Einleitung

Im Rahmen der Diskussion um den Klimawandel und seine Folgen für den Obstbau (Bergamaschi et al. 2008; Chmielewski et al. 2004; Henniges et al. 2007; Chmielewski et al. 2008; Kromb-Kolb 2008; Küchler 2007; Weber 2008) war das Ziel der vorliegenden Studie, mögliche Auswirkungen des rezenten Klimawandels im Meckenheimer Obstbaugebiet anhand langjähriger, 50-jähriger Wetter- und Phänologieaufzeichnungen in Klein-Altendorf zu untersuchen und Perspektiven für den zukünftigen Obstbau aufzuzeigen. Dabei sollte die Frage geklärt werden, ob ein Klimawandel im Meckenheimer Obstbaugebiet meteorologisch und phänologisch bereits messbar ist. Sein Beginn sollte ermittelt, eine Quantifizierung vorgenommen und seine Auswirkungen auf den Obstbau im europäischen Vergleich untersucht werden. Insbesondere sollte der Einfluss steigender Temperaturen auf Blühbeginn, Blühdauer, Spätfrostgefahr, Vegetationsdauer, Erntezeitpunkt und Laubfall herausgearbeitet und Unterschiede in der langjährigen Niederschlagshöhe oder -verteilung ermittelt werden. Neben einem allgemeinen Anstieg der Lufttemperatur im Jahresmittel sollten Winter- und Sommerhalbjahr bzw. Vegetationsperiode getrennt analysiert werden und Monate mit dem stärksten – durch den Klimawandel hervorgerufenen – Temperaturanstieg mit den jeweiligen obstbaulichen Folgen identifiziert und Konsequenzen – als Optimierungsstrategien – für die weitere Vorgehensweise überlegt werden.

Material und Methoden

Phänologische Datenerhebung

Die in den letzten 50 Jahren (1958–2007) auf der Lehr- und Forschungsstation für Obstbau Klein-Altendorf der Universität Bonn aufgezeichneten phänologischen Daten wurden ausgewertet. Dazu wurden Bäume in der Ertragsphase – ab dem 3.–5. Standjahr aus verschiedenen Versuchen – mit den Apfelsorten ‘Roter Boskoop’, ‘Roter Berlepsch’, ‘Cox Orange’ und ‘Golden Delicious’ auf M 9 und bei Birne von ‘Alexander Lucas’ auf Quitte A verwendet. Diese phänologischen Aufzeichnungen beinhalten Blühbeginn (F1, BBCH 61), Vollblüte (F2, BBCH 65) und abgehende Blüte (BBCH 67) bezogen auf den Blühzeitraum bei Apfel von der früh blühenden Sorte ‘Boskoop’ bis zu der spät blühenden Sorte ‘Cox Orange’, den Erntebeginn (BBCH 81) von der mittelfrüh reifenden Sorte ‘Cox Orange’ bis zur später reifenden Sorte ‘Golden Delicious’ sowie Beginn und Ende des Laubfalls über 50 Jahre. Dabei wurde berücksichtigt, dass die Sorte ‘Golden Delicious’ aufgrund der vom Handel geforderten Grünfärbung heute früher geerntet wird. Der für den Obstbau relevante Zeitraum von Blühbeginn bis Laubfallbeginn wurde von uns als „pomologische Vegetationszeit“ definiert und berechnet. Der Ertragsrückgang durch Blütenfröste im April wurde von Stufe 1 (schwacher Ertragsrückgang) bis Stufe 4 (starker Ertragsrückgang) bonitiert.

Wetteraufzeichnungen

Das Wetter in Klein-Altendorf (6° 59' E, 50° 37' N, 180 m ü NN) ist geprägt durch ein gemäßigtes Klima mit vorwiegend südwestlichen Winden im Windschatten der Eifel mit folglich abgeschwächtem maritim-atlantischen Einfluss im wärmeren Teil der nordrheinischen Tiefebene. Die 50-jährigen Wetteraufzeichnungen in Klein-Altendorf beinhalten Lufttemperatur in 2 m Höhe, Bodentemperatur in 20 cm Tiefe und Niederschlagshöhe in 1 m Höhe (Regenmesser nach Hellman nach Standards des Deutschen Wetterdienstes, DWD). Die niedrigste Temperatur eines Tages wurde über einen Monat gemittelt und als „Minimumtemperatur“ dargestellt. Die kälteste Temperatur eines Tages unter 0°C zwischen Blühbeginn (BBCH 61) bis Blühende (BBCH 67) wurde als „Frosttemperatur“ (Tabelle 1) erfasst (vgl. Abb. 5).

