Im Rahmen der 6. Tagung der deutschen, schweizerischen und österreichischen Sektionen der Internationalen Liga gegen Epilepsie 2009 in Rostock haben in der Epileptologie tätige Neuropsychologen den Arbeitskreis (AK) „Epilepsie/Erwachsene“ gegründet. Inhaltlich wollen sich die Mitglieder des AK u. a. über klinische Standards in der neuropsychologischen Diagnostik und Therapie bei erwachsenen stationären und ambulanten Epilepsiepatienten austauschen und diese weiterentwickeln. Der AK soll zudem eine stärkere Vernetzung der Neuropsychologen der einzelnen Epilepsiezentren im deutschsprachigen Raum ermöglichen und Ansprechpartner für allgemeine Fragen bezüglich Neuropsychologie und Epilepsie bei Erwachsenen sein.

Auf der darauf folgenden 7. gemeinsamen Jahrestagung der deutschen, österreichischen und schweizerischen Sektionen der Internationalen Liga gegen Epilepsie 2011 in Graz haben die Arbeitskreissprecher den AK der Deutschen Gesellschaft für Epileptologie (DGfE) vorgestellt und damit eine Anbindung an die bzw. eine Zusammenarbeit mit der DGfE angestrebt. Zu diesem Zweck wurde von der DGfE die Bildung einer ständigen neuropsychologischen Kommission der DGfE vorgeschlagen, die darauf folgend auf der Jahrestagung der DGfE 2012 in Stuttgart eingesetzt wurde.

Der AK hat in der Zeitschrift für Epileptologie im Februar 2010 eine Stellungnahme zur aktuellen Diskussion der Standardisierung der neuropsychologischen prä- und postchirurgischen Epilepsiediagnostik formuliert [4]. Der Vorschlag, eine (Minimal-)Standardisierung zu erreichen, ist aus Sicht des AK äußerst begrüßenswert. Bereits beim ersten AK-Treffen im November 2009 in Kleinwachau/Dresden wurde dieses Thema aufgegriffen und auf diesem sowie den darauf folgenden AK-Treffen diskutiert und bearbeitet. Dabei war es dem AK wichtig, dass die Testauswahl als Grundlage einer Standardisierung der neuropsychologischen Diagnostik ausschließlich aufgrund von Testgütekriterien (Validität, Reliabilität, Sensitivität etc.), empfehlenswerten Normierungen sowie von ausreichenden statistischen und klinischen Evidenzen bezüglich Epilepsie erfolgen sollte. Darüber hinaus sollten empfohlene Verfahren veröffentlicht und Fachkollegen zugänglich sein. Auch etablierte und bereits verwendete Verfahren wurden im Hinblick auf diese Kriterien sowie vor dem Hintergrund aktueller Forschungsergebnisse betrachtet und verglichen.

Der Konsens über die verschiedenen kognitiven Domänen, die im Rahmen einer neuropsychologischen prächirurgischen Epilepsiediagnostik erfasst werden sollten, wurde vom AK bereits veröffentlicht [4] und ist in Tab. 1 noch einmal aufgeführt. Nähere Angaben, einschließlich der Bezugsquellen, zu den meisten der im Folgenden nur aufzählend aufgeführten Aufmerksamkeits- und Gedächtnistests finden sich im Handbuch neuropsychologischer Testverfahren [7]. Beschreibungen international häufig eingesetzter neuropsychologischer Verfahren, auch über Aufmerksamkeits- und Gedächtnistests hinausgehend sind bei Lezak [19], Spreen u. Strauss [26] sowie Mitrushina et al. [21] nachzulesen.

Tab. 1 Zu untersuchende Domänen kognitiver Leistungsfähigkeit bei der Diagnostik prä- und postoperativer Defizite einschließlich Prognose

Im Folgenden werden die vom AK empfohlenen Verfahren und Vorgehensweisen für die einzelnen kognitiven Funktionsbereiche sowie weitere für eine neuropsychologische Untersuchung beachtenswerte Bereiche aufgeführt.

