Im Rahmen des Gesunde-Städte-Netzwerks wurde in den 1990er Jahren von der WHO auch das Netzwerk für Gesundheitsfördernde Hochschulen ins Leben gerufen. Zwar nimmt für Österreich die Servicestelle für Gesundheitsbildung an dem WHO-Netzwerk teil, die öffentlich zugängliche Projektdatenbank zeigt jedoch lediglich schulische und keinerlei universitäre Aktivitäten [8].

Der vorliegende Beitrag untersucht den Ist-Zustand und die Rezeption von Gesundheitsförderung an den zum Zeitpunkt der Befragung existierenden 25 österreichischen Universitäten betreffend des angestellten Personals. Auf Maßnahmen der studentischen Hochschulgesundheit wird nicht eingegangen.

Ziel ist es, einen ersten Überblick über:

  • Maßnahmen der Gesundheitsförderung und Prävention an österreichischen Universitäten zu geben,

  • den Ist-Zustand der organisatorischen Verankerung der Maßnahmen darzustellen und

  • zu bewerten.

Die Daten stammen aus einer Befragung, die zwischen Juni und Oktober 2006 durchgeführt wurde, wie einer Internetrecherche der Universitäten und der Förderstellen für Gesundheitsförderungsprojekte. Dazu wird zuerst ein Überblick über die Universitätslandschaft in Österreich gegeben und kurz Gesundheitsförderung im Setting Universität erörtert. Nach der Darstellung der Methodik werden zuerst deskriptiv Ergebnisse vorgestellt und anschließend kurz diskutiert.

Universitäten in Österreich

Zum Stand März 2007 existierten in Österreich 28 Universitäten, davon 21 als Körperschaft öffentlichen Rechts und 7 sog. Privatuniversitäten, die erst seit dem Universitätsakkreditierungsgesetz 1999 [18] möglich sind. Letztere sind schwerpunktmäßig in der theologischen, medizinischen bzw. berufsbegleitenden wirtschaftlichen akademischen Ausbildung tätig und werden teilweise von privaten, großteils aber von öffentlichen oder kirchlichen Institutionen geführt. Drei der Privatuniversitäten befanden sich zum Zeitpunkt der Befragung im Akkreditierungsverfahren und wurden daher in der Untersuchung nicht berücksichtigt. Da Fachhochschulen in Österreich erst 1994 zugelassen wurden, herrscht immer noch ein deutlicher universitärer Überhang in der Ausbildung und Beschäftigung im postsekundären Bildungsbereich.

An den öffentlichen Universitäten studierten im Jahr 2005 etwas über 200.000 Studierende und waren knapp 34.400 Personen hauptberuflich beschäftigt, davon 23.621 in wissenschaftlicher bzw. künstlerischer Verwendung, der Rest im administrativen Bereich. Öffentliche Statistiken über Privatuniversitäten weisen lediglich kumuliert Inskriptionszahlen mit etwas über 2500 im Studienjahr 2005/2006 aus, bei der Anzahl der Mitarbeiter ergab auch eine Internetrecherche keine Daten [5, 6, 17].

Bei der Beschäftigung der staatlichen Universitäten dominieren die Universität Wien, die Medizinischen Universitäten Wien und Graz, die Universität Graz, die Universität Innsbruck, die Technischen Universitäten Graz und Wien, sowie die Universität Salzburg, welche zusammen 74% des Personals beschäftigen. Weitere Universitätsstädte sind Klagenfurt, Leoben, St. Pölten und Linz (Tab. 1).

Tab. 1 Wissenschaftliches und künstlerisches Personal an österreichischen staatlichen Universitäten 2005 [6]

Universitäten als Setting für Gesundheitsförderung

Seit der Ottawa-Konferenz der WHO im Jahre 1986 werden soziale Systeme (Settings) als zentrale Interventionsfelder der Gesundheitsförderung gesehen, was die Erkenntnis beinhaltet, dass individuelles Gesundheitshandeln und salutogene oder pathogene Mechanismen in den vorhandenen Strukturen bearbeitet bzw. verändert werden müssen [10, 19]. Neben den bis dahin dominierenden individuell verhaltensorientierten Strategien der Gesundheitsbildung und -erziehung sollen auch und verstärkt verhältnisorientierte Maßnahmen getroffen werden, um etwa im betrieblichen Setting eine „gesunde“ Organisation [13] zu schaffen und dem historisch gesehenen Gegensatz von Gesundheit und Arbeit mit dem Paradigmenwechsel „Gesundheit fördert Arbeit“ [2] zu begegnen.

