Einleitung

Für die Versorgung kritisch kranker nichttraumatologischer Patienten in der frühen innerklinischen Behandlung wird ein standardisiertes Vorgehen wie bei der Schockraumversorgung des traumatologischen Patienten gefordert [3,4,5,6, 13, 30]. Dabei umfasst das im Schockraum versorgte kritisch kranke Patientenkollektiv rund 1,4–1,5 % aller in einer zentralen Notaufnahme versorgten Patienten [4, 8]. Bisher bestehen aber nur rudimentäre Grundlagen zur Umsetzung des sog. nichttraumatologischen (konservativen) Schockraummanagements [5, 6, 13, 30]. Für spezifische Erkrankungen wie Herzinfarkt, Schlaganfall oder Sepsis gibt es zwar zeitliche Vorgaben und teilweise standardisierte Vorgehensweisen, es liegen aber keine Empfehlungen für das generelle Vorgehen beim kritisch kranken Patienten vor, oder für die Frage, wie die zeitlichen Vorgaben am Übergang von präklinischer zu klinischer Versorgung erfüllt werden sollen [12].

Im Vergleich zu traumatologischen Patienten mit den bekannten standardisierten Prozessen und Abläufen unter Berücksichtigung der S3-Leitlinie Polytrauma/Schwerverletztenbehandlung [31] ist die Versorgung der nichttraumatologischen kritisch kranken Patienten teilweise wesentlich komplexer [5, 6, 13, 30]. Beim Trauma liegt eine Gewalteinwirkung auf den Körper vor und die Folgen sind sichtbar oder können anhand des Unfallmechanismus antizipiert werden. Beim kritisch kranken Patienten hingegen sind die Symptome vielfältig und häufig nicht unmittelbar eindeutig einer Erkrankung zuzuordnen, sodass reflektierte Überlegungen und zahlreiche diagnostische Schritte nötig sind, um eine fundierte Diagnose zu stellen [5, 6, 13, 30].

Beim nichttraumatologischen Patienten sind die Symptome häufig nicht eindeutig einer Erkrankung zuzuordnen

Aufgrund der fehlenden Definition und der Komplexität der Erkrankungen gibt es, im Gegensatz zum Traumapatienten im Schockraum, keine verlässlichen Zahlen. Hinzu kommt, dass Akutsituationen einem dynamischen Prozess unterliegen, sodass Patienten, die zunächst in einer niederen Stufe triagiert wurden, sich im Verlauf verschlechtern und dann eine Schockraumindikation erfüllen können. Die Patienten sind individuell unterschiedlich, sodass nicht immer klare Vorgaben bezüglich der Schockraumindikation gemacht werden können. Ein Patient mit chronisch-obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) kann mit einem pH <7,30 und einem pCO2 >80 mm Hg ein Schockraumpatient sein oder eben auch nicht. Die Entscheidung zur nichtinvasiven Beatmung ist gegeben, aber ob der Patient im Schockraum die nichtinvasive Beatmung erhält, weil er etwa bewusstseinsgetrübt ist, oder ob er diese bei klarem Bewusstsein und normaler Atemfrequenz oder bei bekannter Heimbeatmung in einem einfachen Untersuchungsraum erhält, kann sehr individuell entschieden werden.

Die Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU) hat die Schwerverletztenversorgung in den Fokus gestellt und damit das Behandlungsergebnis und die Reintegration der Patienten in den Arbeitsalltag erheblich verbessert. Dies war möglich, weil interprofessionell unter Federführung der DGU eine Standardisierung von Abläufen in der Diagnostik und Therapie stattgefunden hat: durch die S3-Leitlinie Polytrauma [31], Strukturvorgaben für die beteiligten Organisationen (Kliniken, Leitstellen, Rettungsdienste), Prozessabläufe im Weißbuch [11] und eine jährliche Überprüfung der Ergebnisqualität nach Einführung des TraumaRegisters DGU® [36]. Für die Versorgung und Therapie kritisch kranker Patienten gibt es bis dato, außer für die oben erwähnten Krankheitsbilder, keinerlei spezifische Standardisierung, Strukturvorgaben oder gar Register zur Patientenerfassung bzw. Patientenversorgung.

Erste Versorgungdaten

In der prospektiven monozentrischen Beobachtungsstudie Observation of Critically Ill Patients in the Resuscitation Room of the Emergency Department (OBSERvE) wurden nun erstmals Daten der Versorgung und Therapie kritisch kranker Patienten an einem Versorgungsstandort erhoben [8]. Allein die Zuordnung zu den Organsystemen bzw. die Erkrankungslokalisation zeigt die Vielfältigkeit und gleichzeitig die Anforderungen an das nichttraumatologische Schockraummanagement:

  • Kardiovaskulär: 32 %

  • Zentralnervös: 31 %

  • Pulmonal: 18 %

  • Abdominell: 4,3 %

  • Septisch: 10,2 %

  • Sonstige: 2,4 %

Aus der OBSERvE-Studie wurde auch deutlich, dass mit einem stringenten Management die Zeitdauer einer Schockraumversorgung im Mittel nur 34 ± 24 min betrug und durch die interdisziplinäre Schockraumversorgung hochsignifikant eine Stabilisierung des Patienten erreicht werden konnte, gemessen anhand von Surrogatparametern wie Blutdruck, Herzfrequenz und pulsoxymetrischer Sauerstoffsättigung [8]. In 20 % der Fälle waren letztlich fehlende innerklinische Ressourcen der Grund für eine Verlängerung des Schockraumaufenthalts, so etwa das Fehlen eines freien Intensivbetts oder Herzkatheterplatzes. Als Hauptursache ist hier die unmittelbar verfügbare Intensivkapazität zu nennen [8]. Dies zeigt aber auch, dass nicht nur die Akutversorgung des kritisch Kranken Teil der Aufgabe des nichttraumatologischen Schockraummanagements ist, sondern auch die dauerhafte Stabilisierung bis zur frei werdenden Intensivkapazität oder bis zur Sekundärverlegung in ein anderes Krankenhaus.