Tabelle 1 Tage mit Spätfrost (<0°C) und Minimum-Temperatur (Monatsmittel) in den Monaten März bis Mai in den letzten 50 Jahren in Klein-Altendorf

Ergebnisse

Rezente Klimaänderungen am Standort Klein-Altendorf

Entwicklung der Lufttemperatur in den letzten 50 Jahren und Beginn des rezenten Klimawandels in Klein-Altendorf

Die Jahresmitteltemperaturen in den ersten 30 Jahren der Wetteraufzeichnungen in Klein-Altendorf von 1958 bis zum Jahre 1987 lagen um 0,42°C unter dem langjährigen, 50-jährigen Mittel von 9,4°C (vgl. Abb. 2). Dagegen lagen die Jahresmitteltemperaturen ab dem Jahre 1988 um 0,66°C über dem langjährigen Durchschnitt (Abb. 1), so dass der Klimawandel im Meckenheimer Obstbaugebiet ab 1988 eingetreten ist. Dies beruht auf der Definition des Klimawandels von Burroughs (2007), dass sich die langjährige Jahresmitteltemperatur, unabhängig von kurzfristigen Temperaturschwankungen, verändert. Die Befunde aus Klein-Altendorf stimmen überein mit den Ergebnissen des DWD (Müller-Westermeier 2007) über die klimatische Entwicklung in ganz Deutschland seit 1901. Da auch in dieser Studie des DWD ein stärkerer Temperaturanstieg seit 1988 auf den Beginn des rezenten Klimawandels hinweist, wurden alle folgenden Daten sowohl für die ganze 50-jährige Messperiode (1958–2007) als auch für diese zwei Perioden (I: 1958–1987 bzw. II: 1988–2007) in Anlehnung an Chmielewski et al. (2004) getrennt berechnet.

Abb. 1
figure 1

Abweichung der Jahresmitteltemperatur vom langjährigen Mittelwert von 1956 bis 2007 (9,4°C)

Die Jahresmitteltemperaturen der letzten 50 Jahre stiegen am Standort Klein-Altendorf – basierend auf linearer Kurvenanpassung – von 8,8°C (1958) auf 10,2°C (2007). Dies entspricht einem Temperaturanstieg von 1,4°C in den letzten 50 Jahren in Klein-Altendorf. Im Vergleich von Periode II gegenüber Periode I betrug dieser Temperaturanstieg 1,1°C, basierend auf Mittelwerten von Periode I (9,0°C) und Periode II (10,1°C); das Winterhalbjahr von November bis April (Temperaturanstieg 1,2°C) hat sich dabei um 0,2°C stärker erwärmt als das Sommerhalbjahr (Temperaturanstieg 1,0°C; Abb. 2).

Abb. 2
figure 2

Jahresmittel der Lufttemperaturen und Mittel von Sommer- und Winterhalbjahr (in \r{ }C) in Klein-Altendorf von 1956 bis 2007 in 2 m Höhe (polynomische Trendkurve); die vertikale gestrichelte Linie zeigt die Grenze zwischen Phase I und II

Monatsmitteltemperaturen

Dieser in den letzten 20 Jahren bis heute (Periode II) beobachtete Temperaturanstieg in Klein-Altendorf verteilte sich keineswegs gleichmäßig über die vier Jahreszeiten. Er war am stärksten in den Wintermonaten Januar (\( + \)1,7°C) und Februar (\( + \) 1,8°C), gefolgt von den klimatologischen Frühlingsmonaten März (\( + \) 1,4°C) und Mai (\( + \)1,4°C) sowie den Sommermonaten Juli (\( + \)1,3°C) und August (\( + \)1,6°C). Dagegen zeigten die Herbstmonate eine deutlich geringere Temperaturzunahme als die anderen Monate (Abb. 3). Diese Temperaturdifferenzen beruhen auf dem Vergleich der letzten 20 Jahre (1988–2007) gegenüber den 30 Jahren davor (1958–1987).

Abb. 3
figure 3

Vergleich der langjährigen Monatsmittel- und Jahresmitteltemperatur in den Zeitabschnitten 1958–1987, 1988–2007 und dem Gesamtzeitraum 1958–2007 (50 Jahre)

Spätfrosthäufigkeit und Minimum-Temperaturen (Monatsmittel)

Abbildung 4 zeigt den Verlauf der Minimum-Temperaturen in 2 m Höhe im März, April und Mai in den letzten 50 Jahren mit dem stärksten Anstieg der Minimum-Temperatur im März. Legt man durch die Minimum-Temperaturen jedes Monats eine lineare Trendlinie (Abb. 4), dann zeichnet sich ein Anstieg der Minimum-Temperatur um ca. 2,6°C von −6,1°C im März 1958 auf ca. −3,5°C im März 2007 ab. Während die Minimum-Temperaturen im März und Mai zunahmen, sanken sie im April um 1°C (Abb. 4).

