Einleitung

Weiße Fliege-Arten zählen zu den wichtigen Schädlingen in der Pflanzenproduktion. Besonders die weltweit verbreiteten Arten Trialeurodes vaporariorum (Westwood) und Bemisia tabaci (Gennadius) gehören in Europa zu den wichtigen Problemorganismen in Gemüse- und Zierpflanzenkulturen unter geschützten Bedingungen. Sowohl die Imagines als auch die Larvenstadien sind Phloemsauger und verursachen bei hohen Populationsdichten große wirtschaftliche Schäden. In der letzten Zeit treten auch weitere Weiße Fliege-Arten wie Crenidorsum aroidephagus Martin and Aguiar an Aracaeen und Aleurotulus nephrolepidis (Quaintance) als Schadorganismus in Erscheinung. Die chemische Bekämpfung der Weiße Fliegen Arten ist seit Jahren immer wieder problematisch, so sind in der warmen Jahreszeit Spritzfolgen erforderlich, in der Gemüseproduktion müssen Wartezeiten eingehalten werden und zunehmend treten Resistenzprobleme auf. Die Entstehung neuer genetischer Varianten wird vermutlich durch Insektizidresistenzen gefördert, wenn nicht gar ausgelöst (Bährmann 2002). So zeigen die beiden schädlichsten Biotypen B und Q von B. tabaci unterschiedliche Resistenzen gegenüber Neonicotinoide auf und ihre Bekämpfung bereitet weltweit Probleme (Nauen 2007). Dies führte dazu, dass seit 30 Jahren die biologische Bekämpfung der Weißen Fliege in der gärtnerischen Praxis angewendet wird und sich zu einem wichtigen Bestandteil des integrierten Pflanzenschutzes unter Glas entwickelt hat. Der bekannte Parasit Encarsia formosa (Gahan) hat sich bei der Bekämpfung von T. vaporariorum, sofern die Bedingungen optimal sind, sehr gut bewährt. Allerdings kommt es in letzter Zeit durch das vermehrte Auftreten von B. tabaci und den anderen Arten zu Bekämpfungslücken und sobald die Einsatzbedingungen für diese Schlupfwespe nicht mehr im Optimalbereich liegen, z. B. im Herbst und im Frühjahr bei trüben Witterungsbedingungen und niedrigen Temperaturen. Als kommerzieller Nützling zur Reduzierung von Weißen Fliegen Populationen steht dann zusätzlich eine räuberische Weichwanze Macrolophus pygmaeus (Rambur) zur Verfügung. Dieser Räuber ist auch gegenüber anderen Schadorganismen wie Blattläusen und Spinnmilben wirksam. Nur wenige Studien haben bisher den Einfluss von Licht auf seine Fraßleistung untersucht (Perdikis et al. 2004). Zur Optimierung der biologischen Bekämpfung von Weiße Fliege-Arten wurde getestet, welche Wirkung M. pygmaeus unter suboptimalen Bedingungen hat und welche Arten der Weißen Fliege als Nahrung in Betracht kommen.

Macrolophus pygmaeus

M. pygmaeus gehört zur artenreichen Wanzenfamilie der Miridae (Abb. 1). Die meisten Arten ernähren sich phytophag, wenige zoophag bzw. sind polyphag. Das Verbreitungsgebiet von M. pygmaeus umfasst nahezu ganz Europa ohne den hohen Norden, einschließlich Nordafrika und reicht im Osten über Kleinasien bis ins Innere Asiens (Wachmann et al. 2004). M. pygmaeus ist in allen Entwicklungsstadien polyphag. Diese Raubwanzenart ernährt sich u. a. von Blattläusen, Weißen Fliegen und Spinnmilben und verzehrt größere Mengen (Lykouressis et al. 2001; Perdikis und Lykouressis 1999, 2000). Versuche von Perdikis und Lykouressis (2000) zeigen, dass sich M. pygmaeus auch ausschließlich vom Pflanzensaft der Tomaten, Auberginen, Gurken, Paprika und Bohnen ernähren und entwickeln kann. Wird keine tierische Nahrung oder zusätzlich Pollen aufgenommen, dauert die Entwicklung etwas länger und die Mortalität ist erhöht. Neben der Temperatur und der Wirtspflanze wird die Prädatorenaktivität auch vom Licht beeinflusst. Perdikis et al. (2004) haben beobachtet, dass M. pygmaeus nachts räubert und die höchsten Verzehrraten im Dunklen unabhängig von der Temperatur und der Photoperiode hat. Die Entwicklung hingegen ist temperaturabhängig, ab über 9 °C ist dies möglich, das Optimum liegt zwischen 15 und 20 °C. Für die Vermehrung von M. pygmaeus eignen sich die Wirtspflanzen Aubergine (Solanum melongena), Tomate (Lycopersicon esculentum), Tabak (Nicotiana tabacum), aber auch Gurke (Cucumis sativus), Bohne (Phaseolus vulgaris) und Paprika (Capsicum annuum). Die Erhaltungszucht im Pflanzenschutzamt Berlin erfolgte auf Tabak.