Die Notaufnahme sollte in ihrer Ausstattung und personell über ausreichend Intensivkompetenz verfügen

Dabei geht bereits heute die Verknappung von Intensivkapazitäten zu Lasten der Notfallversorgung, wobei Kapazitäten für (elektive) operative oder interventionelle Eingriffe weiterhin bestehen [18]. Große operative Eingriffe oder komplexe Interventionen benötigen Intensivressourcen, die in direkter Konkurrenz zu den benötigten Intensivbetten für die Notfallversorgung stehen [32]. Hierbei spielt auch die zunehmende Anzahl von Patienten mit multiresistenten Keimen eine bedeutende Rolle. Ab einer Auslastung der Intensivstation von 80 bis 85 % ist die Wahrscheinlichkeit der zeitnahen Aufnahme eines Patienten erheblich reduziert [21, 22].

Umso wichtiger ist es, dass die Notaufnahme sowohl in der Ausstattung als auch personell über ausreichend Intensivkompetenz verfügt, um kritisch kranke Patienten auf intensivmedizinischem Niveau versorgen und gegebenenfalls Versorgungsengpässe innerhalb der Klinik zumindest zeitweilig überbrücken zu können. In einer Untersuchung von Behringer et al. [3] waren Patienten, die vom Notarzt als intensivstationspflichtig eingeschätzt wurden, nach der Versorgung in der zentralen Notaufnahme nur noch zu 30 % tatsächlich intensivpflichtig. Häufig können Patienten nach kurzer Zeit wieder extubiert werden, da sie zur Atemwegssicherung intubiert wurden, etwa bei epileptischem Anfall oder Alkoholintoxikation. Ähnlich ist es bei Patienten mit COPD oder Lungenödem, die nach notärztlich eingeleiteter Therapie mit nichtinvasiver Beatmung und weitergeführter Therapie in der Notaufnahme bereits nach 3–4 h auf die Normalstation transferiert werden können. Schober et al. [34] zeigten, dass eine Notaufnahme mit Intensivkapazität für Kurzeitbeatmungen von 1 bis 2 Tagen die Intensivstation nach der intensivmedizinischen Versorgung präklinisch reanimierter Patienten um 30 % entlasten konnte. Eine Untersuchung von Bernhard et al. [7] ergab auch, dass die präklinische Fehleinschätzung bezüglich der Intensivpflicht eines Patienten durch Notärzte dazu geführt hätte, dass 50 % der Patienten unnötigerweise einen Intensivplatz belegt hätten.

Diese Erweiterung der notfallmedizinischen Kompetenz der Notaufnahmen kann zwar kontrovers diskutiert werden, da dies zu einer Erweiterung des Platzbedarfs einer Notaufnahme führt und die Personalressourcen nicht unerheblich aufgestockt werden müssen. Jedoch können die Intensivbetten für geplante chirurgische Eingriffe geschont oder die Intensivressourcen dadurch gesteigert werden. Im neuen Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses zur Neustrukturierung der stationären Notfallversorgung wird daher neben dem Anspruch, dass möglichst alle Notfälle über eine zentrale Notaufnahme aufgenommen werden, auch die Verfügbarkeit von Intensivbetten und die Belegung aus der zentralen Notaufnahme binnen 1 h für Krankenhäuser ab der erweiterten Notfallversorgung gefordert [29]. Durch die Erweiterung der intensivmedizinischen Kompetenz in Notaufnahmen würde diese Forderung sicherlich ergänzt und eingehalten werden können.

Zusammenfassend wird deutlich, dass es auch im Bereich der Versorgung kritisch kranker nichttraumatologischer Patienten sinnvoll ist, ein strukturiertes Vorgehen zentral an einem Ort im Schockraum der zentralen Notaufnahme mit Beteiligung aller notwendigen Fachexperten zu etablieren. Dabei darf es nicht darum gehen, bisher gut etablierte und bewährte Strukturen der spezifischen Notfallversorgung zu verändern. Ziel ist es, sie mit zu integrieren.

Organisatorische, infrastrukturelle und logistische Voraussetzungen

Alarmierung des Schockraumteams

Um eine zeitgerechte Diagnostik und Therapie des kritisch kranken Patienten zu ermöglichen, ist eine vorherige Benachrichtigung der betreffenden Klinik unerlässlich. Diese erfolgt traditionell per Telefon, Fax oder E‑Mail durch die Rettungsleitstelle oder den Rettungs- und Notarztdienst. In einigen Bundesländern stehen dazu digitale Systeme zur Verfügung, die es dem Rettungsdienst (inklusive Luftrettung) ermöglichen, aus dem Fahrzeug eine Verdachtsdiagnose, wichtige Informationen (z. B. den Infektionsstatus), die voraussichtliche Ankunftszeit und kritische Informationen digital zu übermitteln. Medizinische Prozesse können deutlich beeinflusst und beschleunigt werden, wie exemplarisch dargestellt werden konnte: zum einen von Ziegler et al. [40] in Bezug auf die Schlaganfallversorgung, zum anderen von Anantharaman et al. [1] für die gesamte Notfallversorgung in Singapur.

In der Klinik – oder auch automatisiert durch den Rettungsdienst (z. B. Rescue-Track®, NIDApad®, pulsationIT®) – kann ein geeignetes Team für die Aufnahme des Patienten über einen Telefongruppenruf alarmiert werden. Optimal ist die Informierung eines in der zentralen Notaufnahme tätigen „Notfallkoordinators“, der die aktuellen Ressourcen in der Klinik am besten überblickt und über die entsprechende Erfahrung verfügt. Im zu disponierenden Fall eines potenziell schwer verletzten Patienten muss das traumatologische Schockraumteam alarmiert werden, im Falle eines kritisch kranken Patienten ein noch zu etablierendes nichttraumatologisches Schockraumteam. Im Schockraumteam wird dann aufgrund der Voranmeldung entschieden, ob weitere Fachdisziplinen in Ergänzung und im sogenannten erweiterten Schockraumteam benötigt werden. Lokale Regelungen und Vereinbarungen können diesen Prozess unter Berücksichtigung der vorgehaltenen Strukturen aufgreifen und für eine sichere Patientenversorgung sorgen. Ziel ist es, den ankommenden Notfallpatienten zu Beginn der innerklinischen Versorgung optimal zu versorgen.