Intelligenz

Allgemeine Intelligenzminderungen lassen sich bei vielen chronischen Epilepsien beobachten, meist im Zusammenhang mit anlagebedingten, perinatalen oder frühkindlichen Schädigungen [14]. Da die eingesetzten neuropsychologischen Verfahren in der Regel an durchschnittlich intelligenten Personen normiert sind, ist es wichtig, im Rahmen der neuropsychologischen Diagnostik vor epilepsiechirurgischen Eingriffen die intellektuelle Leistungsfähigkeit zumindest grob einzuschätzen. Denn die während einer Untersuchung erhobenen Testergebnisse sind im interindividuellen Vergleich nur bei mindestens durchschnittlicher Intelligenz sicher zu interpretieren. Lediglich in Einzelfällen wie beispielsweise beim Regensburger Wortflüssigkeitstest (RWT; [1]) werden Korrekturwerte angeboten, die eine Interpretation der Testwerte auch bei leicht abweichendem Intelligenzniveau ermöglichen. Für diesen Zweck reicht in der Regel eine grobe Einschätzung des Intelligenzniveaus aus (unterdurchschnittlich/durchschnittlich/überdurchschnittlich). Eine differenzierte und aufwendige IQ-Bestimmung erscheint nur in Ausnahmefällen notwendig. Die Grobbeurteilung kann sich aus Informationen aus der Bildungs- und Berufsanamnese sowie dem Ergebnis eines oder zweier Screeningverfahren ergeben. Insbesondere bei niedrigem Bildungsniveau ist der Grund für selbiges zu hinterfragen. So könnten z. B. gesellschaftliche, sozioökonomische, motivationale Faktoren oder ein Migrationshintergrund eine größere Rolle spielen als die individuelle intellektuelle Leistungsfähigkeit.

Es stehen verschiedene Screeningverfahren zur Verfügung, die vordergründig bildungsabhängige intellektuelle Fähigkeiten prüfen (v. a. den Wortschatz). Hier werden meist der Mehrfachwahlwortschatztest (MWT-B, [18]) oder der Wortschatztest (WST, [25]) eingesetzt. Letzterer ist aufgrund einer aktuelleren Normierung vorzuziehen.

Bei umfassenderen Fragestellungen bietet sich eine Kurzform einer Intelligenztestbatterie an. Die IQ-Werte müssen dann aus den Einzelergebnissen extrapoliert werden. Zur in solchen Einzelfällen relevanten differenzierten Intelligenzdiagnostik mit Erfassung einzelner intellektueller Teilleistungsbereiche wird der Wechsler Intelligenztest für Erwachsene (WIE, [12]) oder die Kurzform des Leistungsprüfsystems (LPS, [13]) empfohlen. Dem WIE liegt eine deutsche Normstichprobe zugrunde, an der die 11 Subtests der Testbatterie normiert sind, die sich einem Verbal- und einem handlungspraktischen Teil zuordnen lassen. Das LPS-K [30] hat neben empfehlenswerten Testgütekriterien den Vorteil einer Parallelform, jedoch den Nachteil, dass alle Untertests zeitabhängig sind und die Normierung relativ alt ist.

Teilweise stark abweichende Bildungssysteme in anderen Ländern erschweren eine Interpretation der intellektuellen Leistungsfähigkeit aus der Bildungsanamnese bei Patienten mit Migrationshintergrund erheblich. Zudem sind aufgrund kulturspezifischer Besonderheiten sowie sprachlicher Hürden deutsche Intelligenzscreeningverfahren oft nicht sicher einsetzbar. Hier empfiehlt sich eine Kurzform des Ravens-Matrizentests [5].

Auch bei Patienten mit unterdurchschnittlicher Intelligenz bzw. leichter geistiger Behinderung sind neuropsychologische Standardtests nur eingeschränkt interpretierbar. Wenn Bodeneffekte auftreten, haben auch die Testrohwerte im intraindividuellen Prä-post-Vergleich kaum Aussagekraft. Interessant erscheinen hier v. a. fremdanamnestische Angaben und Verhaltensbeobachtungen.

