Hintergrund

Stetig steigende Krankenversicherungsprämien – frustrierte Leistungserbringer – IV-Defizite – Suizide wegen sozialer Kälte in Betrieben – Mangel an medizinischem Fachpersonal – Zunahme chronischer Krankheiten – Steigende Lohnnebenkosten – Alternde Gesellschaft. Solche Schlagzeilen prägen die Medien im Herbst 2009. Gesundheit und ihre Finanzierung ist zu einem vordringlichen Thema der ganzen westlichen Gesellschaft geworden. Mit der einseitigen Ausrichtung des Gesundheitswesens auf die kurativen Leistungen ist, laut dem deutschen Wirtschaftstheoretiker und Zukunftsforscher Leo Nefiodow, den steigenden Kosten langfristig nicht beizukommen. Nefiodow setzt sich mit den langen Konjunkturzyklen von Kondratieff auseinander. Schaffen die Menschen im 21. Jahrhundert den Wechsel der Ausrichtung des Gesundheitswesens von Krankheitsbehandlung zu Ursachenbekämpfung und Gesundheitsförderung kann der Gesundheitssektor zum tragenden Wachstumsmotor für die Weltwirtschaft der nächsten Jahrzehnte werden [4]. Entscheidend für diesen Wechsel sind nach Nefiodow die „weichen“ Faktoren wie Zusammenarbeit, Einsatzbereitschaft, Kreativität, Angstfreiheit, Verantwortungsbewusstsein und Loyalität. Das bedeutet, dass das innere Wachstum des Einzelnen und seine sozialen Interaktionen die Produktivitätssteigerung für den nächsten Wirtschaftszyklus herbeiführen werden [4].

Das Sozialkapitalkonzept der Bielefelder Forschungsgruppe um Prof. Badura bietet eine Möglichkeit zur wissenschaftlichen Ergründung „weicher“ Faktoren in Wirtschaftsunternehmen. Sozialkapital ist eine immaterielle Ressource, welche aus der Pflege sozialer Beziehungen hervorgeht. In der betrieblichen Gesundheitsförderung (BGF) bietet das Sozialkapitalkonzept die Möglichkeit, Sozialkapital im Unternehmen zu messen, vergleichbar und beeinflussbar zu machen. Betriebliches Sozialkapital vereint die Qualität der sozialen Beziehungen (Netzwerkkapital), die Qualität der Führung (Führungskapital) und den Vorrat an gemeinsamen Überzeugungen, Werten und Regeln (Wertekapital). Ein hohes Maß an betrieblichem Sozialkapital erhöht das allgemeine Wohlbefinden, die Leistungsfähigkeit und die Leistungsbereitschaft von Mitarbeitenden in einem Unternehmen. Außerdem hilft es, Fehlzeiten zu reduzieren und Kosten zu sparen [1].

Im Sommer 2009 wurden zwei Pflegeheime auf ihr betriebliches Sozialkapital hin untersucht und verglichen. Es galt folgende Fragen zu klären:

  • Besteht ein Zusammenhang zwischen dem betrieblichen Sozialkapital eines Pflegeheims und den Fehlzeiten der Mitarbeitenden?

  • Besteht ein Zusammenhang zwischen dem betrieblichen Sozialkapital eines Pflegeheimes und der Erreichung ausgewählter Qualitätsziele?

Die Hypothesen lauteten:

  • Institution 1 (höhere Fehlzeiten) hat ein tieferes betriebliches Sozialkapital als Institution 2.

  • Institution 2 (geringere Fehlzeiten) zeigt bessere Resultate in den folgenden ausgewählten Qualitätsindikatoren: Stürze, Inkontinenz, Medikamentenverbrauch, gravierende Schmerzen und Verlust von ADL-Fähigkeiten („activities of daily living“).

Methodik

Betriebliches Sozialkapital wird von der Bielefelder Gruppe um Prof. Badura mittels einer Mitarbeitendenbefragung gemessen. Als Grundlage für die Erhebung des betrieblichen Sozialkapitals und der Verknüpfung mit wirtschaftlichen Daten dient das Unternehmensmodell der Bielefelder Studie von 2008. Mit „Treiber“ werden darin die unabhängigen Variablen bezeichnet, mit „Ergebnisse“ die abhängigen Variablen. Das Modell sieht vor, dass die Treiber direkt und die Ergebnisse über die Veränderung der Treiber indirekt beeinflussbar sind [2].

Die „Treiber“ vereinen das betriebliche Sozialkapital (Netzwerk-, Führungs- und Wertekapital), die Fachkompetenzen (Qualifikation) und die immateriellen Arbeitsbedingungen.

