„Serious Games for Health“ werden in vielen verschiedenen Bereichen eingesetzt und die entsprechenden Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass sich der Einsatz in vielen Fällen lohnt. Dennoch sind die Möglichkeiten in verschiedener Hinsicht begrenzt und bisherige Befunde z. T. weniger belastbar als mancherorts angenommen. Um das Potenzial von „Serious Games for Health“ richtig einschätzen zu können, ist es wichtig, auch derartige Limitationen zu berücksichtigen, da diese die Entscheidung beeinflussen sollten, wann und wo digitale Spiele in diesem Kontext sinnvoll verwendet werden können.

Der Bereich Gesundheit ist eines der wichtigsten Anwendungsfelder für „Serious Games“ (digitale Spiele, deren Zweck über die reine Unterhaltung hinausgeht) und umgekehrt sind „Serious Games“ auch einer der zentralen aktuellen Ansätze in der digitalen Gesundheitskommunikation. Dies spiegelt sich u. a. in der großen Zahl der Spiele, die für den Gesundheitsbereich produziert werden. So wurden laut Lu und Kharrazi bis 2016 insgesamt 1743 „Health Games“ in 23 Ländern entwickelt [25]. Entsprechend groß ist auch das Interesse an diesem Thema in der Wissenschaft (für einen Überblick siehe [12]). So zeigen beispielsweise Übersichtsarbeiten [6, 9], dass der Bereich „health“ den größten [9] bzw. zweitgrößten [6] in den gesichteten Studien darstellt. Ein weiteres Indiz für die Relevanz des Themas aus wissenschaftlicher Sicht ist die Existenz mehrerer eigenständiger Fachjournale zum Thema „Serious Games for Health“, wie z. B. Games for Health Journal, Journal for Medical Internet Research Serious Games, International Journal of Serious Games, sowie eigener Konferenzreihen wie Games for Health Europe oder die International Conference on Serious Games and Applications for Health. Aufgrund der hohen praktischen Relevanz sind „Serious Games“ für den Gesundheitsbereich aber nicht nur für die Wissenschaft, sondern auch für in diesem Bereich praktisch tätige Personen sowie die allgemeine Öffentlichkeit von Interesse.

Neben ihrer allgemeinen Popularität (besonders bei jüngeren Zielgruppen) besitzen Computer- und Videospiele einige Eigenschaften, die sie auch für den Einsatz im Gesundheitsbereich attraktiv machen. Hierzu gehören insbesondere ihre Interaktivität, ihr Unterhaltungspotenzial sowie ihr Simulationscharakter. Darüber hinaus können digitale Spiele durch technische oder narrative Elemente die Aufmerksamkeit der Nutzer auch über längere Zeit binden und das unmittelbare Feedback zur eigenen Leistung kann für die Spieler sehr motivierend sein, sofern eine gewisse Passung zwischen deren Fähigkeiten und den Anforderungen des Spiels besteht. „Serious Games for Health“ kommen in vielen unterschiedlichen Kontexten zum Einsatz (s. [19, 24, 28, 31] für umfassende Überblicke). Dementsprechend vielfältig sind auch die Ziele und Zielgruppen der einzelnen Anwendungen. Breuer und Schmitt [8] fassen die vorhandenen Systematisierungen zusammen und unterscheiden zwischen drei grundlegenden Anwendungsfeldern: 1) präventive Gesundheitsförderung, 2) Begleitung von Heilungsprozessen und 3) Ausbildung von medizinischem Fachpersonal. Da sich die Einsatzmöglichkeiten von „Serious Games“ – und damit auch die Anforderungen an diese – zwischen den Anwendungsfeldern unterscheiden, sind für diese auch die generellen Eigenschaften digitaler Spiele unterschiedlich bedeutsam. Ivory [17] beschreibt vier grundlegende Funktionen digitaler Spiele allgemein, die sich auch zur Typologisierung von „Serious Games for Health“ eignen: Computer- und Videospiele als 1) Botschaft, 2) Beschäftigung, 3) Simulation und 4) soziale Umgebung. Je nach Zielsetzung und -gruppe variiert die Wichtigkeit dieser Funktionen für „Serious Games“ im Gesundheitskontext.