Aufmerksamkeit

Aufmerksamkeitsleistungen sind bei der Mehrzahl der Patienten (80%) mit Hirnläsionen unterschiedlichster Lokalisation und Ätiologie beeinträchtigt [29, 34]. Die Leistungen in Aufmerksamkeitstests werden darüber hinaus durch andere Faktoren negativ beeinflusst. Hierzu zählen z. B. einige Zentralnervensystem(ZNS)-gängige Medikamente, die aktuelle Stimmungslage/psychiatrische Störungen, Schlafentzug/Ermüdbarkeit. Aufmerksamkeitsleistungen sind daher im Vergleich zu Leistungen in anderen kognitiven Domänen über die Zeit als eher instabil einzustufen. Die aktuelle Aufmerksamkeit in der neuropsychologischen Untersuchung beeinflusst ihrerseits jedoch in unterschiedlichem Maß die Leistungen in anderen kognitiven Domänen [19] und ist bei der Interpretation von Testergebnissen entsprechend zu berücksichtigen. Bei vielen kognitiven Leistungstests kann ein unterschiedlich großer Teil der Leistungsfähigkeit daneben auf das psychomotorische Tempo des Probanden zurückgeführt werden. Auch dies sollte bei der Interpretation eines Testergebnisses berücksichtigt werden.

Aus diesen Gründen erscheint eine Überprüfung der aktuellen Aufmerksamkeitsleistung im Rahmen einer neuropsychologischen prächirurgischen Diagnostik auch trotz geringem lateralisierenden und lokalisatorischen Nutzen [11] empfehlenswert.

Neben der psychomotorischen Geschwindigkeit (TMT-A mit den Normen aus Mitrushina et al. [21]) sollten mit der Testbatterie zur Aufmerksamkeitsprüfung (TAP, [34]) die Aufmerksamkeitsaktivierung (TAP Alertness), die selektive Aufmerksamkeit mit Aspekten der selektiven Zuwendung zu Reizen und Inhibition irrelevanter Reize (TAP Go/Nogo 1 aus 2) und die geteilte Aufmerksamkeit (TAP Geteilte Aufmerksamkeit/Synchrone Bedingung) erfasst werden. Die PC-gestützte Aufmerksamkeitsdiagnostik hat gegenüber „Paper-pencil“-Verfahren (d2, [3]) den Vorteil, dass Reaktionszeiten und deren Varianz über die Testdauer hinweg deutlich genauer bestimmt werden können [28], und sollte deshalb den Vorzug erhalten.

Exekutive Funktionen

Bei Frontallappenepilepsien zeigen sich u. a. häufig Leistungseinschränkungen in den exekutiven Funktionen [20]. Die Erfassung exekutiver Funktionen in der neuropsychologischen prächirurgischen Lokalisationsdiagnostik dient daher insbesondere der Abgrenzung zwischen Frontallappen- und Temporallappenepilepsien, aber auch der lateralisierenden Vorhersage einer möglichen frontalen Anfallsursprungszone. Dafür sollten Leistungen, die funktionell dem Frontalhirn zugeordnet sind, geprüft werden. Dies sind z. B. Flüssigkeitsmaße, Flexibilität (kontrollierte Zuwendung zu wechselnden relevanten Reizen), Planung, Problemlösung, Fehlerkontrolle (Evaluation der eigenen Handlungen) und Reaktionskontrolle (Reaktionsinhibition bei irrelevanten Reizen; [16, 29, 31, 32]).

