Einleitung

In der Forstpflanzenzüchtung ist im Gegensatz zur landwirtschaftlichen Pflanzenzüchtung aufgrund der langen Nutzungs- und Reproduktionszeiträume von Bäumen sowie des großen technischen Aufwands bei der Kreuzung eine nennenswerte züchterische Selektion hinsichtlich forstwirtschaftlich bedeutender Merkmale nur in einem sehr begrenzten Umfang möglich (Fladung 1998a). Insofern erscheint insbesondere bei langlebigen Bäumen eine Anwendung bio- und gentechnischer sowie molekularer Methoden sinnvoll (Fladung 1998b). Diese umfassen sowohl die In-vitro-Vermehrung von züchterisch wertvollen Genotypen als auch die gentechnische Übertragung von Genen sowie die markergestützte Selektion von forstwirtschaftlich bedeutsamen Merkmalen auf molekularer Ebene. Die Erarbeitung der genannten Methoden bei Bäumen ist somit nicht nur aus züchterischen Gründen interessant, sondern auch für eine spätere Anwendung in der Forstwirtschaft bedeutsam.

Bei Bäumen erscheint besonders die Anwendung gentechnischer Methoden attraktiv, um neue Eigenschaften in einem überschaubaren zeitlichen Rahmen zu etablieren (Fladung 2000). Wichtige Ansatzpunkte gentechnischer Arbeiten sind Veränderungen des Lignin- und Zellulosegehaltes (Chaffey et al. 2002, Campbell et al. 2003, Confalonieri et al. 2003) und der Holzbildung (Grünwald et al. 2000), Etablierung einer Resistenz gegen Insektenfraß (Lida et al. 2003) sowie die Etablierung von Toleranzen gegen abiotischen Stress wie Temperatur und Salzgehalt (Fladung u. Ewald 2003). Mit den genannten gentechnischen Modifikationen können Veränderungen von Wuchseigenschaften der Bäume sowie von physikalischen und/oder chemischen Eigenschaften des Baumproduktes, des Holzes, erzielt werden. Bei Letzterem sind alle Anwendungen von Werkstoffen auf Holzbasis sowie die von Schnittholz betroffen.

Für heimische Waldöko- und Landschaftssysteme muss eine freie Kreuzbarkeit zwischen gentechnisch veränderten und nicht gentechnisch veränderten Bäumen angenommen werden. Daher ist eine Introgression der gentechnisch übertragenen Gene (Transgene) in den Genpool der entsprechenden Arten zu erwarten („vertikaler Genfluss“), wenn nicht Maßnahmen entwickelt werden, die dieser freien Kreuzbarkeit entgegenwirken. Da bisher keine konventionellen Strategien zur Erzeugung und Einkreuzung natürlicher Sterilität in Bäumen vorliegen, ist eine mögliche Strategie zur Verhinderung dieses vertikalen Genflusses die Etablierung einer gentechnisch gestützten männlichen und/oder weiblichen Sterilität.

Bäume erreichen aber in der Regel ein sehr hohes individuelles Alter und blühen erst nach einer Reihe von Jahren. Für „normale“ Pappeln ist allgemein bekannt, dass die Blütenbildung erst nach sieben bis zehn Jahren erfolgt. Dagegen wurden für 35S-rolC-transgene Pappeln Blütenbildung bereits nach drei bis vier Jahren beobachtet (Fladung et al. 2003). Für die Analyse von sterilitätsinduzierenden Konstrukten innerhalb eines gegebenen Zeitrahmens ist es aber wünschenswert, die vegetative Phase der Pappeln weiter zu verkürzen.

In diesem Beitrag sollen daher die folgenden Problemkreise behandelt werden:

  1. 1.

    Förderung der frühen Blütenbildung bei Pappeln durch

    a):

    Überprüfung von physiologischen Ansätzen (mit Hormonen bzw. Wachstumshemmern) und

    b):

    genetische Transformation (mit den Konstrukten 35S::BpMADS4, 35S::Leafy),

  2. 2.

    Transformation von frühblühenden transgenen Aspen und normal blühenden Kontrollaspen mit sterilitätinduzierenden Konstrukten,

  3. 3.

    Analyse der transgenen Linien mit Hilfe molekularbiologischer Methoden (PCR und Southern Blots).

