Mit dem Ziel, einen europäischen Wissensraum zu gestalten, sind seit 2000 Bemühungen im Gange, eine bessere Vergleichbarkeit von Bildungsabschlüssen und erworbenen Kompetenzen innerhalb von Europa zu schaffen. Ein wichtiger Schritt darin war die Verabschiedung des Europäischen Qualifikationsrahmens für lebenslanges Lernen (EQR) durch die EU-Kommission im Jahr 2008. Neben nationalen Qualifikationsrahmen beziehen sich auch sektorale Qualifikationsrahmen auf diese Referenz. Für die Studiengänge der Gesundheitswissenschaften, Public Health und Gesundheitsförderung gab es einen solchen sektoralen Rahmen bislang weder national noch auf europäischer Ebene.

Hintergrund

Durch den Bologna-Prozess vollzogen sich seit dem letzten Jahrzehnt starke Veränderungen des Studiensystems an den Hochschulen [9, 29]. Mit dem Ziel der Gestaltung eines europäischen Wirtschafts- und Bildungsraums erfolgte die Einrichtung von gestuften Bachelor- und Masterstudiengängen, die Einführung des Leistungspunktesystems (ECTS) und die Abbildung von Bildungsprozessen im Kontext von Qualifikationsrahmen [8, 15, 16]. Diese Entwicklung sowie das bildungspolitische Ziel, die Quote an HochschulabsolventenFootnote 1 in Deutschland zu erhöhen, begünstigten, dass sich an Fachhochschulen und Universitäten gesundheitswissenschaftliche Studiengänge etablieren konnten. Begründet wurde die Einrichtung der Studienangebote mit den veränderten Herausforderungen an das Gesundheitswesen [6, 20, 26, 30] und einer notwendigen Neuorientierung auf Prävention und Gesundheitsförderung [4, 5, 10, 21]. Eine aktuelle Bestandsaufnahme der Studiengänge mit Abschlüssen in den Bereichen Gesundheitswissenschaften, Public Health und Gesundheitsförderung zeigt 13 Bachelor- und 30 Masterangebote [13]. Dabei werden diese drei Studiengangsbezeichnungen in den Studienkonzepten so wenig differenziert, dass sie im Folgenden als eine disziplinäre Einheit betrachtet und als gesundheitswissenschaftliche Studiengänge bezeichnet werden.

Die uneinheitliche Verwendung von Abschlussbezeichnungen und die den einzelnen Studiengängen zugrunde liegenden Konzeptionen führen dazu, dass im nationalen Kontext zumindest sektoral das verloren geht, was im europäischen Rahmen angestrebt wird: eine Vergleichbarkeit und Transparenz der Kompetenzen, die von Absolventen zu erwarten sind. Vor diesem Hintergrund entstand die Idee, Methoden der europäischen Konsensbildung im Hochschulbereich aufzugreifen, um ein gemeinsames Abschlussprofil der Studiengänge der Gesundheitswissenschaften, Public Health und Gesundheitsförderung zu erstellen. Ziel ist es, auf Basis der europäischen Entwicklungen einen gemeinsamen sektoralen Fachqualifikationsrahmen auszuarbeiten, der ihre Vergleichbarkeit auf Bachelor- bzw. Masterebene und eine Orientierung für curriculare Entwicklungen im Rahmen von Akkreditierungsprozessen ermöglicht. Obwohl die 14 Studiengänge der Gesundheitsförderung nur einen Teilbereich der multidisziplinären Gesundheitswissenschaften darstellen, findet zur Vereinfachung im Folgenden der Begriff „gesundheitswissenschaftliche Studiengänge“ seine Anwendung.

