Einleitung

Die Rebenperonospora (Erreger: Plasmopara viticola) ist eine der wirtschaftlich bedeutendsten Krankheiten der Weinrebe (Vitis vinfera L.) (Abb. 12). Bei der Rebenperonospora wurden im Gegensatz zu anderen Krankheiten im Weinbau schon längere Zeit wichtige Witterungsparameter, die für die Entwicklung der Krankheit von Bedeutung sind, erarbeitet (Müller u. Sleumer 1934, Bläser 1978, Bläser u. Weltzien 1979). Mit diesen wissenschaftlichen Erkenntnissen wurden zwischen 1985 und 1990 erste Prognosemodelle entwickelt. Zuerst basierte die Prognose auf dem Einsatz von mechanischen Blattbenetzungsschreibern, danach wurden Kleinwetterstationen, wie beispielsweise der BIOMAT und HP 100 mit integrierter Software für die Prognose der Rebenperonospora entwickelt. Diese Kleinwetterstationen messen die Temperatur, relative Luftfeuchte, Niederschläge und Blattbenetzung. Die Wetterdaten werden im Gerät verrechnet und geben dann Auskunft über mögliche Infektionen, Sporulationen etc. Diese Informationen waren und sind eine wertvolle Hilfe bei der Terminierung von gezielten Behandlungen (Bleyer u. Huber 1996). Ein Nachteil dieser Systeme ist der relativ hohe Arbeitsaufwand bei der Betreuung der Wetterstationen. Ein gravierenderer Mangel ist die geringe Flexibilität dieser Stationen, d. h. die Software in diesen Kleinwetterstationen ist aus heutiger Sicht technisch überholt. Inzwischen ist die elektronische Erfassung von Wetterdaten und deren Verarbeitung mittels entsprechender Programme mit dem Personalcomputer zum Standard geworden. Gleichzeitig ist die Forschungsarbeit über die Biologie von P. viticola, wie auch die Arbeiten an besseren Bekämpfungsstrategien, in den vergangenen Jahren vorangeschritten. Um die Prognose der Rebenperonospora zu aktualisieren wurde ein vollständig neues Konzept erarbeitet, das es ermöglicht alle neuen, wichtigen Erkenntnisse der Beratung und Praxis schnell anzubieten.

Abb. 1
figure 1

Massiver Traubenbefall und damit auch Ertragsverlust durch die Rebenperonospora

Abb. 2
figure 2

Blattsymptome in Form von Ölflecken

Neuere Erkenntnisse zur Biologie von P. viticola

Bis Mitte der neunziger Jahre ist man davon ausgegangen, dass Primär- bzw. Bodeninfektionen nur in einem kurzen Zeitraum im Frühjahr stattfinden. An einigen Forschungsinstitutionen wurde intensiv über die Bedingungen für Bodeninfektionen und ihre Bedeutung für die Epidemie gearbeitet. Die Studien von Hill (1997, 2003), Loskill (2002, 2004) und Gessler et al. (2002) zeigten, dass Bodeninfektionen bei entsprechender Witterung vom Austrieb bis weit in den Sommer möglich sind. Bodeninfektionen können maßgeblich die Ausbreitung der Rebenperonsopora während der ganzen Saison bestimmen. Weiterhin deuteten Untersuchungen von Viret (2002) daraufhin, dass für Bodeninfektionen nicht nur die Niederschlagshöhe, sondern auch Niederschlagsintensität von Bedeutung sein kann. Loskill et al. (2007) entwickelten ein eigenes Primärinfektionsmodell, das derzeit validiert wird. Hill (1989) untersuchte die Sporulation und konnte einen Zusammenhang zwischen der Stärke der Sporulation und der Temperatur belegen. Untersuchungen von Kast (1999) ergaben, dass die Sporenlebensdauer länger ist, als bisher angenommen. Unger et al. (2007) erarbeiteten neue Erkenntnisse zur Besiedelung des Wirtsgewebes von verschiedenen Genotypen durch P. viticola. Keil (2007) setzte sich mit epidemiologischen Aspekten von Infektionen durch P. viticola auseinander.