Die Indikationen für eine nichttraumatologische Schockraumversorgung wurden in der OBSERvE-Studie bereits herausgearbeitet (Abb. 1). Dort konnte gezeigt werden, dass nur 0,07 % aller Patienten, die nicht anhand der festgelegten Schockraumkriterien erkannt wurden, nachträglich den Weg in den Schockraum fanden [8]. Hier sollte bei der telefonischen Voranmeldung durch den Notarzt beim „Notfallkoordinator“ die endgültige Schockraumindikation durch den diensthabenden notfallmedizinischen Fach- bzw. Oberarzt der zentralen Notaufnahme gestellt werden. Bypasswege, die aufgrund spezifischer Erkrankungen und deren zeitnaher Behandlung notwendig sind (beispielsweise Reanimation und ST-Hebung), sind für die Präklinik verbindlich festzulegen [20]. Darüber hinaus sollte jeder in der zentralen Notaufnahme eintreffende Patient im Rahmen des Übergabegesprächs mit dem Rettungs- und Notarztdienst von einem notfallmedizinisch erfahrenen Fach- bzw. Oberarzt, zukünftig mit Zusatzweiterbildung „Klinische Akut- und Notfallmedizin“, gesichtet werden. Dadurch können Fehleinschätzungen des Patientenzustands direkt bei Ankunft des Patienten verringert werden.

Abb. 1
figure 1

Indikationen, Voraussetzungen und Beispielausstattung für einen Schockraum. AV III° Atrioventrikulärer Block dritten Grades, BGA Blutgasanalyse, EEG Elektroenzephalograph, OGI oberer Gastrointestinaltrakt, MRT Magnetresonanztomographie, POCT „point-of-care testing“, SpO2 pulsoxymetrische Sauerstoffsättigung, SR Schockraum, STEMI ST-Hebungs-Myokardinfarkt, ZVK zentraler Venenkatheter. (Nach [5])

Schockraumausstattung

Es hat sich bei der Versorgung von Polytraumen in vielen Schockräumen bewährt, die Räume und Schränke nach dem ABCDE-Schema (A: „airway“, B: „breathing“, C: „circulation“, D: „disability“, E: „environment“) einzurichten. So lässt sich benötigtes Material allein anhand des zum vermuteten Problem passenden Buchstaben auffinden (Abb. 1). Tab. 1 gibt eine beispielhafte Übersicht über das für eine Initialtherapie im Schockraum benötigte Equipment, das jederzeit im Schockraum verfügbar sein muss. Einer Differenzierung zwischen nichttraumatologischem und traumatologischem Schockraum-Equipment bedarf es nicht, da die Räumlichkeiten für jeden Patienten nutzbar sein müssen. Letztlich muss in jedem Schockraum für jede lebensbedrohliche Situation das mögliche Equipment vorhanden sein.

Tab. 1 Ausstattungsmerkmale für den Akutversorgungsbereich kritisch kranker Patienten in zentralen Notaufnahmen. (Modifiziert nach [5])

Personelle Voraussetzungen

Schockraumbasisteam

In eigenständigen Notaufnahmen gemäß dem Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses [29] hat sich herauskristallisiert, dass es sinnvoll ist, ein ärztliches Kernteam zu etablieren, um Konstanz in der Durchsetzung von Abläufen und Maßnahmen und eine kontinuierliche Überwachung der Prozesse zu erreichen. In der Regel besteht das Kernteam aus Oberärzten bzw. Fachärzten, die im Schichtdienst oder im Rufdienst rund um die Uhr tätig sind. Die Ärzte sollten über sehr gute Kenntnisse in Notfall- und Intensivmedizin verfügen. Diese Personengruppe bildet das Fundament für das Schockraumbasisteam im nichttraumatologischen Schockraummanagement. Bei der Akutversorgung ist zu Beginn der Schockraumphase ein zweiter Arzt erforderlich. Dies kann in Anlehnung an die Vorgaben des Weißbuchs Schwerverletztenversorgung auch ein Arzt in Weiterbildung sein.

Das Team der Pflegekräfte sollte am Anfang aus mindestens 2 Pflegekräften bestehen, die zukünftig auch über die Ausbildung zur Notfallpflege verfügen. Die erste Pflegekraft etabliert initial das Monitoring, um die Vitalparameter schnellstmöglich erfassen und dokumentieren zu können. Die zweite Pflegekraft nimmt unterdessen die Entkleidung vor (falls noch nicht erfolgt). Eine dritte Pflege- bzw. administrative Kraft steht optimalerweise für die initialen administrativen Aufgaben und die Dokumentation zur Verfügung. Im Verlauf wird sich eine Pflegekraft mehr um die Organisation und das Management kümmern, während sich die andere Pflegekraft weiterhin der Schockraumversorgung des Patienten widmet. Je nach Bedarf treten die Ärzte und Pflegekräfte nach der Initialphase und Stabilisierung des Patienten ihre Funktionen wieder ab und widmen sich anderen Aufgaben in der zentralen Notaufnahme. Der Zeitpunkt hierzu wird vom leitenden Schockraumarzt festgelegt.

Pflegekräfte sollten speziell für die Anforderungen im akut- und notfallmedizinischen Versorgungsbereich der zentralen Notaufnahme mit der Schockraumversorgung von traumatologischen und nichttraumatologisch kritisch kranken Patienten ausgebildet werden. Weiterhin sollten sie regelmäßig im Team mit den in der zentralen Notaufnahme eingesetzten Ärzten trainieren.

Erweitertes Schockraumteam

Bereits bei der Anmeldung des Patienten kann das Schockraumbasisteam um zusätzliche fachliche Expertise erweitert werden (Abb. 1).

Ablauforganisation und Schockraumversorgung

Übergabe

Noch vor Ankunft und Übergabe des Patienten sollte im Team festgelegt sein, wer die Teamleitung für die Versorgung übernimmt, in der Regel wird dies der Oberarzt bzw. Facharzt der Notaufnahme sein. Es ist nicht davon auszugehen, dass in jedem Einzelfall durch den Notarzt oder die Leitstelle geklärt werden kann, ob ein potenziell infektiöser Patient zugeführt wird. Prinzipiell sind immer ausreichende Eigenschutzmaßnahmen zu ergreifen, unter anderem das Tragen von Schutzhandschuhen, Schutzkittel sowie gegebenenfalls Mundschutz mit Sichtvisier.