Material und Methoden

Pflanzenmaterial

Für die Untersuchungen zur Förderung der Blühfähigkeit sowie zur Transformation der Aspen mit verschiedenen Konstrukten standen männliche (W52 und T89) und weibliche Klone (Esch5, Brauna11) der Zitterpappel zur Verfügung.

Förderung der frühen Blütenbildung bei Pappeln

Zur Förderung der Blühfähigkeit der transgenen Pappeln wurden ein physiologischer sowie ein gentechnischer Ansatz getestet:

  • Einfluss von Cytokininen auf die frühe Blütenbildung von Pappeln in-vitro

    Drei bis vier Wochen alte Apikalsprosse aus in-vitro-Pappeln (Populus tremula L. Klon Brauna11) wurden auf einem modifizierten McCown Woody Plant Medium (WPM, McCown u. Lloyd 1981) mit Sacharose 4%, 0,8% Phyto-Agar (Duchefa) und verschiedenen Cytokinin-Konzentrationen kultiviert (Tabelle 1). Die Entwicklung der Pflanzen wurde 8–16 Wochen beobachtet.

    Tabelle 1 Zusammensetzung der in-vitro-Kulturmedien in Untersuchungen zum Einfluss verschiedener Cytokinine auf die Blühfähigkeit von Pappeln
  • Einfluss von Wachstumshemmern auf die frühe Blütenbildung von Pappeln

    In vitro vermehrte Pappeln (Populus tremula L. Klon Brauna11) wurden im Gewächshaus in 0,25 l Töpfen angezogen. Nach einem Jahr wurden die Pflanzen mit verschiedenen Konzentrationen von Daminozide (Alar 85, Firma Certis) bzw. Paclobutrazol (Bonzi, Firma Syngenta) behandelt (Tabelle 2). Die Pflanzen wurden aleatorisch in die verschiedenen Behandlungsgruppen aufgeteilt (10 Pflanzen/Behandlungsgruppe) und anschließend mit 40 ml Wachstumshemmerlösung gegossen. Die Applikation der Wachstumshemmer erfolgte im April 2003 und 2004.

    Tabelle 2 Verwendung von Wachstumshemmern in Untersuchungen zur Blühfähigkeit von Pappeln
  • Gentechnischer Ansatz

    Für die Induktion einer frühen Blüte wurden folgende Genkonstrukte verwendet:

    • 35S::BpMADS4 (Elo et al. 2001) und

    • 35S::Leafy (Weigel u. Nilsson 1995).

Der jeweils in den Konstrukten verwendete konstitutiv wirkende 35S-Promotor stammt aus dem Blumenkohlmosaikvirus. Das BpMADS4-Gen stammt aus Betula pendula (Birke) und das Leafy-Gen aus Arabidopsis.

Gentechnische Überführung von Sterilitätskonstrukten in Zitterpappelklone

Die Transformation der Aspen erfolgte über das Agrobacterium-System (Fladung et al. 1997; vorzugsweise mit Stämmen EHA105 und GV3850) und verschiedenen Konstrukten (Tabelle 3, Debener, unveröff.). Die Überführung der putativ transgenen Linien aus der Sterilkultur in das Gewächshaus wurde nach einem etablierten Verfahren durchgeführt, in dem die Pflanzen in sterile Erde überführt werden und die Akklimatisation der Pflanzen an atmosphärische Bedingungen in Klimakammern erfolgt.

Tabelle 3 Konstrukte für die Herstellung frühblühender und steriler Pappellinien

Molekulare Methoden

Die molekularen Analysen erfolgten mit Hilfe der PCR (Fladung et al. 1997). Aus den bekannten Sequenzen der verwendeten Gene und/oder Promotoren wurden Primer abgeleitet, die in PCR-Experimenten eingesetzt wurden. Optimale Annealing-Temperaturen für die jeweiligen PCR-Reaktionen wurden in einer Gradienten-PCR bestimmt. Die Ermittlung der Kopienzahl der Transgene erfolgte mittels DIG-Southern-Blot-Analysen (Fladung u. Ahuja 1995, Fladung et al. 1997, Fladung 1999).

Ergebnisse und Diskussion

Förderung der frühen Blütenbildung bei Pappeln

Physiologischer Ansatz

Die Applikation von Cytokininen an in-vitro-Kulturen der Zitterpappel (Klon Brauna11) über einen Zeitraum von 20 Wochen haben bisher keinen blühfördernden Einfluss gezeigt. Damit konnten die Ergebnisse aus Untersuchungen an Bambus (Chambers et al. 1991, Nadgauda et al. 1997) für die Pappel nicht bestätigt werden.

