Simulationsbasiertes Lernen (SBL) ist eine wichtige Methode der medizinischen Aus-, Fort- und Weiterbildung. In den für die Patientensicherheit besonderes wichtigen Bereichen Human Factors und der Sicherheitskultur kann diese Lernmethode erfolgreich zum Einsatz kommen.

Die Simulation in der Medizin hat in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen und ist in der Notfallmedizin neben einigen anderen medizinischen Bereichen (Anästhesiologie, minimal-invasive OP-Techniken u. a.) als Ausbildungs- und Schulungsinstrument allgemein und im Speziellen als Instrument des Patientensicherheitsmanagements anerkannt und akzeptiert [1, 2, 3, 4, 5]. Gründe dafür sind einerseits die technischen Weiterentwicklungen der Simulatoren sowie die Erkenntnis, dass sich mit Hilfe von Simulationstrainings neben den klassischen Ausbildungsinhalten die sog. „Human Factors“ und die „Soft Skills“ in einem sog. „Crew Resource Management“ trainieren lassen [6].

Zirka 70–80 % aller Fehler lassen sich dem Bereich „Human Factors“ zuordnen

Dies ist von besonderer Bedeutung, da sich in der Medizin wie in anderen Hochsicherheitsbereichen ca. 70–80 % aller Fehler dem Bereich „Human Factors“ zuordnen lassen, von denen wiederum ca. 80 % nachweislich potenziell vermeidbar wären und mit dem Crew Resource Management (CRM) zudem taugliche Trainingsinstrumente zur Verfügung stünden [7].

Die medizinische Simulation hat in zahlreichen Ländern bereits strukturiert in die Aus-, Fort- und Weiterbildung und z. T. auch im Rahmen der Rezertifizierung Eingang gefunden [8]. Dagegen hängt der Einsatz von Simulatoren im deutschsprachigen Raum (D-A-CH) trotz stetig steigender Zahl sog. Simulationszentren nach wie vor primär von individuellen Initiativen – seitens der Ausbilder wie auch der Teilnehmenden – ab. Auch bemerkenswerte Ausnahmen wie das Stimulationsprojekt der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin e. V. (DGAI), in dessen Rahmen 2003 alle deutschen anästhesiologischen Lehrstühle mit einem Simulator ausgestattet wurden, haben bislang nicht zu einer strukturierten und flächendeckenden Simulationsausbildung in der Anästhesiologie geführt. Die Simulation wird in D-A-CH aktuell v. a. als „add on“ bzw. „nice to have“ angesehen. Dies ist umso erstaunlicher, da die Simulation in anderen Hochrisikobereichen („High Reliability Organization“ wie Kernkraftwerke, Luftfahrtunternehmen) seit Jahren ein integrales und unbestrittenes Bildungswerkzeug ist und niemand mehr ernsthaft auf die Idee käme, auf die Simulation zu verzichten. Für die Medizin soll in diesem Beitrag die Frage nach den konzeptionellen und organisationalen Möglichkeiten und Grenzen simulationsbasierten Lernens geklärt werden.

Konzeptionelle Möglichkeiten und Grenzen

Unabhängig von den oben erwähnten Defiziten, was die curriculare Integration von Simulationen betrifft, erfreuen sich diese in der medizinischen Aus-, Weiter- und Fortbildung zunehmend großer Akzeptanz. Angesichts der gerade mit Lernen in High-Fidelity-Simulationen (HFS) verbundenen nicht unerheblichen Kosten und Aufwendungen stellt sich natürlich die Frage, „warum“ ein solch aufwendiges Lernformat gewählt werden soll, „wie“ Lernen in Simulationen stattfindet und natürlich, „welchen Erfolg“ diese Form der medizinischen Aus-, Weiter- und Fortbildung erzielt. Im folgenden Abschnitt werden diese Fragen beantwortet, indem auf die lerntheoretischen Konzepte eingegangen, die Prozesse und Ergebnisse von simulationsbasiertem Lernen erklärt und Studien vorgestellt sowie die Chancen und Limitationen des Lernens in Simulationen beleuchtet werden.

