Kampfsportarten, mit Ursprung im asiatischen Kulturkreis, werden heutzutage in Deutschland von vielen tausend Menschen unterschiedlichen Alters trainiert. Mit über 200.000 Mitgliedern zählt der Deutsche Judo-Bund zum größten Verband. Dem Deutschen Karate-Verband gehören ca. 110.000 Mitglieder an, der Deutsche Ju Jutsu-Verband hat ca. 60.000 Mitglieder und in der Deutschen Taekwondo-Union sind ca. 45.000 Mitglieder organisiert [Internetseiten (2007) http://www.kampfkunst.de und http://www.dojoguide.org (20.12.07) Mitgliederzahlen auf der Internetseite von http://www.deutschland.de (20.12.07) Tel. Auskunft (02043 2988-50) der Geschäftsstelle des Deutschen Karateverbandes am 19.12.07 über deren Mitgliederzahlen].

Doch nicht nur in eingetragenen Vereinen werden asiatische Kampfsportarten trainiert, sondern auch in privatwirtschaftlich organisierten Verbänden und Schulen, die in einer kaum quantifizierbaren Anzahl auf dem deutschen Markt zu finden sind. Kendo, Esdo oder Wing Tsun gehören nur zu einer kleinen Auswahl von zahlreichen Stilen, die in Deutschland angeboten werden und deren Bekanntheitsgrad in der Bevölkerung im Vergleich zu Judo, Karate oder Taekwondo eher geringer ist.

Noch schwieriger als die Beantwortung der Frage nach der Quantität asiatischer Kampfsportarten und der Trainierenden in Deutschland stellt sich die Frage, ob das Training von asiatischen Kampfsportarten einen positiven Einfluss auf die psychische und physische Gesundheit der Sportler hat.

Problem- und Zielstellung

Die Gesundheitsausgaben beliefen sich im Jahr 2006 auf insgesamt 245 Mrd. EUR. Dies war ein Anstieg von 5,7 Mrd. EUR oder 2,4% gegenüber dem Vorjahr. Die Pro-Kopf-Gesundheitsausgaben belaufen sich auf 2970 EUR/Einwohner (2005: 2900 EUR). Zwischen Jahren 2000 und 2006 sind die Pro-Kopf-Gesundheitsausgaben lediglich um 1,4% gestiegen. Dieses relativ langsame Ansteigen der Gesundheitsausgaben in Deutschland ist teilweise Kostendämpfungsmaßnahmen zuzuschreiben, die im Rahmen der Gesundheitsreform eingeführt wurden [5]. Die Bestrebungen der Bundesregierung und der Träger der Sozialsysteme Antworten auf Fragen der Finanzierbarkeit von Gesundheitsleistungen in unserer Gesellschaft zu finden manifestieren sich zunehmender. Methoden, Konzepte und Gesetzesvorlagen zur Primärprävention, aber auch ein intensiveres Gesundheitsbewusstsein in der Bevölkerung rücken verstärkt in den Mittelpunkt von politischen und gesellschaftlichen Diskussionen und Aktivitäten [12].

Asiatische Kampfsportarten, die auf eine mehrere tausend Jahre alte Tradition zurückblicken können, sind vom Ursprung her sehr eng mit kulturellen Werten und Techniken verknüpft, die zum Erhalt und Wiederherstellung der Gesundheit dienen. Der respektvolle Umgang mit der Natur und seinen Mitmenschen, der Verzicht auf Alkohol, das Maßhalten beim Essen und die regelmäßige Praxis von Meditationstechniken sind nur ein Ausschnitt des breiten Spektrums, das neben dem Bewegungs- und Techniktraining vom Ursprung her im Curriculum einer Kampfkunstausbildung zu finden ist [8]. Diese Inhalte entsprechen nahezu dem modernen Präventionskonzept der gesetzlichen Krankenkassen. Der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen (GKV; [21]) hat in den Kriterien der Umsetzung der Primärprävention gem. § 20 Sozialgesetzbuch V (1) und (2) vom 21. Juni 2000 in der Fassung vom 02. Juni 2008 als einheitliche primärpräventive Handlungsfelder Bewegung, Ernährung, Entspannung, Stressbewältigung, Suchtvorbeugung und die allgemeine Lebenskompetenz definiert. Gerade in diesem verhaltenspräventiven Bereich könnten asiatische Kampfsportarten Lösungen zur Verbesserung des Gesundheitsstandes der deutschen Bevölkerung beinhalten und somit zur Senkung der öffentlichen Aufwendungen beitragen.

