Hinführung

Klasse2000 ist ein universelles Unterrichtsprogramm, das in Grundschulen zur Gesundheitsförderung sowie zur Gewalt- und Suchtprävention eingesetzt wird. Die Wirkung des Programms auf das Bewegungs- und Ernährungsverhalten wurde im Rahmen eines randomisierten Warte-Kontrollgruppendesigns mit vier Messzeitpunkten an 128 Schulklassen in Nordrhein-Westfalen überprüft.

Hintergrund und Fragestellung

Im Kindesalter werden wichtige Weichen für die Gesundheit in späteren Lebensjahren gestellt, da gesundheitsrelevantes Verhalten geprägt und gefestigt wird [11]. Zahlreiche gesundheitsrelevante Verhaltensweisen verschlechtern sich in dieser Lebensphase, wie die für Deutschland repräsentative KiGGS-Studie zeigt. So empfiehlt die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) fünf Portionen Obst und Gemüse am Tag, verteilt auf zwei Portionen Obst und drei Portionen Gemüse, wobei eine Portion durch Saft ersetzt werden kann (zitiert nach [2]). Vergleicht man die Altersgruppe der 3‑ bis 6‑Jährigen mit den 7‑ bis 10-Jährigen, nimmt die Zahl der durchschnittlich pro Tag konsumierten Portionen Obst und Gemüse bei den Mädchen von 3,4 auf 2,7, bei den Jungen von 3,1 auf 2,5 Portionen ab [2]. Ähnliches zeigt sich für das Bewegungsverhalten: Bei den Mädchen sinkt der Anteil derer, die die Bewegungsempfehlung der Weltgesundheitsorganisation erreichen (60 min körperliche Aktivität pro Tag), von 50,7 auf 30,5 %, bei den Jungen von 52,2 auf 31,4 % [8, 10].

Vor diesem Hintergrund gilt die Grundschule als ein wichtiges Setting für Gesundheitsförderung und Prävention, da hier alle Kinder aufgrund der gesetzlichen Schulpflicht erreicht werden können und Interventionen organisatorisch und logistisch vergleichsweise einfach durchgeführt werden können. Interventionen in Grundschulen sind weit verbreitet [1, 14] und in einigen Schulgesetzen der Bundesländer sind Prävention und Gesundheitsförderung fest verankert [3]. Eine Bestandsaufnahme an thüringischen Grundschulen zeigte, dass 65,9 % der befragten Grundschulen mindestens ein Präventionsangebot in den beiden zurückliegenden Schuljahren durchgeführt hatten [7]. Häufig waren dies thematisch fokussierte Angebote von begrenzter Dauer. Demgegenüber ist Klasse2000 ein Programm, das den universellen Ansätzen mit breitem Themenspektrum zuzurechnen ist und das sich mit jeweils bis zu 14 Unterrichtsstunden pro Schuljahr über 4 Schuljahre erstreckt. Neben Unterrichtseinheiten, die durch Lehrkräfte abgehalten werden, besuchen auch Gesundheitsförderer die Schulklassen zur Durchführung spezifischer Einheiten. Das Programm ist weit verbreitet: Im Schuljahr 2014/15 wurden bundesweit in 3400 Schulen knapp 430.000 Kinder in fast 19.000 Schulklassen erreicht [15, 16].