Für alle der zuvor genannten Anwendungsfelder gibt es bereits eine Vielzahl an eigens entwickelten Spielen und entsprechenden Evaluationsstudien, die insgesamt auf ein großes Potenzial des Einsatzes von „Serious Games“ hindeuten. Um dieses allerdings fundiert bewerten zu können, ist es wichtig, neben den Möglichkeiten auch die Limitationen von „Serious Games for Health“ in den verschiedenen Kontexten zu berücksichtigen. Der vorliegende Artikel hat daher zum Ziel, auf Grundlage konzeptioneller Überlegungen und bisheriger empirischer Befunde zu diskutieren, wozu „Serious Games for Health“ besonders gut, weniger gut oder evtl. auch gar nicht geeignet sind, warum dies der Fall ist und was dies für ihre Entwicklung und Verwendung bedeutet.

Wozu „Serious Games for Health“ gut geeignet sind

Aufgrund ihres immersiven und motivierenden Charakters sind „Serious Games“ generell gut dazu geeignet, Aufmerksamkeit für ein Thema zu generieren und Interesse daran zu wecken, was auch für Gesundheitsthemen relevant ist. Exemplarische Themen, für die „Serious Games“ Aufmerksamkeit schaffen können, könnten beispielsweise seltene Krankheiten (etwa im Rahmen einer Spendenkampagne) oder auch alltäglichere Dinge wie gesunde Ernährung oder gesundheitsbewusstes Verhalten sein. Zu den beiden letztgenannten Themen gibt es bereits zahlreiche „Serious Games“ und entsprechende Studien. Eine systematische Zusammenschau aller Einzelstudien im breiten Themenspektrum „Serious Games for Health“ würde den Rahmen des vorliegenden Beitrags deutlich sprengen, jedoch gibt es für die meisten (Teil‑)Bereiche bereits systematische Überblicksarbeiten (Reviews) oder quantitative Metaanalysen, die eine fundiertere Bewertung der Effektivität der Spiele erlauben als die jeweiligen Einzelstudien für sich genommen. In ihrer Metaanalyse zu „serious digital games for Healthy lifestyle promotion“ fanden DeSmet et al. [13] die größten Effekte für die abhängige Variable Wissen. Auch in den in [8] betrachteten Einzelstudien zu „Serious Games“ in der präventiven Gesundheitsförderung zeigen sich positive Effekte auf Wissen, Handlungsabsichten und Selbstwirksamkeit. Wenngleich auch andere Medien gesundheitsbezogenes Wissen und Verhaltensabsichten positiv beeinflussen können, haben „Serious Games“ im Hinblick auf Selbstwirksamkeit ein spezielles Wirkpotenzial, da das Erfahren von Selbstwirksamkeit einer der zentralen Motivatoren für die Nutzung digitaler Spiele ist [21]. Wenn es um die Veränderung bzw. Beeinflussung von Wissen oder Handlungsabsichten geht, spielen insbesondere die Eigenschaften von „Serious Games“ als Botschaften gemäß der Typologie von Ivory [17] eine Rolle (und ggf. auch Spiele als soziale Umgebung, sofern die Interaktion mit anderen Spielern elementarer Bestandteil der Spielerfahrung ist). Bei der Vermittlung von Selbstwirksamkeitserfahrungen hingegen sind auch die Eigenschaften digitaler Spiele als Beschäftigung entscheidend.

Die Funktionen digitaler Spiele als Beschäftigung sind insbesondere auch für den Einsatz von „Serious Games“ in der Begleitung von Heilungsprozessen von Bedeutung. Ein Anwendungsfall, der besonders vom Immersionspotenzial digitaler Spiele profitiert, ist die Ablenkung bei schmerzhaften medizinischen Eingriffen bzw. Behandlungen. Bereits in den 1970er- und 80er-Jahren kamen Videospiele zur Ablenkung bzw. Beruhigung von Patienten bei zahnmedizinischen Behandlungen zum Einsatz [10, 11] und für Patienten mit schweren Verbrennungen zeigte sich in mehreren Studien, dass ein Virtual-Reality-Spiel das subjektive Schmerzempfinden während der ärztlichen Behandlung senken kann [15, 16, 29]. Des Weiteren zeigt sich, dass insbesondere in der Therapie mit konkreten Zielstellungen und engem Handlungsrahmen der Einsatz von „Serious Games“ sinnvoll ist [30]. Exemplarisch ist hier das Spiel Re-Mission zu nennen. Das Spiel wurde Kindern mit Krebserkrankungen im Rahmen der Therapie zur Verfügung gestellt, um ihr Verständnis der Krankheit zu erhöhen und die Medikamenteneinnahme zu verbessern. Im Rahmen der Entwicklung des Spiels wurden die Ziele klar strukturiert und messbar gemacht.