Grundlagen und Ziele der Entwicklung von Qualifikationsrahmen

Im Jahr 2008 haben die Bildungsminister der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union (EU) und das Europäische Parlament mit dem Europäischen Qualifikationsrahmen für lebenslanges Lernen (EQR) ein Bezugssystem zur Schaffung von Transparenz und Vergleichbarkeit von Kompetenzen und Qualifikationen in Europa beschlossen [11]. Die Festlegung von Mindeststandards in der beruflichen Qualifikation zielt auf eine Verbesserung der Zusammenarbeit der Mitgliedsstaaten der EU durch eine Annäherung der Bildungssysteme und der beruflichen Qualifikationen. In Deutschland verabschiedeten Bund und Länder im Jahr 2011 den Deutschen Qualifikationsrahmen (DQR, [1]). Dieser beschreibt entlang der Abschlüsse auf den acht europäisch vorgegebenen Niveaustufen die im deutschen Bildungssystem zu erwerbenden Kompetenzen und Qualifikationen [8]. Die Hochschulrektorenkonferenz (HRK) definiert Qualifikationsrahmen mit den akademischen Stufen 6 (Bachelor), 7 (Master) und 8 (Promotion) als „Strukturen zur Entwicklung, Beschreibung und Systematisierung der Beziehungen von Qualifikationen“ [16, S. 232].

Qualifikationsrahmen charakterisieren Lernergebnisse bzw. Kompetenzbündel, durch die ein Qualifikationsniveau gekennzeichnet werden kann. Dazu gehören die Auflistung der Lernergebnisse und die Darstellung der Kompetenzen und Fertigkeiten, über die ein Absolvent verfügen sollte [16]. Mit jeder Qualifikationsstufe erweitert sich der Entscheidungsspielraum vor dem Hintergrund der dafür notwendigen wissenschaftlichen Kenntnisse und Kompetenzen. Darüber hinaus nimmt die Komplexität der zu berücksichtigenden Fakten zu [5].

Im Rahmen des traditionellen Studiensystems erfolgte die Beschreibung von erworbenen Qualifikationen über Zugangsvoraussetzungen, Lerninhalte und Lerndauer. Der Bologna-Prozess zielt auf die Stärkung der Beschäftigungsfähigkeit („employability“), die die Ausbildung berufsbefähigender Kompetenzen von Absolventen der Bachelor- und Masterstudiengänge als Ergebnis akademischer Bildungsprozesse fokussiert [17, 32]. Der im DQR verwendete Kompetenzbegriff umfasst die Fähigkeit und Bereitschaft, Kenntnisse und Fertigkeiten sowie persönliche, soziale und methodische Fertigkeiten in Arbeits- und Lernsituationen einzubeziehen. Kompetenz wird auf dieser Grundlage als Handlungsbefähigung im beruflichen Kontext verstanden. Im Rahmen des DQR finden die Kompetenzkategorien Fachkompetenz (Wissen und Fertigkeiten) und personale Kompetenz (Sozial- und Selbstkompetenz) Anwendung [1]. Die Lernwege zur Erreichung dieser Kompetenzen sind auf der Grundlage des jeweiligen Studienfachs unterschiedlich und durch Fachqualifikationsrahmen (FQR) auszuführen [16]. Im EQR wird Kompetenz dagegen als Übernahme von Verantwortung und Selbständigkeit bezeichnet und von Kenntnissen und Fertigkeiten unterschieden.

Qualifikationsrahmen dienen der besseren Vergleichbarkeit von erworbenen Handlungsbefähigungen über nationale Grenzen und formelle wie informelle Ausbildungsformen hinweg und werden deshalb als Voraussetzung für die Mobilität von Arbeitskräften verstanden. Qualifikationsrahmen fördern die Anerkennung der lebenslangen Lernprozesse und bieten zugleich einen neuen curricularen Referenzrahmen für die Konzeption und Akkreditierung von Ausbildungs- und Studienprogrammen.

Entwicklung eines Gesundheitswissenschaftlichen Qualifikationsrahmens

Für die Hochschulen folgte aus der Initiative zum DQR die Anregung, in jedem Studienfach für die Stufen 6 (Bachelor), 7 (Master) und 8 (Promotion) gemeinsame sektorale Qualifikationsrahmen zu erarbeiten, in denen die fachspezifischen Kompetenzen für einzelne Berufsgruppen beschrieben sind.