Abb. 1
figure 1

Adult Macrolophus pygmaeus

Mottenschildläuse

Trialeurodes vaporariorum

Sie ist im Gewächshausbereich schon seit 1848 in Europa an Tomate, Gurke sowie Beet- und Balkonpflanzen einer der Problemschädlinge. Ursprünglich aus Mittelamerika stammend ist sie mittlerweile weltweit auch in kälteren Regionen verbreitet, dort vorrangig in geschützten Bereichen. Sie ist polyphag, als Wirtspflanzen sind mittlerweile 859 Pflanzenarten aus 469 Gattungen bekannt (Malipatil und Wainer 2009). Die Schädigung an vielen Wirtspflanzen erfolgt wie bei allen Weißen Fliegen durch die Saugtätigkeit aus dem Phloem und die nachfolgende starke Russtaubildung auf den Blättern, was zu erheblichen Verlusten im Ertrag und in der Qualität der Produkte führt. Ihre biologische Bekämpfung ist im Gemüsebau unter Glas heute in Europa in vielen Ländern Standard.

Bemisia tabaci

Die Herkunft dieser Art ist nicht eindeutig nachweisbar, es wird vermutet, dass sie aus tropischen Gebieten Afrikas oder Asiens stammt (Oliveira et al. 2001). B. tabaci ist aufgrund des globalen Handels und ihrer hohen Anpassungsfähigkeit weltweit verbreitet und auf allen Kontinenten in subtropischen und tropischen Klimaten sowie in der Gewächshausproduktion aller Länder nachzuweisen. Für diese polyphage Art sind mehr als 600 Wirtspflanzenarten bekannt. Sie ist ein bedeutender Virusüberträger. Besonders in der weltweiten Baumwollproduktion ist sie der Problemschaderreger, die intensive Bekämpfung mit Pflanzenschutzmitteln hat zu problematischen Resistenzen weltweit geführt. Auch unter Glas macht B. tabaci in Europa an Zierpflanzen zunehmend Probleme. Sie zeigt gegenüber Pflanzenschutzmitteln eine hohe Unempfindlichkeit, auch bei der biologischen Bekämpfung kann es Probleme geben.

Crenidorsum aroidephagus

Diese Art wurde 2001 erstmalig in Berlin an Araceaen wie Anthurium Arten, Epipremnum aureus, Monstera deliciosa, Philodendron gloriosum, Spathiphyllum, spp, Syngonium popophyllum u. a. festgestellt und beschrieben (Martin et al. 2001). Sie stammt aus den tropischen Bereichen Mittel- und Südamerikas. Sie entwickelt sich in unseren Bereichen besonders unter geschützten Bedingungen, ihre Symptome sind allerdings nur bei sehr hoher Populationsdichte feststellbar. Die Eier sind orange gefärbt, die Larvenstadien nahezu durchsichtig. Eine biologische Bekämpfung ist nicht ausreichend effektiv.

Aleurotulus nephrolepidis

Diese spezifische Art kommt vorwiegend an unterschiedlichen Farnen aus diversen Familien meist in Botanischen Gärten vor (Walker 2008; Lucid Key Server 2008). Die Eier der Art sind bräunlich und liegen flach auf der Blattunterseite, die Larven und das Puparium sind charakteristisch behaart. Bei hoher Populationsdichte ist eine Bekämpfung notwendig, die Anwendung geeigneter Gegenspieler ist bisher nicht bekannt.