Abb. 4
figure 4

Verlauf der Minimumtemperaturen (\( T_{min} \)) der Luft in den Monaten März, April und Mai von 1958 bis 2007 (50 Jahre, Monatsmittel)

Ein ähnliches Bild zeigt die Auswertung der Spätfrosttage und des monatlichen Mittels der Minimumtemperatur in den Zeiträumen 1958 bis 1987 und 1988 bis 2007 sowie des Gesamtzeitraums von 1958 bis 2007 (Tabelle 1). Die mittlere Tiefsttemperatur im April hat sich im Mittel der letzten 20 Jahre mit 0,2°C – im Vergleich zum langfristigen, 50-jährigen Mittel – leicht verringert; dagegen stieg das Monatsmittel der Tiefsttemperatur in den letzten 20 Jahren im März mit 1,0°C stärker und im Mai mit 0,2°C schwächer an (Tabelle 1). Ebenso verringerten sich die Tage mit Spätfrost im März um ca. 3 Tage in Periode II, während sie sich im April um einen halben Tag erhöhten (Tabelle 1), so dass die Knospenentwicklung im März vorangetrieben wird und das Spätfrostrisiko trotz der beobachteten Erwärmung der Frühjahrsmonate März und Mai (Abb. 3) für die Obstblüte im April erhalten bleibt.

Abbildung 5 zeigt die Frosthäufigkeit in den letzten 50 Jahren und die negative Frosttemperatur zur Zeit der Blüte von ‘Alexander Lucas’ (Birne) und den Ertragsrückgang durch Frostschäden. In den letzten 50 Jahren traten am Standort Klein-Altendorf bei dieser Sorte – als Beispiel für Kernobst – keine wesentlichen Veränderungen in spätfrostbedingten Ertragsrückgängen im Vergleich von Periode II zu Periode I auf (Abb. 5). In Periode I (30 Jahre zwischen 1958–1987) zeigte sich fünfmal ein überdurchschnittlich warmer März, davon dreimal verbunden mit Blütenfrost im April und Ertragsrückgang im September. Dagegen war die Lufttemperatur im Monat März in der kürzeren, letzten Periode II (20 Jahre bis heute) sechsmal überdurchschnittlich warm und fünfmal mit Frostschaden und Minderertrag verbunden (Abb. 5). Die Schäden durch Blütenfröste waren u.a. durch die wärmeren Märztemperaturen und die damit fortgeschrittene Obstblüte im Zeitraum ab 1988 (Periode II) leicht erhöht.

Abb. 5
figure 5

Frosttemperaturen (kälteste, negative Temperatur eines Tages) während der Blütezeit im April und Ernteeinbußen durch Blütenfröste. Bonitur 1 (gering) bis 4 (sehr stark) bei Birne (‘Alexander Lucas’) in den Jahren 1958–2007 in Abhängigkeit von der Märzwitterung (obere weiße Balken zeigen einen überdurchschnittlich warmen März an; die vertikale gestrichelte Linie zeigt die Grenze zwischen Periode I und II)

Bodentemperaturen

Der Jahresmittelwert der Bodentemperatur in 20 cm Tiefe stieg am Standort Klein-Altendorf von 9,4°C im Jahr 1958 auf 12,0°C im Jahre 2007 bei linearer Kurvenanpassung (\( r^2 = \text{0,504} \)) und ergab somit einen Anstieg der Bodentemperatur von 2,6°C über 50 Jahre (Abb. 6). Ein ähnlicher Trend war im Sommerhalbjahr (Mai–Oktober) während der Vegetationsperiode zu beobachten, wenn auch mit geringerem Bestimmtheitsmaß (\( r^2= \text{0,34} \)) (Abb. 6).

Abb. 6
figure 6

Verlauf der Bodentemperaturen im Jahresmittel und während der Vegetationszeit (Mai bis Oktober) in 20 cm Bodentiefe von 1958 bis 2007 in Klein-Altendorf

Die Bestimmtheitsmaße (r 2) bei der Kurvenanpassung (Abb. 1, 4, 6) sind so gering, weil nur der Trend angepasst wird und nicht die Einzelwerte, die erheblich vom Trend abweichen können (Chmielewski, pers. Mitt.).