Bisherige Studien geben Anhaltspunkte darüber, welche Auswirkungen die Betreibung von Kampfsportarten auf das psychische und körperliche Befinden haben. Held [15] konnte in seiner Studie mit 180 Probanden im Zeitraum von 2003–2004 positive Auswirkungen des aus Korea stammenden traditionellen Taekwondo (TKD) auf das subjektive Empfinden der Trainierenden nachweisen. Das Empfinden der Probanden nach einem traditionellen TKD-Training äußerte sich durch das Gefühl „mehr Energie in sich zu spüren“ und die Wahrnehmung einer Reduktion des Stressempfindens.

Binder [1] kam zum Ergebnis, dass zahlreiche Untersuchungen in den letzten 30 Jahren zu diesem Thema positive psychosoziale Veränderungen bei Menschen nachweisen, die Kampfkunst praktizieren. In mehr als 50 Forschungsprojekten konnten nur bei 3 Studien keine Veränderungen nachgewiesen werden und bei weiteren 3 Studien waren auch negative Tendenzen bei Trainierenden zu beobachten. Jedoch ist es nicht klar, wieso das Training psychosoziale Veränderungen hervorruft. Es wird die Vermutung geäußert, dass die Miteinbeziehung der nichtphysischen Aspekte in das Training diese Veränderungen hervorruft. Dies sind die Vermittlung der ethisch-moralischen Werte, als auch das positive Vorbild des Kampfsportlehrers. Trotz dieser offenen Frage werden die Kampfkünste als mögliche Ergänzung bei der Behandlung von psychischen Störungen zu verbalen Therapieformen gesehen. Diese These untermauern auch Weiser et al. [26] am Beispiel einer Einzelfallstudie. Studien an Karatesportlern von Terry [24] und Bitzer-Gavornik u. Unterrainer [2] zeigen, dass sich die Sportler unterschiedlichsten Alters sowohl physisch athletischer als psychisch robuster fühlen.

Ins Gegenteil wandelt sich die Psyche beim Aussetzen von Training bei fortgeschrittenen Karatetrainierenden. Unabhängig vom Geschlecht zeigten sich deutliche Auswirkungen in gesteigerten Ärger, negativen Affekt, Depressionen, wahrgenommener Anspannung und Stimmungsschwankungen [22]. Entgegen einer verbreiteten Meinung konnte bei Kampfsportlern keine erhöhte Gewaltbereitschaft [14] und kein erhöhtes Aggressionsverhalten [16] festgestellt werden.

Als Gegenindikator der Gesundheitsprävention kann die Verletzungsgefahr bei der Ausübung von Kampfsport angesehen werden. Zentaruk u. Zurakowski [28] untersuchten die Verletzungshäufigkeit von 263 Kampfsportlern aus 5 verschiedenen Stilen Ein 3-faches größeres Risiko an Verletzungen sind Sportler ausgesetzt, die Taekwondo betreiben, als Sportler, die Shotokan-Karate betreiben, das mit den Kung-Fu-Praktizierenden identisch ist. In der Verletzungshäufigkeit gab es keine geschlechts-spezifischen Unterschiede. Burke et al. [7] untersuchten die Verletzungsrate von 2498 Turnierteilnehmern in einem Taekwondo-Turnier. Die Verletzungsrate lag bei früheren Turnieren bei 25/1000 bis 12,7/100. Die Verletzungsrate betrug 0,4/1000. Daraus schließen Burke et al. [7], dass unter Einsatz der Sicherheitsmaßnahmen der Sport Taekwondo im Vergleich zu anderen Sportarten relativ sicher, auch bei Turnieren ausgeübt werden kann. In einer von Parzeller u. Raschka [18] durchgeführten 20-jährigen Erhebung (1981–2000) von 2969 unerwarteten Todesfällen im Vereinsport in Deutschland sind keine Kampfsportler verzeichnet. Am häufigsten waren Sportler in den Sportarten Fußball (n=919), Tennis (n=209) und Radsport (n=187) betroffen. Ein Unfallstatistikprojekt für das Jahr 2000 der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin [4] weist 1,46 Mio. Unfälle beim Sport nach. Mit geschlechterunterschiedlichen Ausprägungen liegt der Schwerpunkt bei den Sportarten Fußball (n=472.000) sowie Hand-, Volley- und Basketball (n=179.000). Hinzu kommen Skaten (n=111.000), Reiten (n=93.000), Skisport (n=90.000), Tennis, Squash, Badminton (n=87.000), Jogging (n=64.000) und Radfahren (n=60.000). Kampfsportarten sind in der Statistik nicht vertreten.