Der Simulationscharakter digitaler Spiele ist im Besonderen für ihre Verwendung in der Aus- und Weiterbildung von im Gesundheitsbereich tätigem Fachpersonal entscheidend, da es hier neben der Vermittlung von Wissen v. a. um den Auf- und Ausbau spezifischer Fähigkeiten geht [14]. Ein Beispiel, das auch medial viel Beachtung gefunden hat, ist der Zusammenhang zwischen der Nutzung digitaler Spiele und der Fähigkeiten bei laparoskopischen Eingriffen. Hierzu gibt es eine Vielzahl an Einzelstudien sowie einige Überblicksarbeiten, die insgesamt darauf hindeuten, dass sich mit digitalen Spielen die Fähigkeiten, die für laparoskopische Eingriffe relevant sind, trainieren bzw. verbessern lassen [18, 27]. Die Befunde zu diesem speziellen Anwendungskontext sind besonders interessant, weil sich hier positive Effekte vor allem für die Nutzung kommerzieller Unterhaltungsspiele zeigten (d. h. nicht nur bzw. in diesem konkreten Fall sogar weniger für eigens zu Trainingszwecken entwickelte „Serious Games“ [1]).

Wozu „Serious Games for Health“ weniger geeignet sind

Am Beispiel des Zusammenhangs zwischen der Nutzung digitaler Spiele und der Leistung bei laparoskopischen Eingriffen bzw. den dafür entscheidenden Fähigkeiten zeigen sich allerdings nicht nur die Potenziale, sondern auch einige der Grenzen von „Serious Games for Health“. So scheinen Computer- und Videospiele sehr spezielle psychomotorische Fähigkeiten zu beeinflussen, die für laparoskopische Eingriffe relevant sind. In einer der Studien zu diesem Thema zeigte sich jedoch, dass sich derartige positive Effekte nicht für (räumliche) Wahrnehmungsfähigkeiten [20] nachweisen lassen. Dies deutet darauf hin, dass die Befunde zur Laparoskopie nicht ohne Weiteres auf andere Fähigkeiten und Tätigkeiten übertragbar sind [26]. Neben Unterschieden zwischen den Tätigkeiten (abhängige Variable) scheint es beispielsweise auch Differenzen zwischen Videospielgenres (unabhängige Variable) zu geben [3]. Die grundlegende Frage nach der Generalisierbarkeit der Befunde ist etwas, das speziell in Einzelstudien zur Evaluation bestimmter Spiele oftmals zu kurz kommt. Zur Beurteilung der Effektivität (und Effizienz) von „Serious Games for Health“ ist es allerdings wichtig, sich damit auseinanderzusetzen, ob Effekte nur für spezifische Spiele und/oder Zielgruppen gelten bzw. ob, inwieweit und warum (nicht) sie sich Ergebnisse auch auf andere Kontexte übertragen lassen. Insgesamt scheint es eher so zu sein, als wäre die Verallgemeinerbarkeit der meisten Befunde deutlich eingeschränkt. Dies legt nahe, dass die Erwartung an „Serious Games for Health“ nicht sein sollte, dass diese einheitliche Effekte haben; insbesondere wenn es um heterogene Zielgruppen geht. Beispielsweise ist nicht zu erwarten, dass sich mit demselben Spiel über Alters- und Kulturgrenzen hinweg gesundes Ernährungsverhalten beeinflussen lässt.