Um eine adäquate Atmosphäre mit hoher Aufmerksamkeit zu erreichen, sollte bei einem stabilen Patienten die Übergabe vor der Umlagerung erfolgen. Die Weltgesundheitsorganisation nennt die Kommunikation bei der Patientenweiterleitung als Punkt 3 von 9 zur Erhöhung der Patientensicherheit (Tabelle S1 im Zusatzmaterial der Online-Version des Beitrags; [38]). Dieser wesentliche Punkt profitiert signifikant von einem standardisierten Übergabeprozess [32]. Ein mögliches umfassendes Übergabeprotokoll liegt mit der iSoBAR-Checklist vor (Tabelle S2 im Zusatzmaterial der Online-Version des Beitrags; [26]). Nur bei instabilen oder reanimationspflichtigen Patienten soll von dieser Regel abgewichen werden: In diesem Fall erfolgt die Übergabe nur an den Teamleiter, während das restliche Team die Versorgung des Patienten übernimmt.

Alternativ kann auch erst eine Übergabe an das gesamte Schockraumteam gemacht und dann erst der Patienten übernommen werden. Der Vorteil ist, dass das gesamte Schockraumteam auf einem identischen Informationsstand ist und bis dahin die Kontinuität der Behandlung durch das Rettungsdienstpersonal gewährleistet wird. Der Nachteil dieses Vorgehens ist, dass das durch die präklinische Versorgung bereits erschöpfte Rettungsdienstteam die Übergabezeit überbrücken muss. Erst wenn die Übergabe durch den Notarzt erfolgt ist, geht der Verantwortungsbereich für den Patienten auch auf die Notaufnahme über.

Auch bei der nichttraumatologischen Schockraumversorgung sollte das ABCDE-Schema genutzt werden

Von allen Beteiligten wird erwartet, dass sie sich an die üblichen Umgangsformen halten und einander mit Wertschätzung und Höflichkeit begegnen, unter anderem sollte man bei der Übergabe Ruhe bewahren, zuhören und den Fall nicht weitschweifend, sondern prägnant vorstellen. Fachliche und sachliche Kritikpunkte können im Nachgang besprochen werden. Eine kurze, strukturierte Zusammenfassung der wesentlichen Fakten durch den Teamleiter ist in der Schockraumversorgung etabliert und wird mit der iSoBAR-Checklist standardisiert durchgeführt. So lassen sich die wesentlichen Informationen für alle Beteiligten zusammenfassen und die Hauptprobleme, beispielsweise ein „B-Problem“, herausstellen. Als „Universalsprache der Notfallmedizin“ sollte auch bei der nichttraumatologischen Schockraumversorgung das ABCDE-Schema genutzt werden. Da dieses Schema präklinisch und in allen notfallmedizinischen Kursformaten – beispielsweise im Advanced Medical Life Support (AMLS), Advanced Cardiac Life Support (ACLS) und Advanced Trauma Life Support (ATLS) – etabliert ist und eine rasche Ersteinschätzung ermöglicht, sollten alle Teammitglieder damit vertraut sein.

Der Alltag zeigt, dass nicht alle Schockraumpatienten vom Notarzt in die zentrale Notaufnahme verbracht werden. Sowohl Selbsteinweiser als auch vom Hausarzt oder Rettungsdienst zugewiesene Patienten können eine Schockraumindikation aufweisen. Dem gegenüber steht auch, dass nicht alle Notarztzuweisungen eine Schockraumindikation implizieren. Der Triage durch die Notfallpflege kommt deshalb eine entscheidende Bedeutung zu. Diese sollte in enger Absprache mit dem zuständigen Notfallmediziner erfolgen. Patienten, die der ersten bzw. höchsten Triagekategorie zugeordnet werden, bedürfen immer der Versorgung in einem Schockraum. Im Falle der Zuteilung zur zweithöchsten Stufe sollte die Zuweisung in den Schockraum durch einen Teamentscheid zwischen Notaufnahmearzt und Triagekraft erfolgen.

Erstuntersuchung und Diagnostik („primary survey“)

Die Erstuntersuchung ist in Abb. 2 zusammengefasst. Der Ersteindruck des Patienten im Rahmen des sogenannten „primary survey“ ist eine essenzielle Information in der Notfallmedizin. In einer prospektiven Studie konnte nachgewiesen werden, dass allein das erste Erscheinungsbild einen Eindruck geben kann, ob ein Patient „krank/kritisch“ oder „nicht kritisch“ ist [2]. Außer der visuellen Beobachtung sind auch die olfaktorischen und akustischen Eindrücke eine wertvolle Hilfe.

Abb. 2
figure 2

„Primary survey“ im nichttraumatologischen Schockraum. EKG Elektrokardiogramm, etCO2 endexspiratorisches Kohlendioxid, GCS Glasgow Coma Scale, HWS Halswirbelsäule, NA Notarzt, POCUS Point-of-care-Ultraschalluntersuchung, RD Rettungsdienst, SpO2 pulsoxymetrische Sauerstoffsättigung, SR Schockraum

Die Initialuntersuchung im Schockraum wird standardisiert nach dem Notfall-ABCDE durchgeführt (Abb. 2); alle Probleme, die dem Patienten schaden könnten, werden behoben („treat first, what kills first“). Dabei werden folgende Elemente zur Prüfung der Vitalfunktionen evaluiert:

  • Atemfrequenz

  • Pulsoxymetrische Sauerstoffsättigung (SpO2)

  • Bei allen beatmeten Patienten: endexspiratorisches Kohlendioxid

  • Herzfrequenz

  • Blutdruck systolisch/diastolisch

  • Glasgow Coma Scale

  • Blutgasanalyse (Oxymetrie, CO, Elektrolyte, Blutzucker, Laktat, Hämoglobin)

  • Tympanale Temperatur

Die Point-of-care-Ultraschalluntersuchung (POCUS) stellt bereits im „primary survey“ eine spezifische Therapieentscheidung sicher, beispielsweise zur Thoraxdekompression, Thoraxdrainage, Perikardiozentese oder Einleitung einer Lyse bei akuter Rechtsherzbelastung. Im „secondary survey“ kann dann eine erweiterte sonographische Untersuchung nach unten genannten Protokollen durchgeführt werden.