Die Ruhruniversität Bochum [13] erhebt seit 1987 systematisch Daten zu Sportunfällen und erfasst dadurch ca. 45% aller im Deutschen Sportbund organisierten Sportler. Die meisten Sportunfälle entfallen hier ebenfalls auf die 4 großen Ballsportarten Fußball, Handball, Volleyball und Basketball. Mit ca. 2,5% ist die Kampfsportart Judo in der Statistik aufgeführt. Laut Sommersportstatistik 2007 der Universitätsklinik für Unfallchirurgie und Sporttraumatologie der Salzburger Landeskliniken [11] kamen 60,9% der 1480 Sportverunfallten aus der Sportart Fußball. Es folgten Radfahren (11,3%) und Volleyball (5,5%). Die Unfallquote der Kampfsportarten beträgt 5,2%. Die Statistik 2008 zeigt ähnliche Ergebnisse. Bei den 1487 Sportunfällen entfallen 63,2% auf die Gruppe der Sportart Fußball und 7,1% auf die Kampfsportarten

Finch et al. [10] untersuchten von 1989–1993 die Daten von 98.040 Sportverunfallten in Australien. Die Daten wurden getrennt nach Kindern (<15 Jahre) und Erwachsenen (>15 Jahre) ausgewertet. Die am häufigst genannten Sportarten beider Altersgruppen waren Radfahren, Australian Football, Basketball, Fußball, Cricket, Netball und Rugby. Ebenso konnte bei den Kindern Verletzungen resultierend aus der Ausübung von Rollerskating/Blading, Skateboardens und Trampolinturnen zugeordnet werden. Die Erwachsenen zogen sich noch Verletzungen bei den Sportarten Hockey, Kampfkünste und Tanzen zu. In einer von Kujala et al. [17] vergleichenden Untersuchung zwischen 621.691 Ausübenden der Sportarten Fußball, Eishockey, Volleyball, Basketball, Judo und Karate in Finnland zwischen 1987 und 1991 konnten insgesamt 54.186 Sportverletzungen registriert werden. Die niedrigsten Verletzungsraten hatten die Sportler <15 Jahren und bei der Altersgruppe der 20- bis 24-jährigen war die Verletzungshäufigkeit am größten.

Jede Sportart hatte ein bestimmtes Verletzungsprofil. Die zahnärztlichen Verletzungen zogen sich am häufigsten Eishockey- und Karatesportler zu und traten am wenigsten beim Volleyballsport auf. Um zahnärztlichen Verletzungen vorzubeugen wird gerade bei den Sportarten Eishockey, Karate und Basketball das Tragen von Mundschützern empfohlen sowie die Verringerung von direkten Körperkontakten und die Verbesserung der Spielregeln.

Zusammenfassend kann man feststellen, dass in vielen Studien asiatische Kampfsportarten aus verschiedenen Blickwinkeln und mit unterschiedlichen Fragestellungen untersucht worden sind. Viele Studien belegen die Verbesserung der physischen Konstitution durch den Kampfsport, und es sind Tendenzen erkennbar, dass Kampfsportler psychisch stabiler sind als Nichttrainierende. Doch ein eindeutiger Kausalzusammenhang lässt sich nicht herstellen und die Frage „warum“ lässt sich nicht beantworten.

Ob Kampfsportler trotz angenommener besserer physischer und psychischer Verfassung und ausgeprägter Sozialkompetenz auch im Vergleich zu den Nichttrainierenden signifikant gesünder sind, weniger krank sind oder durch den Sport Krankheiten vorgebeugt werden können, geht jedoch nicht eindeutig aus den bisherigen Studien hervor. Deshalb war es das Ziel der Untersuchung, weitere Erkenntnisse darüber zu gewinnen, welche gesundheitsbezogene Lebensqualität Kampfsportler im Vergleich zur allgemeinen Population aufweisen. Es wird angenommen und als zu prüfende Hypothesen aufgestellt, dass, erstens, Kampfsportler im Vergleich zur Gesamtpopulation ein signifikant besseres körperliches und psychisches Befinden aufweisen und, zweitens, dass die positive Wirkung der Kampfsportarten auf den körperlichen und psychischen Gesundheitszustand bei höherer Trainingsintensität und bei höherem Alter stärker ausgeprägt ist.

Material und Methode

In der als Querschnittsuntersuchung durchgeführten Erhebung von Februar 2008 bis Juli 2008 beantworteten in 24 Kampfsportschulen (3 Schulen pro Kampfsportart) 343 Kampfsportler aus 8 Kampfsportarten in einem kontrollierten Setting den SF-36-Fragebogen, ohne das Ziel der Untersuchung zu kennen. Um Durchführungsobjektivität zu gewährleisten, wurde die Befragung vor den Trainingseinheiten in den jeweiligen Schulen vom Verfasser der Arbeit oder von einem entsprechend instruierten Studienkollegen ohne Verbindung zum Kampfsport durchgeführt.