Die immateriellen Arbeitsbedingungen enthalten:

  • Partizipationsmöglichkeiten,

  • fachliche Anforderungen,

  • zeitliche Anforderungen,

  • Klarheit der Aufgabe,

  • Handlungsspielraum,

  • Sinnhaftigkeit der Aufgabe,

  • Zufriedenheit mit den organisatorischen Rahmenbedingungen.

Die „Ergebnisse“ werden im Modell aufgeteilt in Früh- und Spätindikatoren. Zu den Frühindikatoren zählen gesundheitlich relevante Faktoren wie Wohlbefinden, „work life balance“, Mobbing u. a. Spätindikatoren sind Fehlzeiten, Fluktuation, Qualität der Arbeitsleistung etc.

Für die Untersuchung der zwei Pflegeheime wurde das Bielefelder Unternehmensmodell verkleinert. Die kleine Samplezahl ließ keine Anwendung des umfassenden Untersuchungsinstruments der Uni Bielefeld zu. Für die Mitarbeitendenbefragung (MAB) wurden der Teil „Wertekapital“ und der Teil „allgemeines Wohlbefinden“ des großen Bielefelder Sozialkapitalfragebogens verwendet. Das „Wertekapital“ zur Erfassung der Unternehmenskultur als unabhängige Variable und das „allgemeine Wohlbefinden“ als abhängige Variable bilden laut den Bielefelder Untersuchern einen ausreichenden Umfang für eine MAB zur Erfassung des vorhandenen Sozialkapitals und des gesundheitlichen Befindens der Mitarbeitenden im Betrieb [1, 5]. Dazu sollen die Zusammenhänge des Wertekapitals mit den Spätindikatoren Fehlzeiten, Fluktuation und ausgewählten RAI-Qualitätsindikatoren aufgezeigt werden (Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Untersuchungsmodell (Quelle: eigene Darstellung 2009 in Anlehnung an das Bielefelder Unternehmensmodell. In: [1])

Im Sommer 2009 wurden in zwei Pflegeheimen 212 Mitarbeitende (185 Frauen, 27 Männer) schriftlich, mittels Fragebogen befragt. Im Vorfeld der Untersuchung fand in beiden Institutionen ein Informationsanlass von 30 min statt, an welchem die Verfasserin sich und ihre Arbeit vorstellte und die Heimleitungen ihr Commitment bekräftigten.

Sämtliche Mitarbeitende der beiden Institutionen erhielten, zusammen mit der Lohnabrechnung, im Juli 2009 den Fragebogen zugeschickt. Für die Institution 1 wurden 112 Fragebogen verschickt, Institution 2 benötigte 100 Fragebogen.

Die ausgefüllten Fragebogen konnten in einem Zeitraum von 5 Wochen in einen extra Briefkasten eingeworfen werden, zu welchem nur die Verfasserin einen Schlüssel hatte. Die Rücklaufquote betrug in Institution 1 34% in Institution 2 40%.

Der Teiber Wertekapital wurde in 7 Items mit je 2–5 Fragen erfasst (insgesamt 24 Fragen; Tab. 1).

Tab. 1 Aufbau des Fragebogens (Treiber) [1]

Der Frühindikator Wohlbefinden umfasste 4 Fragen (Tab. 2).

Tab. 2 Aufbau des Fragebogens (Frühindikator) [1]

Die Verfasserin wählte eine 5er-Likert-Skala mit verschiedenen Antwortlauten.

Am Schluss des Fragebogens stand die eigene, offene Frage nach Verbesserungsvorschlägen für die Situation am eigenen Arbeitsplatz.

Auswertungverfahren der Fragebogen

Für jedes Item (A-H) wurde jeder und jedem Befragten die Summe seiner Antworten zugeordnet und danach Mediane berechnet. Mittels Rangkorrelationskoeffizienten für nicht numerische Daten, nach Spearman, wurde der Zusammenhang zwischen Wertekapital und Wohlbefinden berechnet. Für die Berechnung der Signifikanzen wurden die Z-Transformation nach Fisher und der U-Test von Mann-Whitney angewandt [6, 7].

Aus allen Antworten auf die offene Frage am Schluss wurden Cluster gebildet und die zusammengefassten Antworten der Häufigkeit nach aufgenommen.