Material und Methodik

Für die Untersuchungen zur Fraßleistung von M. pygmaeus bei unterschiedlichen Temperaturen unter Berücksichtigung von Lang- und Kurztagbedingungen mussten die unterschiedlichen Weiße Fliege-Arten im Labor an geeigneten Wirtspflanzen vermehrt werden. Für T. vaporariorum kam L. esculentum, für B. tabaci Euphorbia pulcherima, für A. nephrolepidis Nephrolepis exaltata und für C. aroidephagus verschiedene Pflanzenarten der Gattung Araceae zur Anwendung. Die Weißen Fliegen wurden jeweils einzeln in Käfigen mit den Wirtpflanzen kultiviert, anschließend wurde das entsprechende Blattmaterial für die Versuche entnommen. Für die Bereitstellung der Raubwanze M. pygmaeus wurde von dem Nützlingsbetrieb Katz Biotech AG eine Ausgangspopulation bezogen, die dann im Käfig in den Klimazellen bei einer mittleren Temperatur von 23 °C ± 2 °C, einer mittleren relativen Luftfeuchtigkeit von 65 % ± 10 % und einer künstlichen Belichtung von 16:8 h [L:D] auf Tabakpflanzen weiter vermehrt wurde. Als Zusatzfutter wurden Eier der Getreidemotte (Sitotroga cerealella (Olivier)), Pollen von Kiefer (Pinus sp.) und Birke (Betula sp.), sowie unterschiedliche Stadien verschiedener Blattlausarten und auch T. vaporariorum auf Tomatenpflanzen (L. esculentum) angeboten. Zur Wasserversorgung wurden Pads mit Leitungswasser getränkt und auf den Blättern der Pflanzen platziert.

Zur Ermittlung der Fraßaktivität fraßen jeweils zwei M. pygmaeus in Minikäfigen (umgebaute Teesiebe, Abb. 2) an einer ausgezählten Populationsmenge der jeweiligen Weiße Fliege-Arten (Eier, Larven, Puparien) 7 Tagen unter unterschiedlichen Bedingungen. Dies wurde mehrfach wiederholt (Tab. 1). Die Weiße Fliege-Arten A. nephrolepidis und C. aroidephagus konnten nicht in diesem Umfang getestet werden, weil sie sich im Versuchszeitraum nicht ausreichend vermehrten.

Abb. 2
figure 2

Minikäfig zur Ermittlung der Fraßleistung von zwei M. pygmaeus an verschiedenen Weiße Fliegen Arten und der entsprechenden Wirtpflanze

Tab. 1 Versuchsvarianten und Anzahl der Wiederholungen der Untersuchungen zur Ermittlung der Leistungsfähigkeit von Macrolophus pygmaeus

Die Klima-Daten während der Versuche in den Klimazellen wurden stündlich mittels Testostor® 171 aufgezeichnet. Die täglichen Schwankungen betrugen bei der Luftfeuchte max. ±10 %, bei der Temperatur max. ±2 °C. Die Photoperiode wurde über künstliche Belichtung auf 9 h bzw. 16 h fest eingestellt.

Die Fraßleistung von M. pygmaeus wurde indirekt mit Hilfe der natürlichen Populationsentwicklung in der Kontrolle ermittelt. Die Ergebnisse werden als Populationsminderung und Wirkungsgrad im Vergleich zur nicht behandelten Kontrolle dargestellt. Hat die Populationsverminderung einen negativen Wert, handelt es sich um eine Populationszunahme. Der Wirkungsgrad von M. pygmaeus wurde nach der Formel von Schneider-Orelli (1947) mittels der Populationsminderung errechnet. Für den Mittelwertvergleich wurde der Tukey HSD Test (Honest Significance Difference) verwendet. Für die im Ergebnisteil angeführten signifikanten Unterschiede gilt bezüglich des Fehlers 1.Art p £ 0,05.

Ergebnis

Trialeurodes vaporariorum

Der mit dem Tukey HSD Test durchgeführte multiple Mittelwertvergleich ergab zwischen den Klimavarianten der Kontrollen keine signifikanten Unterschiede, auch in den Klimavarianten der M. pygmaeus Behandlungen ergaben sich untereinander keine signifikanten Unterschiede (Abb. 3). Sehr wohl aber ist deutlich der signifikante Unterschied zwischen Kontrolle und M. pygmaeus Anwendung in jeder Klimavariante zu erkennen. Der Wirkungsgrad in der Klimavariante mit der niedrigsten Temperatur (11–13 °C) lag auch mit 68,4 % am niedrigsten. Der höchste Wirkungsgrad wurde in der Klimavariante mit 79,7 % erreicht. Die Wirkungsgrade der Klimavarianten 3 und 4 liegen mit 74,6 % und 73,2 % dicht beieinander. Zwischen allen Klimavarianten besteht lediglich ein maximaler Unterschied des Wirkungsgrades von 11,3 %. Somit erreicht M. pygmaeus in allen Klimavarianten ein ähnlich hohes Resultat (Abb. 3).