Wenn man den Durchschnitt der Jahresmittel vergleicht, ist die Bodentemperatur in Periode II um ca. 1,4°C wärmer als in Periode I (Abb. 7). Ein Vergleich der Monatsmittel aus Periode II gegenüber Periode I zeigt die stärkste Zunahme der Bodentemperatur mit über 50% von Januar bis März, gefolgt von April und Dezember (um 20–30%), die restlichen Monate zeigen nur einen mäßigen Temperaturanstieg von 4–14% (Abb. 7).

Abb. 7
figure 7

Vergleich der Bodentemperaturen in den einzelnen Monaten in 20 cm Tiefe im Zeitraum 1958–1987 gegenüber 1988 bis 2007

Niederschlagshöhe

Die Niederschlagshöhe am Standort Klein-Altendorf wies seit 1958 bis 2007 sowohl in der Vegetationsperiode als auch im Jahresdurchschnitt kaum Änderungen auf (Abb. 8). Ein Vergleich der Periode II mit der Periode I weist einen geringen, nicht signifikanten Anstieg von 10 mm Niederschlagshöhe von 595 mm auf 605 mm auf. Von den 600 mm Jahresniederschlag (1958–2007) fällt der etwas größere Anteil mit ca. 350 mm in der Vegetationsperiode von Mai bis Oktober verglichen mit ca. 250 mm im Winterhalbjahr (Abb. 9). Ein Vergleich der einzelnen Monate des Jahres von Periode II mit Periode I zeigt etwas höhere Niederschläge im Februar, März und April gegenüber einer Abnahme des Niederschlags im Mai (−10,4 mm) und Juli (−7,3 mm) – ohne Veränderung im August – (Abb. 9), d. h. die Verteilung der Niederschläge änderte sich geringfügig bei gleich bleibender Jahresniederschlagshöhe. Trotz der insgesamt etwas geringeren Niederschläge im Mai und Juli – während der Fruchtentwicklung – war in den letzten 2 Dekaden ein Anstieg an Starkregen (\( \ge \)20 mm/Tag) im Sommerhalbjahr zu verzeichnen (Abb. 10), wenn auch dieser Anstieg statistisch nicht absicherbar war.

Abb. 8
figure 8

Niederschlagshöhe während des ganzen Jahres und der Vegetationszeit von Mai bis Oktober von 1958 bis 2007 in Klein-Altendorf (mit linearer Trendlinie)

Abb. 9
figure 9

Vergleich der Niederschlagshöhe in den einzelnen Monaten 1958–1987 und 1988–2007

Abb. 10
figure 10

Mittlere Anzahl von Tagen mit stärkerem Niederschlag (\( \ge \)20 mm) im Sommerhalbjahr in den Zeiträumen 1958–1987, 1988–2007 und den letzten 10 Jahren (statistisch nicht signifikant)

Rezente Veränderungen in der Phänologie von Kernobst

Phänologische Aufzeichnungen – Blüte, Ernte, Blattfall

Der Vergleich der phänologischen Entwicklung bei Kernobst in Klein-Altendorf in Periode I und Periode II zeigt, dass sich die Obstblüte bei den vier untersuchten Apfelsorten und einer Birnensorte im Durchschnitt um ca.  10  Tage verfrüht hat (Tabelle 2). Dabei hat sich die Blühdauer bei Apfel und Birne im Mittel in Periode II um einen Tag verkürzt. Beim Apfel war jedoch die Blühdauer im Mittel der letzten 10 Jahre um etwa 4 Tage kürzer; in diesem Zeitraum ist in 50% der Jahre die Blühdauer von 12–14 Tage auf 6–8 Tage zurückgegangen. Dagegen wirkte sich der Temperaturanstieg auf den Erntetermin unterschiedlich in Abhängigkeit von der Sorte aus: Die mittelfrühen Apfelsorten ‘Roter Boskoop’ und ‘Cox Orange’ waren 3 bis 4 Tage früher reif, während die Ernte der Spätsorten – ähnlich wie die Blütezeit – um 8 bis 12 Tage verfrüht war (Abb. 11). Durch die stärkere Blühverfrühung im Vergleich zur geringeren Ernteverfrühung verlängerte sich die Fruchtentwicklung um 5 Tage für die Sorte ‘Cox Orange’ bzw. 10 Tage für die Sorte ‘Roter Boskoop’, während die Dauer der Fruchtentwicklung bei den anderen drei Sorten unverändert blieb. Die frostfreie Periode verlängerte sich von Periode I auf Periode II um ca. 6 Tage.