Auch wenn Flüssigkeitsleistungen zwar sensitiv, aber weniger spezifisch für mit frontalen Arealen assoziierte kognitive Funktionen sind, sollte die prächirurgische neuropsychologische Diagnostik diese erfassen. Aufgrund der besseren Normierung ist der RWT [1] dem Untertest 6 des LPS [13] vorzuziehen. Sowohl die Erfassung der formallexikalischen als auch der semantischen Wortflüssigkeit mit einer wie im Testhandbuch angeratenen Durchführungszeit von jeweils 2 min werden empfohlen. Zur Erfassung der figuralen Flüssigkeit als nonverbale Funktion wird der Fünfpunktetest in der Version von Goebel et al. [8] empfohlen; hierbei scheint die Anzahl der Perseverationen (Flexibility Score) wichtige Informationen zu geben.

Verfahren zur Aufmerksamkeits-/Reaktionsflexibilität haben einige Merkmale mit „Dual-task“-Aufgaben gemeinsam [28] und können sowohl über den Trail Making Test B (TMT-B) mit der Normierung aus Mitrushina et al. [21] als auch über den Untertest Flexibilität (Bedingung: Wechsel verbal) aus der TAP [34] erfasst werden. Da der TMT-B eher für lokalisationsunspezifische Leistungsdefizite und Medikamenteneffekte sensitiv erscheint, sollte die computergestützte Diagnostik dem Test vorgezogen werden.

Auf die Erfassung von Arbeitsgedächtnisleistungen, die ebenfalls zu den exekutiven Leistungen zählen, wird im folgenden Abschn. „Gedächtnis“ eingegangen. Weitere Verfahren wie z. B. der Chapuis-Labyrinth-Test [6], die Untertests Inkompatibilität und Arbeitsgedächtnis aus der TAP oder der „Stroop“-Test werden als optional angesehen.

Gedächtnis

Sehr viele fokale Epilepsien haben ihren Ursprung in den Strukturen des (mesialen) Temporallappens. Die Kontrolle der Funktionalität von Strukturen des Temporallappens ist vor dem Hintergrund epilepsiechirurgischer Interventionen darum höchst bedeutsam. Dabei wird zusätzlich zwischen lateralen und mesialen Topologien unterschieden, da bei einer lateralen Läsionektomie mit anderen Defiziten zu rechnen ist als bei mesialen Resektionen. Seitenabhängige Gedächtniseffekte sind schon lange bekannt. Läsionen im Temporallappen der sprachdominanten Hemisphäre werden mit verbalen Gedächtnisdefiziten in Verbindung gebracht. Läsionen im Temporallappen der nichtdominanten Hemisphäre gehen hingegen eher mit Schwierigkeiten im nonverbalen Gedächtnis einher [10]. Dabei kann der Abruf nichtverbalen Materials, etwa von geometrischen Zeichnungen und Gesichtern, aber auch von Melodien gestört sein.

Zur Erfassung verbaler Gedächtnisleistungen (einschließlich verbales Lernen, Behalten, Wiedererkennen) empfiehlt sich der verbale Lern- und Merkfähigkeitstest (VLMT, [9]), das als deutsche Adaptation des RAVLT [27] international am häufigsten eingesetzte Verfahren und mit der breitesten empirischen Datenbasis in der Epileptologie. Ein Nachteil des VLMT liegt in den zwar vorhandenen – jedoch nichtnormierten – Parallelversionen, als Voraussetzung für postchirurgische Verlaufsuntersuchungen.

Da die durch verbale Gedächtnistests zu beantwortenden klinischen Fragestellungen von höchster Bedeutung im Rahmen der epileptologisch-neuropsychologischen Diagnostik sind, wäre eine Verbreiterung der Datenbasis durch ein zweites, alternatives Testverfahren zu empfehlen. Aus praktischen Gesichtspunkten (Interferenz) scheidet hierfür ein zweiter Listenlerntest aus. Eine Alternative könnte der visuelle und verbale Merkfähigkeitstest (VVM, [24]) darstellen, der 4 äquivalente normierte Parallelversionen besitzt und neben dem üblichen 30 min verzögerten Abruf zusätzlich einen 24 h verzögerten Abruf beinhaltet. International bekannter ist der Untertest Logisches Gedächtnis der Wechsler Memory Scale (WMS-IV, [22]). Aufgrund einer fehlenden Parallelversion ist dieser Test jedoch lediglich als Studienverfahren denkbar.