Bisherige Evaluationsstudien konzentrierten sich auf den Nachweis der Effekte auf den Substanzkonsum und konnten nachhaltige Wirkungen aufzeigen [11]. Potenzielle Programmwirkungen auf Wissen, Einstellungen und Verhalten in den Bereichen Bewegung und Ernährung, die in den ersten beiden Schuljahren die thematischen Schwerpunkte des Programms bilden, konnten in diesen Studien aber nur ansatzweise erfasst werden. So untersuchten Maruska, Isensee und Hanewinkel 2010 mit drei Einzelitems 16 Monate nach Abschluss der Intervention das Ernährungsverhalten [12]. Aus den Angaben der Schüler zu Beginn des 6. Schuljahres ließen sich keine Effekte ableiten. Das Programm wurde mittlerweile überarbeitet und im Themenfeld Ernährung und Bewegung intensiviert. Die hiermit vorgelegte Studie ging deshalb der Frage nach, ob sich das Bewegungs- und Ernährungsverhalten von Grundschulkindern durch das aktuelle Programm Klasse2000 positiv beeinflussen lassen. Dabei interessierten einerseits die Verzehrhäufigkeit spezifischer Lebensmittel und daraus abgeleitet das Erfüllen definierter Ernährungskriterien, andererseits das Bewegungsverhalten und die Bewegungsgewohnheiten der Kinder. Die Studie erfasst damit die bereits in der Studie von Hanewinkel untersuchten Parameter genauer und zu mehreren Zeitpunkten. Sie erweitert damit das Spektrum der Zielvariablen und kann Auskunft über längsschnittliche Entwicklungen geben. Da Bewegung und Ernährung nur in den beiden ersten Schuljahren vertieft bearbeitet werden, war aus Nachhaltigkeitsperspektive auch von Interesse, ob sich Effekte am Ende des dritten Schuljahres (also ein Jahr nach Abschluss der Themenschwerpunkte) nachweisen lassen.

Studiendesign und Untersuchungsmethoden

Studiendesign: Ergebnisevaluation

Der Studie zur Überprüfung der Effekte lag ein Warte-Kontrollgruppendesign zugrunde. Einbezogen wurden Grundschulen in Nordrhein-Westfalen (NRW), in denen das Programm bis Studienbeginn nicht durchgeführt wurde. Bis Ende 2013 konnten 63 Schulen für die Teilnahme an der Studie gewonnen werden. Schulen begannen nach Randomisierung entweder im Schuljahr 2013/14 (Interventionsgruppe; IG) oder ein Jahr später (Kontrollgruppe; KG) mit dem Programm. Als Anreiz für die Schulen wurden die Programmkosten von der „Mondelēz International Foundation“ übernommen. Unmittelbar nach der Randomisierung trat eine der Kontrollgruppe zugeloste Schule zurück, so dass 62 Schulen (32 IG, 30 KG) mit 128 Klassen in der Stichprobe verblieben.

Im Rahmen der hier präsentierten Ergebnisevaluation wurden sowohl Eltern als auch Kinder befragt; berichtet werden hier die Ergebnisse der Elternbefragung. Die befragten Eltern erhielten zu vier Messzeitpunkten einen standardisierten Fragebogen, der neben soziodemografischen Variablen u. a. das Bewegungs- und Ernährungsverhalten der Kinder erfasste. Die Basiserhebung t0 erfolgte in der Mitte des 1. Schuljahres vor Programmstart. Weitere Erhebungen erfolgten zum Ende des 1. Schuljahres, in der Mitte des 2. Schuljahres und zum Ende des 3. Schuljahres (Follow-up).

Studiendesign: Prozessevaluation

Im Rahmen der Prozessevaluation wurden die Schulleiterinnen und Schulleiter der beteiligten Interventions- und Kontrollschulen zu Beginn der Studie schriftlich befragt, um Basisinformationen über die Schule sowie die Zusammensetzung der Schüler- und Lehrerschaft zu erhalten. Zudem gaben die Schulleitungen Auskunft über den Stand der Gesundheitsförderung an ihrer Schule. Da die Umsetzung einer Intervention für den Interventionserfolg von Bedeutung ist [4, 5], füllten die Lehrer der Interventionsschulen am Ende eines Schulhalbjahres einen Dokumentations- und Bewertungsbogen aus, der u. a. Auskunft über die Umsetzung des Programms gab. So wurden die Lehrer gebeten anzugeben, in welchem Umfang die jeweilige Einheit umgesetzt wurde, wie auch Gründe für eine unvollständige Umsetzung erfragt wurden.