Abb. 11
figure 11

Unterschiedlich stark verfrühter Erntebeginn bei der Birnensorte ‘Alexander Lucas’ sowie bei den Apfelsorten ‘Roter Boskoop’ und ‘Golden Delicious’ von 1963 bis 2007

Tabelle 2 Phänologische Daten 1958 bis 2007 in Klein-Altendorf

Der Laubfallbeginn hat sich in den letzten 20 Jahren bei drei Sorten nicht verändert: Dagegen lag er bei ‘Golden Delicious’ 4 Tage und bei ‘Roter Berlepsch’ 9 Tage früher, so dass die heutigen Sorten nicht in den Genuss der in den Herbst verlängerten Vegetationsperiode kommen, die als Tage mit > 5°C Tagesmitteltemperatur definiert ist (Kolbe 1965). Daher wurde eine „pomologische Vegetationszeit“ von Blühbeginn bis Laubfallbeginn definiert, die bei ‘Roter Berlepsch’ unverändert blieb, während sie sich bei den anderen Sorten um 5 Tage (‘Golden Delicious’), um bis zu 10 Tage (‘Cox Orange’, ‘Roter Boskoop’) bzw. um 8 Tage bei Birne (‘Alexander Lucas’) durch den früheren Beginn verlängerte (Tabelle 2).

Die für die Einlagerung der Nährstoffe aus den Blättern in das überwinternde Holz relevante Zeit zwischen Ernte und Laubfall verlängerte sich bei Apfel von 2 (‘Cox Orange’, ‘Roter Boskoop’) bis 7 Tage (‘Golden Delicious’) und bei Birne um 11 Tage (Tabelle 2), was sich bei günstiger Herbstwitterung positiv auf die Photosynthese im Herbst und damit für die Nährstoffeinlagerung auswirkt (Tartachnyk u. Blanke 2005).

Spätfrost zur Blütezeit

Zwischen 1958 und 1987 war die Blütezeit bei Apfel und Birne in Klein-Altendorf regelmäßigen Schwankungen unterworfen (Abb. 12), ab 1988 (Periode II) wurde jedoch eine 8 bis 11 Tage frühere Blüte beobachtet (Tabelle 2). Die polynomische Kurvenanpassung der Frostzeitpunkte in den letzten 50 Jahren zeigt, dass der Spätfrost seit 1988 nicht mehr vor, sondern nach Blühbeginn eintritt (Abb. 12); die Spätfröste fallen bei Birne zunehmend in die Zeit der Vollblüte bis Ende Blüte bzw. rücken bei Apfel näher an den Blühbeginn. Da die betroffenen späteren Blütenstadien empfindlicher auf Frosttemperaturen reagieren, erhöht sich – trotz des Temperaturanstieges durch den rezenten Klimawandel – das Risiko für Blütenfrostschäden bei Birne, während es beim Apfel gleich hoch bleibt (Abb. 12).

Abb. 12
figure 12

Termin des stärksten Frostes zur Blüte und Blühzeitraum (Anfang bzw. Ende der Blüte) bei der Birnensorte ‘Alexander Lucas’ jeweils mit polynomischer Anpassung sowie Frostschaden 1958–2007 sowie Beginn Phase II (gestrichelte vertikale Linie)

Diskussion

Langfristiger Anstieg der Jahresmitteltemperatur als Zeichen für den Klimawandel

Durch die langfristigen, 50-jährigen Klimaaufzeichnungen in Klein-Altendorf wurde erst eine Unterteilung der klimatischen Entwicklung in Periode I und Periode II möglich. Den Beginn des neuzeitlichen Klimawandels ab 1988 bestätigen die meteorologischen Forschungsergebnisse des DWD (Müller-Westermeier 2007) sowie die zusätzlichen phänologischen Beobachtungen an Apfel und Pfirsich (Bergamaschi et al. 2008; Henniges et al. 2007; Chmielewski 2007). Alle diese Studien stimmen überein, dass ab dem Jahre 1988 – mit Ausnahme von 1996 – die Jahresmitteltemperatur an dem jeweiligen Standort über dem langjährigen Durchschnitt lag.