„Warum“ simulationsbasiertes Lernen?

Simulationsbasiertes Lernen (SBL) ist eine erfahrungsorientierte Lernform, in der Ausschnitte medizinischer Aufgabenstellungen je nach Art der Simulation mehr oder weniger realistisch angeboten werden, die von den Lernenden alleine oder in Teams zu bearbeiten sind.

Der unterschiedliche Grad an Realitätsnähe einer Simulation schlägt sich in deren Bezeichnung nieder. Unter sog. „Low-Fidelity-Simulationen“ (LFS) versteht man Lernszenarios mit konkretem Problembezug (Abb. 1), die auf Fallbeschreibungen, z. B. in Form einfacher „Skill Trainings“ wie die Intubation in einem „Skill Lab“, aufbauen und von den Lernenden bearbeitet werden sollen. „High-Fidelity-Simulationen“ (HFS) sind hingegen komplexe Szenarien mit hoher Authentizität, bei denen Ausschnitte medizinischer Realität in authentischen Lernsituationen entweder mit Hilfe von Artefakten (Simulationspuppen, virtuelle Realität) oder Personen (sog. standardisierte Patienten) in speziell dafür eingerichteten Räumen (z. B. Simulations-OP) abgebildet werden (Abb. 2).

Abb. 1
figure 1

Mit Low-Fidelity-Simulatoren (LFS) können kostengünstige und effektive „Skill Trainings“ absolviert werden

Abb. 2
figure 2

Mit High-Fidelity-Simulatoren (HFS) können komplexe Szenarien mit hoher Authentität im Team trainiert werden

Vergleichbar den Situationen aus dem medizinischen Alltag sind zur Problemlösung sowohl kognitive, affektive, psychomotorische als auch soziale Fähigkeiten die Voraussetzung für erfolgreiches Handeln. Durch die Kontrollierbarkeit der Lernsituation – d. h. die Möglichkeit, den dynamischen Verlauf medizinischer Problemsituationen computergestützt zu steuern und die in der Simulation stattfindenden medizinischen Interventionen und teambezogenen Interaktionen aufzuzeichnen – können diese Fähigkeitsaspekte differenziert adressiert und weiterentwickelt werden [9]. Simulationsbasierte Lehr-Lern-Szenarien ermöglichen es, Lernprozesse gezielt zu initiieren, zu begleiten und zu dokumentieren [10].

Lernen in simulationsbasierten Lernszenarien scheint also die Methode der Wahl zu sein, handlungsnahes, problemlösendes Wissen zu erwerben und systematisch die Kompetenzen der Teilnehmer zu erweitern.

In der Anästhesie findet sich hohe Akzeptanz für simulationsbasiertes Lernen

Zumindest für die Anästhesie findet sich Evidenz für eine hohe Akzeptanz simulationsbasierten Lernens [11]. Bei anderen medizinischen Fächern hingegen werden häufig traditionelle Lernformen präferiert [12]. Warum diese Unterschiede? Eine mögliche Erklärung kann darin liegen, dass sich die adressierten Lernziele von HFS von jenen der traditionellen Lernformate unterscheiden. Letztere fokussieren eindeutig auf die fachmedizinischen Aspekte, während in HFS, beispielsweise Simulations-OPs, auch sog. überfachliche Qualifikationen wie Interaktion und Kommunikation thematisiert werden können. Und genau diese Themenfelder sind es, die von der Anästhesie als relevant und von anderen Disziplinen, beispielsweise der Chirurgie, als eher weniger relevant angesehen werden [13].