Abb. 3
figure 3

Verminderung der T. vaporariorum Populationen in % durch M. pygmaeus im Vergleich zur Kontrolle unter verschiedenen Klimavarianten. (Tukey HSD Test, p £ 0,05)

Bemisia tabaci

Der mit dem Tukey HSD Test durchgeführte multiple Mittelwertvergleich ergab zwischen den Klimavarianten der Kontrollen keine signifikanten Unterschiede. Signifikant verschieden von der Kontrolle sind die Varianten mit den höheren Temperaturen, die sich auch von denen der mit der niedrigen Temperatur unterscheidet. (Abb. 4). In der Variante 1 (11–13 °C; 9 h Licht) zeigte sich die geringste Fraßleistung. Der Wirkungsgrad betrug lediglich 8,5 %. Die Wirkungsgrade der drei anderen Klimavarianten (höhere Temperaturen) waren mit 39,5 bis 46,1 günstiger.

Abb. 4
figure 4

Verminderung der B. tabaci Populationen in % durch M. pygmaeus im Vergleich zur Kontrolle unter verschiedenen Klimavarianten. (Tukey HSD Test, p £ 0,05)

In der Abb. 5 ist erkennbar, dass M. pygmaeus bei der Reduzierung von T. vaporariorum eine bessere Wirkung im Vergleich zu B. tabaci erzielt, er ist im Durchschnitt um 30 % geringer unter den gleichen Versuchsbedingungen.

Abb. 5
figure 5

Wirkungsgrad in % von Macrolophus pygmaeus an den beiden Weiße Fliege-Arten Trialeurodes vaporariorum und Bemisia tabaci im Vergleich

Diskussion

Die Untersuchungen bestätigen, dass M. pygmaeus unter Kurztagsbedingungen und auch bei niedrigen Temperaturen gegenüber T. vaporariorum effizient ist, die Wirkungsgrade unterschieden sich nicht signifikant von den Langzeitbedingungen. Vergleichbare Versuche konnten bisher in der Literatur nicht gefunden werden. Die Versuche von Perdikis et al. (2004) von M. pygmaeus an Myzus persicae bei Licht und Dunkelheit mit unterschiedlichen Photoperioden bei Temperaturen von 20 bis 30 °C ergaben auch hier eine erhöhte Fraßtätigkeit der Wanze unter Kurztagsbedingungen. Der Vergleich mit dem Standardgegenspieler von T. vaporariorum in der Gewächshausproduktion E. formosa aus Versuchen von Perdikis und Lykouressis (2002) zeigte bereits die Überlegenheit von M. pygmaeus bei Temperaturen um 15 °C im Vergleich zu 25 und 30 °C. Die vorliegenden Ergebnisse bestätigen dies und zeigen zusätzlich, dass unter Kurztagsbedingungen die Effektivität von M. pygmaeus nicht negativ beeinflusst. So kann M. pygmaeus in den Wintermonaten (Kurztag- und kühlere Temperaturen) aber auch unter Bedingungen mit wenig Licht (z. B. in der Innenraumbegrünung) eine wichtige Ergänzung von E. formosa bzw. auch ein Ersatz in integrierten Pflanzenschutzsystemen bei der Reduzierung von T. vaporariorum sein. Natürlich bleibt zu beachten, dass die biologische Aktivität von M. pygmaeus bei 9 °C beginnt und dies eine natürliche Begrenzung für den Einsatz darstellt.

Die Dezimierung von B. tabaci war im Vergleich zu T. vaporariorum nicht so erfolgreich (Abb. 3 und 4). Die Ursachen können dafür unterschiedlich sein. Zum einen, da M. pygmaeus auch Pflanzensaft aufnimmt, könnte der Nährwert der unterschiedlichen Wirtspflanze eine Ursache sein (L. esculentum in den Versuchen T. vaporariorum bzw. E. pulcherima bei B. tabaci) oder zum anderen, dass B. tabaci als Beutetier nicht sehr geeignet ist und eine Präferenz für T. vaporariorum bei M. pygmaeus vorliegt. Studien von Bonato et al. (2006) zur Ernährungsvorlieben von M. caliginosus an B. tabaci und T. vaporariorum zeigten, dass T. vaporariorum bevorzugt angenommen wird, es sei denn B. tabaci ist mindestens dreimal häufiger vorhanden als T. vaporariorum. Da in den Versuchen die Weiße Fliege Population getrennt dem Räuber angeboten wurden, können keine Aussagen über eine Gemischt-Population getroffen werden. So sind die Möglichkeiten zur Prüfung eines effizienten Gegenspielers zur Dezimierung von Bemisia unter Gewächshausbedingungen weiter fortzusetzen.