Die Entwicklung eines Gesundheitswissenschaftlichen Fachqualifikationsrahmen zielt auf die Beschreibung spezifischer Kompetenzen im differenzierten Handlungsfeld der nicht medizinischen Primärprävention sowie der Gesundheitsförderung in Bevölkerungsgruppen. Die diesen Kompetenzen zugrunde liegenden Anforderungen können durch den „Public Health Action Cycle“ (PHAC) wiedergegeben werden. Der Handlungszyklus des PHAC gliedert die gesundheitsbezogenen Interventionen in die folgenden vier Phasen:

  1. 1.

    Analyse des Interventionsbedarfs („assessment“),

  2. 2.

    Entwicklung von Interventionsstrategien („policy development“),

  3. 3.

    Sicherstellung der Rahmenbedingungen und Umsetzung der Maßnahmen („assurance“),

  4. 4.

    Bewertung des Erfolgs der Intervention („evaluation“), [31].

Der PHAC entspricht einem systematischen Handeln, wie es auch mit anderen Handlungszyklen beschrieben werden kann. Er eignet sich für die Strukturierung von Interventionen aus einer primär bevölkerungsbezogenen Perspektive und kann Maßnahmen auf allen fünf Handlungsebenen der Ottawa-Charta der Gesundheitsförderung (d. h. Entwicklung einer gesundheitsfördernden Gesamtpolitik, gesundheitsfördernde Lebenswelten schaffen, Gesundheitsdienste neu orientieren, gesundheitsbezogene Gemeinschaftsaktionen unterstützen, persönliche Kompetenzen entwickeln) abbilden [19]. Grundsätzlich lässt sich der PHAC auch auf Ansätze zur Verbesserung der Gesundheit von Teilgruppen und Individuen beziehen.

Methodik

Im Prozess der Entwicklung des Fachqualifikationsrahmens für die Studienbereiche Gesundheitswissenschaften, Public Health und Gesundheitsförderung, im Folgenden Gesundheitswissenschaftlicher Qualifikationsrahmen (GQR) genannt, werden die vier Phasen des PHAC mit den fünf Dublin-Deskriptoren verknüpft [18]. Die Dublin-Deskriptoren dokumentieren, auf welcher Ebene Entscheidungen getroffen werden und wie wissenschaftlich fundiert dafür die notwendigen Kenntnisse der Akteure sein müssen. Die Entwicklung und Verabschiedung erfolgte durch die „Joint Quality Initiative“, einem informellen europäischen Netzwerk zur Definition der Qualifikationen von Bachelor- und Masterstudiengängen [16]. Dort werden die Fachkompetenzen und die personalen Kompetenzen auf den einzelnen Qualifikationsstufen bestimmt. Tab. 1 zeigt einen Überblick zu den Kompetenzniveaus der Dublin-Deskriptoren im Bereich der Bachelor- und Masterstudiengänge [15]. Dublin-Deskriptoren sind grundsätzlich kompatibel mit den Deskriptoren, die im EQR benutzt werden.

Tab. 1 Kompetenzniveaus der Dublin-Deskriptoren

Um zu differenzieren, welche Bedeutung die Gesundheitswissenschaften für das jeweilige Arbeitsgebiet haben, bietet es sich an, die Unterteilung von Griffiths u. Dark [12] zugrunde zu legen. Beide unterscheiden zunächst zwischen Spezialisten und Generalisten. Auf der zweiten Ebene differenzieren sie zwischen einem primär bevölkerungsbezogenen Blick auf Gesundheit und dem Ansatz, eher die Gesundheit von Individuen verbessern zu wollen. Der GQR sollte für die Spezialisten gelten und eine Zuordnung zu einem entweder eher bevölkerungsbezogenen oder einem eher individuellen Konzept ermöglichen.

