Zusammenfassung
Ziel
Übersicht über den gegenwärtigen Erkenntnisstand zur Epidemiologie chronischer Venenkrankheiten.
Methodik
Systematische Suche und Aufarbeitung aktueller Studien zur Epidemiologie chronischer Venenkrankheiten.
Ergebnisse
Fasst man die jüngeren epidemiologischen Studien zusammen, in denen die CEAP Klassifikation verwendet wurde, so lassen sich ca. 60–70 % in die Klassen C0 und C1 einordnen, ca. 25 % in C2 und C3 mit Varizen und/oder Ödem und bis zu 5 % in C4 bis C6 mit Hautveränderungen bis hin zum Ulcus cruris. Die Inzidenz für Varikose und CVI liegt jeweils bei ca. 2 % pro Jahr.
Schlussfolgerungen
Chronische Venenkrankheiten wie die Varikose und die Chronische Venöse Insuffizienz gehören zu den häufigsten Erkrankungen in der erwachsenen Durchschnittsbevölkerung weltweit.
Summary
Aim
Overview of the recent knowledge in epidemiology of chronic venous diseases.
Methods
Systematic search and discussion of recent studies concerning epidemiology of chronic venous diseases.
Results
The more recent epidemiologic studies of venous diseases in which the CEAP classification was used showed a prevalence of 60–70 % CEAP clinical class C0 and C1, app. 25 % for C2 and C3 and up to 5 % for C4 to C6 with skin changes or venous ulcers. The incidence of varicose veins is app. 2 % per year.
Conclusions
Chronic venous diseases like varicose veins and chronic venous insufficiency belong to the most frequent diseases in our adult population.
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Einleitung
Chronische Venenkrankheiten gehören zu den häufigsten Krankheitsbildern in der erwachsenen Bevölkerung weltweit. Unter dem Begriff der chronischen Venenkrankheiten fassen wir Krankheitsbilder wie die Varikose (V), das postthrombotische Syndrom (PTS) und die chronische venöse Insuffizienz (CVI) zusammen [1]. Die Varikose kann in die intradermal und subdermal gelegenen Formen der Besenreiser- und retikulären Varikose und die im subkutanen Fettgewebe gelegenen Formen der eigentlichen Varizen unterteilt werden, wie sie in der revidierten CEAP Klassifikation definiert sind [2] (Tab. 1). Die Stammvarikose stellt eine Sonderform der Varizen dar. Sie ist wegen ihrer Lage in einer Duplikatur der Muskelfaszie selten klinisch sichtbar, spielt aber eine große Rolle für die hämodynamische Ausprägung des Krankheitsbildes und für die Entwicklung einer CVI. Die CVI mit Ödembildung und Hautveränderungen bis hin zum Ulcus cruris ist die klinische Folge einer unbehandelten Varikose oder einer abgelaufenen tiefen Beinvenenthrombose mit Defektheilung im Sinne der Klappeninsuffizienz oder der persistierenden Okklusion tiefer Venen. Auch angiodysplastische Krankheitsbilder wie das Klippel-Trenaunay Syndrom oder funktionelle venöse Störungen wie bei Adipositas oder Rechtsherzinsuffizienz können mit den klinischen Zeichen einer CVI einhergehen.
In der revidierten CEAP Klassifikation werden die klinischen Klassen der chronischen Venenkrankheiten definiert [2] (Tab. 2).
Methoden
Wir suchten in Medline und PubMed nach relevanten aktuellen epidemiologischen Studien zum Thema chronische Venenkrankheiten und diskutierten eigene Ergebnisse aus der Bonner Venenstudie und dem Vein Consult Projekt.
Ergebnisse
In den letzten Jahrzehnten wurden zahlreiche epidemiologische Studien zum Thema „Chronische Venenkrankheiten“ publiziert [3–20]. Aufgrund der unterschiedlichen Altersverteilung, der unterschiedlichen Definition von Varikose und CVI und der unterschiedlichen Untersuchungsmethoden differieren die angegebenen Prävalenzen stark. Erst in den letzten Jahren wurden Studien publiziert, in denen die Definitionen der CEAP-Klassifikation Verwendung fanden [12–18]. Auch in den CEAP-basierten Studien differieren die Angaben zur Probandenrekrutierung und zur Studienpopulation sowie zur Definition der CVI und der Art der Untersuchung.