Universitäten stellen spezifische Settings dar. Einerseits haben sie als Arbeitgeber für die Mitarbeiter selbst bzw. in der Regionalwirtschaft wesentliche Bedeutung, andererseits führt die große Anzahl an Studierenden zu einem starken Einfluss auf weite Teile der Bevölkerung. Ebenfalls werden Universitäten gesellschaftspolitisch stark wahrgenommen [7]. Interne Besonderheiten im universitären Bereich ergeben sich aus 2 sehr unterschiedlichen Beschäftigungsgruppen – dem in professionellen Bürokratien [14] stark ausgeprägten admininistrativen Bereich und den Wissenschaflern, die besonderen Anforderungen und idiosynkratischen Karriereverläufen unterworfen sind [15, 16] und als schwer erreichbare Zielgruppe für Gesundheitsförderungsmaßnahmen gelten. Gemäß dem österreichischen Universitätsorganisationsgesetz ist wie in Deutschland die Einheit von Forschung und Lehre vorgesehen, sog. Lecturer-Stellen werden zwar diskutiert, sind aber derzeit nicht vorgesehen.

Untersuchungsmethode

Ausgehend von existenten Befragungen über den Ist-Zustand und den Bedarf von betrieblicher Gesundheitsförderung (BGF) in betrieblichen Settings [3, 9, 11] wurde ein Fragebogen mit 141 Items entwickelt, bei dem die Anzahl der geschlossenen Fragen etwa 90% beträgt und:

  • allgemeine Daten über das Unternehmen,

  • verhaltensorientierte Maßnahmen,

  • verhältnisorientierte Maßnahmen des BGF,

  • strukturelle Rahmenbedingungen (z. B. Arbeitszeit und Familienfreundlichkeit) wie auch

  • Einschätzungsfragen über Bedeutung und Rezeption von Gesundheitsförderung an den Universitäten enthält.

Ein Pre-Test wurde nach der Fertigstellung in einem Convenience-Sample durchgeführt und der Fragebogen anschließend an das für Personal zuständige Leitungsorgan (Rektor bzw. Vizerektor) versandt. Die Befragung fand zwischen Juni und Oktober 2006 statt und 12 Universitäten beantworteten die Umfrage. Im März 2007 wurde eine Internetrecherche der Homepages aller 25 befragten Universitäten und von Projektdatenbanken der Gebietskrankenkassen und des Fonds Gesundes Österreich durchgeführt, um die Daten so weit als möglich zu validieren.

Ergebnisse

Im Folgenden wird eine kurzer Überblick über ausgewählte Befragungsergebnisse gegeben. Sofern möglich, werden sie mit den Ergebnissen der Internetrecherche an Österreichs Universitäten und Fördereinrichtungen verglichen.

Ermittlung des Bedarfs an Gesundheitsförderungsmaßnahmen

Effiziente Präventions- und Gesundheitsförderungsmaßnahmen benötigen eine ausführliche Datenanalyse, um situativ abgeleitete Maßnahmen anzubieten. Sie gilt als wesentliches Qualitätskriterium für eine erfolgreiche Gesundheitspolitik [4], (Tab. 2).

Tab. 2 Datenquellen für Prävention und Gesundheitsförderung an österreichischen Universitäten (n=12)

Sind Maßnahmen der klassischen Prävention, wie etwa Arbeitsplatzbegehungen (v. a. im Bereich der nicht-wissenschaftlichen Tätigkeiten) eingeführt, so fehlen grundsätzlich die Analysen von Personaldaten hinsichtlich Fluktuation, Altersstruktur, krankheitsbedingter Fehlzeiten etc.. Die Analyse der Diagnostik ist kaum vorhanden und auch Gesundheitszirkel, die in Österreich durch die Förderungen der Gebietskrankenkassen weit verbreitet sind, kommen kaum vor. In sonstigen Bereichen der individuellen Mitarbeiterpartizipation oder individuellen Befragungen zeigen österreichische Universitäten ebenfalls (abgesehen von den seit 1999 gesetzlich verpflichtenden Mitarbeitergesprächen) relativ wenig Aktivitäten. Die Frage nach auftretenden Anzeichen für Berufskrankheiten wurde ausnahmslos verneint.

Ziele und Zuständigkeiten von Gesundheitsförderung an österreichischen Universitäten

Andere Hinweise auf die Einstellung zu BGF zeigen sich in den Fragen nach der Zuständigkeit und den Zielen von Gesundheitsförderung. So sind sich alle Befragten einig, dass die Erhöhung des Gesundheitsbewusstseins der einzelnen Mitarbeiter ein wesentliches Ziel ist, weitere v. a. mögliche organisationsbezogene Ziele (wie etwa sinkende Fluktuation) finden sich nur weit abgeschlagen oder gar nicht (Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Ziele von Gesundheitsförderung an österreichischen Universitäten (n=12): Auch die Frage nach den Zuständigkeiten zeigt ein ähnliches Bild. So meinen lediglich 2 Befragte (18,3%), dass die Organisation einen hohen Einfluss auf das Gesundheitsverhalten der Mitarbeiter haben und zu 75% sehen sie die Individuen für ihre Gesundheit ausschließlich selbst verantwortlich

Eingeführte, geplante und gewünschte Maßnahmen der Gesundheitsförderung

Die befragten Universitäten geben an, relativ viele gesundheitsförderliche und präventive Maßnahmen durchzuführen. Die Personalentwicklungskurse betreffen beide Beschäftigungsgruppen, lediglich die Führungskräftetrainings sind differenzierbar. Aus der Internetrecherche ist ersichtlich, dass alle Universitäten seit etwa 2–4 Jahren hochschuldidaktische Angebote für den wissenschaftlichen Nachwuchs teilweise freiwillig, teilweise verpflichtend anbieten (Tab. 3).