Stichprobe

3163 Eltern erhielten die Einladung, an der Studie teilzunehmen, 1743 Eltern gaben ihr schriftliches Einverständnis (55,1 %). Eine Schulklasse der Interventionsgruppe musste von der Studie ausgeschlossen werden, da die Einverständniserklärungen nicht zugeordnet werden konnten. Von den resultierenden Personen (n = 1725) füllten 1712 Eltern den Fragebogen zur Basiserhebung t0 aus (IG n = 915, KG n = 797). Von diesen beantworteten 828 Eltern (IG n = 429, KG n = 399; 48,4 % der Stichprobe zu t0) den Fragebogen zu allen vier Messzeitpunkten. Diese Stichprobe bildet die Basis für die folgenden Analysen.

Operationalisierung der Variablen

Zur Erfassung des Ernährungsverhaltens wurden in Anlehnung an den „Food Frequency Questionnaire“ (FFQ; [13]) Items formuliert, die die Verzehrhäufigkeit von 14 Lebensmitteln in den letzten 4 Wochen erfassten. Vorgegeben war ein 10-stufiges Antwortformat von „gar nicht“ bis „öfter als 5‑mal am Tag“. Auf der Basis der Antworten wurde ermittelt, wie viele Kinder folgende Kriterien gesunder Ernährung erfüllten:

  • 5 Portionen Obst und Gemüse am Tag; berücksichtigt wurden die Angaben für frisches Obst, gekochtes Obst/Obst aus der Konserve, gekochtes Gemüse und Blattsalat/Rohkost oder rohes Gemüse sowie maximal ein Glas Saft (Kriterium „Obst/Gemüse“),

  • mindestens 6 Gläser Wasser oder ungesüßter Tee am Tag (Kriterium „Wasser“),

  • maximal eine Portion Süßigkeiten pro Tag; Limonade wurde dabei wie eine Süßigkeit gewertet (Kriterium „Süßigkeiten“).

Die Bewegungsgewohnheiten wurden mit folgenden Items erfasst:

  • Die Bewegungsfreude wurde mit einem Einzelitem mit sechsstufiger bipolarer Skala von „1 = gar nicht bewegungsfreudig“ bis „6 = sehr bewegungsfreudig“ erfragt.

  • Die Einstellung zu Bewegung (Bewegungsvorlieben und -gewohnheiten) wurde mit dem „Netherlands Physical Activity Questionnaire for Young Children“ erfasst (NPAQ; 7 bipolare Items mit 5‑stufigem Antwortmodus [6]). Für die Studie wurden die englischsprachigen Items übersetzt, adaptiert und getestet. Hohe Skalenwerte indizieren eine hohe Bewegungsaffinität.

  • Der übliche Transport zur Schule wurde für vier Verkehrsmittel erfragt („Wie kommt Ihr Kind üblicherweise zur Schule?“ Antwortvorgaben: Fahrrad/Tretroller; Auto; öffentliche Verkehrsmittel/Schulbus; zu Fuß). In die Analysen ging ein dichotomisiertes Item (aktiver vs. passiver Schulweg) ein.

  • Die Häufigkeit des Spiels im Freien, des Sports im Verein sowie des Sports außerhalb eines Vereins wurde jeweils separat erfragt (5-stufiges Antwortformat von „[fast] jeden Tag“ bis „nie“; [6]). Diese Items wurden dichotomisiert (fast tägliches Spiel im Freien vs. seltener, mindestens einmal wöchentlich Sport innerhalb oder außerhalb eines Vereins vs. seltener).

Auswertungsstrategie Ergebnisevaluation

Bei Variablen mit metrischem Skalenniveau wurde zunächst geprüft, ob sich zu t0 Geschlechterunterschiede oder Unterschiede nach Migrationshintergrund für die interessierenden Variablen zeigen. Da dies bei keiner Variablen der Fall war, wurden zweifaktorielle Varianzanalysen mit Messwiederholung ohne Kovariaten durchgeführt.

Für die Analysen der Variablen mit kategorialem Datenniveau wurden jeweils auf individueller Ebene Variablen gebildet, die die Differenz zwischen t0 und t3 abbilden. Die Variable ging mit drei Ausprägungen in eine logistische Regression ein: Verhalten ist unverändert (Referenzkategorie); Verhalten hat sich verbessert; Verhalten hat sich verschlechtert. Die Analysen wurden ergänzend geschlechtergetrennt durchgeführt. Da keine Unterschiede beobachtet werden konnten, werden die Ergebnisse für die Gesamtgruppe berichtet.