Mit dem SF-36-Fragebogen sollen Kampfsportler aus ihrer Sicht in einem Selbstbeschreibungsverfahren Auskünfte über ihre gesundheitsbezogene Lebensqualität geben. Ursprünglich für die Anwendung in den Vereinigten Staaten konzipiert, wurde der SF-36 für den internationalen Gebrauch und für die Verwendung in Deutschland übersetzt und adaptiert. Für die Normierung wurde von einer repräsentativen Stichprobe (n=2914) der ost- und westdeutschen Bevölkerung der SF-36 ausgefüllt [3]. Der SF-36-Fragebogen gehört zu den international mit am häufigsten eingesetzten Standardverfahren und enthält insgesamt 36 Items, von denen 35 in den folgenden 8 Skalen abgebildet werden.

  1. 1.

    körperliche Funktionsfähigkeit (10 Items),

  2. 2.

    körperliche Rollenfunktion (4 Items),

  3. 3.

    körperliche Schmerzen (2 Items),

  4. 4.

    allgemeine Gesundheitswahrnehmung (5 Items),

  5. 5.

    Vitalität (4 Items),

  6. 6.

    soziale Funktionsfähigkeit (2 Items),

  7. 7.

    emotionale Rollenfunktion (3 Items),

  8. 8.

    psychisches Wohlbefinden (5 Items).

Mit diesem Fragebogen wird die Mehrdimensionalität des Gesundheitszustandes erfasst, die das psychische Befinden, die körperliche Verfassung, die sozialen Beziehungen und die funktionale Kompetenz beinhaltet. Auf weiterführende physiologische Untersuchungsverfahren wurde aufgrund des Studiendesigns verzichtet, weil die Studie als eine Querschnittsuntersuchung von möglichst vielen Kampfsportarten in Deutschland mit einer relativ großen Stichprobe angelegt ist und daher die Durchführung von körperlichen Untersuchungen viel zu aufwendig wäre. Der SF-36-Fragebogen mit ergänzenden Zusatzfragen soll den gewünschten Erkenntnisgewinn erbringen. Mit dem Fragebogen SF-36 liegt ein etabliertes Messinstrument vor, dass entsprechende Vergleiche zu einer Normpopulation ermöglicht.

Die Frage nach der Veränderung des Gesundheitsstandes im Bezug zum vergangenen Jahr fließt in keine Skala mit ein und wird separat gewertet [3]. Nach Rücksprache mit Präventionsexperten aus Unfall- und Krankenkassen wurden Zusatzfragen entwickelt, die ebenfalls von den Kampfsportlern beantwortet wurden.

Für die Auswahl der an der Untersuchung teilnehmenden Sportler, wurden Kampfsportarten und ihre Mitgliederzahlen als Kriterien der Auswahl gesetzt, um einen Querschnitt der angebotenen Kampfsportarten abbilden zu können. Es wurde auch darauf geachtet, dass verschiedene Stile mit unterschiedlicher kultureller Historie und Entwicklungsgeschichte in das Untersuchungsdesign aufgenommen wurden. In Klammern sind die Anzahl Teilnehmer und Standorte der untersuchten Schulen. Dies sind:

  • Aikido (n=35; Darmstadt, Altheim, Rodgau): waffenlose Kampfsportart, in der es keine Wettkämpfe gibt; Ursprungsland: Japan;

  • Esdo (n=55; Dienheim, Schaafheim, Rotenburg): entwickelt aus Karate, Taekwondo u. a., 1990 gegründete Sportart, die sich als Gesundheits- und Selbstverteidigungssport sieht; Ursprungsland: Deutschland;

  • Judo (n=39; Groß-Umstadt, Aschaffenburg, Jügesheim): olympische Disziplin, mitgliederstärkster Verband in Deutschland; Ursprungsland: Japan;

  • Ju Jutsu (n=33; Babenhausen, Aschaffenburg, Hanau): entwickelt aus japanischen Stilen, drittgrößter Verband in Deutschland; Ursprungsland Deutschland;

  • Karate (n=54; Dieburg, Aschaffenburg, Eppertshausen): zweitgrößter Verband in Deutschland; Ursprungsland: Japan;

  • Kendo (n=37; Dreieich, Würzburg, Rottweil): Kampfsportart, die mit einem Schwert ausgeführt wird; Ursprungsland: Japan;

  • Taekwondo (n=53; Rosenheim, Hanau, Gau-Odernheim): olympische Disziplin; Ursprungsland: Korea;

  • Wing Tsun (n=37; Dieburg, Darmstadt, Groß-Umstadt): chinesischer Kung Fu-Stil, in dem grundsätzlich keine Wettkämpfe stattfinden; Ursprungsland: China.