Die Entwicklung des GQR erfolgte in einem mehrjährigen Prozess unter dem Dach des Kooperationsverbundes „Hochschulen für Gesundheit e. V.“. Die Auswahl der Hochschulen erfolgte interessenbasiert und freiwillig auf Basis eines Aufrufs unter den deutschsprachigen Mitgliedshochschulen (n = 37) des Kooperationsverbundes. Insgesamt beteiligten sich acht deutsche Hochschulen und ein Schweizer Hochschulstandort, die im Bereich der Gesundheitswissenschaften ausbilden. An der Entwicklung des GQR für den Bachelor und Master waren dies die HS Fulda, HS Magdeburg-Stendal, PH Heidelberg und die Universität Flensburg. Jeweils für den Bachelor die PH Schwäbisch Gmünd, für den Master die FH Olten, FU Berlin, PH Freiburg und Universität Bielefeld. Die Koordination der Arbeitsgruppe übernahm die Hochschule Magdeburg-Stendal (Standort Magdeburg, [2225]). Die zentralen Entwicklungsschritte zur Genese des GQR sind in Tab. 2 dargestellt.

Tab. 2 Entwicklungsschritte der Genese des GQR

Anregungen für den Entwicklungsprozess gab der bereits existierende FQR für die Soziale Arbeit [16]. Zunächst wurde eine 20 Felder umfassende Matrix entwickelt, die sich aus der oben beschriebenen Kombination des PHAC auf der horizontalen und der Dublin-Deskriptoren auf der vertikalen Ebene ergab. Entsprechend der Differenzierung von Griffiths u. Dark [12] wurden die neun beteiligten Hochschulen in einem ersten Schritt gebeten, zu klären, ob sie im Schwerpunkt für individuelle oder bevölkerungsbezogene Ansätze der Gesundheitsförderung, Gesundheitswissenschaften und Public Health ausbilden. Auf dieser Basis sollte anschließend die Matrix gemäß der curricularen Vorstellungen der Hochschulen jeweils für die Niveaustufe 6 (Bachelor) und für die Niveaustufe 7 (Master) ausgefüllt werden. Dabei galt es zu klären, welche Entscheidungen Absolventen in den einzelnen Handlungssträngen entsprechend der Dublin-Deskriptoren treffen, welches Wissen und Verstehen dafür notwendig ist und was dies für die Kommunikation und die Lernstrategien bedeutet. Da die Hochschulstandorte überwiegend angaben, sowohl für eine bevölkerungsbezogene Perspektive als auch zugleich für individuelle Ansätze der Gesundheitsförderung zu qualifizieren, wurde diese Differenzierung aufgegeben.

Die Angaben wurden in einer Synopse inhaltsanalytisch gegenübergestellt und untersucht. Diese Analyse zielte auf die Entwicklung von Formulierungen, die einen Konsens ermöglichen. Die inhaltsanalytische Auswertung erfolgte sowohl qualitativ als auch quantitativ. Während bei der qualitativen Inhaltsanalyse davon ausgegangen wird, dass alle relevanten Daten im Material enthalten sind und für die Beantwortung der Forschungsfrage zu extrahieren sowie in ein Struktursystem zu überführen sind, steht in der quantitativen Inhaltsanalyse die Auszählung manifester Inhalte (z. B. mittels einer Frequenzanalyse) im Vordergrund [27, 28].

Da das Kategoriensystem mit der Matrix aus den Phasen des PHAC und den Dublin-Deskriptoren bereits vorlag und das Material somit wesentlich vorstrukturierte, konzentrierte sich die Auswertung auf die Zusammenführung und Reduktion der in den einzelnen Feldern getätigten Angaben. Primäres Ziel war es, Gemeinsamkeiten in den Angaben der Hochschulen herauszuarbeiten und in geeignete Formulierungen zu überführen. Die Auswertung erfolgte in einem iterativen Vorgehen, indem die Autoren zunächst unabhängig voneinander das Material analysierten und anschließend diskursiv in verschiedenen Schleifen zusammenfassten. Nach Abschluss dieser Auswertungsphase wurde das Ergebnis mit allen beteiligten Hochschulen diskutiert und auf Basis der Rückmeldung verfeinert.