Weitere klinische Versorgung („secondary survey“)

Einen Überblick über die weitere klinische Versorgung gibt Abb. 3. Nach der Ersteinschätzung und Stabilisierung erfolgt im sogenannten „secondary survey“ die weitere Versorgung des Patienten abhängig von der führenden Symptomatik. Im Rahmen des „secondary survey“ muss auch eine komplette, ausführlichere körperliche Untersuchung (analog zum traumatologischen „Bodycheck“, „von Kopf bis Fuß“) durchgeführt werden, um alle Störungen und Auffälligkeiten wie Verletzungszeichen, Fremdmaterialien, mögliche Infektfoci und Effloreszenzen zu erkennen. Auch bei einer vermeintlich nichttraumatologischen Notfallsituation dürfen (sekundäre) Verletzungen, etwa nach Sturzereignis, keinesfalls übersehen werden.

Abb. 3
figure 3

„Secondary survey“ im nichttraumatologischen Schockraum. aBGA Arterielle Blutgasanalyse, ACCD „automated chest compression device“, BB Blutbild, BE „base excess“, BGA Blutgasanalyse, CPU Chest Pain Unit, CRP C‑reaktives Protein, CT Computertomographie, DK Dauerkatheter, ECLS „extracorporeal life support“, EEG Elektroenzephalograph, EK Erythrozytenkonzentrat, HZV Herzzeitvolumen, IMC „intermediate care“, MRT Magnetresonanztomographie, OPQRST „onset, provocation, quality, radiation, severity, time“, PCT Prokalzitonin, POCT „point-of-care testing“, TSH thyreoideastimulierendes Hormon, WS Wirbelsäule, ZVK zentraler Venenkatheter

Die Anamnese kann orientierend nach dem SAMPLER-Schema durchgeführt werden, das unter anderem die Vormedikation, Allergien und die Nüchternheit erfasst (Tab. 2). Das Leitsymptom, beispielsweise Dyspnoe oder abdomineller Schmerz, kann nach dem OPQRST-Schema systematisch erfasst werden, beispielsweise anhand des Einsetzens und der Dauer der Symptomatik oder einer möglichen Schmerzausstrahlung (Tab. 2). Diese Akronyme haben sich in der präklinischen wie klinischen Notfallmedizin etabliert, daher bieten sie als Leitfaden auch in der nichttraumatologischen Schockraumversorgung eine bekannte Struktur.

Tab. 2 Akronyme in der Notfallmedizin

Die Besonderheiten spezieller Patientengruppen, etwa alter Menschen, adipöser Patienten, Schwangerer oder Kinder, bedürfen einer ergänzenden Berücksichtigung und Würdigung. Der Palliativsituation kommt in diesem Zusammenhang eine besondere Bedeutung zu. In der Notfallsituation befinden sich alle Beteiligten in einer enormen Belastungssituation: Vor einem liegt ein in der Regel unbekannter Patient, dessen Kranken- und Lebensgeschichte häufig nicht nachvollziehbar ist. Zum einen steht in der akuten Situation primär das Überleben des Patienten im Vordergrund, zum anderen muss in dieser Situation akut geklärt werden, ob das Überleben im Sinne des Patienten gewünscht ist oder nicht. Dies stellt die Beteiligten vor eine große Herausforderung, da in der Notfallsituation nur selten alle Informationen zeitnah zur Verfügung stehen. Zum einen will der Notfallmediziner keine Therapie beginnen, wenn diese nicht im Sinne des Patienten ist, zum anderen möchte er keine Therapie weiterführen, die ein unnötiges Verlängern einer palliativen Situation darstellt.

Laboruntersuchungen

Die Laboruntersuchung gehört zusammen mit der Notfallsonographie, den radiologischen Untersuchungsmethoden und dem 12-Kanal-Elektrokardiogramm (EKG) zu den wichtigsten diagnostischen Maßnahmen in der Akutversorgung kritisch kranker Patienten im Schockraum. Je früher ein Labor bestimmt wird, umso schneller sind weitere Entscheidungskriterien für die Beurteilung des Patienten vorhanden.

Ein toxikologisches Screening ist unerlässlich

Typische Laborprofile, etwa in Bezug auf Polytrauma, Schlaganfall, Brustschmerz, Reanimation, akutes Abdomen oder Sepsis, können im Vorhinein mit den Fachabteilungen abgestimmt und hinterlegt werden. Unter Berücksichtigung der vorliegenden Notfallsituation, der Anamnese und der vermuteten Krankheitsgenese können dann diese Profile individuell erweitert werden.

Standardisierte Absprachen mit dem Labor stellen sicher, dass zeitkritische Laborparameter wie hochsensitives Troponin, D‑Dimere, die International Normalized Ratio (INR) oder die aktivierte partielle Thromboplastinzeit mit einer „turn-around time“ (TAT) von weniger als 20 min bearbeitet werden und dass andere Notfallprofile mit einer TAT von weniger als 35 min erstellt werden. Der Einsatz des „point-of-care testing“ (POCT) zur Erzielung dieser TAT ist möglich und im Falle einer Blutgasanalyse (BGA) oder einer INR-Bestimmung vor einer Lyse bei Schlaganfall indiziert.

Das Blut sollte zu Beginn des „secondary survey“ abgenommen werden, um den Zeitverlust durch die Bestimmung zu minimieren. Eine venöse, kapilläre oder arterielle BGA ist häufig sinnvoll, gegebenenfalls wird je nach Symptomen bereits eine weitere POCT-Laboranalyse vorgenommen und Kreuzblut mit abgenommen. Bei Fieber oder einem vom Rettungsdienst beschriebenen Verdacht auf einen Infekt sollten frühzeitig – vor der Antibiotikagabe – Blutkulturen und gegebenenfalls Urinstatus und -kultur abgenommen werden. Ein einfaches Blutbild ist in der Regel ausreichend, bei hämatologischen Erkrankungen oder allergischen Krankheitsbildern wie Asthma kann ein Differenzialblutbild erforderlich sein.