Ergebnisse

Im Durchschnitt war das Alter der Kontrollgruppe (n=343; 31,9 Jahre) niedriger, als das der Vergleichsgruppe (n=2906; 47,6 Jahre) und es wurde ein höherer Bildungsstand bei den Kampfsportlern festgestellt. Ebenso lagen Unterschiede der Geschlechtergruppen vor. In der Kontrollgruppe waren 74,1% Männer und 24,4% Frauen und in der Vergleichsgruppe 44,4% Männer und 55,6% Frauen. Das Minimum durchschnittlicher wöchentlicher Trainingszeit der einzelnen Kampfkünstler beträgt 1 Stunde und das Maximum 30 h. Der Mittelwert liegt bei 3,40 h Kampfsporttraining pro Woche.

Mittelwertvergleiche zwischen der Kontrollgruppe, kombiniert gewichtet nach Alter, Bildung und Geschlecht und der Vergleichsgruppe führten mit T-Tests der statistischen Prüfung von signifikanten Unterschieden zu folgenden Ergebnissen (Tab. 1, Tab. 2):

Tab. 1 Vergleich Norm- u. Kontrollgruppe einzelner Subskalen (Gruppenstatistiken)
Tab. 2 Vergleich Norm und Kontrollgruppe körperliche und psychische Summenskalen (Gruppenstatistiken)

Die erhaltenen Werte aus der SF-36-Summenskala präsentieren eine Quantifizierung der subjektiven Bewertung von Gesundheit aus der Sicht der Befragten. Im Vergleich zu den bevölkerungsrepräsentativen Daten zeigen die Ergebnisse der Kampfsportler günstigere Relationen zwischen idealtypischer Skalenbreite und festgestellten Wert pro Person. Die deutlichsten Ausprägungen sind in den körperlichen Funktionsskalen zu erkennen.

Der Durchschnittswert der körperlichen Rollenfunktion der Kontrollgruppe ist mit einer höchst signifikanten Differenz von 12,53 (p<0,05) höher als der Wert der Vergleichsgruppe und liegt dem Optimalwert von 100 näher. Die körperliche Rollenfunktion bezieht sich auf den Umfang, in dem der körperliche Gesundheitszustand die Arbeit oder andere tägliche Aktivitäten beeinträchtigt.

Die körperliche Funktionsfähigkeit beschreibt das Ausmaß der Beeinträchtigung körperlicher Aktivitäten, wie Selbstversorgung, Heben, Bücken, Treppensteigen und mittelschwere oder anstrengende Tätigkeiten. Hier wurde eine höchst signifikante Differenz von 10,45 zwischen Kontroll- und Vergleichsgruppe festgestellt (p<0,05). Zur körperlichen Summenskala zählen noch die Themenbereiche körperliche Schmerzen und die allgemeine Gesundheitswahrnehmung. Hier liegen die Werte der Kampfsportler bei den körperlichen Schmerzen um 8,13 und bei der allgemeinen Gesundheitswahrnehmung um 11,37 günstiger als die Werte der allgemeinen Population. Diese Differenzen sind ebenfalls statistisch höchst signifikant (p<0,05).

Nicht so deutlich, wie bei der körperlichen Summenskala sind die Ergebnisse der Themenbereiche der psychischen Summenskala und die Veränderung der Gesundheit im Vergleich zum vergangenen Jahr. Bei der psychischen Summenskala insgesamt liegt keine Signifikanz vor. Zur psychischen Summenskala zählen die Vitalität, die soziale Funktionsfähigkeit, die emotionale Rollenfunktion und das psychische Wohlbefinden. Die Resultate der Kampfsportler weisen aber auch positive Tendenzen und einzelne Signifikanzen gegenüber den repräsentativen Bevölkerungsdaten nach. Im Einzelnen sind dies Unterschiede von 5,01 bei der emotionalen Rollenfunktion (p< 0,05) und von 3,86 beim psychischen Wohlbefinden (p<0,05). Signifikanz liegt bei der Vitalität (p<0,05) aber nicht bei der sozialen Funktionsfähigkeit vor (p>0,05).

Die Auswertung der einzelnen Kampfsportarten untereinander zeigt, dass die Ergebnisse nahe beieinander liegen (Tab. 3). Die Kampfkünstler des Wing Tsun zeigten in der körperlichen Summenskala die günstigste Relation. Hier liegt nur ein Unterschied von 3,38 zu den Aikido Trainierenden, die den geringsten Mittelwert aufweisen. Auch in der psychischen Summenskala sind nur geringe Unterschiede erkennbar. Hier bewerteten sich die die Judo-Sportler am Günstigsten. Den geringsten Mittelwert weisen hier die Wing Tsun-Trainierenden mit einer Differenz von 2,28 zu den Judokas auf.

Tab. 3 Vergleich einzelner Kampfsportarten untereinander

Es hat sich in dieser Empirie keine der 8 untersuchten Kampfsportarten als eindeutig herausragend gezeigt. Die verschiedenen Stile können in den Ergebnissen als nahezu gleichwertig beurteilt werden. Im Gesamtvergleich der körperlichen Summenskala mit der psychischen Summenskala bewerten die Kampfsportler die Körperlichkeit um 4,17 günstiger als ihre psychische Komponente.