Hinweise auf eine physiologische Stimulierung der Blühfähigkeit bei der Pappel wurden nach Applikation von Wachstumshemmern auf Pflanzen erhalten, die im Gewächshaus kultiviert wurden (Li, pers. Mitteilung). Die Behandlung mit verschiedenen Konzentrationen von Daminozid bzw. Paclobutrazol erfolgte im Frühjahr 2003 und 2004. Eine erste Bonitur nach einem Jahr (Frühjahr 2004) hat noch keine Induktion der Blühfähigkeit gezeigt. Die Bonitur auf Bildung von Blüten wird im Frühjahr 2005 fortgeführt.

Gentechnischer Ansatz

Das Genkonstrukt 35S::BpMADS4 wurde zum ersten Mal in Pappeln überführt. Das konstitutiv exprimierte BpMADS4-Gen bewirkt eine Beschleunigung der Blühfähigkeit bei Birke (Betula pendula; Elo et al. 2001). Die ersten BpMADS4-transgenen Pappeln wurden Anfang 2002 erzeugt, ins Gewächshaus überführt (Abb. 1) und inzwischen mittels PCR und Southern Blot untersucht (Tabelle 4, Abb. 2). Einige Exemplare werden seit Mitte 2002 im Klimakammern kultiviert. Eine blühfördernde Wirkung innerhalb des ersten Jahres, wie sie bei der Birke beschrieben wurde, ist nicht gefunden worden. Allerdings ist eine entwicklungsphysiologische Veränderung bei 35S::BpMADS4-transgenen Pappellinien beobachtet worden. Die ins Gewächshaus überführten BpMADS4-transgenen Pflanzen haben über die Wintermonate ihre Blätter nicht vollständig abgeworfen (Abb. 1). Es muss geprüft werden, inwieweit diese Veränderung mit der Expression des BpMADS4-Gens korreliert.

Abb. 1
figure 1

35S: BpMADS4-Pappeln im Gewächshaus, die ihre Blätter während der Herbst-Winterperiode nicht vollständig abgeworfen haben

Tabelle 4 Erzeugte 35S::BpMADS4-Pflanzen
Abb. 2
figure 2

Southern-Blot-Analyse von 35S::BpMADS4-Pflanzen. Sonde 35S-Promotor, Verdau für Kopienanzahl: Sal I. 20 µg genomische DNA aus Blattmaterial der angegebenen Pflanzen wurden nach Restriktion mit Sal I zur Ermittlung der Kopienanzahl des Transgens im Agarosegel aufgetrennt, geblottet und mit Digoxigenin-markierter Sonde hybridisiert

35S::Leafy-transgene Linien wurden für die Pappelklone W52, T89, Esch5 und Brauna11 hergestellt. Die Übertragung von 35S::Leafy führt sehr effektiv zur Förderung der Blühfähigkeit bei Pflanzen (Nilsson u. Weigel 1997). Transgene Pappeln, die mit Leafy (LFY)-Gen transformiert wurden, bildeten bereits innerhalb des ersten Jahres Blüten (Weigel u. Nilsson 1995). Mehrere transgene Linien wurden über PCR (Tabelle 5) sowie im Southern Blot positiv getestet (Tabelle 5, Abb. 3). Eine frühe Blütenbildung ist bei den Klonen Esch5, W52 und T89 im ersten Jahr beobachtet worden (Abb. 4).

Tabelle 5 Erzeugte 35S::Leafy-Pflanzen
Abb. 3
figure 3

Southern-Blot-Analyse von 35S::Leafy-Pflanzen. Sonde 35S-Promotor, Verdau für Kopienanzahl: 20 µg genomische DNA aus Blattmaterial der angegebenen Pflanzen wurden nach Restriktion mit Bam HI zur Ermittlung des Transgens im Agarosegel aufgetrennt, geblottet und mit Digoxigenin-markierter Sonde hybridisiert

Abb. 4
figure 4

Weibliche Blüte bei einer 35S::Leafy-transgenen Pappellinie (Klon Esch5) in der In-vitro-Kultur fünf bis acht Wochen nach der Transformation. Pfeil: Blüte

Die auf T89-basierenden, 35S::Leafy-exprimierenden und somit frühblühenden Pappelklone waren unter Gewächshausbedingungen fertil (Nilsson, persönliche Mitteilung). Die LFY-induzierte Reduzierung der Juvenilität sowie die Aufrechterhaltung der Fertilität ist jedoch nach Nilsson (persönliche Mitteilung) pappelklonabhängig. Für die anderen, verwendeten männlichen (W52) und weiblichen (Esch5, Brauna11) Klone liegen bisher noch keine Hinweise auf die Fertilität der gebildeten Blüten vor.