Für die Erfassung nonverbaler Lern- und Gedächtnisleistungen empfiehlt sich das Diagnosticum für Cerebralschädigung II (DCS-II, [33]) aufgrund aktueller und umfangreicher Normen sowie der zeitlichen Begrenzung der Item-Präsentation und damit im Vergleich zur Vorauflage verbesserten Ökonomie. Darüber hinaus verfügt das DCS-II für einen prä-/postchirurgischen Vergleich über – allerdings ebenfalls nichtnormierte – Parallelversionen. Zukünftig könnte die Veröffentlichung des Diagnosticum für Cerebralschädigung – Revised (DCS-R) den DCS-II ablösen. Auch für die nonverbalen Gedächtnisleistungen bietet sich der VVM [24] mit seinen oben genannten Vorteilen als ergänzendes Testverfahren an.

Als wichtige Hintergrundinformation für die Bewertung der erhobenen Testergebnisse empfiehlt es sich, trotz geringer Aussagekraft zu Lateralisation und Lokalisation eines möglichen Anfallsfokus auch die Kurzzeit- und Arbeitsgedächtnisleistungen zu erheben. Empfohlene Testverfahren zur Erfassung von Kurzzeitgedächtnisleistungen (Merkspanne) sind der Untertest Zahlen nachsprechen vorwärts aus dem WIE [12] und der Untertest Blockspanne vorwärts nach Schelling [23]. Die Erfassung der Arbeitsgedächtnisleistung (kurzfristiges Halten und Manipulieren von Informationen) sollte über den Untertest Zahlen nachsprechen rückwärts des WIE und den dort zu berechnenden Arbeitsgedächtnis-Index erfolgen.

Räumliche Funktionen

Räumliche Störungen können nach Schädigungen parietookzipitaler Regionen auftreten. Die früher postulierte Dominanz der rechten Hemisphäre scheint nicht so eindeutig zuzutreffen wie angenommen. Ein Überwiegen rechtsseitiger Läsionen wurde bei Störungen festgestellt, die relativ elementare räumliche Leistungen betreffen. Bei höheren räumlichen Leistungen hingegen variieren die Angaben über das Auftreten nach links- oder rechtshemisphärischen Läsionen. Hierbei wird auch hier ein vermehrtes Auftreten nach rechtshemisphärischen Schädigungen festgestellt. Räumliche Störungen treten z. B. auch sowohl nach unilateralen rechts- als auch linkshemisphärischen parahippokampalen Läsionen z. B. infolge chirurgischer Eingriffe im Bereich des posterioren Hippocampus auf.

Räumliche Leistungen können in 4 elementare zweidimensionale Leistungen unterteilt werden [17]:

- räumlich-perzeptive Leistungen (Einschätzen der Senkrechten, Waagerechten, von Positionen und Entfernungen),

- räumlich-kognitive Leistungen (z. B. mentale Rotation, Maßstabstransformation),

- räumlich-konstruktive Leistungen (Zeichnen, Zusammenbauen eines Geräts, Zusammensetzen von Einzelheiten zu einem Ganzen) und

- räumlich-topographische Leistungen (Orientierung und Fortbewegung im dreidimensionalen Raum).

Räumlich-konstruktive Fähigkeiten setzen räumlich-perzeptive und -kognitive Leistungen voraus, sodass eine Störung dieser Fähigkeiten in der Regel eine räumlich-konstruktive Störung mit sich bringt. Aus diesem Grund sollte eine neuropsychologische prächirurgische Untersuchung die Erfassung räumlich-konstruktiver Leistungen beinhalten. Dies kann über das Kopieren der Rey-Osterrieth Complex Figure (ROCF) mit der Normierung nach Spreen u. Strauss [26] oder über den Untertest Mosaiktest des WIE [12] erfolgen. Hierbei kann neben der reinen Testauswertung auch großer Nutzen aus der Verhaltensbeobachtung während der Testbearbeitung gezogen werden.