Die Frage nach dem „Warum“ simulationsbasierten Lernens kann also zunächst mit der erweiterten Reichweite und der Breite adressierbarer Lerninhalte begründet werden. Mit Reichweite ist hier v. a. gemeint, welche Aspekte klinischer Kompetenz durch eine Bildungsmaßnahme thematisiert werden können. Traditionelle rezeptionsfokussierte Lernformate (z. B. Vorträge) sind erfolgreich in der Vermittlung von deklarativem Wissen. Das deutlich aufwendigere Lernformat SBL ist gerade in Bezug auf diese spezifische Wissensvermittlung aber nicht notwendigerweise erfolgreicher als die traditionellen Formate [12]. Sind überfachliche Inhalte von Interesse, wie Kommunikation oder Zusammenarbeit im Team, also typische CRM-Themen, verlieren die traditionellen, primär auf Wissensvermittlung ausgerichteten Lernformate in dem Maße an Plausibilität, wie die handlungsorientierten und teambezogenen Lernformate – hier insbesondere das SBL – diese dazu gewinnen. Wenn die Weiterentwicklung strategischer Fähigkeiten bzw. sog „Soft Skills“, etwa das Setzen von Prioritäten, antizipatorisches Planen oder auch die Organisation interprofessioneller Zusammenarbeit zu den Aufgabenstellungen des Trainings gehören (CRM-Trainings), sind High-Fidelity-Full-Scale-Simulationen (s. unten) die geeigneten Verfahren [14, 15].

„Wie“ wird in simulationsbasierten Lernszenarien gelernt?

Es gibt keine einheitliche „theory of simulation based learning“. Wie Breckwoldt et al. [10] in ihrem informativen Übersichtsartikel zum Thema „Simulation Learning“ ausführen, sind es vielmehr eine Reihe von instruktionalen bzw. pädagogisch-psychologischen Theorien und Modellen, die das Lernen in und mit simulationsbasierten Lernformaten beschreiben.

Das Training in einer High-Fidelity-Full-Scale-Simulation, also beispielsweise dem Lernen in einem Simulationsrettungswagen, in dem eine Simulationspuppe in einem „echten“ Rettungswagen von einem „echten“ Notfallteam behandelt wird, gliedert sich typischerweise in eine Briefing-Phase, der eine Trainingsphase folgt und die von der Debriefing-Phase abgeschlossen wird. Im Briefing wird das zu trainierende Notfallteam auf die Situation vorbereitet, d. h. mit den notwendigen Informationen zum Fall versorgt. In der videoaufgezeichneten Trainingsphase gilt es, ein vorher definiertes medizinisches Problem zu behandeln (z. B. polytraumatisierter Patient). Die Dynamik der Situation auf der Patientenseite wird durch einen Instruktor via Computer gesteuert. Das Debriefing ist aus lerntheoretischer Perspektive besonders wichtig. Hier bekommen die Teilnehmer ein Feedback zum fachmedizinischen und teambezogenen Prozess bzw. Outcome. Das Debriefing, oft auch anhand der videographierten Trainingsphase, dient der Selbstreflexion und der Veränderung bzw. dem Aufbau neuer Fähigkeiten und neuen Wissens.

Beim Lernen in simulationsbasierten Lernumgebungen geht es im Unterschied zu traditionellen, auf Wissensvermittlung fokussierten Lernformaten v. a. darum, die Erfahrungen der teilnehmenden Akteure – beispielsweise ein Notfallteam – wirksam werden zu lassen und durch Lernen aus Fehlern zukünftige Situationen besser bewältigen zu können. Dazu ist es notwendig, dass eine Lernsituation geschaffen wird, die Fehler ermöglicht bzw. provoziert, z. B. durch Induktion von Stress. Fehler zu provozieren ist natürlich nur der erste Schritt. Der zweite besteht darin, durch Feedback und Selbstreflexion das Lernen aus Fehlern zu unterstützen [16]. Dem Debriefing kommt hier entscheidende Bedeutung zu [17, 18].

Aus Fehlern zu lernen bedeutet im Falle medizinischer Interventionen die Veränderung komplexer fachlicher wie überfachlicher Fähigkeiten und bedarf intensiver Reflexion. SBL ermöglicht das auf zwei verschiedene Weisen: zum einen, indem durch das Briefing und die spezifische Situation der Simulation (Lernkontext, explizite und implizite Lernziele, Instruktoren) das sog. „reflection in action“ stattfindet. Hier finden gleichsam eine Art Selbstbeobachtung und -reflexion während der Problemlösung statt. Da diese Form der Reflexion immer nur eingeschränkt möglich ist – schließlich muss das Leben der Simulationspuppe gerettet werden – bedarf es einer zweiten Reflexionsform, der „reflection on action“, um die fachmedizinischen wie auch kommunikativen Handlungen zu reflektieren und letztlich zu verbessern [19, 20, 21]. Die „reflection on action“ findet in der Debriefing-Phase statt. Für den Erfolg dieser zentralen Phase des SBL bedarf es qualifizierter CRM-Instruktoren, die in der Lage sind, das Verhalten in der Simulation differenziert zu beobachten und ein explizites, nachvollziehbares und gleichermaßen differenziertes Feedback zu geben [22, 23, 24, 25].