Mit den folgenden Regressionsanalysen wurde geprüft, ob Alter und Traininghäufigkeit signifikant die psychischen und körperlichen Summenskalen beeinflussen. In den Regressionsanalysen wurden folgende Ergebnisse festgestellt.

Alter und körperliche Summenskala

Der negative Betakoeffizient der unabhängigen Variable Alter zeigt eine negative Beziehung zur körperlichen Summenskala auf, die höchst signifikant ist (p<0,05): Je höher das Alter der Trainierenden, desto niedrigre Werte sind in der körperlichen Summenskala angegeben worden (Tab. 4).

Tab. 4 Auswirkungen des Alters auf die körperliche Summenskala

Alter und psychische Summenskala

Umgekehrt zeigt der positive Betakoeffizient der unabhängigen Variable Alter einen positiven Einfluss auf die psychische Summenskala, der ebenfalls signifikant ist (p=0,023): Je höher das Alter der Trainierenden, desto günstiger beurteilen sie ihre Situation, welche die psychische Summenskala umfasst. (Tab. 5)

Tab. 5 Auswirkungen auf die psychische Summenskala

Einzelne signifikante Ergebnisse

Allter und allgemeine Gesundheitswahrnehmung

Mit einem Betakoeffizienten von –0,238 liegt ein statistisch höchst signifikanter negativer Einfluss des Alters auf die allgemeine Gesundheitswahrnehmung vor (p<0,05): Je höher das Alter der Trainierenden, desto geringer sind die Ergebnisse der Gesundheitswahrnehmung (Tab. 6).

Tab. 6 Auswirkungen des Alters auf die Subskala „Allgemeine Gesundheitswahrnehmung“
Tab. 7 Auswirkungen des Alters auf die Subskala „Emotionale Rollenfunktion“

Alter und emotionale Rollenfunktion

Ebenfalls signifikant ist der Einfluss des Alters auf die emotionale Rollenfunktion (p=0,027). Der positive Betakoeffizient beschreibt demzufolge eine positive Beziehung: Je höher das Alter der Trainierenden, desto günstiger wird die emotionale Rollenfunktion beurteilt.

Die in den vorliegenden Regressionsanalysen festgestellten betragsmäßig niedrigen Betakoeffizienten der Einflussvariable Alter mit <0,2 zeigen zwar einen signifikanten, aber nur einen schwachen Einfluss des Alters auf die jeweiligen abhängigen Variablen auf. Keine Signifikanz in der Regressionsanalyse ergab der Parameter Trainingshäufigkeit und Auswirkungen auf die physische und psychische Summenskala.

Diskussion

Die Ottawa-Konferenz und deren Charta [25] von 1986 gilt als Meilenstein der Prävention und der Gesundheitsförderung in unserer modernen Gesellschaft. Primäre Prävention und Gesundheitsförderung haben sich zu einem gesellschaftlich relevanten Thema und Forschungsgebiet entwickelt. Rosenbrock [20] sieht im Ausbau der Primärprävention eine unverzichtbare Rolle, um den zukünftigen Herausforderungen der Gesundheitspolitik adäquat begegnen zu können. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF; [6]) erkennt die Bedeutsamkeit der Primärprävention. Diese wird als Vorbeugung des erstmaligen Auftretens von Krankheiten verstanden. Inhalte des Konzepts sind neben der Aufklärung über die Fertigkeiten zum individuellen Umgang mit Gesundheitsrisiken und Gesundheitsbelastungen, auch die Unterstützung bei der Veränderung individueller Verhaltensweisen. Das BMBF lokalisiert aber auch, dass bislang nur wenige Studien zur Effektivität und Effizienz von Maßnahmen der Primärprävention und der Gesundheitsförderung durchgeführt worden sind. Als nicht ausreichend wird die Entwicklung von übergeordneten Indikatoren und Erhebungsinstrumenten zur Bestimmung von Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität bewertet.

Eine beispielhafte Erhebung mit 753 Probanden der IKK Baden-Württemberg [19] konnte zwar Tendenzen, aber keine gesicherten Erkenntnisse herausarbeiten. In einer längsschnittlich durchgeführten Evaluation mit zusätzlichen Fragen aus dem Fragebogen SF-36, konnte zwar festgestellt werden, dass sich alle Dimensionen der gesundheitlichen Lebensqualität im Verlauf der Bewegungs- und Entspannungskurse erheblich verbesserten. Über die Nachhaltigkeit und Stabilität der Effekte konnte jedoch keine Aussage getroffen werden.