Spätindikatoren

Die Spätindikatoren Fehlzeiten, Austritte und Qualitätsindikatoren wurden aus den bestehenden Betriebsdaten extrahiert. Die Software zur Personaleinsatzplanung (PEP-Polypoint) dient der gesamten Personaldatenerfassung. Hier werden sämtliche Personaldaten verwaltet. In die Untersuchung flossen die Daten von 2008 bis Ende Juni 2009 ein. Erfasst wurden:

  • Geschlecht,

  • Alter,

  • Arbeitspensum,

  • Anzahl Jahre im Betrieb,

  • Fehlzeiten,

  • Austritte.

Qualitätserfassung

Das „Resident-assessment-Instrument“ (RAI) ist ein Bedarfsabklärungsinstrument für Pflegeheimbewohner. Das standardisierte, umfassende Beurteilungsinstrument wurde Ende der 1980er Jahre in Amerika entwickelt. Ein interdisziplinär zusammengesetztes Forscherkonsortium aus Fachkräften der Pflege, Medizin, Physio-, Ergo- und Logotherapie, Sozialarbeit und Ernährungswissenschaft machte sich an die Umsetzung der Gesetzgebung zur Verbesserung der Qualität in der Langzeitpflege. Ziel dieses Instruments ist einerseits die gezielt auf die Bewohner abgestimmte Pflege und andererseits die Möglichkeit Pflegeinstitutionen vergleichbar zu machen [3]. Die erhobenen Daten erlauben eine resultatorientierte Qualitätssicherung und Qualitätsförderung. Das Instrument wird laufend analysiert und verbessert. In der Schweiz wird RAI in den Kantonen Aargau, Zürich, Basel Stadt, Bern, St. Gallen, Tessin und Solothurn in allen Pflegeinstitutionen angewandt.

Die Pflegeteams beider Institutionen erfassen während ihrer Alltagsarbeit mittels RAI Veränderungen und spezielle Ereignisse der Bewohner. Die erfassten Daten werden an die Q-Sys AG weitergeleitet, welche jährlich die Auswertungen der Qualitätsindikatoren vornimmt und die Resultate in einem Dossier den Institutionen wieder zur Verfügung stellt. Für den Vergleich der zu untersuchenden Pflegeheime wurden aus der Liste von 22 Qualitätsindikatoren folgende 5 ausgewählt:

  • Prävalenz von Stürzen,

  • Prävalenz von Inkontinenz,

  • Bewohner hat >9 Medikamente,

  • Verlust von ADL-Fähigkeiten,

  • Prävalenz von gravierenden Schmerzen.

Resultate der Befragung

Treiber

Wertekapital (Unternehmenskultur)

Institution 2 weist in allen Bereichen des Wertekapitals signifikant höhere Medianwerte auf als Institution 1, außer in den Bereichen der „Gerechtigkeit und Fairness“ (E) sowie der „Wertschätzung“ (F), in welchen die beiden Pflegeheime gleiche Werte aufweisen (Tab. 3). Über das ganze Wertekapital gesehen liegt das Wertekapital in Institution 2 signifikant höher als in Institution 1 (z=2,34; Abb. 2).

Tab. 3 Medianwerte Wertekapital 2009
Abb. 2
figure 2

Vergleich der Institutionen 2009: Wertekapital

Der Vorrat an gemeinsamen Werten und Normen (A) ist in Institution 2 signifikant höher als in Institution 1 (z=2,1). Auch die Bereiche der gelebten Unternehmenskultur (B) und der Konfliktkultur (C) unterscheiden sich signifikant (z=2,2).

Ganz deutlich zeigt sich der Unterschied auch beim Zusammenhalt im Betrieb (D). 33% der Befragten in Institution 2 beurteilen die Behauptung zum Vorhandensein eines großen Teamgeistes unter allen Beschäftigten als eher oder völlig zutreffend (Wert 4 und 5), während in Institution 1 nur 18% diese Bewertungen abgaben. Die Signifikanz beträgt in diesem Item z=2,1.

Besonders auffallend ist die Vertrauensbasis (G), welche in Institution 2, trotz tiefen Werten in Gerechtigkeit und Wertschätzung, deutlich und signifikant höher liegt als in Institution 1 (z=2,1).

Frühindikator

Wohlbefinden

Institution 2 weist einen wesentlich höheren Medianwert auf als Institution 1 (Abb. 3). Der Unterschied zwischen den beiden Pflegeheimen ist signifikant (z=3,6).