Troponin sollte bei Reanimationen, kreislaufinstabilen oder dyspnoischen Patienten sowie bei sonstiger (zumindest vermuteter) kardialer Genese immer bestimmt werden [25]. Ebenfalls relevant bei kreislaufinstabilen Patienten sind die D‑Dimere, die unspezifische Laborwerte sind, deren Anstieg aber auf eine Lungenembolie oder Aortendissektion hinweisen kann. Das natriuretische Peptid vom B‑Typ (BNP) bzw. das Prohormon von BNP kann zur Differenzierung einer Dyspnoe herangezogen werden, Laktat als Marker eines Sauerstoffmangels im Gewebe. Bei komatösen Patienten sollte neben den bereits erwähnten Parametern der Ethanolspiegel bestimmt werden. Da 6 % der Notfallpatienten aufgrund medikamentöser Arzneimittelnebenwirkungen aufgenommen werden, ist ein toxikologisches Screening unerlässlich [35].

Bei septischen Patienten oder bei Patienten mit COPD und Infektionsverdacht sollte Prokalzitonin (PCT) bestimmt werden. PCT gibt keinen Aufschluss über den Schweregrad der Erkrankung, kann aber als früher Verlaufsparameter zur Kontrolle des Anschlagens der antibiotischen Therapie dienen. Auch können Screeninguntersuchungen auf multiresistente Keime (beispielsweise 4‑fach multiresistente gramnegative Erreger, vancomycinresistente Enterokokken und methicillinresistenter Staphylococcus aureus) je nach lokalen Konzepten und Patientenzustand bereits während der Schockraumversorgung initiiert werden.

Die Interpretation der Laborergebnisse ist immer im Zusammenhang mit allen erhobenen Befunden, beispielsweise mit der klinischen Untersuchung, Sonographie, Computertomographie (CT) und Bestimmung von Scores, zu sehen, da auch im Labor falsch-positive oder -negative Ergebnisse vorliegen können. Nichtsdestotrotz erscheint es sinnvoll, primär ein breites Spektrum von Laborparametern anzufordern, um eine Zeitverzögerung durch nacheinander bestimmte Laborwerte zu verhindern.

Point-of-care-Labordiagnostik

Für zeitkritische Erkrankungen werden im Schockraum Blutgasanalysen ad hoc bereits im „primary survey“ in Form einer POCT-Diagnostik durchgeführt (Tab. 3). Aufgrund der schnellen Verfügbarkeit und der leichten Handhabung ist eine Notaufnahme ohne BGA-Gerät heutzutage undenkbar. Moderne Geräte bestimmen in kürzester Zeit Blutgase, CO-Hämoglobin, Elektrolyte, Hämoglobin, Laktat, Kreatinin und Blutzucker und geben damit einen ersten orientierenden Überblick zum Patientenzustand. Diese Parameter geben Aufschluss über den Säure-Basen-Haushalt des Patienten und können bei reanimationspflichtigen Patienten binnen kürzester Zeit einige der reversiblen Ursachen des Kreislaufstillstands ausschließen.

Tab. 3 Beispiele für POCT- oder dringliche Parameter (<1 h) im Labor. (Nach [24])

Während für die Diagnostik des Säure-Basen-Haushalts eine venöse Blutgasanalyse ausreichend ist, kommt beim kreislaufinstabilen oder dyspnoischen Patienten der Information über Oxygenierung und Ventilation eine größere Rolle zu. Hierzu ist eine arterielle BGA notwendig.

Weitere als POCT verfügbare Parameter sind Troponin, Kreatinin sowie die INR. Für Troponin verlangt die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie eine Verfügbarkeit binnen einer Stunde und favorisiert ganz klar das hochsensitive Troponin als Kriterium in einer Chest Pain Unit [16], wenn dieses vom Zentrallabor des Krankenhauses bestimmt werden kann. In kleineren Krankenhäusern ist häufig nur eine POCT-Diagnostik möglich, die als Trigger für eine Verlegung in ein höherwertiges Versorgungszentrum genutzt werden kann. Die Bestimmung der INR ist entscheidend bei Patienten mit Antikoagulanzien oder solchen, die eine Lyseindikation bei Schlaganfall haben. Tab. 4 gibt einen Überblick über weitere Laborparameter, die bei der Behandlung kritisch Kranker wichtig sind, aber mit einer aufgeschobenen Dringlichkeit bestimmt werden können.

Tab. 4 Beispiele von Laborparametern mit aufgeschobener Dringlichkeit (<4 h). (Nach [24])

12-Kanal-EKG/Monitoring

Es erfolgt das etablierte Standardmonitoring mit EKG, Blutdruckmessung und Bestimmung der peripheren Sauerstoffsättigung. Eine Sauerstoffgabe ist für Patienten mit Hypoxämie (SpO2 <90 % oder paO2 von 60 mm Hg) indiziert. Eine routinemäßige Sauerstoffgabe bei SpO2 >90 % ist nicht indiziert. Im Schockraum ist ergänzend die umgehende Dokumentation und Befundung des 12-Kanal-EKGs eines der wichtigsten diagnostischen Instrumente im „primary survey“. Daher gelten folgende Anforderungen [16]:

  • 12-Kanal-EKG-Befundung so schnell wie möglich durch einen notfallmedizinisch erfahrenen Arzt

  • Gemessen am Zeitpunkt des ersten medizinischen Kontakts muss ein 12-Kanal-EKG bei Brustschmerzen oder deren Äquivalenten binnen 10 min angefertigt werden

  • Bei Senkungen über der Vorderwand und Verdacht auf einen posterolateralen oder inferioren Infarkt: zusätzlich die erweiterten EKG-Ableitungen (V7–V9) und V3r und V4r innerhalb von 10 min dokumentieren und befunden

Für die Behandlungsabläufe gibt es strikte leitliniengerechte Zielzeiten, die im Rahmen der Qualitätssicherung bei einzelnen Erkrankungen überprüft werden müssen.