„VitiMeteo Plasmopara“

Das Prognosesystem „VitiMeteo Plasmopara“ wurde mit der Zielsetzung entwickelt, der Beratung und Praxis ein neues Werkzeug für einen fortschrittlichen Rebschutz zu Verfügung zu stellen. Das Staatliche Weinbauinstitut Freiburg hat in Kooperation mit den schweizer Forschungsanstalten „Agroscope“ Wädenswil und Changins das computergestützte Expertenmodell „VitiMeteo Plasmopara“ in den Jahren 2002 und 2003 entwickelt. Von der Firma Geosens (Ebringen, Deutschland) wurde das neue Konzept in eine Software umgesetzt. Die Basis bildet das bisherige Prognosemodell (Bleyer u. Huber 1996), das anhand von Wetterdaten Sporulationen und Infektionen berechnet. Die Sporenabsterberate wurde anhand neuer Untersuchungen (Kast 1999) angepasst. Ebenso sind die Berechnung der Bodeninfektionen und die Sporulationsintensität neu hinzugekommen. Auch andere, wesentliche Aspekte neuer biologischer Erkenntnisse wurden bei der Programmierung der neuen Software berücksichtigt. „VitiMeteo Plasmopara“ verarbeitet alle relevanten Witterungsparameter und gibt die Zeiträume an, in denen Infektionen, Sporulationen möglich sind und zeigt den Verlauf der Inkubationszeit auf. Die Eigentümer der Computersoftware sind im Gegensatz zu bisherigen Prognosemodellen die drei Forschungsanstalten. Die Software wird in regelmäßigen Abständen überarbeitet. Bei Bedarf werden aktuelle Forschungsergebnisse in das Modell zeitnah eingearbeitet, Berechnungen überprüft, die Darstellung der Ergebnisse optimiert und die Verbesserungswünsche der Nutzer des Systems berücksichtigt.

Die Experten-Software „VitiMeteo Plasmopara“ ermöglicht es die Schwellenwerte für die wichtigsten biologischen Entwicklungsschritte wie beispielsweise Bodeninfektionen, Sporulation, Sekundärinfektionen zu ändern. Gleichfalls können biologische Parameter für frei wählbare Zeiträume und diverse Wetterstationen kalkuliert werden. Somit sind Modellrechnungen durchführbar, die es erlauben, die Prognose der Rebenperonospora permanent zu optimieren.

Der Kern des Systems ist die zentrale Wetterdatenbank „Agrometeo“. Derzeit können Daten von verschiedensten Wetterstationstypen, wie HP-100 (Fa. Lufft Mess- und Regeltechnik GmbH, Fellbach, Deutschland), Opus 200 (Fa. Lufft), Campbell (Fa. Campell), Adcon (Fa. Adcon Telemetry GmbH, Klosterneuburg, Österreich) und AME16 (Fa. Hoffmann, Rauenberg, Deutschland) in die „Agrometeo“ eingelesen werden. Zukünftig wird es ohne allzu großen Aufwand möglich sein, andere Wetterstationstypen in das Messnetz einzubinden. Das Modell bezieht aus der Datenbank die erforderlichen Werte und berechnet automatisch zweimal täglich die Ergebnisse. Sie stehen der Beratung und der Praxis erstmals um 08:00 h zur Verfügung; um ca. 14:00 h erfolgt eine Aktualisierung der Berechnungen. Die Modellergebnisse sind im Internet auf der Homepage des Staatlichen Weinbauinstituts Freiburg (http://www.wbi-Freiburg.de (siehe VitiMeteo)) und der Forschungsanstalt Agroscope Changins-Wädenswil ACW (http://www.agrometeo.ch/) abrufbar (Abb. 3).

Abb. 3
figure 3

Rote und gelbe Punkte zeigen die Lage der Wetterstationen mit denen in der Schweiz und in Baden-Württemberg „VitiMeteo Plasmopara“ und „VitiMeteo Insects“ gerechnet wird