Der für Klein-Altendorf mittels linearer Kurvenanpassung berechnete Temperaturanstieg von 1,4°C in den letzten 50 Jahren ist identisch mit dem in ganz Deutschland von 1,4°C in den 45 Jahren zwischen 1955 und 2000 (Chmielewski et al. 2008) und in derselben Größenordnung wie die 0,4°C pro Jahrzehnt bzw. 1,7°C/20 Jahre im Obstanbaugebiet Altes Land (d. h. 2,0°C/50 Jahre; vgl. Görgens u. Weber 2007; Weber 2008) oder 1,1°C in Gembloux, Belgien (Vergleich 2006 gegenüber 1987 von Debontridder 2009), aber stärker ausgeprägt als die 0,35°C/17 Jahre (1991–2008) in Geisenheim (Krüger 2008) oder 0,44°C pro Jahrzehnt (1977–2007) in der Emilia Romagna in Norditalien (Bergamaschi et al. 2008). Unser Temperaturanstieg von 1,1°C beim Vergleich von Periode II (1988–2007) mit Periode I (1957–1987) bestätigt die Werte in Slowenien von 1,2°C beim Vergleich von 1991–2005 gegenüber 1961–1990 (Kajfez Bogataj 2008).

Monatsmittel Lufttemperatur

Der starke Temperaturanstieg in den Winter- und Frühlingsmonaten seit 1988 in Klein-Altendorf (Abb. 3) hatte zur Konsequenz, dass die Obstblüte stärker verfrüht wurde (Tabelle 2). Für das Obstanbaugebiet Altes Land fanden Chmielewski et al. (2008) die beste Korrelation zwischen der Verfrühung der Kernobstblüte und der mittleren Januar-April-Temperatur \( (T_{1-4}) \) bzw. Februar-April-Temperatur (\( T_{2-4} \); Henniges et al., 2007).

Innerhalb der letzten 10 Jahre ist eine Verkürzung der Blütezeit bei den untersuchten Apfelsorten aufgetreten; in 50% der Fälle ist die Blühdauer um die Hälfte zurückgegangen, so dass in dieser kurzen Zeit eine effektive Bestäubung sichergestellt werden muss. Der moderate Temperaturanstieg in den Sommermonaten führte zu einer leichten Verfrühung der Ernte beim Kernobst. Die Blüte war stärker verfrüht als die Ernte. Durch den geringen Temperaturanstieg im Herbst ist der Laubfall zeitlich unverändert geblieben oder hat sich um einige Tage verfrüht (Tabelle 2) und hatte nur einen geringen Einfluss auf den Blühtermin im Folgejahr; Atkinson u. Taylor (1994) beobachteten bei einem Temperaturanstieg im Oktober und November eine verzögerte Knospenentwicklung und Blüte bei Birne; bei diesen Versuchen handelte es sich um Containerbäume, die im Gewächshaus unnatürlich hohen Herbsttemperaturen (15°C statt 8°C) ausgesetzt wurden. Die Wetterverhältnisse in Klein-Altendorf in den letzten 20 Jahren mit starkem Temperaturanstieg im Winter und im Frühling korrespondieren mit denen in ganz Deutschland mit dem stärksten Temperaturanstieg im Winter, gefolgt von Frühling und Sommer (1961–2005; vgl. Chmielewski et al. 2008). Warme Witterung während der Kernobstblüte könnte zu verstärkter Infektionsgefahr durch Feuerbrand führen.

Tiefsttemperaturen und Spätfrost

Das Zusammenwirken von Blüh- und Spätfrosttermin beeinflusst über den Fruchtansatz die Alternanz einer Obstanlage (Atkinson und Taylor 1994). Die leicht erhöhte Spätfrostgefahr ist eine Folge der Kombination aus wärmerem Frühjahr, vor allem März, mit verfrühter Obstblüte und tieferen Minimum-Temperaturen im April (Abb. 4). Dies bestätigt das zunehmende Risiko von Spätfrostschäden im Obstbau in Europa (Chmielewski et al. 2005; Kromb-Kolb 2008). Für die Zukunft wird eine Abnahme von Frösten im Verlauf des ganzen Jahres vorausgesagt, da Spätfröste früher enden und Frühfröste später einsetzen, wobei die Frostgefahr zur Obstblüte nicht abnimmt (Chmielewski et al. 2008). Unsere Erhöhung der Minimum-Temperatur von 2,6°C/50 Jahre entspricht der von 5°C/100 Jahre (1908–2007) in East Malling im Süden Englands (Jones 2008).

Bodentemperatur

Der Anstieg der Bodentemperatur von 2,6°C in den letzten 50 Jahren war stärker (Abb. 6) als der der Lufttemperatur mit 1,4°C (Abb. 1); nach Hammond und Seeley (1978) ist der Einfluss der Bodentemperatur auf den Blühbeginn bei Obstgehölzen im Frühling wesentlich geringer als die Auswirkung der Lufttemperatur, ist aber für den Wurzeldruck im Herbst verantwortlich (Marcel Kers 2009, pers. Mitt.).