Abb. 3
figure 3

Vergleich der Institutionen 2009: Wohlbefinden

Zusammenhang Wertekapital/Wohlbefinden

Der Zusammenhang zwischen Wertekapital und Wohlbefinden in Institution 1 ist groß (r=0,62). Mit höherem Wertekapital nimmt der Einfluss auf das allgemeine Wohlbefinden offensichtlich ab (r=0,22, Institution 2). Die Korrelation ist noch gegeben aber schwächer als bei tieferem Wertekapital. Bei höherem Wertekapital im Betrieb nehmen offenbar andere Faktoren als das Wertekapital größeren Einfluss auf das Wohlbefinden als bei tieferem betrieblichem Wertekapital. Ein tiefes Wertekapital spielt offensichtlich eine große Rolle im Zusammenhang mit dem allgemeinen Wohlbefinden und hat einen schlechten Einfluss auf dieses (Abb. 4). Der Unterschied zwischen den Korrelationskoeffizienten der beiden Institutionen ist signifikant (z=2,16). Im Modell ist das allgemeine Wohlbefinden ein Frühindikator für die Gesundheit der Mitarbeitenden. Die starke Korrelation unterstreicht die Wichtigkeit der Investitionen in die Verbesserung der Unternehmenskultur.

Abb. 4
figure 4

Vergleich Korrelation Wertekapital – Wohlbefinden

Offene Frage

Die offene Frage: „Welche Veränderungen könnten Ihrer Ansicht nach die Situation an ihrem Arbeitsplatz verbessern?“ wurde in beiden Institutionen ausführlich und engagiert beantwortet. In Institution 1 dominierten die Anliegen nach mehr Vertrauen und Reziprozität welche im Cluster Zusammenhalt und Teamgeist erfasst wurden. Im Cluster Führungsarbeit wurden die Anliegen der Zuverlässigkeit und Gleichbehandlung zusammengefasst. In Institution 1 spielten auch die Arbeitsbedingungen eine Rolle. Dabei ging es v. a. um physikalische Einflüsse (Hitze) und bauliche Hindernisse.

Cluster Institution 1:

  • Zusammenhalt, Teamgeist,

  • Führungsarbeit,

  • Arbeitsbedingungen.

Cluster: Institution 2:

  • Führungsarbeit,

  • Zusammenhalt, Teamgeist.

Spätindikatoren

Fehlzeiten

Institution 1 weist massiv höhere Fehlzeiten auf als Institution 2. Sowohl die Langzeit- als auch die Kurzzeitabsenzen sind in Institution 1 höher als in Institution 2. Im ersten Halbjahr 2009 fehlten in Institution 1 durchschnittlich 31,1 Mitarbeitende pro Monat (I2: 18,7). Das entspricht Ende Juni 2009 einer Ausfallquote von 9,2% in Institution 1 gegenüber von 3,5% in Institution 2. Der Unterschied bezüglich der Fehlzeiten zwischen den Pflegeheimen ist 2009 angewachsen. 2009 haben in Institution 1 sowohl die Langzeit- als auch die Kurzzeitabsenzen zugenommen, in Institution 2 nur die Kurzzeitabsenzen (Abb. 5).

Abb. 5
figure 5

Vergleich der Institutionen 2008 bis Mitte 2009: Fehlzeiten

Fluktuation

In Institution 1 ist die Fluktuation sehr hoch. Insgesamt gibt es zwischen Dezember 2008 und Juni 2009 28 angekündigte oder bereits vollzogene Austritte. Davon sind nur 3 durch Pensionierung begründet. Fast die Hälfte der 2009 frisch Angestellten hat wieder gekündigt. Von den hochprozentig arbeitenden Männern blieb, von den 5 im laufenden Jahr eingestellten, nur einer.

In Institution 2 sind von 15 Austritten 3 Pensionierungen. Von den 8 im Jahr 2009 eingestellten Frauen hat eine wieder gekündigt.

Qualitätsindikatoren

Institution 1 zeigt 2008 und 2009 in 8 von 10 Auswertungen höhere Prävalenzwerte als Institution 2. Die Zahlen können nicht absolut gesehen werden. Um einen sauberen Vergleich der Pflegeheime betreffend der Dienstleistungsqualität machen zu können müssen die Pflegeaufwandgruppen in die Untersuchung mit einbezogen werden. Die Differenz der Werte zwischen den Pflegeheimen hat, in 4 von 5 der ausgewählten Indikatoren, 2009 abgenommen. Beide Institutionen liegen in 4 von 5 Indikatoren über dem kantonalen Durchschnittswert und über der schweizerischen Obergrenze.