Wachstumsmodelle in „VitiMeteo Plasmopara“

Daten über den Zeitraum der biologischen Wirksamkeit (Wirkungsdauer) von Fungiziden gegen Rebenperonospora sind für die Bestimmung von Behandlungsintervallen von entscheidender Bedeutung. Huber et al. (2002, 2003) haben zwischen den Jahren 1994 und 2002 umfangreiche Untersuchungen zum vorbeugenden (protektiven) Anteil der Wirkungsdauer eines Fungizides in Ertragsrebanlagen durchgeführt. Diese Studien zeigten, dass die Wirkungsdauer von Fungiziden in erster Linie durch den Zuwachs neuer, ungeschützter Blattfläche begrenzt ist. Deshalb wurde eine Methode benötigt, mit der sich das Wachstum der Rebe (Zuwachs) berechnen lässt. Damit kann indirekt die effektive Wirkungsdauer eines Fungizides in einer Rebanlage bestimmt werden. Bisher ging der Zuwachs als reiner Beobachtungswert in die Peronospora-Prognose ein. Bereits Anfang der neunziger Jahre beschrieb Schultz (1992) von der Forschungsanstalt Geisenheim ein Wachstumsmodell für die Rebsorte Riesling. Mit diesem Modell lassen sich Blattanzahl und Blattflächen je Haupttrieb anhand von Wetterdaten simulieren. Im Jahr 1999 wurde für die flächenmäßig bedeutenden Sorten Müller-Thurgau und Blauer Spätburgunder entsprechende Wachstumsmodelle erarbeitet (Schultz 2003). Die Modelle werden am Staatlichen Weinbauinstitut seit dem Jahr 2000 überprüft; sie zeigten eine gute Übereinstimmung mit dem tatsächlichen Wachstum in der Rebanlage und erwiesen sich somit als brauchbares Werkzeug für den Rebschutz (Abb. 4). Mit Hilfe dieser Wachstumsmodelle wurden in den Jahren 2000 bis 2003 so genannte „Zuwachsversuche“ durchgeführt. Die Resultate der Freilandversuche deuten daraufhin, dass auch bei hohem Infektionsdruck zwischen zwei Behandlungen ein Zuwachs von zwei bis drei Blättern bzw. 300 bis 400 cm2 Blattfläche/Haupttrieb ohne Risiko toleriert werden kann (Bleyer et al. 2003). In Zusammenarbeit mit der Forschungsanstalt Geisenheim, den schweizer Forschungsanstalten „Agroscope“ Wädenswil und Changins sowie dem Staatlichen Weinbauinstitut Freiburg wurde das Wachstumsmodell „VitiMeteo Wachstum“ von der Firma Geosens als eigenständige Software programmiert. Die Ergebnisse der Wachtumssimulation sind als wichtige Information in „VitiMeteo Plasmopara“ integriert.

Abb. 4
figure 4

Validierung des Wachstumsmodells; Grafik mit Simulationsergebnissen; Freiburg, Rebsorte Müller-Thurgau, 2005

Validierung von „VitiMeteo Plasmopara“

Vergleich von „VitiMeteo Plasmopara“ mit bisherigen Modellen

Die Berechnungen von „VitiMeteo Plasmopara“ wurden mit den bewährten Peronospora-Warngeräten BIOMAT (Firma Berghof, Ehingen, Deutschland) in Freiburg und mit dem HP 100 (Firma Lufft, Fellbach, Deutschland) in der Schweiz verglichen. Inzwischen liegen 5-jährige Resultate (2001 bis 2005) vor, die sich wie folgt zusammenfassen lassen:

  • Sporulation (Ausbruch): gute Übereinstimmung

  • Infektion: gute Übereinstimmung, aber das neue Modell berechnet aufgrund einer längeren Sporenabsterberate mehr Infektionen

  • Inkubationszeit: sehr gute Übereinstimmung

Validierung von „VitiMeteo Plasmopara“ im Freiland

Ein Schwerpunkt der Überprüfung lag im Vergleich der Modellergebnisse mit Beobachtungen und exakten Bonituren im Weinberg. Diese Ergebnisse sind für eine Beurteilung des Systems von großer Bedeutung und lassen derzeit nachstehende Schlüsse zu:

  • Primärinfektion

    In den Jahren 2001 bis 2004 errechnete das Modell in den meisten Fällen die richtigen Termine. Im Jahr 2005 traf die Berechnung in der Westschweiz vielfach die tatsächlichen Termine. In Baden-Württemberg und der Ostschweiz wurde die Primärinfektion 2005 mehrheitlich zu spät berechnet. Dieses Problem ließ sich aber durch die manuelle Eingabe von Primärinfektionen beheben. Im Winter 2005/2006 wurde ein zusätzlicher neuer Algorithmus zur Berechnung der Primärinfektion programmiert. Mit dem neuen bzw. zweiten Algorithmus wurde die Primärinfektion seit dem Jahr 2006 genauer berechnet als mit dem bisherigen. Ein Beispiel für die exakte Berechnung der Primärinfektion bietet die Situation im Frühjahr 2006 in der Deutschschweiz. Abbildung 5 zeigt die Primärinfektionen im Mai an ausgewählten Standorten in der Deutschschweiz. Über weite Gebiete wurden dieselben Bedingungen festgestellt. Auch das Datum der Keimbereitschaft der Oosporen (Wintersporen) variierte im Frühjahr 2006 nur geringfügig. In frühen Lagen war die Keimbereitschaft ab dem 10. Mai, in späteren Lagen ab dem 15. Mai erreicht. Infolge der kühlen Nachttemperaturen kamen vorerst keine Sporulationsbedingungen zu Stande. Erst am 28. und 29. Mai erfolgten fast flächendeckend die ersten Sporulationen und gleichzeitig beobachtete man überall die ersten Ölflecken. Die drei Primärinfektionen vom 14., 16. und 18. Mai führten bei der ersten Sporulationsmöglichkeit am 29. Mai zu einem massiven Erstbefall an Blättern und Gescheinen am Monitoringstandort Wädenswil. In unbehandelten Parzellen wurden zu diesem Zeitpunkt im Durchschnitt pro Stock fünf befallene Blätter festgestellt. Somit ergibt sich eine Rekordzahl von 25.000 Ölflecken pro ha beim ersten Ausbruch der Krankheit.