Im primärpräventiven Handlungsfeld der gesetzlichen Krankenkassen werden bislang Methoden wie präventives Herz-Kreislauftraining, Rücken- und Wirbelsäulengymnastik, Walking, Aqua-Jogging, Qi Gong, Tai Chi, Yoga, autogenes Training, progressive Muskelentspannung u. a. eingesetzt. Asiatische Kampfsportarten, soweit sie über Oi Gong- oder Tai Chi-Übungen hinausgehen sind bislang nicht als primärpräventive Methode genutzt worden [23].

Die einzelnen primärpräventiven Handlungsfelder der gesetzlichen Krankenkassen zeigen sich in der praktischen Umsetzung vereinigt in den verschiedenen asiatischen Kampfsportsystemen. Wenn Kampfsport in seiner ursprünglichen Ganzheitlichkeit als Synthese von physischen, psychischen und moralisch-ethischen Inhalten trainiert wird, könnte dies ein entscheidender Mehrwert gegenüber anderen Sportarten sein, falls deren Inhalte sich primär auf die physische Ebene reduziert.

Asiatische Kampfsportsysteme sind als lebenslanger Lernprozess angelegt. Ein ständiges Bemühen die eigenen physischen Fähigkeiten zu erhalten und zu verbessern gehören ebenso zu den Grundprinzipien wie Selbsterfahrungsprozesse und Persönlichkeitsentwicklungen, die als lebenslanges Bemühen verstanden werden [27].

Hinzu kommen die Graduierungssysteme im Kampfsport, die alle Trainierenden unabhängig von individuellen Leistungsfähigkeiten, genetischen Dispositionen, Alter oder Geschlecht Möglichkeiten bietet, um in transparent definierten Meilensteinen Erfolgserlebnisse und Wertschätzungen erfahren zu können. Hinsichtlich motivatorischer Aspekte könnten Graduierungssysteme Bausteine sein, die auch andere Sportarten aufgreifen und ergänzen könnten. Dieses wäre ein innovativer Ansatz, damit Menschen regelmäßig und motiviert, unabhängig von einer Wettkampfteilnahme oder „Bestenauswahl“ gesundheitsorientiert und mit persönlichen Erfolgserlebnissen einen Sport längerfristig mit nachhaltigen Ergebnissen ausüben. Ebenfalls könnten die Kampfsportarten mit ihren Graduierungssystemen Lösungsansätze aufzeigen, in der Frage nach einer ziel- und ergebnisorientierten monetären Bezuschussung von Mitgliedern von Krankenkassen oder von Beschäftigten im Rahmen eines Betrieblichen Gesundheitsmanagements.

Ausgangspunkt für die Untersuchung war die Beantwortung der Frage, ob Kampfsportarten sich als Methode für die Primärprävention eignen. Einer Eignung kann aber nur zugestimmt werden, wenn Menschen, die Kampfsport ausüben, gesünder sind als Menschen, die keinen Kampfsport trainieren. Der Zustand Gesundheit ist jedoch kein eindeutig definierbares Konstrukt, sondern zeichnet sich durch eine Komplexität aus, die mehrdimensional betrachtet werden muss. Diesen Umstand wurde in der Untersuchung Rechnung getragen, insofern der Evaluationsparameter der gesundheitsbezogenen Lebensqualität, der in dieser Studie untersucht wurde, diese Mehrdimensionalität beinhaltet. Diese Mehrdimensionalität umfasst das psychische Befinden, die körperliche Verfassung, die sozialen Beziehungen und die funktionale Kompetenz.

Die Untersuchung zeigt, dass Kampfsportler ihre gesundheitsbezogene Lebensqualität positiver beurteilen als die Allgemeinpopulation. Dennoch erscheint es für eine Gesamtbeurteilung notwendig, die unterschiedlichen Dimensionen näher zu betrachten.

Im Vergleich zu den Daten der bevölkerungsrepräsentativen Vergleichsgruppe weisen Kampfsportler insbesondere bei den körperlichen Funktionsskalen im Durchschnitt signifikant höhere Werte auf. Dieses Ergebnis bestätigt die von vielen Studien aufgezeigten Befunde der Verbesserung der physischen Konstitution durch Kampfsporttraining. Dagegen sind bei den psychischen Skalen die Unterschiede nur bei wenigen Parametern signifikant, d. h. bei der emotionalen Rollenfunktion und beim psychischen Wohlbefinden. Dass psychosoziale Verbesserungen bei Menschen, die Kampfsport ausüben, nicht immer deutlich positiver ausfallen, zeigt die Untersuchung der Studien der letzten 30 Jahre von Binder [1].