Neben solchen Gestaltungsmerkmalen des SBL spielen auch motivationale Aspekte eine Rolle für die Qualität des Lernens. Die Einsicht in die permanente Veränderung und Weiterentwicklung der individuellen Problemlösefähigkeiten ist Medizinern quasi institutionell vorgegeben und auch professionsgebunden eine innere Verpflichtung. Die Bereitschaft, sich mit den kollektiven Anteilen der Leistungserbringung auseinanderzusetzen, ist – obwohl die Leistungsfähigkeit beispielsweise eines OP-Teams nicht nur von der individuellen Kompetenz der einzelnen Akteure, sondern genauso von der kollektiven, d. h. teambezogenen Leistungsfähigkeit abhängt – noch nicht in allen medizinischen Disziplinen gleichermaßen vorhanden [13]. Die Reflexion gerade auch der kollektiven Aspekte Teaminteraktion und Kommunikation, wie sie in den Debriefings von Simulationen geleistet wird, sorgt jedoch dafür, dass eine homogene, hohe Einsicht in die Notwendigkeit von gelungener Kommunikation und Interaktion entsteht und damit die Motivation zur Veränderung solcher Fähigkeitsbereiche erhöht werden kann [23]. Womit, nebenbei gesagt, die subjektiven Meinungen der vormals wenig motivierten Teilnehmer Anschluss an die aktuelle Lage empirischer Forschung finden:

Detailed analysis of team interactions and dimension is feasible and valuable, yielding important insights into relationships between nontechnical skills, technical performance, and operative duration. These results support the concept that interventions designed to improve teamwork and communication may have beneficial effects on technical performance and patient outcome [26].

Die immense Relevanz des Feedbacks und der Selbstreflexion wird auch deutlich, wenn man sich eine typische Verhaltensweise gerade sehr erfahrener Personen vor Augen führt: Personen mit einer hohen Expertise und großer Erfahrung tendieren dazu, die kognitive Dissonanz, die aus dem Misslingen eigener Handlungen resultiert, external zu attribuieren. Sie schieben das Misslingen auf Zufälle, Rahmenbedingungen oder andere Personen. Die Einsicht in die Notwendigkeit zur Veränderung, d. h. zum Lernen, ist in einem solchen Fall gering. Durch die Dokumentation des Verhaltens in der Situation – also der Beweisführung in Sachen Fehler – und die wertschätzende Rückmeldung dieses Sachverhaltes kann es gelingen, die kognitive Dissonanz im Sinne der Veränderung und des Lernens zu nutzen [14]. Geschieht dies zudem in kooperativen Lernsettings wie einer SBL in den realen Teams („train together who work together“), besteht neben der individuellen Erkenntnis und Einsicht auch noch die Chance, dass sich das Team selbst als veränderbar und lernfähig begreift.

Ein wichtiges Potenzial von SBL liegt auch darin, die Verminderung von Leistungsdefiziten oder auch Fehlerreduktion immer wieder zu üben. Angeleitet durch einen erfahrenen Instruktor oder Trainer können die Probleme im Debriefing benannt und in der wiederholten Durchführung der Simulationsphase eingeübt werden. Diese intensive Einübung des richtigen Verhaltens ist eine wichtige, lerntheoretische begründbare Voraussetzung für die erfolgreiche und nachhaltige Veränderung komplexen Verhaltens [18, 27] und Indikator für erfolgreiches Lernen [18, 29].

Wie erfolgreich ist das Lernen mit Simulationen?