Sprachliche Funktionen

Massive Sprachstörungen in Form einer Aphasie sind abgesehen von iktualen/postiktualen Phasen bei Patienten mit Epilepsien eher die Ausnahme. Dennoch sollten die sprachlichen Leistungen auch interiktual erfasst werden, um mögliche lateralisierende Hinweise zu erhalten, denn besonders bei Temporallappenepilepsien der sprachdominanten Hemisphäre lassen sich Einschränkungen der Sprachleistungen (Spontansprache, Sprachverständnis, Benennen, Wortflüssigkeit) beobachten.

Zur Erfassung der Benennleistung (Wortfindung) empfiehlt sich derzeit der Boston Naming Test (BNT, [15]), der aktuell jedoch nicht verfügbar ist. Eine interessante, aber nichtveröffentlichte Alternative stellt der Betheler Benenntest dar, der jedoch technische Schwierigkeiten birgt (MS-DOS-Programm). Der RWT wurde bereits im Abschn. „Exekutive Funktionen“ in die Empfehlungen des AK aufgenommen und wird hier der Vollständigkeit halber noch einmal aufgeführt, da er als Wortflüssigkeitstest ebenfalls sprachrelevante Leistungen erfasst.

Alle vom AK empfohlenen Testverfahren sind in Tab. 2 unter den jeweiligen kognitiven Domänen zusammengefasst:

Tab. 2 Empfohlene Testverfahren nach kognitiven Domänen geordnet, Testverfahren in Klammern nur eingeschränkt empfohlen

Neben den oben genannten Verfahren sollten noch die Materialien und Normwerte für die neuropsychologische Diagnostik (MNND, [2]) Erwähnung finden. Sie beinhalten viele Alternativen zu den oben empfohlenen Verfahren mit dem Vorteil einer vielversprechenden aktuellen Normierung aller Tests an der gleichen Stichprobe allerdings noch ausstehender Evidenz im Bereich der Epileptologie.

Vor dem Hintergrund einer bei Menschen mit Epilepsie häufiger als in der gesunden Normalpopulation auftretenden atypischen Sprachdominanz sollte die Bestimmung der dominanten Hemisphäre immer Bestandteil einer prächirurgischen Untersuchung sein. Als Parameter zur Erfassung der Sprachdominanz als wichtiger Anhaltspunkt zu Lokalisation und Lateralisation kognitiver Funktionen wird häufig die Händigkeit eines Patienten meist mithilfe von Fragebogen ermittelt. Da der Zusammenhang zwischen Händigkeit und dominanter Hemisphäre jedoch komplex ist und nicht immer besteht, sollte eine funktionelle Untersuchung zur Sprachlateralisierung die Fragebogendiagnostik ergänzen.

Fazit für die Praxis

Die hier empfohlenen neuropsychologischen Testverfahren wurden im Konsens mit den Mitgliedern des AK (neuropsychologische Kommission der DGfE) nach eingangs erwähnten Kriterien zusammengestellt. Trotz dabei entstandener (Minimal-)Standardisierung der prächirurgischen neuropsychologischen Epilepsiediagnostik wird jedoch deutlich darauf hingewiesen, dass die spezifische Auswahl, Anwendung und Interpretation der jeweiligen Testverfahren sowie die zeitlichen Aspekte der postchirurgischen Verlaufsuntersuchung (Abklärung des Rehabilitationsbedarfs, Outcome-Kontrolle) dem erfahrenen Neuropsychologen obliegen. Dieser berücksichtigt aufgrund seiner allgemeinen und speziellen Kenntnisse in Testtheorie, Testdurchführung und Interpretation bei der Planung und Durchführung der neuropsychologischen Untersuchung grundlegende Testvoraussetzungen sowie mögliche Störvariablen wie z. B. psychische Befindlichkeit, motivationale Faktoren und Medikation.