Gerade auch im Bereich der Persuasion, für den „Serious Games“ in erster Linie als Botschaften bzw. Vehikel für diese dienen, ist die potenzielle Wirkung von „Games for Health“ in mehrerlei Hinsicht eingeschränkt. Während sich Aufmerksamkeit und Interesse in der Regel gut durch „Serious Games“ wecken lassen, sieht dies bei der Beeinflussung von Einstellungen anders aus. Doch auch das Evozieren von Aufmerksamkeit und Interesse ist durch den Einsatz von „Serious Games“ mit einigen Barrieren versehen. So ist es, unabhängig vom eingesetzten Medium, schwierig, Aufmerksamkeit für Themen zu generieren, die keinen direkten Bezug zu den Lebenswelten der Personen haben. Die Personen der anvisierten Zielgruppe müssen erst dazu ermutigt werden, das eingesetzte Spiel zu nutzen, um die Gesundheitsbotschaften empfangen zu können. Da insbesondere Zielgruppen, die ansonsten auch kaum mit Gesundheitsbotschaften erreicht werden können, i. d. R. nicht gezielt nach diesen Informationen suchen, ist zu hinterfragen, ob bzw. inwiefern diese mit eigens für sie entwickelten „Serious Games“ erreicht werden können. Es besteht die Gefahr, dass nur die Personen, die ohnehin ein höheres Interesse an Gesundheitsthemen haben, auch Interesse an entsprechenden Spielen haben. Letztlich kann auf diese Weise durch die Entwicklung von „Serious Games for Health“ die gesundheitliche Chancenungleichheit noch verstärkt werden. Im Bereich der Gesundheitsforschung spricht man hier vom sog. Präventionsdilemma. Ein damit verwandtes Konzept aus der Kommunikationswissenschaft ist die sog. Wissensklufthypothese [5], der zufolge Personen, die ohnehin schon einen großen Wissenstand haben, von Informationen mehr profitieren als solche mit geringeren Kenntnissen.

Eine bessere Möglichkeit zur Generierung von Aufmerksamkeit und Interesse besteht, wenn Gesundheitsbotschaften im Sinne des Entertainment-Education-Konzepts unterschwellig in bereits bestehenden und bei der Zielgruppe populären Unterhaltungsspielen implementiert werden. Dabei entgeht man einem weiteren Problem des Einsatzes von „Serious Games“. Da für die Entwicklung der Spiele in den meisten Fällen kein großes Budget zur Verfügung steht, können die meisten „Serious Games“ in Punkten wie Grafik, Gameplay und technischer Umsetzung kaum mit bekannten Unterhaltungstiteln mithalten. Diese Limitationen werden auch einer umfassenden Inhaltsanalyse [25] deutlich. In dieser wurden Puzzle und Quiz als häufigste Spielgenres identifiziert. Diese beiden Genres zeichnen sich jedoch generell nicht durch Immersion, Narrativität oder komplexe Formen der Interaktion aus, die genuine Vorteile des Mediums Computer- und Videospiel darstellen. Zudem sind die 75 % der in dieser Analyse betrachteten Spiele von kurzer Spieldauer und die meisten zeichnen sich durch vergleichsweise simples und wenig forderndes Gameplay aus. Anspruchsvolle Spielsituationen, Entscheidungsfreiheit und Entscheidungen, die auch für das weitere Geschehen im Spiels wichtig sind, wie es in aktuellen Unterhaltungstiteln weithin üblich ist, sind in den untersuchten „Serious Games for Health“ kaum existent.

Eine andere Problematik liegt in den Strukturen der Prävention und Gesundheitsförderung begründet. So ist es gemeinhin schwierig, sämtliche Einflussfaktoren von Interventionen im Bereich Gesundheitsförderung zu erfassen und zu evaluieren, da es sich zumeist um komplexe multifaktorielle Prozesse handelt. Dies betrifft auch die Evaluation von „Serious Games for Health“. So ist z. B. die Wahl der richtigen Methode zur Evaluation eines Spiels, das zum Ziel hat, Übergewicht zu reduzieren oder für das Thema zu sensibilisieren soll, von Faktoren wie der Zielgruppe und dem konkret verfolgten Ziel bzw. Erfolgskriterium abhängig. Ein gutes Beispiel dafür ist das Spiel Fatworld. Die Idee hinter dem Spiel war, die komplexen Zusammenhänge von Übergesicht darzustellen. In dem Spiel kann Einfluss genommen werden auf die Entwicklung einer Stadt. Hierzu können u. a. ungesunde Lebensmittel stärker besteuert oder bestimmte Restaurants und Sportparks gebaut werden. U. a. aufgrund der Vielzahl an Optionen war es jedoch nicht möglich, für das Spiel Auswirkungen auf entsprechende Einstellungen und Verhaltensweisen bei den Spielern zu erforschen [23]. Dieses Beispiel sollte verdeutlichen, dass „Serious Games“ eher in klar definierten Kontexten eingesetzt und nicht als allgemeines Mittel genutzt werden sollten, um bestimmte Botschaften zu vermitteln oder Awareness-Kampagnen zu unterstützen.