Erzeugung steriler Pappellinien

Erzeugung weiblich-steriler Pappellinien

Mehrere Transformationen mit weiblichen Pappelklonen Esch5 und Brauna11 wurden mit den zur weiblichen Sterilität führenden Konstrukten durchgeführt (Tabelle 6). Die Kanamycin-resistenten Linien wurden bereits in PCR- und Southern-Blot-Experimenten untersucht (nicht gezeigt). BpMADS1::Barnase- und-transgene Pflanzen sind seit 2002 im Gewächshaus. Bisher hat noch keine Pflanze Blüten gebildet, so dass Untersuchungen zur Fertilität der Pflanzen noch ausstehen.

Tabelle 6 Erzeugung weiblich-steriler Pappellinien

Erzeugung männlich-steriler Pappellinien

Die männlichen Pappelklone W52 und T89 wurden mit den zur männlichen Sterilität führenden Konstrukten transformiert (Tabelle 7). Die Kanamycin-resistenten Linien wurden bereits in PCR- und Southern-Blot-Experimenten untersucht (nicht gezeigt). Transgene Pflanzen sind seit 2003 im Gewächshaus. Bisher hat noch keine Pflanze Blüten gebildet, so dass Untersuchungen zur Fertilität der Pflanzen noch ausstehen.

Tabelle 7 Erzeugung männlich-steriler Pappellinien

Erzeugung frühblühend-steriler Pappellinien (doppeltransgene Linien)

Die Anwesenheit vom Gen Aph III (Hygromycin-Resistenz) in den Konstrukten PTA29::Barnase, PTA29::Vst1, ClGPDH-C::Barnase und ClGPDH-C::Vst1 ermöglicht eine zweite Transformation von frühblühenden Kanamycin-resistenten 35S::BpMADS4- und 35S::Leafy-Linien (Tabelle 8). Da jedoch die 35S::BpMADS4-transgenen Pflanzen noch keine verfrühte Blütenbildung gezeigt haben, wurden noch keine Transformationen mit einem zur Sterilität führenden Konstrukt durchgeführt.

Tabelle 8 Erzeugung frühblühender männlich-steriler Pappellinien durch Transformation der 35S::Leafy-transgenen Linie T58

Von den 35S::Leafy-transgenen Pflanzen wurde die frühblühende Linie T58-3 für die Erzeugung frühblühender Linien ausgesucht. Diese Linie besitzt eine einzige und vollständige Kopie des Leafy-Gens und zeigte eine sehr frequente Blütenbildung während der In-vitro-Kultur. Die Pflanzen werden in vitro vermehrt, um sie für weitere Transformationen und für zukünftige Untersuchungen im Gewächshaus verfügbar zu haben. In Tabelle 8 sind die Ergebnisse der Transformationen dargestellt. Es wurden nur doppeltransgene Linien berücksichtigt, die molekularbiologisch untersucht wurden.

Fazit

Die Transformation mit dem 35S::MADS4-Konstrukt oder die Behandlung von Pappeln mit Hormonen bzw. Wachstumshemmern haben bisher keine blühfördernde Wirkung gezeigt. Diese Pflanzern werden zukünftig aber weiter hinsichtlich ihrer Blühfähigkeit überprüft. Bei 35S-rolC-transgenen Pappeln ist eine Blütenbildung bereits nach drei bis vier Jahren festgestellt worden (Fladung et al. 2003). Die 35S-Leafy-transgenen Pappeln haben, wie auch von Weigel und Nilsson (1995) beschrieben, bereits sehr frühzeitig nach der Transformation geblüht. Damit zeigen sie die beste Blühförderung im Unterschied zu den für die 35S-rolC-transgenen Pappellinien üblichen drei bis vier Jahren (Fladung et al. 2003) und den für „normale“ Pappeln üblichen mindestens acht Jahren. Damit ist es zum ersten Mal möglich, in einem gegebenen Zeitrahmen von zwei bis drei Jahren Aussagen über die Fertilität/Sterilität der Blüten zu machen, die von frühblühenden, sterilitätskonstrukttragenden Pappellinien gebildet werden.