Notfallsonographie

Eine zentrale Rolle in der primären nichttraumatologischen Schockraumversorgung spielt die Notfallsonographie. In der traumatologischen Schockraumversorgung ist ein Teilbereich der Notfallsonographie, die sogenannte fokussierte Abdomensonographie bei Trauma (FAST), seit Jahren etabliert, um schnell freie Flüssigkeit zu detektieren. Zunehmend wird die FAST auch in der Präklinik mit mobilen Ultraschallgeräten angewendet [19, 33]. In den letzten Jahren hat sich in der klinischen Akutmedizin die fokussierte Notfallsonographie durchgesetzt (beispielsweise Point-of-care-Ultraschalluntersuchung [POCUS]), die mit ihren verschiedenen Untersuchungsprotokollen weit über die einfache FAST-Anwendung hinausgeht, so etwa mit „rapid ultrasound in shock and hypotension“ (RUSH), dem Bedside-lung-ultrasound-in-emergency(BLUE)-Protokoll oder dem Algorithmus der fokussierten echokardiographischen Evaluation bei „life support“ (FEEL). Aufgrund der schnellen Verfügbarkeit und hohen Aussagekraft hat sie in der Akutversorgung eine hohe Bedeutung. Sie ersetzt aber keinesfalls die umfassende fachspezifische und organselektive Ultraschalluntersuchung im weiteren stationären Behandlungsverlauf. POCUS ergänzt die FAST-Untersuchung durch die Suche nach potenziellen akuten und lebensbedrohlichen Erkrankungen. Sie wird unterteilt in [10, 23]

  • die fokussierte Thoraxsonographie,

  • die fokussierte Echokardiographie,

  • die fokussierte Abdomensonographie und

  • die fokussierte Gefäßsonographie.

Diagnostische Schritte können durch die fokussierte Ultraschalluntersuchung reduziert und damit eine Verkürzung der Zeit bis zur Diagnosefindung erreicht werden [9, 37]. Dabei wird je nach Symptomatik gezielt nach spezifischen Organstörungen gesucht (Abb. 4).

Abb. 4
figure 4

Point-of-care-Ultraschall (POCUS) in der Notaufnahme. AAA Abdominales Aortenaneurysma, AoK Aortenklappe, B×T×L, Breite × Höhe × Tiefe, ChE Cholezystektomie, DHC Ductus hepatocholedochus, E-FAST erweiterte fokussierte Abdomensonographie bei Trauma, EMD elektromechanische Dissoziation, FAST fokussierte Abdomensonographie bei Trauma, FEEL fokussierte echokardiographische Evaluation bei „life support“, FOCUS fokussierter kardialer Ultraschall, GB Gallenblase, li links, LVEF linksventrikuläre Ejektionsfraktion, MK Mitralklappe, PTX Pneumothorax, re rechts, SAX „short axis“ (kurze Achse), TK Trikuspidalklappe, TVT tiefe Venenthrombose

Röntgenuntersuchung

Die konventionelle Röntgendiagnostik ist bei kritisch kranken Patienten mit Einschränkungen zu verwerten. Außer der Röntgenuntersuchung des Thorax gibt es keine Indikation für eine konventionelle Röntgenaufnahme. Aber selbst die konventionelle Röntgenaufnahme des Thorax ist in der Regel beim kritisch Kranken nur im Liegen möglich und somit nur eingeschränkt zu bewerten. Die Röntgenaufnahme des Thorax kann Hinweise auf die Ursachen einer respiratorischen (beispielsweise Pneumonie, Atelektase, Pneumothorax, Erguss) oder kardialen Störung (beispielsweise Stauung) geben.

Computertomographie

Eine Mehrschichtspiral-CT (MSCT) sollte im Anschluss an die Ersteinschätzung und Stabilisierung des Notfallpatienten sofort zur Verfügung stehen. Das Team der Radiologie sollte, analog zum traumatologischen Schockraumablauf, mit Alarmierung des Schockraums vorinformiert sein und eine entsprechende Notfalldiagnostik einplanen, um Verzögerungen zu vermeiden. Insbesondere bei vitaler Indikation, etwa bei Verdacht auf eine intrakranielle Läsion oder Aortendissektion, ist eine unmittelbare radiologische Diagnostik für die weitere Therapie essenziell. Sie kann gegebenenfalls auch als Erstdiagnostik vor Maßnahmen zur weiteren operativen oder interventionellen Stabilisierung des Patienten, analog zum Focused-assessment-with-computed-tomography-in-trauma(FACTT)-Konzept in der Traumaversorgung, eingesetzt werden [15, 17]. Bezüglich der Diagnosefindung bei abdominellen Notfällen erlaubt die CT eine Bildgebung des Abdomens in extrem kurzer Zeit bei schwer kranken Patienten. Durch die multiplanare Rekonstruktion der erhaltenen Rohdatensätze können zusätzliche Befunde anschaulich visualisiert werden.

Die Weiterentwicklung der MSCT, beispielsweise mit der EKG-Synchronisation, ermöglicht differenzierte Untersuchungsprotokolle zur Abklärung unklarer thorakaler Schmerzereignisse. Gegenüber einer herkömmlichen CT des Thorax ist die Strahlenexposition protokollabhängig höher und erfordert deshalb eine strenge Indikationsstellung. Die häufigsten Fragestellungen, die isoliert die Lungengefäße, den Aortenbogen bzw. die Aorta descendens betreffen, sind bereits mit einem Standard-CT-Datensatz zu beantworten, hingegen sind die Abklärung von Erkrankungen der Aorta ascendens und der Ausschluss einer koronaren Herzkrankheit nur durch eine Submillimeterkollimation mit EKG-Synchronisation möglich [39]. Aufgrund der hohen räumlichen Auflösung nimmt die MSCT inzwischen auch eine herausragende Stellung in der Akutdiagnostik vaskulärer Notfälle ein. Bei Neuanschaffung von Computertomographen zur Schockraumdiagnostik ist darauf zu achten, dass die „gantry“ in ihrem Radius so groß bemessen ist, dass ein FACTT möglich ist.