Tab. 3 Verhaltensbezogene Maßnahmen zur Gesundheitsförderung an österreichischen Universitäten (n=12)

Bei den organisationsbezogenen Maßnahmen fällt v. a. der erhebliche Anteil an flexiblen Arbeitszeitmodellen und eine für Österreich hohe Dichte an eigenen Kinderbetreuungseinrichtungen auf. Andere verhältnisbezogene Maßnahmen von der Veränderung der Abläufe, der Hierarchien in Hinblick auf Gesundheitsförderung kommen hingegen nicht vor (Tab. 4).

Tab. 4 Familienfreundliche Maßnahme und Arbeitszeitmodelle an österreichischen Universitäten (n=12)

Sowohl bei den Verhaltens- als auch bei den Verhältnismaßnahmen decken sich die Aussagen der Internetrecherche mit denen der Befragung, lediglich an der Universität Innsbruck existiert ein gemeinsam mit der Medizinischen Universität Innsbruck betriebenes Gesundheitsportal. Seit dem Jahr 2005 werden darin allerdings keine Aktualisierungen und Neuerungen vorgenommen.

Auf die Frage nach gewünschten Maßnahmen fällt auf, dass zwar einerseits in keiner der Universitäten Anzeichen für Berufskrankheiten gesehen werden, allerdings 58,3% der Organisationen sich bessere Stressbewältigungs- und 50% Suchtpräventionsprogramme wünschen.

Diskussion

Österreichs Universitäten scheinen sich den gewonnenen Daten nach in einem sehr frühen Stadium der Gesundheitsförderung zu befinden. Daten werden nicht systematisch analysiert, Mitarbeiter werden kaum zu den Problemfeldern gehört und auch eine gemeinsame Verantwortlichkeit über Gesundheitshandeln im Setting wird weitgehend abgelehnt. Interessant bei der Umfrage ist ebenfalls das Ergebnis, dass an keiner einzigen der österreichischen Universitäten Anzeichen für Berufskrankheiten im weitesten Sinn, seien sie körperlich, psychosomatisch und/oder psychosozial gesehen werden. Da dieses Ergebnis an sich nur mäßig glaubwürdig scheint, könnte es auf eine allgemeine niedrige Wahrnehmung von Gesundheit und Krankheit hindeuten.

Positiv zu vermerken sind flexible Arbeitszeitmöglichkeiten und die im österreichischen Schnitt überproportional häufig vorkommenden integrierten Kinderbetreuungseinrichtungen. An österreichischen Universitäten werden häufig Kinderbetreuungseinrichtung gemeinsam mit der studentischen Vertretung, der Hochschülerschaft (vergleichbar mit der AStA, jedoch wesentlich mehr Befugnisse in Hinblick auf den universitären Ablauf) betrieben bzw. initiiert. Zurückzuführen dürfte das u. a. auf einen hohen Frauenanteil von durchschnittlich 45,37% (σ2=112,3) sein, der v. a. in der Altersstruktur ≤45 Jahre noch wesentlich höher ist. Flexible Arbeitszeitmodelle sind voraussichtlich auch auf Besonderheiten der Universität zurückzuführen, wonach Sabbaticals, Sonderurlaube etc. auch jenseits der Gesundheitsdiskussion schon länger eine große Rolle spielten. Von einer lebensphasenbezogenen, geschlechtergerechten Gesundheitsförderung [12] oder gar -management kann dennoch nicht gesprochen werden. Sieht man sich die Planungen der Maßnahmen an, so wird sich wahrscheinlich auch wenig ändern – es könnte sich auch um eine rein symbolische Gesundheitspolitik [9] handeln.

Fazit für die Praxis

In Deutschland finden sich vielfältige Projektberichte und konzeptionelle Arbeiten über Hochschulgesundheit, sowohl für Mitarbeiter als auch für Studierende. Einen Überblick über die Aktivitäten bietet die Homepage des Arbeitskreises „Gesundheitsfördernde Hochschulen Universitäten“ (http://www.gesundheitsfoerdernde-hochschulen.de [1]). Von vielfältigen Musterprojekten könnten und sollten im Sinne des Zieles „Gesundheit fördert Arbeit“ [2] als Beispiel dienen, Gesundheit an Universitäten in Österreich zu fördern. Wichtig wäre als erster Schritt eine systematische Erfassung der Daten über Gesundheit, Fluktuation, Mitarbeiterzufriedenheit und Führung. Daraus sollten Maßnahmen abgeleitet werden, die danach einer Evaluation unterliegen. Einzelmaßnahmen ohne Wissen über den Bedarf und ohne konkrete Zielsetzungen sind weder im Sinne einer sinnvollen Unternehmensführung im Allgemeinen noch im Sinne einer professionellen Gesundheitsförderung im Speziellen.