Niederschlagshöhe und -verteilung

Die langfristig unveränderten Jahresniederschläge am Standort Klein-Altendorf decken sich mit den Beobachtungen des DWD (Müller-Westermeier 2007). Bezogen auf die Jahreszeit gab es unterschiedliche Veränderungen in der Niederschlagshöhe. Die etwas stärkeren Niederschläge im Februar, März und April in Klein-Altendorf (Abb. 9) bestätigen die in ganz Deutschland beobachtete Zunahme der Niederschläge im Frühjahr – besonders im Monat März (Müller-Westermeier 2007) – auf Kosten der Sommerniederschläge. Küchler (2007) berichtet über eine Abnahme der Niederschläge in Nordrhein-Westfalen im Sommer von 7% und einer Zunahme im Winter von 20%. Die Zunahme der Starkregen im Sommer bestätigt die Beobachtungen des DWD (Müller-Westermeier 2007). Der neuerdings trockenere Mai in Klein-Altendorf hat bereits in einigen Jahren zu einem verstärkten ersten Fruchtfall bei Kernobst geführt (eigene Beobachtung, unveröffentlicht).

Auf einen verstärkten ersten Fruchtfall nach der Blüte folgt häufig ein schwächerer Junifruchtfall. Geringere Niederschläge im Juli während der Fruchtentwicklung können zu etwas kleineren Früchten führen.

Physiologische Auswirkungen des Klimawandels auf die Obstgehölze

Die Kombination aus etwas trockneren Sommern, höheren Temperaturen und erhöhter CO2-Konzentration in der Atmosphäre kann bei den Obstgehölzen zeitweise zu Wasserstress führen. Bei ausreichender Wasser- und Nährstoffversorgung bildet der Baum durch die höheren CO2-Konzentrationen mehr Blattmasse; dies kann dann zu höherem Wasserbedarf (Chen und Lenz 2002) und damit zeitweise zu Wasserstress im Sommer führen. Höhere CO2-Konzentrationen führen bei den Obstgehölzen zu geringerer Transpiration pro Blattflächeneinheit; der damit verbundene partielle Stomataschluss durch erhöhte Abscisinsäure (ABA)-Konzentration in den Blättern kann zu geringerer Anfälligkeit (Noga und Lenz 1985) gegenüber anderen Stressfaktoren führen.

Die höheren Lufttemperaturen im Winter von Dezember bis Februar fallen in einen Zeitraum, an dessen Ende im Februar die Dormanz (Winterruhe) bei Kernobst gebrochen ist, und führen zu verstärkten Verlusten an Reservestoffen durch die Atmung (Wibbe et al. 1994).

Phänologie Kernobst – Blühverfrühung, Spätfrostgefahr und Vegetationszeit

Höhere Temperaturen im März können den Blühbeginn bei Apfel und Birne in Klein-Altendorf – in Abhängigkeit von der Sorte (Tabelle 2) – um bis zu 10 Tage verfrühen. Dabei war die Blüte bei den mittelfrühen Apfelsorten ‘Cox Orange’ und ‘Roter Boskoop’ stärker verfrüht (10 Tage) als die Ernte (um 3–4 Tage), und die Zeit der Fruchtentwicklung verlängerte sich um 5–10 Tage, während bei den später reifen Apfelsorten ‘Roter Berlepsch’ und ‘Golden Delicious’ und der Birnensorte ‘Alexander Lucas’ Blüte und Ernte gleich stark verfrüht waren, so dass die Länge der Fruchtentwicklung bei dieser Sorte unverändert blieb. Eine Veränderung der Fruchtentwicklungsdauer kann sich auf die Bestimmung des Reifezeitpunktes nach dem T-Stadium auswirken.

An Standorten mit Weinbauklima wie Weinsberg oder Geisenheim nahm die durchschnittliche Jahrestemperatur aufgrund des rezenten Klimawandels weniger stark als in Klein-Altendorf zu (Tabelle 3). Dort führte eine stärkere Erwärmung der Sommer- im Vergleich zu den Wintermonaten (Rupp 2009) zu einer stärkeren Verfrühung der Ernte im Vergleich zur Blüte – umgekehrt als in Klein-Altendorf. Lineare Kurvenanpassung der Daten von Beginn der Aufzeichnungen bis heute weisen dabei eine stärker verkürzte Fruchtentwicklung aus (Rueß 2009) als ein Vergleich der Mittelwerte aus Periode I (vor dem Klimawandel) mit denen aus Periode II (nach dem Klimawandel; Tabelle 2). Diese Diskrepanz zeigt, dass eine stärkere regionale Differenzierung nach Obstbaugebieten notwendig ist.

