden können: UU und HNU (z = 3,671, p = 0,001, r = 0,07), UU und DHWB (z = 4,334, p = 0,000, r = 0,07) sowie HU und DHBW (z = 3,243, p = 0,007, r = 0,12), dies jedoch mit gesamthaft schwachen Effektstärken nach Cohen (1992).

Werden auch hier die Geschlechter innerhalb der verschiedenen Hochschulen verglichen, so liegen die Werte mehrheitlich eng beieinander. Signifikante geschlechtsspezifische Unterschiede zeigen sich innerhalb der UU betreffend der Kategorie „Reduziertes Wirksamkeitserleben“ (U = 737.501, p = 0,002, r = −0,06). In dieser Kategorie ebenso innerhalb der DHBW (U = 831, p = 0,006, r = −0,23). In der Kategorie „Bedeutungsverlust des Studiums“ unterscheiden sich die Geschlechter innerhalb der HNU (U = 67.264, p = 0,014, r = −0,09).

Diskussion

Wird die ER-Ratio als Gesamtwert der wahrgenommenen Belastung untersucht, so unterscheiden sich die Studierenden der vier Hochschulen nicht signifikant. Trotz allem gibt es Unterschiede zwischen den Studierenden der Hochschulen bei der Kategorie „reward“. Je höher die ER-Ratio bei Studierenden war, desto niedriger war auch der „reward“-Wert in der jeweiligen Hochschule. Dies kann grundsätzlich positiv gewertet werden, da hierdurch eine direkte Einflussnahme auf die Beanspruchung der Studierenden möglich ist und die Hochschulen klare Interventionsmöglichkeiten haben. Items der Kategorie „reward“ waren Aspekte des gelebten Hochschulklimas wie z. B. die Zufriedenheit mit Bewertungen, Hilfestellungen und Behandlung durch Dozierende, aber auch der Umgang der Studierenden untereinander und die wahrgenommene Sinnhaftigkeit des Studiums. Die Ergebnisse unterstützen die These, dass Belastung in den einzelnen Fächergruppen sehr unterschiedlich wahrgenommen wird. So waren auch in dieser Substudie die Werte der ER-Ratio an der UU am höchsten, bei welcher Studierende der Fakultät Medizin die größte Gruppe ausmacht [23].

Unterschiede zwischen den untersuchten Hochschulen zu den Symptomen eines Burnouts wurden v. a. in den Unterschieden der Kategorie Emotionale Erschöpfung des MBI-SS deutlich, was sich mit aktuellen Ergebnissen deckt [9]. Die diskutierten Unterschiede der Belastung bei Studierenden könnte ein Erklärungsversuch betreffend dieses Unterschieds sein.

Wie auch frühere Untersuchungen eine hohe psychische Belastung und Symptomprävalenz stressassoziierter Erkrankungen der Studierenden zeigten [2, 8, 10, 13], so zeigt auch die aktuelle Untersuchung teils doppelt so hohe Werte im Bereich der Angst- oder depressiven Störungen im Vergleich zur Gesamtbevölkerung in Deutschland. Von ähnlich hohen Werten wurde bereits in einer US-amerikanischen Studie [17] berichte, welche jedoch aufgrund der Verschiedenartigkeit der Hochschulstrukturen nur bedingt vergleichbar ist.

Es kann davon ausgegangen werden, dass die Prävalenz starker Prüfungsangst eine bedeutende Rolle spielt [23]. So kann beispielsweise der Frage nach dem Auftreten von Nervosität und Anspannung von Studierenden vermutlich häufiger zugestimmt werden. Um eine starke Prüfungsbelastung zu umgehen, wurde die Datenerhebung zu vorliegender Untersuchung mit Beginn des Wintersemesters gestartet (Oktober bis Dezember).

Weiter können regionale Unterschiede eine Rolle spielen. Werden die regionalen Abweichungen von Depressionsdiagnosen bei jungen Erwachsenen betrachtet, so weist die Region, in welcher die Erhebung stattfand, keine Tendenz hoher Häufigkeiten von Depressionsdiagosen auf [3, 7].

Auch die Altersstruktur von Studierenden kann als Erklärungsansatz in die Diskussion einfließen. So stellt die Spätadoleszenz eine von Unsicherheiten geprägte Lebensphase dar [18]. Dieser Ansatz wiederspricht jedoch der Erkenntnis des steigenden Risikos für eine Depression mit zunehmendem Alter [7].

Es bleiben Unklarheiten und diverse Einflussfaktoren betreffend der hohen Werte zu depressiven Störung und/oder Angststörung bestehen.