Magnetresonanztomographie

Da die Magnetresonanztomographie (MRT) nur eingeschränkt verfügbar ist und es einer erhöhten Patientencompliance bedarf, ist dieses Verfahren in der Notfalldiagnostik prinzipiell nachrangig zur CT einzuordnen. Es gibt bei kritisch Kranken aber klare Indikationen für eine Notfall-MRT. So ist bei nicht traumatisch assoziierten Querschnittssyndromen sowie bei unklaren klinischen Bildern zum Nachweis einer zerebralen Ischämie eine MRT indiziert. Bei pädiatrischen Notfällen oder Patientinnen im gebärfähigen Alter besteht aus Gründen des Strahlenschutzes eine relative Indikation, ebenso bei speziellen Fragestellungen in der Weichteildiagnostik [14]. Ein MRT-taugliches Monitoring- und Beatmungsgerät sollte daher Ausstattungsmerkmal eines konservativen Schockraums sein, sofern eine MRT im Hause vorhanden ist.

Kommunikation, Training und Qualitätsmanagement

Ausbildung und Training.

Einige Kurskonzepte greifen die Standardisierung von nichttraumatologischen Notfallpatienten mittlerweile auf:

  • Advanced Medical Life Support (AMLS)

  • Advanced Cardiac Life Support (ACLS)

  • Emergency Neurological Life Support (ENLS)

Diese Kurskonzepte sind aber ein Bestandteil der Untersuchung und nicht zielgerichtet auf die diagnostischen Abläufe in einem Schockraum zur Diagnosefindung abgestimmt. Damit umfassen sie immer nur einen Teilbereich des nichttraumatologischen Schockraummanagements. Im Jahr 2014 wurde eine Standardisierung im nichttraumatologischen Schockraum erstmals eingefordert und beschrieben [5, 6].

Festgelegte Aufgaben, die Etablierung einer Teamleitung und eine klare, strukturierte Kommunikation sind wesentliche Grundlagen einer effektiven Schockraumversorgung. Die Crisis-Resource-Management(CRM)-Kriterien sind in der Notfallmedizin grundsätzlich etabliert und sollten von allen Teammitgliedern angewandt werden [27, 28]. Dies ist auch ein wesentlicher Faktor zur Erhöhung der Patientensicherheit. Regelmäßige Zusammenfassungen der jeweils aktuellen Problematik und der geplanten Schritte in Diagnostik und Therapie kann der Teamleiter strukturiert im Sinne eines 10 s-for-10 min-Team-Time-Out darstellen.

Reanimations- und traumatologische Schockraumtrainings sind etabliert, um

  • Mitarbeiter mit der Notfallversorgung vertraut zu machen,

  • die Übung praktischer Fertigkeiten in einen realistischen Ablauf einzubetten,

  • Schwächen und Fehler zu detektieren und

  • dadurch letztlich auch die Patientensicherheit zu erhöhen.

Entsprechend sollte auch die nichttraumatologische Schockraumversorgung regelmäßig trainiert werden. Hierbei sollten nicht nur praktische Tätigkeiten, sondern vor allem der Gesamtablauf (nach dem ABCDE-Schema) und die Teamkommunikation trainiert werden. Gerade die Entscheidung für und wider eine CT vs. eine Koronarangiographie sollte beispielsweise beim Patienten nach Reanimationsereignissen konstruktiv im interdisziplinären Team diskutiert und trainiert werden.

Im Rahmen des Qualitätsmanagements sind in der täglichen Praxis Debriefings üblich, um Optimierungspotenzial und Schulungsbedarf zu erkennen, Mitarbeitern ein Feedback zu ermöglichen und auch belastende Situationen aufzuarbeiten.

Da Notaufnahmen im interdisziplinären Kontext den Eintrittspunkt für viele zeitkritische Erkrankungen darstellen, spielen sie im Rahmen der Qualitätssicherung eine bedeutende Rolle. Im Eckpunktepapier der Notfallversorgung sind für die wichtigsten zeitkritischen Erkrankungen Prozesszeiten definiert, die im Rahmen des Qualitätsmanagements bestimmt und kontrolliert werden sollten (Tabelle S3 im Zusatzmaterial der Online-Version des Beitrags).

Ausblick

Eine der wesentlichen Herausforderungen in den kommenden Jahren wird die gemeinsame Entwicklung des nichttraumatologischen Schockraummanagements unter Einschluss aller an der Notfallversorgung beteiligten Fachdisziplinen sein. Um Kontinuität und Routine in der Versorgung kritisch Kranker zur gewährleisten und um der Komplexität der häufig multipel erkrankten Patienten gerecht zu werden, bedarf es eines in der Notfall- und Intensivmedizin geschulten festen Teams in der zentralen Notaufnahme mit klaren Festlegungen im Diagnostik- und Behandlungsablauf. Hierbei geht es vor allem darum, eine gemeinsame Sprache zu sprechen, eine optimale Aufgabenverteilung zu realisieren und interdisziplinär eine Versorgungsstruktur für diese kritisch kranken Patienten in zentralen Notaufnahmen zu schaffen.

Fazit für die Praxis

  • Die Stabilisierung und Aufrechterhaltung der Vitalfunktionen eines kritisch kranken Patienten unterscheidet sich nicht von der eines traumatologischen Patienten.

  • Da die Ursachen der lebensbedrohlichen Situation häufig unbekannt sind, sind klare diagnostische Pfade notwendig, um möglichst schnell eine Diagnose sichern und die notwendige Initialtherapie einleiten zu können.

  • Aufgrund der Komplexität der häufig multipel erkrankten Patienten bedarf es eines notfall- und intensivmedizinisch geschulten Notaufnahmeteams mit klaren Festlegungen im Diagnostik- und Behandlungsablauf.

  • Um Kontinuität und Routine in der Versorgung kritisch Kranker zur gewährleisten und weil die Intensivressourcen häufig knapp sind, sollte das Notaufnahmeteam in der Lage sein, eine erweiterte Intensivtherapie durchzuführen.

  • Umfangreiche Kenntnisse in der Notfallsonographie erleichtern die schnelle Diagnose von Erkrankungen, deshalb muss die Ausbildung in der Notfallsonographie weiter ausgebaut werden.

  • Um weitere Rückschlüsse auf die Versorgung kritisch Kranker zu erlangen, ist die Etablierung eines Registers analog zum TraumaRegister DGU® notwendig.

  • Ein standardisiertes Training bzw. ein Kurs zum nichttraumatologischen Schockraummanagement, der in den Anforderungen über die bisher etablierten Kurssysteme hinausgeht, muss entwickelt und eingeführt werden.