Tabelle 3 Einfluss des Klimawandels auf die Phänologie des Apfels in Klein-Altendorf im Vergleich zu anderen europäischen Anbaugebieten

Die Blühverfrühung aller untersuchten Sorten von durchschnittlich 10 Tagen in Klein-Altendorf (Tabelle 3) liegt in der gleichen Größenordnung wie die 14 Tage deutschlandweit (1990–2000 gegenüber 1960–1990; Chmielewski et al. 2004) und 14 Tage in Krems, Österreich (Vergleich 1965–2007; Kromb-Kolb 2008). Die Blühverfrühung von 11 Tagen bei ‘Golden Delicious’ (Tabelle 2) stimmt genau überein mit den Werten aus Weinsberg (Rueß 2009) und liegt über den Werten aus Frankreich mit 7 (Angers, Nimes) bzw. 8 (Bergerac) Tagen (Domergue et al. 2004), so dass das Meckenheimer Obstanbaugebiet im europäischen Vergleich – bezogen auf die Blühverfrühung – mittelstark vom rezenten Klimawandel betroffen ist. Die um 3–9 bzw. 12 Tage verfrühte Ernte bei den vier untersuchten Apfel- bzw. Birnsorten am Standort Klein-Altendorf (Tabelle 2) bestätigt die 10 Tage/30 Jahre frühere Apfelernte bei ‘Boskoop’ im Alten Land (Görgens und Weber 2007).

Die von Blühbeginn bis Beginn des Laubfalls bei Kernobst definierte „pomologische Vegetationszeit“ in Klein-Altendorf verlängerte sich – in Abhängigkeit von der Sorte – genauso wie die Fruchtentwicklung um 0 bis 10 Tage. Dies deckt sich mit Ergebnissen von Chmielewski und Rötzer (2001) mit einer generellen Verlängerung der thermischen Vegetationsperiode für Obst in Europa von etwa 10 Tagen, die auf ihren früheren Beginn im Frühjahr zurückzuführen ist.

Ausblick

  1. 1.

    Eine durch wärmere Märztemperaturen weiter fortgeschrittene Knospenentwicklung bei leicht sinkenden Minimum-Temperaturen im April resultiert in einer unveränderten Spätfrostgefahr, so dass vorerst auf Frostschutzmassnahmen nicht verzichtet werden kann. Dies verhindert einen Anbau frostempfindlicher, (sub-) tropischer Obstarten trotz Temperaturanstieg durch den rezenten Klimawandel und einer verlängerten Vegetationsperiode.

  2. 2.

    Innerhalb der letzten 10 Jahre ist eine Verkürzung der Blütezeit bei den untersuchten Apfelsorten aufgetreten; in 50% der Fälle ist die Blühdauer um die Hälfte zurückgegangen, so dass in dieser kurzen Zeit eine effektive Bestäubung sichergestellt werden muss.

  3. 3.

    Die mit dem Temperaturanstieg verbundene Verfrühung von Blüte und Ernte sowie Verlängerung der Vegetationsperiode um 510 Tage ermöglicht in zunehmendem Maße den Anbau spät färbender oder spät reifender Sorten wie z.B. ‘Fuji’ sowie eine frühere Ernte bestehender Sorten.

  4. 4.

    Durch trockeneres Klima im Mai und Juli, höhere Sommertemperaturen und zunehmende CO2-Konzentration steigt der Wasserbedarf der Obstgehölze während der Fruchtentwicklung. Dadurch wird eine Beregnungsmöglichkeit immer wichtiger.

  5. 5.

    Eine parallele Arbeit (Luedeling et al. 2009) beschäftigt sich mit der Frage, ob durch die wärmeren Winter die Dormanzbrechung sowie ein Erfüllen des Kältebedürfnisses (chilling requirement) schwieriger werden.

Eine Lösungsmöglichkeit für (1)–(4) sind angepasste Sorten mit niedrigem Kältebedürfnis bzw. Sorten mit geringer Empfindlichkeit gegenüber Blütenfrost und Trockenstress sowie geschützter Anbau mit Schutz der Obstkulturen vor Spätfrost, Hagel, Sonnenbrand und Trockenheit.