    Abb. 5
    figure 5

    Primärinfektionen und erste Ölflecken des Falschen Mehltaus an verschiedenen Standorten in der Deutschschweiz 2006

  • Sporulation

    Im Jahr 2005 wurden an Ölflecken im Freiland die Sporulationen an 35 aufeinanderfolgenden Tagen bonitiert. Der Vergleich zwischen Modell und den Boniturergebnissen ergab eine zufriedenstellende Übereinstimmung.

  • Infektion

    In Abb. 6 ist ein Vergleich zwischen der Ausbreitung der Rebenperonospora an Blättern in den unbehandelten Kontrollvarianten und den Modellberechnungen von „VitiMeteo Plasmopara“ dargestellt. Die Varianten wurden am 13. Mai 2004 künstlich infiziert, um einen gleichmäßigen Infektionsdruck zu erzeugen. Am 2. Juni waren außer den infizierten Blättern keine zusätzlichen Infektionen zu finden. Am 14. Juni stieg der Befall jedoch sprunghaft von 0 auf ca. 30% an, was auf die Regenfälle vom 2. bis 5. Juni zurückführen ist (Gobbin et. al. 2007). Das Modell zeigte in dieser Phase permanent Infektionsbedingungen. Der nächste Befallsanstieg von ca. 30 auf ca. 80% ist mit den Niederschlägen am 11. und 12. Juni erklärbar; auch an diesen beiden Tagen berechnete das Modell permanent Infektionen. Die Boniturergebnisse belegen in diesem Zeitabschnitt eine gute Übereinstimmung zwischen Modell und Wirklichkeit. In den Jahren 2005, 2006 und 2007 wurde die Ausbreitung der Rebenperonospora an den Blättern in den unbehandelten Kontrollparzellen mit den Modellberechnungen verglichen. In der Regel simulierte „VitiMeteo Plasmopara“ die epidemiologisch wichtigsten Infektionen sehr gut.

    Abb. 6
    figure 6

    Primärinfektionen und erste Ölflecken des Falschen Mehltaus an verschiedenen Standorten in der Deutschschweiz 2006

  • Inkubationszeit

    Im Jahr 2005 wurde die Berechnung der Inkubationszeit mit zwei Versuchen im Mai und im Juni mit drei bzw. zwei Rebsorten an Ertragsreben überprüft. Eine große Anzahl von Rebblättern wurde künstlich infiziert und gegen Inkubationsende auf Erscheinen der Symptome (Ölflecken) bonitiert. In den Abb. 7 und 8 sind einige Ergebnisse dieser Untersuchungen dargestellt. Die Resultate deuten daraufhin, dass sich die Symptome bei relativ langen Inkubationszeiten (> 10 Tage) und bei physiologisch jungen Blättern schon ab ca. 70% Inkubationszeit ausprägen (Abb. 7). Bei relativ kurzen Inkubationszeiten (< 7 Tage) und bei physiologisch alten Blättern sind die Symptome erst ab ca. 90% Inkubationszeit zu sehen (Abb. 8). Nach den vorliegenden Resultaten berechnet „VitiMeteo Plasmopara“ den Verlauf der Inkubationszeit sehr genau.