Diskussion

Die beiden untersuchten Pflegeinstitutionen sind insofern vergleichbar, als dass sie in derselben Stadt liegen, unter der gleichen Stiftung laufen, beide eine relativ junge Führung haben, fast identisch viele Betten anbieten, über vergleichbare Mittel verfügen und annähernd gleich viele Menschen beschäftigen. Unterschiede gibt es in der baulichen Infrastruktur. In Institution 1 sind die Abteilungen je auf einem Stockwerk liegend und mit einer Tür vom Treppenhaus getrennt. Institution 2 hat 4 Abteilungen auf 2 Stockwerken und eine Abteilung in einem separaten Stockwerk. Die Stockwerke sind zur Eingangshalle hin offen. Aufgrund der baulichen Gegebenheiten ist die Zusammenarbeit von Teams und die Kommunikation untereinander in Institution 1 mit wesentlich größerem Aufwand verbunden als in Institution 2. Die Vorteile der baulichen Gegebenheiten sind für Institution 1 die einfachere Abgrenzung im Fall von Unruhe und Lärm sowie die kleineren Gruppen.

Die vorliegende Untersuchung zeigt, dass eine schlechte Unternehmenskultur, mit wenig gelebten, gemeinsamen Werten und Überzeugungen, wenig Zusammenhalt, einem Mangel an Gerechtigkeit und Fairness, fehlender gegenseitiger Wertschätzung sowie einer schwachen Vertrauensbasis, einen starken Zusammenhang mit dem Wohlbefinden der Mitarbeitenden aufweist (r=0,62 in Institution 1). Die hohen Fehlzeiten in Institution 1 können zu einem großen Teil mit dem Mangel an betrieblichem Sozialkapital erklärt werden. Die erste Hypothese wird bestätigt.

In der Erreichung der ausgewählten Qualitätsziele ist der Zusammenhang mit der Höhe an betrieblichem Sozialkapital nicht geklärt. Der Qualitätsvergleich verschiedener Altersinstitutionen, bedarf genauer Kenntnis der Erhebungsinstrumente und deren Gebrauch. Außerdem müssen für einen echten Vergleich die einzelnen Qualitätsindikatoren mit den Pflegeaufwandgruppen verknüpft werden. Nur wenn gesichert ist wie die Prävalenzen von Ereignissen in den einzelnen Pflegeaufwandgruppen verteilt sind, können Rückschlüsse auf die Dienstleistungsqualität gezogen werden. Die zweite Hypothese kann nicht bestätigt werden. Weitere Untersuchungen in diesem Bereich könnten nützliche Daten liefern um die Ergebnisqualität in Pflegeinstitutionen vergleichbar zu machen.

Betriebliches Sozialkapital und Fehlzeiten

Es besteht eindeutig ein Zusammenhang zwischen betrieblichem Sozialkapital eines Pflegeheims und dem Wohlbefinden der Mitarbeitenden (I1: r=0,62, I2: r=0,22). Der Unterschied der Korrelationskoeffizienten ist signifikant (z=2,16). Die Untersuchung legt nahe, dass das tiefere betriebliche Sozialkapital in Institution 1 mitverantwortlich ist für die höheren Fehlzeiten und die höhere Fluktuation in Institution 1 im Vergleich zu Institution 2. Nach dem Untersuchungsmodell sind die Fehlzeiten und die Fluktuation als Spätindikatoren bei den „Ergebnissen“ indirekt über die „Treiber“ z. B. das Wertekapital, beeinflussbar.

Fazit für die Praxis

In einem Betrieb kommt den gemeinsamen Überzeugungen, Werten und Regeln eine zentrale Bedeutung zu. Das Gefühl von Gemeinsamkeiten fördert die Arbeitsmotivation und die Leistungsbereitschaft sowie die Gesundheit von Mitarbeitenden. Normen der Gegenseitigkeit und Kooperation sind weitere Komponenten betrieblichen Sozialkapitals. Kontinuierliche Beziehungsarbeit verbessert die Vertrauensbasis und damit die Unternehmenskultur und das Klima unter den Mitarbeitenden. Betriebliches Sozialkapital lässt sich mittels einer Mitarbeitendenbefragung erfassen.

Die starke Korrelation zwischen tiefem Wertekapital und tiefem allgemeinem Wohlbefinden verdeutlicht die Wichtigkeit der Investitionen in die Verbesserung der Unternehmenskultur. Für kleine Samplezahlen bildet der verkleinerte Fragebogen ein aussagekräftiges Instrument zur Erhebung des betrieblichen Sozialkapitals. Die Untersuchung kann als Datengrundlage für das betriebliche Gesundheitsmanagement in Klein- und Mittelbetrieben dienen.