Ergebnisse

Teilnehmende Schulen: Gesundheitsförderungsaktivitäten

Zur Beurteilung der Effekte des Programms Klasse2000 ist eine Kenntnis des Standes der Gesundheitsförderung in den teilnehmenden Schulen unabdingbar. Auf der Basis des Schulleiterfragebogens lässt sich festhalten, dass über die Hälfte der Schulen (50,8 %) zum ersten Befragungszeitpunkt einen Schwerpunkt im Bereich Gesundheit hatte. Drei Viertel der Schulen (73,8 %) führten regelmäßig Projekte oder Maßnahmen im Bereich Gesundheitsförderung und/oder Prävention durch. Die thematischen Schwerpunkte lagen bei Aktivitäten zur Kommunikation und Konfliktbewältigung sowie zur Ernährung und zu Sport/Bewegung.

Umsetzung des Programms

Die Auswertung der Dokumentationsbögen zeigt, dass der Umfang der Einheiten häufig gekürzt oder Stunden ausgelassen wurden, wenn sie inhaltlich ähnlich bereits in anderer Form an der Schule durchgeführt wurden (z. B. Schulfrühstück). Im ersten Schuljahr wurden je nach Thema zwischen 37,1 und 64,5 % der Inhalte vollständig umgesetzt. Im zweiten Schuljahr lag die Spannbreite zwischen 17,2 und 65,5 %, im dritten Schuljahr bei 13,2–62,7 %. Die angeführten Gründe beziehen sich zumeist darauf, dass das Programm (bzw. einzelne Stunden) als zu umfangreich wahrgenommen werden, zum Ende des Schuljahres die Zeit meist nicht mehr für eine vollständige Umsetzung ausreicht und für die eigene Schulklasse häufig Anpassungen notwendig sind.

Beschreibung der Stichprobe

Der Jungenanteil betrug 45,4 %, das Durchschnittsalter lag bei knapp 7 Jahren. Das Bildungsniveau war hoch: 44,6 % der Mütter und 41,7 % der Väter hatten Abitur (Tab. 1). Bei 20,4 % der Kinder hatten beide Eltern einen Migrationshintergrund, bei 17,1 % hatte ein Elternteil einen Migrationshintergrund (definiert als nicht in Deutschland geboren und/oder nicht die deutsche Staatsangehörigkeit besitzend).

Tab. 1 Beschreibung der Stichprobe (Erhebungszeitpunkt t0; Angaben in Prozent)

Drop-out-Analyse

Im Rahmen einer Drop-out-Analyse wurde überprüft, ob sich die Kinder, von denen zu allen vier Erhebungszeitpunkten Elternfragebögen vorlagen von den Kindern unterscheiden, für die mindestens ein Elternfragebogen fehlt („drop out“). Der Anteil der Dropouts ist in der IG mit 68,3 % nicht signifikant höher als in der KG (66,8 %). Für soziodemografische Variablen lässt sich festhalten, dass Kinder der KG etwas älter sind (6,94 vs. 6,88 Jahre; t[2472] = −3,025; p = 0,003). Sowohl Vater (29,8 % vs. 38,1 %; χ2 = 16,67; df = 1, p < 0,001) als auch Mutter (28,1 % vs. 33,4 %; χ2 = 15,31, df = 1, p < 0,001) haben in der Gruppe der Dropouts häufiger einen Migrationshintergrund. Auch in Bezug auf den Bildungshintergrund finden sich Unterschiede: Mütter und Väter der Kinder, die nicht zu allen Erhebungszeitpunkten an der Befragung teilnahmen, haben häufiger einen niedrigeren Schulabschluss (Mütter: χ2 = 31,31, df = 4, p < 0,001; Väter: χ2 = 17,02, df = 4, p = 0,002). Geschlechtsunterschiede finden sich nicht.