Was die Beeinflussung von Einstellungen allgemein gilt, ist, dass es generell einfacher ist, schwache Einstellungen zu ändern als stärkere Überzeugungen (noch einfacher zu erzielen ist in aller Regel die Bildung einer Einstellung zu einem Thema oder Gegenstand, was besonders für die Generierung von Aufmerksamkeit durch „Serious Games“ interessant ist). Nun kann man zwar davon ausgehen, dass sich aus diesem Grund Einstellungen zu Gesundheitsthemen im Allgemeinen eher beeinflussen lassen als beispielsweise solche zu politischen Themen oder moralischen Fragen. Schwieriger wird es jedoch, wenn die Einstellungen mit vorhandenen Verhaltensmustern verbunden sind. Dies zeigt sich auch in den Ergebnissen einer umfangreichen Metaanalyse [13]. In dieser waren die Effekte von „Serious Games“ auf gesundheitsbezogenes Wissen größer als diejenigen auf entsprechende Einstellungen, wobei sich diese Differenz besonders beim jeweils zweiten Messzeitpunkt in Studien mit wiederholter Messung zeigte. Einen weiteren deutlichen Unterschied fanden DeSmet et al. zwischen den Effekten für Verhaltensdeterminanten (zu denen sie u. a. Wissen und Einstellungen zählen) und tatsächlichem Verhalten. Für Letzteres waren die gefundenen Effekte deutlich kleiner. Zudem berichten die Autoren, dass es für die Kategorie Verhalten in ihrer Analyse keine Belege für langfristige Effekte gibt. Generell gibt es bislang wenige Studie, die sich dezidiert mit der Frage nach Transferprozessen befassen [4, 22]. Dies mag in Teilen sicherlich an der nach wie vor vergleichsweise geringen Anzahl von Langzeitstudien liegen, sollte aber als Hinweis verstanden werden, dass durch „Serious Games“ hervorgerufene Einstellungs- oder Verhaltensänderungen u. U. nicht dauerhaft sind. Ein methodisches Problem, das eine solche Interpretation plausibler macht, ist dasjenige der sozialen Erwünschtheit in Selbstauskünften in Studien zu Gesundheitsthemen. Da ein sehr großer Teil der vorhandenen Evaluationsstudien auf Selbstauskünften basiert (und nicht bzw. weniger auf „hard facts“ wie Testergebnissen oder zumindest Fremdauskünften), ist dies bei der Beurteilung der Wirksamkeit von „Serious Games for Health“ im Besonderen zu berücksichtigen.

Weitere mögliche Grenzen im Einsatz von „Serious Games for Health“ ergeben sich durch die technischen Limitationen und medialen Eigenschaften digitaler Spiele. Für viele Aufgaben im medizinischen Bereich spielt die gesamte Bandbreite der menschlichen Sensorik eine Rolle. Computer- und Videospiele sind hingegen audiovisuelle Medien. Mit der Ausnahme aufwändiger Virtual-Reality-Setups ist haptischer In- und Output nicht möglich und olfaktorische Reize, die z. B. für medizinische Diagnosen relevant sein können, wurden bislang nur in experimentellen Settings außerhalb des Bereichs „Serious Games for Health“ getestet, wobei nach wie vor unklar ist, ob bzw. in welcher Form sich diese für Virtual-Reality-Anwendungen generell sinnvoll einsetzen lassen. Eine Grundsatzfrage, die sich gerade im Kontext von Virtual-Reality-Anwendungen stellt, ist allerdings auch, inwiefern diese als Spiel bezeichnet werden können. In einigen Fällen verwischt die Grenze zwischen Spiel und Simulation. Gerade für das Training von Fähigkeiten ist oft ein hoher Grad an Realismus nötig, wohingegen Spiele in dieser Hinsicht begrenzt sind bzw. sein müssen; insbesondere wenn sie (auch) Spaß machen sollen. Eine technisch sophistizierte virtuelle Welt, durch die man sich mit Gamepad, Maus und Tastatur oder anderen Eingabegeräten bewegt, ist kein Spiel, wenn es nicht Mechanismen wie klar definierte Spielziele, Siegbedingungen und formalisierte Rückmeldungen (z. B. in Form von Punktzahlen) oder Wettbewerb (z. B. zwischen Spielern) gibt.