    Abb. 7
    figure 7

    Validierung der Inkubationszeit mit „VM Plasmopara“; Plasmopara viticola: Inkubationszeit und Symptome (Ölflecken) n = 100; Freiburg, Schlierberg, Blauer Spätburgunder, künstliche Infektion am 9. Mai 2005

    Abb. 8
    figure 8

    Validierung der Inkubationszeit mit „VM Plasmopara“; Plasmopara viticola: Inkubationszeit und Symptome (Ölflecken) n = 73; Freiburg, Lorettohöhe, Müller-Thurgau, künstliche Infektion 15. Juni 2005

    „VitiMeteo Meteo“ wird seit der Vegetationsperiode 2007 auch in Obertalien von dem Südtiroler Beratungsring für Obst und Weinbau in Südtirol und von den Produktionsberatern der „Cantina Mezzocorona“ im Trentino und Sizilien validiert. „VitiMeteo Plasmopara“ wird dort als wertvolles Entscheidungs- und Beratungsinstrument angewandt (Unich u. Varner 2008).

Fachliche Interpretation der Daten erforderlich

Ab der Vegetationsperiode 2007 erfolgte die Zusammenstellung der wichtigsten erfassten Daten in der „Risikografik“ (Abb. 9). Die Wetterdaten sind im oberen Teil, das Infektionsrisiko im mittleren und das Rebwachstum im unteren Bereich dargestellt. In der Abb. 9 sind die Einzelheiten nochmals ausführlich erklärt. Die Grafik erlaubt eine fachliche Einschätzung der Gefährdung durch die Rebenperonospora. Das so genannte „PeroRisiko“, soll eine Maßzahl für die Infektionsstärke sein und wird derzeit in Abhängigkeit von den Werten „Gradstunden bei Blattnässe“ in drei Farbskalen angegeben:

  1. 1.

    helles Rot – schwache Infektion = Werte zwischen 50 bis 100,

  2. 2.

    mittleres Rot – mittlere Infektion = Werte zwischen 100 bis 200,

  3. 3.

    dunkles Rot – starke Infektion = Werte größer 200.

Diese Einteilung basiert auf Versuchsergebnissen (Keil 2007) und langjährigen Erfahrungen; sie soll eine Hilfestellung zur Beurteilung der Situation geben.

Abb. 9
figure 9

Risikografik – Rebenperonspora: Wetterdaten, Infektionsrisiko und Rebwachstum (Tageswerte)

Bekanntermaßen spielt neben der Blattbenetzungsdauer die Niederschlagshöhe und -intensität für die Infektionsstärke eine große Rolle. In den vergangenen Jahren wurde die Infektionsstärke eingehender untersucht. Die bisherigen Ergebnisse lassen jedoch noch keine eindeutigen Schlüsse hinsichtlich der Bedeutung der Niederschlagshöhe und -intensität zu (Keil 2007). Es ist weiterhin sehr wichtig die Erfahrungen aus der Beratung und Praxis mit den Forschungseinrichtungen auszutauschen. Beispielsweise verursachten im Jahr 2007 in einer Region Badens sehr hohe Niederschläge, teilweise verbunden mit Hagelschlag, massive Infektionen. Anhand der „Risikografik“ war die gefährliche Situation Anfang Juni 2007 (ca. 50 mm Regen) sehr gut zu erkennen. Mit dem richtigen Einsatz von kurativen Fungiziden wurden größere Schäden vermieden. Die Anwendung von vorbeugenden Präparaten hatte sich in diesem Fall als falsch erwiesen. Dieses Beispiel, aber auch die praktische Nutzung der Modelle im Allgemeinen zeigen, dass die Ergebnisse fundiert interpretiert werden müssen.

Die Abb. 10 fasst die Informationen zu einem bestimmten Standort sehr detailliert in Form einer Übersichtstabelle zusammen. Außer den Angaben zu den Witterungsbedingungen (Temperatur, Niederschläge, Blattbenetzungsdauer) findet man Informationen zu den Infektionszeitpunkten, den Inkubationsverläufen und den Sporulationen. In den beiden Spalten ganz rechts ist die Anzahl gebildeter Blätter und die durchschnittliche Blattfläche in cm2 eines Rebentriebs dargestellt. Die Tabelle kann als PDF-file ausgedruckt und für innerbetriebliche Aufzeichnungen genutzt werden.

Abb. 10
figure 10

Prognose der Rebenperonospora in detaillierter Übersichtstabelle

Wichtige ergänzende Kriterien für gezielte Pflanzenschutzmaßnahmen sind neben der aktuellen Einschätzung der Befallssituation vor Ort, die langjährige Erfahrung hinsichtlich des Gefährdungspotentials von bestimmten Reblagen, eine möglichst sichere Wetterprognose und optimale Bekämpfungsstrategien (Bleyer et al. 2003).