Mit Blick auf die Outcomes findet sich für eine der Bewegungsvariablen ein Unterschied: Signifikant weniger Kinder der Gruppe der Dropouts treiben mindestens einmal pro Woche Sport in Verein (60,1 % vs. 68,1 %; χ2 = 14,61, df = 1, p < 0,001).

Veränderung des Ernährungsverhaltens

Zu t0 erreichten 27,8 % der Kinder das Kriterium „Obst/Gemüse“ und 28,8 % das Kriterium „Wasser“. 80,5 % erreichten das Kriterium „Süßigkeiten“. Während sich beim Obst-/Gemüsekonsum und beim Wasserkonsum die Kinder der Interventions- und der Kontrollgruppe zu t0 nicht voneinander unterscheiden, findet sich für den Konsum von Süßigkeiten ein signifikanter Unterschied zugunsten der Kontrollgruppe (χ2 = 8,11; p = 0,004; Tab. 2).

Tab. 2 Bewegungs- und Ernährungsverhalten zu t0: Vergleich Interventions- und Kontrollgruppe

Für jedes Kriterium lässt sich festhalten, dass bei gut drei Viertel der Kinder das Verhalten zwischen t0 und t3 stabil war (Tab. 3). Bei 12,5 % der IG und 13,3 % der KG verbesserte sich der Obst- und Gemüsekonsum, bei 11,0 % der IG und 16,7 % der KG verschlechterte er sich. Der Unterschied in Bezug auf die Verschlechterung ist statistisch signifikant (OR = 0,60; p = 0,018). In Bezug auf das Kriterium „Wasser“ zeigen sich keine signifikanten Unterschiede zwischen IG und KG: 12,1 % der Kinder der IG und 11,9 % der KG verbesserten sich, 9,9 % der IG und 11,3 % der KG verschlechterten sich.

Tab. 3 Veränderungen im Ernährungsverhalten zwischen t0 und t3 (prozentuale Häufigkeiten und Ergebnisse der logistischen Regressionen)

Für das Kriterium „Süßigkeiten“ zeigt sich, dass sich 13,0 % der Kinder der IG und 7,1 % der KG verbesserten. Das Odds Ratio von OR = 1,79 ist statistisch signifikant (p = 0,019). 7,5 % der IG und 15,0 % der KG verschlechterten sich im Süßigkeitenkonsum. Auch dieser Unterschied (OR = 0,49) ist statistisch signifikant (p = 0,002).

Veränderung der Bewegungsgewohnheiten

Bewegungsfreude und Bewegungsgewohnheiten wurden bereits zu t0 hoch eingeschätzt und waren sowohl in der IG wie auch der KG stabil. Signifikante Interaktionseffekte lassen sich weder für die mit dem NPAQ gemessene Einstellung zu Bewegung, noch für die mit dem Einzelitem erfasste Bewegungsfreude nachweisen (Tab. 4).

Tab. 4 Veränderung der Bewegungsfreude und Einstellung zu Bewegung der Kinder (Mittelwerte [Standardfehler])a

Zu Beginn der Studie legten 62,4 % der Kinder den Schulweg zu Fuß, mit dem Fahrrad oder mit dem Tretroller zurück (Tab. 5); Interventions- und Kontrollgruppe unterscheiden sich nicht signifikant. Bei 4 von 5 Kindern (80,4 %) war das Verhalten stabil. Bei 14,2 % der Kinder der IG und 15,1 % der Kinder der KG zeigte sich eine Veränderung vom passiven hin zum aktiven Schulweg (Unterschied nicht-signifikant). Bei 3,3 % der Kinder der IG und 6,8 % der Kinder der KG konnte eine Veränderung in umgekehrter Richtung beobachtet werden. Das Odds Ratio mit OR = 0,46 ist statistisch signifikant (p = 0,023).