Ergebnisse

Für Bachelorstudiengänge liegt ein konsensuell verabschiedeter GQR vor (Tab. 3). Absolventen von gesundheitswissenschaftlichen Bachelorstudiengängen sollten demnach in der Lage sein

Tab. 3 Synopse des GQR für die Bachelorstudiengänge Gesundheitswissenschaften, Public Health und Gesundheitsförderung in Deutschland
  • aus vorhandenen und selbst erhobenen Daten Schlussfolgerungen über individuelle und bevölkerungsbezogene Gesundheitsressourcen, Gesundheitsrisiken und Gesundheitsbelastungen zu ziehen, um unter Berücksichtigung der Einflüsse von sozialer Ungleichheit einen Bedarf an Maßnahmen nach wissenschaftlichen, sozialen und ethischen Gesichtspunkten zu begründen und dabei insbesondere Einflüsse von horizontaler und vertikaler sozialer Ungleichheit zu berücksichtigen,

  • auf der Basis von Daten und Theorien geeignete Strategien und Maßnahmen zu entwickeln und an die alltäglichen und projektbezogenen Rahmenbedingungen anzupassen sowie die dabei entstehenden Probleme zu reflektieren,

  • Entscheidungen für Interventionen bei spezifischen Zielgruppen zu treffen und zu reflektieren, welche Auswirkungen die Veränderungen auf andere gesundheitliche und soziale Bereiche haben könnten sowie Prioritäten unter sozialen und ethischen Gesichtspunkten zu setzen,

  • den Erfolg von Interventionen empirisch gestützt zu beurteilen und unter Berücksichtigung ethischer, wissenschaftlicher und sozialer Belange zu bewerten,

Für die wesentlich heterogeneren Masterstudiengänge konnte nur ein Entwurf entwickelt werden, der weitere Diskussionen mit einem größeren Kreis von Standorten erfordert, die vergleichbare Studiengänge anbieten (Tab. 4). Da sich zu dem Zeitpunkt der Erstellung des Fachqualifikationsrahmens zahlreiche Masterstudiengänge in einer Umbruchsphase befanden, haben sich zu wenig Standorte an dem Entwicklungsprozess beteiligen können.

Tab. 4 Entwurf einer Synopse des GQR für die Masterstudiengänge Gesundheitswissenschaften, Public Health und Gesundheitsförderung in Deutschland

Diskussion

Studiengänge der Gesundheitswissenschaften bilden nicht für geregelte Berufe des Gesundheitswesens aus und können sich deshalb nicht auf staatliche Vorgaben beziehen. Während dies für das Gesundheitswesen eher die Ausnahme darstellt, ist es für die Mehrzahl der Studiengänge in Deutschland der Normalfall. Anders als für die etablierten Fächer wie Medizin, Psychologie oder Soziale Arbeit existieren für die Gesundheitswissenschaften keine Fakultäts- oder Fachbereichstage, die einen Austausch über anzustrebende Lernergebnisse ermöglichen würden. Solche Funktionen übernehmen bislang eher Fachgesellschaften, wie die Deutsche Gesellschaft für Public Health (DGPH), die sich bislang allerdings nur zu Inhalten der Public-Health-Ausbildung, nicht jedoch zu Lernergebnissen geäußert hat.

Mit der Synopse des GQR für die akademische Stufe 6 (Bachelor) wurde ein Rahmenkonzept für die curriculare Konzipierung der Bachelorstudiengänge in den Gesundheitswissenschaften erstellt. Eine wesentliche Limitation ist darin zu sehen, dass es nicht gelungen ist, alle relevanten Hochschulstandorte aus Deutschland in den Diskussionsprozess einzubeziehen. Es bleibt daher offen, ob der für die Bachelorebene erzielte Konsens tatsächlich bundesweit trägt oder die Auswahl von Hochschulstandorten zufällig ein größeres Maß an Ähnlichkeiten bietet, als dies bei Einbezug aller relevanten Bachelorstudiengänge der Fall wäre [13]. Dafür spricht, dass ein vergleichbarer Konsensprozess auf der Masterebene bisher noch nicht gelungen ist. Darüber hinaus sind Aussagen zur Gültigkeit des hier vorgestellten GQR für den Hochschulraum außerhalb Deutschlands (Österreich, Schweiz) derzeit nicht möglich, da sich lediglich eine Hochschule aus der Schweiz an der Entwicklung des GQR beteiligt hat. Folglich sind in den Prozess der Weiterentwicklung des GQR verstärkt weitere Hochschulen aus dem deutschsprachigen Ausland einzubeziehen.