Es sind zwar Fortschritte in der Prognose erzielt worden, jedoch gibt es noch immer Wissenslücken in der Lebensweise der Rebeperonospora. Besonders der Reifeverlauf, das Potential der gebildeten Wintersporen und deren Auswirkung auf die erste Bodeninfektion, ist noch zu wenig erforscht. Auch ist der Kenntnisstand hinsichtlich Infektionsstärke bei Weitem nicht zufriedenstellend. Bisher ist im Detail nicht klar, welche Witterungsbedingungen schwache, mittlere und starke Infektionen verursachen. Eine genauere Einschätzung der Infektionsstärke würde einen gezielteren Einsatz von Fungiziden ermöglichen und in manchen Fällen auch Behandlungen einsparen.

Erweiterungsmöglichkeiten – „VitiMeteo Suite“

Die Vorzüge des neuen Konzeptes sind vielfältig. Ein sehr wichtiger Aspekt besteht darin, dass die Weiterentwicklung der verfügbaren Modelle und die Umsetzung in Software in den Händen der drei Forschungsinstitute liegt und nicht von den Herstellern der Wetterstationen abhängt. Abbildung 11 präsentiert das Schema, wie es in Freiburg und in der Schweiz realisiert ist. Der Kern des offenen Systems ist die Datenbank „Agrometeo“. Aus dieser Datenbank beziehen die Modelle die Wetterdaten. Bisher sind die Experten-Softwaremodule, „VitiMeteo Plasmopara“, „VitiMeteo Wachstum“, „VitiMeteo Insects“ und „VitiMeteo DataGraph“ bereits programmiert. „VitiMeteo Insects“ ist ein Computerprogramm, das die Simulation der Entwicklung von Insekten und anderen tierischen Schaderregern ermöglicht. Mit dem Programm „VitiMeteo Insects“ werden mit den Witterungsdaten aus der Datenbank einerseits Expertenberechnungen durchgeführt und andererseits bestimmte Ergebnisse via Internet veröffentlicht: www.wbi-Freiburg.de VitiMeteo, VitiMeteo Insects anklicken. Die erste praktische Anwendung des Programms ist die Berechnung des Flugbeginns der Traubenwickler. In Baden-Württemberg wird zur Bekämpfung der beiden Traubenwicklerarten auf derzeit ca. 54% der Rebfläche das nützlingsschonende Verwirrverfahren (Konfusionsverfahren) angewandt. Für eine erfolgreiche Bekämpfung müssen vor Beginn des Mottenfluges die Kapseln (Dispenser) mit den artspezifischen Duftstoffen (Pheromonen) in den Weinbergen ausgebracht werden. „VitiMeteo DataGraph“ ist eine umfangreiche Software um Wetterdaten zu präsentieren, zu verwalten und zu kontrollieren.

Abb. 11
figure 11

VitiMeteo Suite: „VitiMeteo Plasmopara“, „VitiMeteo Wachstum“, „VitiMeteo Insects“ und „VitiMeteo Data Graph“. Schema, wie Wetterdaten erfasst, verarbeitet und dann dem Nutzer als berechnete Modelle bereitgestellt werden

Die Vorteile des neuen, offenen Konzeptes liegen auf der Hand:

  • Bedarf der Nutzer der Systeme z. B. Wissenschaftler, Berater und Praxis lässt sich durch entsprechende Kommunikation berücksichtigen.

  • Andere Modelle (z. B. Krankheiten, Schädlinge, Bestandsführung) sowie neue biologische Erkenntnisse (z. B. Rebenperonospora), die auf Witterungsdaten basieren, lassen sich integrieren.

  • Kontinuität für die Beratung ist gewährleistet.

  • Einbindung von Wetterstationen verschiedener Hersteller ist möglich.

  • Nutzung anderweitig erfasster Wetterdaten ist möglich.

  • Nutzerkreis durch diverse moderne Verteilmechanismen ist erweiterungsfähig (Internet, Intranet, LAN, WAN, E-Mail, ...).

  • Weiterentwicklung von Modellen und die Umsetzung in Software ist nicht vom kommerziellen Erfolg (z. B. Verkauf von Wetterstationen) abhängig.

  • Im wissenschaftlichen Betrieb lassen sich „Was-Wäre-Wenn“-Szenarien für die Optimierung der Modelle rechnen.

Das Prognosesystem „VitiMeteoSuite“ ist in hohem Maße zukunftsfähig, da Forschungsergebnisse und Praxisanforderungen zeitnah umgesetzt werden können.