Tab. 5 Veränderungen im Bewegungsverhalten zwischen t0 und t3 (prozentuale Häufigkeiten und Ergebnisse der logistischen Regressionen)

Gut die Hälfte der Kinder (58,4 %) spielte zu t0 (fast) täglich im Freien (kein Unterschied zwischen IG und KG zu t0). Bei zwei Dritteln (66,7 %) war das Verhalten zwischen t0 und t3 stabil. 26,2 % der Kinder der IG und 24,2 % der Kinder der KG erhöhten im Interventionszeitraum ihre Aktivitäten (n. s.); 8,4 % der Kinder der IG und 7,8 % der Kinder der KG reduzierten ihre Aktivitäten (n. s.).

Jeweils 68,1 % der Kinder der IG und KG trieben zu t0 mindestens einmal pro Woche Sport im Verein. Bei drei Viertel (76,2 %) der Kinder zeigte sich hier keine Veränderung. 16,0 % der Kinder der IG und 14,1 % der Kinder der KG gingen zu t3 vermehrt sportlichen Aktivitäten im Verein nach (n. s.), bei 6,9 % der Kinder der IG und 10,6 % der KG reduzierten sich die Aktivitäten im Vereinssport (n. s.).

54,6 % der Kinder waren zu t0 außerhalb eines Vereins sportlich aktiv (kein Unterschied zwischen IG und KG zu t0). Bei gut zwei Dritteln (67,3 %) war das Verhalten stabil. Während bei 19,2 % der Kinder der IG das sportliche Verhalten außerhalb eines Vereins stieg, waren es in der KG 22,2 %, bei denen sich diese Erhöhung der Aktivität aufzeigen ließ (n. s.). Eine Reduktion der Aktivitäten fand sich bei 13,3 % der IG und 10,8 % der KG (n. s.).

Diskussion

Die Ergebnisse zeigen, dass das Programm Klasse2000 sowohl auf das Ernährungs- wie auch das Bewegungsverhalten Effekte ausübt, diese fallen aber gering aus und liegen vor allem in einem Schutz vor einer Verschlechterung des Verhaltens und weniger in einer Verbesserung. Für den Süßigkeitenkonsum zeigt sich eine Wirkung in beide Richtungen: In der Interventionsgruppe ist der Anteil der Kinder größer, deren Süßigkeiten- und Softdrinkkonsum sich im 2,5-jährigen Interventionszeitraum verbessert, wie sich auch weniger Kinder der Interventionsgruppe im Konsum von Süßigkeiten und Softgetränken verschlechtern. Das Programm Klasse2000 trägt also sowohl zu einer Verbesserung des Verhaltens bei, als es auch vor einer Verschlechterung schützt. Eine ähnliche Schutzfunktion zeigt sich auch für den Obst- und Gemüsekonsum: Hier ist der Anteil der Kinder, deren Ernährungsverhalten sich verschlechtert, in der Kontrollgruppe signifikant größer als in der Interventionsgruppe. Ein signifikanter Unterschied in Bezug auf die Verbesserung des Verhaltens lässt sich nicht beobachten. Dies gilt ebenfalls für den Wasserkonsum.

Auch im Bewegungsverhalten lässt sich punktuell ein Effekt aufzeigen. Zwar finden sich keine Unterschiede in der Bewegungsfreude und den Bewegungsgewohnheiten – hier müssen Deckeneffekte berücksichtigt werden –, aber Interventions- und Kontrollgruppe unterscheiden sich im Transportmodus. Bereits zu t0 wählen zwei Drittel der Kinder einen aktiven Transport, und im Laufe der Grundschulzeit nimmt der aktive Transport noch zu. Nur ein geringer Teil der Kinder verändert einen aktiven Transport zur Schule in einen passiven, aber dieser Anteil ist bei den Kindern der Kontrollgruppe signifikant größer. Auf das Spielen im Freien sowie Sport innerhalb und außerhalb eines Vereins übt das Programm keinen Effekt aus.