Die inhaltliche Betrachtung auf der Bachelorebene zeigt, dass sowohl der Beurteilung von wissenschaftlich erhobenen Daten (s. Dublin-Deskriptor „making judgements“) als auch der Abwägung möglicher Auswirkungen unter ethischen und sozialen Gesichtspunkten eine hohe Bedeutung zugesprochen wird. Daraus wäre u. a. zu folgern, dass Methoden der empirischen Forschung, der Epidemiologie und der Ethik Gegenstand aller gesundheitswissenschaftlichen Bachelorstudiengänge sein müssten.

Eine Zuordnung, in welchen Modulen welche der geforderten Kompetenzen vermittelt werden, wäre ein nächster Schritt, der an den einzelnen Hochschulstandorten zu vollziehen wäre. Mit dem Ziel der qualitativen Weiterentwicklung der Studienangebote gilt es, die Modulkataloge auf die in den Synopsen abgebildeten Kompetenzbereiche zu überprüfen und entsprechend zu modifizieren. Die Entwicklung und Umsetzung entsprechender Curricula liegen jedoch im Entscheidungsbereich der Hochschulen. Die erarbeiteten Grundlagen zum GQR verbleiben deshalb letztendlich so lange unverbindlich, bis die involvierten Fachgesellschaften, Hochschulen, Fakultäten, Fachbereiche, Institute, Studiengänge und Akkreditierungsagenturen den GQR als Grundlage anerkennen würden. Das Votum der Akkreditierungsagenturen hat auf der inhaltlichen Ebene dabei nur empfehlenden Charakter [3]. Welchen realen Einfluss der GQR auf die Entwicklung und Transparenz von Studiengangskonzepten sowie auf die nationale Mobilität von Studierenden hat, bleibt auch dann abzuwarten.

Eine weitere Limitation betrifft die Tatsache, dass die Überlegungen zum GQR bisher auf einer rein akademischen Ebene verbleiben, ohne dass Stakeholder in den Prozess systematisch einbezogen werden konnten. Ebenso fehlt eine studiengangsübergreifende Analyse der tatsächlich geleisteten Tätigkeiten von Absolventen gesundheitswissenschaftlicher Bacherlorstudiengänge, um die Vorgaben des GQR daran zu überprüfen.

Ein Abgleich mit der internationalen Entwicklung, zumindest auf der europäischen Ebene, ist zudem bislang nicht systematisch erfolgt. Ein vom hier beschriebenen Vorgehen abweichender Weg wurde von der „International Union for Health Promotion and Education“ (IUHPE) mit der Entwicklung von Kernkompetenzen für die Gesundheitsförderung (ComHP) beschritten [2, 7]. Hier ist ein Zertifizierungs- und Registrierungssystem für Fachkräfte und Ausbildungsgänge vorgesehen. In Abgrenzung dazu beschränkt sich der GQR allerdings nicht auf die Gesundheitsförderung, sondern umfasst auch die Studienbereiche der Gesundheitswissenschaften und Public Health.

Fazit für die Praxis

Der GQR kann in der curricularen Weiterentwicklung des gesundheitswissenschaftlichen Studienangebots in Deutschland wertvolle Anregungen geben, wenn die Module dazu in Bezug gesetzt werden. Sein darüber hinausgehender Nutzen wird davon abhängen, inwieweit er als eine verbindliche Basis der Studiengangsentwicklung und Studiengangsüberprüfung für die Hochschulen und Akkreditierungsagenturen akzeptiert wird. Der Prozess sollte deshalb auf eine breitere Basis gestellt werden, in dem neben den relevanten Hochschulen, Fachgesellschaften und entsprechend ausgerichteten Institutionen und Organisationen ebenfalls Vertreter aus der Praxis und Politik in die Diskussion mit einbezogen werden.