Die vorliegende Studie zeigt, dass mit dem Einsatz von verschiedenen Items, welche die vielfältigen Aspekte des psychosozialen Wohlbefindens erschließen, ein differenziertes Bild über die gesundheitsfördernde Wirkung des Kampfports ermittelt werden kann. Zu vermuten ist, dass insbesondere bei den psychosozialen Aspekten der Lebensqualität der Zusammenhang mit regelmäßigen Aktivitäten des Kampfsports weitaus komplexer ist. Dorscher u. Preuß [9] weisen zum Beispiel mit ihrer Untersuchung von 50 Kampfsportlern darauf hin, dass eine Beschränkung des Trainingsschwerpunks auf die rein körperliche Ebene, mit dem Ziel, Wettkampferfolge zu erzielen, eine Verbesserung der psychischen Dimension der Gesundheit nicht mit sich bringt. Die gesundheitliche Stärkung von Körper, Geist und Seele hängt davon ab, ob mit dem Kampfsporttraining ein ganzheitlicher Ansatz verfolgt wird oder der einschränkende Schwerpunkt auf erfolgreiche Wettkampfturniere gesetzt wird.

Zu berücksichtigen gilt, dass die komplexen Zusammenhänge zwischen der Ausübung von asiatischen Kampfsportarten und eines verbesserten Gesundheitszustandes weitere Einflussfaktoren beinhalten, wie z. B. Ziele des Kampfsporttrainings und das soziale und berufliche Umfeld der Trainierenden. Letztere haben wohlmöglich einen stärkeren Einfluss auf die soziale Funktionsfähigkeit als der Kampfsport.

Grenzen der Untersuchung

In der Komplexität dieser Zusammenhänge zeigen sich auch die Grenzen der Untersuchung. Die vorliegende Querschnittsuntersuchung kann nur erste Tendenzen herausarbeiten, die durch eine Längsschnittuntersuchung zum Gesundheitsverlauf, Erkrankungs- und Verletzungshäufigkeit präzisiert werden kann und die Frage nach der Geeignetheit von Kampfsportarten zur Gesundheitsprävention eindeutiger beantworten kann.

Auch der Mehrwert von Kampfsportarten gegenüber anderen Sportarten kann nicht exakt herausgearbeitet werden, da für die Untersuchung nur Daten von Kampfsportlern erhoben wurden und keine parallele Datenerhebung von direkten Vergleichsgruppen anderer Sportarten durchgeführt wurde.

Der verwendete Fragebogen SF-36 zählt zu den international am häufigsten eingesetzten Instrument zur Messung der subjektiven Lebensqualität. Dessen psychometrische Kriterien wie Reliabilität und Validität werden als exzellent eingestuft und somit wird der Fragebogen SF-36 als geeignetes Messinstrument für die gesundheitsbezogene Lebensqualität bewertet [3]. Eine hohe Aussagekraft ergibt sich durch die Vergleiche mit einer repräsentativen deutschen Normstichprobe.

Dennoch genügt nicht diese Reduktion auf den Evaluationsparameter „gesundheitsbezogene Lebensqualität“. Weitere anamnestische, körperliche und apparative Untersuchungen der Probanden wären zusätzlich notwendig, um eindeutig zu beantworten, ob sich asiatische Kampfsportarten zur Gesundheitsprävention eignen.

Fazit für die Praxis

In der vorliegenden Studie konnte nachgewiesen werden, dass 343 Kampfsportler aus 8 verschiedenen Stilen ihre gesundheitsbezogene Lebensqualität positiver beurteilen als die Allgemeinpopulation. Deutlicher ist der Unterschied auf der körperlichen Ebene als auf der psychischen Ebene. Die Ergebnisse im Vergleich der 8 verschiedenen Stile zeigen nur geringe Unterschiede. Daraus könnte der Schluss gezogen werden, dass keine der untersuchten Kampfsportarten in besonderer Weise für die Eignung zur Primärprävention geeignet ist. Entscheidend ist jedoch, dass generell Kampfsporttraining eine positive Wirkung auf den Gesundheitszustand hat.

Mögliche konträre Indikationen, wie erhöhte Gewaltbereitschaft, auffälliges Aggressionsverhalten und überhöhte Verletzungsgefahren waren nicht Gegenstand der Untersuchung. Diese Indikatoren sind durch internationale Studienergebnisse widerlegt worden.

Die signifikanten Ergebnisse der Studie bekräftigen die Annahme, dass die Eignung von asiatischen Kampfsportarten als Methode für die Primärprävention gegeben ist.

Trotz positiver Aspekte und signifikanten Ergebnissen leitet sich allein schon aus der Mehrdimensionalität der gesundheitsbezogenen Lebensqualität die Notwendigkeit ab, den komplexen Kausalzusammenhang zwischen der Ausübung von asiatischen Kampfsportarten und eines verbesserten Gesundheitszustandes weiterhin mit objektiven Parametern detaillierter und statistisch adäquat zu erforschen.