Die Befunde sind vor dem Hintergrund der weiteren Gesundheitsförderungsaktivitäten zu diskutieren. NRW gehört zu den Bundesländern, die die Gesundheitsthematik in die Schul- und Bildungspolitik des Landes umfassend integriert haben. So hat NRW z. B. das Programm „Bildung und Gesundheit“ aufgelegt [9] und das Land beteiligt sich am EU-Schulobst- und -Gemüseprogramm. Das hohe Engagement der Schulen im Gesundheitsbereich zeigt sich auch in der Evaluationsstudie: Drei Viertel der befragten Schulen führen regelmäßig Maßnahmen der Gesundheitsförderung durch, über die Hälfte hat Gesundheit als Schwerpunkt im Schulprogramm verankert. Methodisch stellt sich hierdurch die Herausforderung, dass das Programm Klasse2000 gegen eine breite Vielfalt anderer Gesundheitsförderungsaktivitäten getestet wird und auch in den teilnehmenden Interventionsschulen weitere Gesundheitsförderungsaktivitäten umgesetzt werden. Dies führt auch dazu, dass nicht alle Stunden des Klasse2000-Manuals vollständig umgesetzt werden. Die Bedeutung der Programmtreue wird in der Literatur kontrovers diskutiert. Während einige Autoren für die strikte Einhaltung des Konzepts plädieren, um möglichst große Wirkungen zu erzielen, betonen andere die Anpassungsfähigkeit eines Angebots an den jeweiligen Kontext als Vorteil eines Programms (zusammenfassend s. [15]). Methodisch wird in Evaluationsstudien allerdings der Nachweis von Effekten erschwert, wie sich auch in der vorliegenden Studie zeigt. Dass unter diesen Voraussetzungen dennoch Effekte des Programms Klasse2000 nachgewiesen werden können – auch wenn diese gering sind – und diese auch nach Beendigung der Schwerpunktthemen aufscheinen (Bewegung und Ernährung stehen nur in den beiden ersten Schuljahren im Zentrum), unterstreicht die Effektivität des Programms. Im Vergleich zu anderen, meist kurzzeitigen und themenspezifischen Angeboten erzielt Klasse2000 einen Mehrwert.

Stärken und Limitationen der Studie

Mit der Evaluationsstudie liegt eine Untersuchung vor, die mittels eines Warte-Kontrollgruppendesigns die Effekte der Intervention untersucht hat. Als Stärken der Studie sind die Randomisierung von Schulen, die zuvor nicht das Programm durchgeführt hatten sowie die Länge des Erhebungszeitraums mit einem Follow-up 2,5 Jahre nach Beginn der Intervention zu nennen. Gleichwohl sind Aussagen über die Langfristigkeit der Wirkung über diesen Zeitraum hinaus nicht möglich.

In der Bewertung ist als wichtigste Limitation zu berücksichtigen, dass die Studie nur in Nordrhein-Westfalen durchgeführt wurde. Gesundheitsförderungsthemen sind hier in der Bildungslandschaft breit verankert, so dass offen bleiben muss, welche Effekte in anderen Regionen nachzuweisen wären. Es kann vermutet werden, dass Interventionseffekte in Schulen und Regionen mit geringer schulischer Gesundheitsförderung noch deutlicher zutage treten würden.

Ausblick

Mit dem Eintritt in die Grundschule und mit zunehmender Eigenständigkeit der Kinder verschlechtert sich das Gesundheitsverhalten in vielen Bereichen. Schulische Gesundheitsförderung kann dazu beitragen, das Gesundheitsverhalten zu stabilisieren und einer Verschlechterung des Verhaltens entgegen zu wirken. Voraussetzung hierfür ist, dass die Angebote einen ausreichenden Umfang haben und sich über einen längeren Zeitraum erstrecken, wie es bei Klasse2000 mit einer Dauer von 4 Schuljahren und bis zu 14 Unterrichtseinheiten pro Schuljahr der Fall ist. Inwiefern die Effekte nachhaltig sind, kann nur mit weiteren Follow-up-Erhebungen ermittelt werden.

Fazit für die Praxis

  • Gesundheitsförderung ist an Grundschulen weit verbreitet.

  • Universelle Gesundheitsförderungsangebote wie Klasse2000 können vor einer Verschlechterung des Ernährungs- und Bewegungsverhaltens schützen.

  • Voraussetzung ist, dass das Programm eine lange Laufzeit und einen hinreichenden Umfang hat.