Prävalenz von Varikose und CVI
In der San Diego Studie wurden zwischen 1994 und 1996 2211 Männer und Frauen im Alter zwischen 40 und 70 Jahren in San Diego, Kalifornien, auf das Vorliegen von Zeichen von chronischen Venenkrankheiten hin untersucht [16]. Die Autoren fanden die folgenden Prävalenzen für die klinischen Klassen: C0 19 %, C1 51,5 %, C2 23,3 %, C4–C6 6,2 %. 5,8 % der gesamten Population zeigte ein Ödem, 7,4 % der Männer und 4,9 % der Frauen. Das Vorhandensein von Venenkrankheiten stieg mit dem Alter an. Weiße mit nichthispanischem Ursprung hatten häufiger Venenkrankheiten als andere ethnische Gruppen. Die Stadien C1 und C2 waren bei Frauen häufiger und die Stadien C4–C6 waren bei Männern häufiger.
In einer italienischen Querschnittsuntersuchung wurden 5247 Probanden in 24 Städten in Nord-, Mittel- und Süditalien im Frühjahr und im Sommer 2003 über Anzeigen im Fernsehen, in Tageszeitungen und über Flyer rekrutiert und untersucht [14, 15]. Frauen waren mit 85,9 % überproportional häufig vertreten. Die Prävalenzen waren wie folgt verteilt: C0 22,7 %, C1 64,8 %, C2 43 %, C3 13,6 %, C4a 3,4 % und C4b bis C6 8,6 %. Risikofaktoren waren höheres Alter, Leben im südlichen Teil Italiens, Anzahl der Schwangerschaften und positive Familienanamnese für Venenkrankheiten.
In einer polnischen Studie wurden 40.095 polnische Erwachsene zwischen 16 und 97 Jahren in allgemeinmedizinischen, gynäkologischen und internistischen Praxen interviewt und klinisch untersucht [17]. Auch in dieser Studie waren Frauen überproportional häufig mit 84 % vertreten. Folgende Prävalenzen wurden gefunden: C0 51,1 %, C1 bei 16,5 %, C2 21,8 %, C3 4,5 %, C4 4,6 %, C5 1,0 % und C6 0,5 %. Beinbeschwerden wurden von 81 % der Varikosepatienten und 35 % der Probanden ohne Varikose angegeben. 10 % hatten bei der Untersuchung ein Ödem. 34,3 % hatten Varizen und 1,5 % hatten ein aktives oder abgeheiltes Ulkus cruris. Als Risikofaktoren für Varizen wurden höheres Alter, Anzahl der Schwangerschaften, positive Familienanamnese und Übergewicht dokumentiert.
In einer französischen Querschnittsuntersuchung untersuchten Carpentier und Mitarbeiter eine Subpopulation von 409 Probanden, 277 Männer und 132 Frauen, eines Morbus Raynaud-Kollektives [13]. Die Prävalenzen lagen bei: C0 und C1: 48,7 %, C2: 23,7 % der Männer, 46,3 % der Frauen, C3: 1,1 % der Männer, 2,2 % der Frauen. C4: 4 % der Männer und 2,1 % der Frauen, C5: 1,4 % der Männer und 0,7 % der Frauen. Positive Familienanamnese, höheres Alter, Schwangerschaften und die Körpergröße bei Frauen sowie geringe körperliche Aktivität bei Männern waren Risikofaktoren für die Varikose.