Die Ergebnisse im Bereich der Angst- und/oder depressiven Störungen sollten Hochschulen dazu ermuntern, ihre Studienbedingungen systematisch zu analysieren, ggf. anzupassen sowie Präventivmaßnahmen zu fördern. Weiter wird empfohlen, eine kontinuierliche Gesundheitsberichtserstattung zu implementieren, um evidenzbasierte Interventionen planen, durchführen und evaluieren zu können. Grundlagen für eine Gesundheitsberichterstattung bei Studierenden, welche von einer Projektgruppe der Freien Universität Berlin entwickelt wurde, konnte bereits an diversen Hochschulen (z. B. Freie Universität Berlin, Technische Universität Kaiserslautern, Pädagogische Hochschule Heidelberg, Hochschule Coburg) erfolgreich implementiert und optimiert werden [9, 12]. Eine bundesweite Ausweitung und periodisch durchgeführte Gesundheitsberichterstattung bei Studierenden wäre wünschenswert.

Ebenso sollten Programme zur Gesundheitsförderung von Studierenden ausgebaut bzw. implementiert werden sowie proaktiv auf diese hingewiesen werden. Dies auch, da anzunehmen ist, dass Studierende sich zu einem Zeitpunkt in psychotherapeutische Behandlung begeben, wenn sie bereits im Alltag beeinträchtigende Symptome verspüren [2, 8, 13]. Hinzu kommt eine späte Nutzung bzw. Nichtnutzung von Beratung [24].

Um proaktiv die Gesundheit von Studierenden zu fördern, können zusätzliche alternative Interventionen geprüft und verankert werden. So wird z. B. in einem Merkblatt der Universität Bielefeld neben Kursen zu Zeitmanagement auf Meditation, Muskelentspannung oder autogenes Training verwiesen [30]. Weiter konnte z. B. in einer Studie eine signifikante Senkung der Werte, welche für eine Angststörung wie auch eine depressive Störung sprechen, durch Biofeedback verzeichnen, während in der Kontrollgruppe die Werte stiegen [25].

So sind Hochschulen aufgefordert zu handeln. Eine frühzeitige Intervention ist außerordentlich wichtig, da der Krankheitsprozess vermutlich lange vor den ersten Symptomen startet. Nach dem Auftreten erster Symptome gestaltet sich die Behandlung aufgrund der Vielzahl von Einflussfaktoren schwieriger.

Limitationen

  • Kritisch betrachtet werden muss die generelle Vergleichbarkeit der Hochschulen untereinander, da diese unterschiedlichen Leistungsanforderungen, fachliche Ausrichtungen und Populationen haben.

  • Der Umfang des Fragebogens kann als groß bezeichnet werden, was eine tiefe Rücklaufquote zur Folge haben kann. Ebenso besteht hierdurch die Gefahr einer „common method bias“.

  • Kritisch betrachtet werden muss ebenso der Erhebungszeitraum, welcher bei der DHBW nicht identisch mit dem der anderen drei Hochschulen war sowie die geringe Stichprobengröße der DHBW im Vergleich zu den anderen Hochschulen.

  • Das Erhebungsinstrument PHQ‑4 erfasste mit nur jeweils zwei Fragen depressive Störungen und generalisierte Angststörungen, was besonders betreffend der Vergleichbarkeit und Treffsicherheit von unterschiedlichen Populationen Verzerrungen geben kann.

Ausblick

Die Bestandsaufnahme soll dabei helfen, systematisch eine gesundheitsgerechte Gestaltung der Studienbedingungen zu ermöglichen.

Die Ergebnisse der Studie sollen eine Datengrundlage für die untersuchten Hochschulen darstellen, um ihre Studienbedingungen systematisch zu analysieren, ggf. anzupassen sowie frühzeitig geeignete Maßnahmen in die Wege zu leiten.

Die Einflussfaktoren auf das stressassoziierte Erkrankungsrisiko verlangen nach genauerer Betrachtung. So sollen in weiteren Untersuchungen Zusammenhänge und Interaktionseffekte spezifisch betrachtet werden.

Fazit für die Praxis

Die Werte im Bereich der Angst- und depressiven Störungen können gesamthaft bei Studierenden aller vier Hochschulen als hoch bezeichnet werden. Hochschulen werden ermuntert ihre Studienbedingungen systematisch zu analysieren, Präventivmaßnahmen zu fördern und kontinuierlich eine Erhebung des aktuellen gesundheitlichen Zustandes von Studierenden durchzuführen, um datenbasierte Interventionen planen, anwenden und evaluieren zu können. Somit sollten Hochschulen Programme zur Gesundheitsförderung implementieren, ausbauen sowie proaktiv Studierende auf diese aufmerksam machen. Weiter kann Einfluss auf das gelebte Hochschulklima genommen werden, um Studienbelastung zu reduzieren und dem Stresserleben zu entgegnen.