Wozu „Serious Games for Health“ ungeeignet sind

Anhand der großen Vielfalt der Anwendungsgebiete für „Serious Games for Health“ und der trotz diverser Einschränkungen im Gesamtbild positiven Ergebnisse der zahlreichen Evaluationsstudien wird ersichtlich, dass es keine Themen oder Einsatzfelder gibt, für die „Serious Games“ prinzipiell ungeeignet sind. Dennoch gibt es einige Dinge, bei denen man davon ausgehen kann, dass „Serious Games for Health“ diese nicht leisten können. Ein für diesen Bereich spezifischer Punkt sind medizinisch bzw. klinisch relevante Indikatoren. Hier zeigten sich in einer Metaanalyse von [13] die mit Abstand geringsten Effekte. Auf dieser Grundlage lässt sich sagen, dass „Serious Games for Health“ eher Heilung begleiten und auf unterschiedliche Weise erleichtern als unmittelbar befördern können. Wie die Ausführungen im vorherigen Abschnitt verdeutlich haben sollten, gilt dies teilweise auch für die Prävention und die Aus- und Weiterbildung von Fachpersonal. Ganz allgemein sollten „Serious Games“ daher eher als Ergänzung statt als Ersatz für andere Maßnahmen verstanden und angewandt werden. So kann beispielsweise auch ein optimal gestaltetes „serious game“ die direkte soziale Interaktion zwischen Medizinern bzw. Therapeuten und Patienten ebenso wenig ersetzen wir diejenige zwischen Lernenden und Lehrenden.

Fazit und Ausblick

„Serious Games for Health“ kommen in vielen unterschiedlichen Bereichen in der Prävention, Therapie und Ausbildung zum Einsatz und die Ergebnisse wissenschaftlicher Evaluationsstudien dazu fallen größtenteils positiv aus. Dennoch ist es wichtig, die Limitationen dieser Befunde sowie der Einsatzmöglichkeiten und (möglichen) Auswirkungen zu berücksichtigen, um das Potenzial von „Serious Games for Health“ richtig einschätzen zu können. Wie für andere „Serious Games“ – und im Prinzip auch Medien allgemein – gilt für „Serious Games for Health“: Man kann damit nicht alles beeinflussen und manche Effekte sind leichter zu erzielen als andere. Das Modell eines Effektrichters, demzufolge Aufmerksamkeit, Interesse und Wissen (durch Medien) leichter zu beeinflussen sind als Einstellungen oder Verhalten [7], spiegelt sich auch in den empirischen Befunden der umfangreichsten Metaanalyse zum Themenfeld wieder [13].