In der Bonner Venenstudie wurde die Prävalenz und die Ausprägung chronischer Venenkrankheiten in der städtischen und ländlichen deutschen Wohnbevölkerung untersucht [12]. Basierend auf einer randomisierten, altersstratifizierten Stichprobe aus den Einwohnermelderegistern der Stadt Bonn und zweier ländlicher Gemeinden wurden 3072 Probanden im Alter zwischen 18 und 79 Jahren untersucht. 1350 Probanden waren männlich, 1722 weiblich. Die Prävalenz der C‑Stadien geht aus Tab. 3 hervor. Postthrombotische Veränderungen im Sinne eines postthrombotischen Syndroms fanden wir bei 1,1 % der Probanden. Betrachtet man die Diagnosen unabhängig von den C‑Klassen, so hatten 23,2 % eine Varikose und 17 % eine CVI.
In der größten internationalen Studie zur Prävalenz der chronischen Venenkrankheiten, dem Vein Consult Program, wurden 91.545 Patienten in 6232 allgemeinmedizinischen Praxen auf das Vorliegen einer chronischen Venenkrankheit untersucht [18]. Das Durchschnittsalter lag bei 50,6 ± 16,9 Jahren. Die Prävalenz für die einzelnen C‑Klassen lagen bei: C0 asymptomatisch: 16,4 %, C0 symptomatisch: 19,7 %, C1: 21,7 %, C2: 17,9 %, C3: 14,7 %, C4: 7,5 %, C5: 1,4 % und C6: 0,7 %.
Inzidenz von Varikose und CVI
Zur Neuerkrankungsrate von Varikose und CVI liegen nur sehr wenige Ergebnisse aus größeren Studien vor.
In der Framingham Studie lag die Inzidenz der Varikose für Frauen bei 2,6 % pro Jahr und für Männer bei 1,9 % pro Jahr [11]. Die Inzidenz war in allen Altersklassen vergleichbar groß.
In der Bonner Venenstudie konnten wir während einer Nachbeobachtungszeit von 6,6 Jahren eine Inzidenz der Varikose von 13,7 % und der CVI von 13,0 % beobachten. Die entspricht 2,1 bzw. 2,0 % pro Jahr [19]. Die Inzidenz stieg mit dem Alter an.
In einer Follow-up Studie der Edinburgh Vein Study fanden Robertson et al. eine 13-Jahre Inzidenz für Refluxe im Venensystem der Beine von 12,7 % (95 % CI 9,2–17,2) [20]. Das entspricht 0,9 % pro Jahr. Die 13-Jahre Inzidenz im oberflächlichen Venensystem war mit 8,8 % höher als im tiefen Venensystem mit 2,6 %. Die Autoren fanden keine Alters- oder Geschlechtsunterschiede, aber eine höhere Inzidenz bei Übergewicht und nach tiefer Beinvenenthrombose.
Kürzlich publizieren Lee et al. die Progressionsdaten aus derselben Studie [21]. Diese lag bei 57,8 % nach 13,4 Jahren oder bei 4,3 % pro Jahr. 31,9 % der Probanden, die zur Baseline lediglich eine Varikose hatten, entwickelten eine CVI. Risikofaktoren für eine Progression waren positive Familienanamnese für Varizen (OR 1,85, 95 % CI 1,14–1,30) und Zustand nach Beinvenenthrombose (OR 4,10, 95 % CI 1,07–15,71). Übergewichtige Varizenpatienten hatten ein höheres Risiko eine CVI zu entwickeln (OR 1,85, 95 % CI 1,10–3,12).
Zusammenfassung
Chronische Venenkrankheiten wie die Varikose und die Chronische Venöse Insuffizienz gehören zu den häufigsten Erkrankungen in der erwachsenen Durchschnittsbevölkerung weltweit. Fasst man die jüngeren epidemiologischen Studien zusammen, in denen die CEAP Klassifikation verwendet wurde, so lassen sich ca. 60–70 % in die Klassen C0 und C1 einordnen, ca. 25 % in C2 und C3 mit Varizen und/oder Ödem und bis zu 5 % in C4 bis C6 mit Hautveränderungen bis hin zum Ulcus cruris. Die Inzidenz für Varikose und CVI liegt jeweils bei ca. 2 % pro Jahr.
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Rabe, E., Berboth, G. & Pannier, F. Epidemiologie der chronischen Venenkrankheiten. Wien Med Wochenschr 166, 260–263 (2016). https://doi.org/10.1007/s10354-016-0465-y
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