Abgesehen davon, ein Bewusstsein für das Verhältnis von Potenzialen und Grenzen zu schaffen, gibt es noch einige weitere Schritte, die zur Verbesserungen in der Entwicklung und Nutzung von „Serious Games for Health“ beitragen können. Ein ganz zentraler Aspekt ist die Etablierung einheitlicher oder zumindest so weit wie möglich vergleichbarer Evaluationskriterien. Deren Fehlen wird in den meisten Überblicksarbeiten kritisch angemerkt [9, 14]. All et al. [2] liefern hierfür einige Vorschläge für „Serious Games“ allgemein. Zudem ist vor dem Hintergrund der Replikationskrise in vielen Wissenschaftsdisziplinen (einschließlich wesentlicher Teile der medizinischen und psychologischen Forschung) zu erwarten, dass gerade beginnende Entwicklungen hin zu einer offeneren und transparenteren Wissenschaft auch für das Feld der „Serious Games for Health“ zu methodischen Innovationen und belastbareren Ergebnissen führen. Dies ist besonders bedeutsam, da die zuvor erwähnten Übersichtsarbeiten darauf hinweisen, dass die (methodische) Qualität vieler Studien im Bereich „Serious Games“ eher gering ausfällt. Die Transferierbarkeit der Studienergebnisse wird zusätzlich durch den Umstand erschwert, dass „Serious Games“ oftmals nur unklar von anderen Kategorien wie „edutainment games“, klassischen Lernspielen oder „technology enhanced learning“ abgegrenzt werden [24]. Ein weiteres grundlegendes Problem stellt die mangelnde theoretische Fundierung vieler Arbeiten im Bereich „Serious Games“ dar. So lag in einer Metaanalyse lediglich 91 von 657 Spielen eine Lerntheorie zugrunde [32].

Angesichts der Unterschiede zwischen einzelnen Anwendungsfällen hinsichtlich der Potenziale und Limitationen des Einsatzes digitaler Spiele ist es generell empfehlenswert, sich jeweils dezidiert mit dem Verhältnis von Kosten und Nutzen zu befassen. So sollte jeweils abgewägt werden, ob sich die Entwicklung oder der Einsatz in Anbetracht der erwiesenen (oder realistisch zu erwartenden) Effekte lohnen würde, oder ob die Ziele nicht durch andere Maßnahmen einfacher oder besser zu erreichen sind. Trotz aller Einschränkungen sind „Serious Games for Health“ jedoch ein spannendes und wichtiges Forschungs- und Arbeitsfeld und die Potenziale ihres Einsatzes überwiegen insgesamt die Nachteile (z. B. im Hinblick auf den nötigen Aufwand). Wenngleich die Notwendigkeit zur Verbesserung und Vereinheitlichung methodischer Standards zur Evaluation von „Serious Games for Health“ die Aussagekraft bisheriger Befunde z. T. einschränkt, deutet der derzeitige Forschungsstand darauf hin, dass sich die Arbeiten in diesem Bereich durchaus lohnen. Auch wenn stellenweise eine kritischere Perspektive nötig ist und neben den Potenzialen stets auch die Limitationen und möglichen Nachteile der Verwendung von „Serious Games for Health“ bedacht werden sollten, sind diese ein vielversprechendes Instrument für Prävention, Kommunikation und Ausbildung im Gesundheitssektor. Durch Neu- und Weiterentwicklungen von Technologien, wie z. B. „virtual“ und „augmented reality“, ist davon auszugehen, dass sich die Anwendungsmöglichkeiten und Wirkungspotenziale in diesem Bereich in naher Zukunft noch weiter vergrößern werden.

Fazit für die Praxis

  • „Serious Games for Health“ sind ein wichtiges Thema für Forschung und Praxis.

  • Die Spiele können in der präventiven Gesundheitsförderung, der Begleitung von Heilungsprozessen sowie der Ausbildung von medizinischem Fachpersonal eingesetzt werden.

  • Insgesamt deuten die bisherigen Befunde aus Einzel- und Überblicksstudien darauf hin, dass der Einsatz solcher Spiele in vielen Fällen gewinnbringend sein kann.

  • Allerdings wird in mehreren Überblicksarbeiten angemerkt, dass die methodische Qualität vieler Studien nicht optimal ist. Es fehlen insbesondere einheitliche oder zumindest weitgehend vergleichbare Evaluationskriterien.

  • „Serious Games for Health“ sind nicht für alle Anwendungsbereiche und Ziele gleich gut geeignet. So lassen sie sich gemeinhin zum Wecken von Aufmerksamkeit und Interesse besser einsetzen als zur dauerhaften Veränderung von Einstellungen oder Verhaltensweisen. Hierzu sind i. d. R. zusätzliche Maßnahmen nötig.

  • Um eine informierte Entscheidung darüber zu treffen, ob sich die Entwicklung oder der Einsatz von „Serious Games for Health“ für einen bestimmten Bereich bzw. ein bestimmtes Ziel lohnen, sollten neben den Vorteilen und Möglichkeiten stets auch die Nachteile und Limitationen bedacht werden.