Die Befundlage zum SBL weist dieser Lernform eine wichtige Rolle zur Veränderung fachlicher und überfachlicher Fähigkeiten zu. Allerdings ist die Befundlage keineswegs so, dass das simulationsbasierte Lernen für jedes Lernziel oder jeden Adressatenkreis das am besten geeignete Format ist. Bestehen die Lernziele darin, kognitive Fähigkeiten und individuelles, deklaratives Wissen zu erweitern, sind traditionelle Lernformate genauso erfolgreich und gleichzeitig ökonomischer als SBL [30]. Lernformate wie Falldiskussionen können zumindest bei kurzfristigen Lerneffekten und Wissenstests vergleichbare Leistungen erzielen wie SBL [31]. Studien, in denen klinische Leistungen als abhängige Variable verwendet werden, zeigen hingegen, dass das SBL traditionellen, interaktiven Seminaren überlegen sein kann [32]. Auch die Frage, ob es immer die sehr aufwendigen HFS sein müssen, wurde untersucht. Hier zeigte sich beispielsweise, dass HFS bei individuellen, auf konkrete Algorithmen bezogenen Lernzielen (beispielsweise Intubation) nicht notwendigerweise einfachen LFS überlegen sind [33]. Vergleicht man jedoch SBL mit supervidierten Lernsituationen z. B. im OP, finden sich Hinweise auf die Überlegenheit von HFS [34].

In Übersichtsartikeln findet die Methode des SBL zum Erwerb spezifischer klinischer Fähigkeiten Zustimmung [18, 29]. Der Nachweis der Wirksamkeit simulationsbasierten Lernens gelingt v. a. dann, wenn unmittelbare Trainingseffekte untersucht wurden. Es wird in der zitierten Literatur immer wieder darauf verwiesen, dass die Studien stärker sowohl längerfristige Veränderungen der adressierten Fähigkeiten als auch Effekte auf die Patientenversorgung einschließen sollten. Bislang ist die Studienlage auf patientenbezogene Outcomes eher schwach, jedoch sind solche Effekte partiell nachweisbar [35, 36, 37].

Aktuell ist das Lernen mit Simulationen in der Medizin eine wichtige Erweiterung der Lernformate

Zum aktuellen Zeitpunkt erweist sich das Lernen mit Simulationen als eine wichtige Erweiterung der Lernformate im medizinischen Kontext. Neben fachlichen Aspekten sind auch überfachliche Fähigkeiten wie Kommunikation im SBL erfolgreich adressierbar. Gerade die beim SBL mögliche Veränderung bereits sehr gut gelernter, aber nicht (mehr) geeigneter Verhaltensweisen sollte aus Sicht der Autoren in der Zukunft stärker in den Blick von Studien und Weiterentwicklungen von Lernszenarien genommen werden. Gut gelernte Verhaltensweisen (z. B. Behandlungsalgorithmen, Kommunikation, Interaktion) sind in hohem Maße automatisiert und wenig bewusst. Ein- oder zweimalige Interventionen durch ein Simulationstraining sind unter Berücksichtigung der ausgesprochen langen Zeit, die das Er- und Umlernen kommunikativen Verhaltens erfordert, auch nach wiederholten Simulationsdurchläufen als nahezu singulär zu betrachten und schaffen theoretisch betrachtet v. a. eine Bewusstheit für die kommunikative Problematik. Diese Bewusstheit kann sich zwar durchaus in unmittelbar nach der Lernsituation stattfindenden Tests in Leistungsverbesserungen niederschlagen. Automatisiertes Verhalten, das sich aber gerade in Situationen mit hohem Stress und großem Handlungsdruck – also solchen des medizinischen Alltags – durchsetzt, benötigt hingegen wesentlich längere und kontinuierliche Trainingsinterventionen als diese in den bislang üblichen Simulationsszenarios möglich sind [38, 39]. Die Weiterentwicklung traditioneller präsenzgestützter Simulationsverfahren mit Lernformaten, die eine kontinuierliche Reflexion eigener fachmedizinischer und überfachlicher Fähigkeiten ermöglichen (z. B. hypermediale Lernbausteine), kann ein Weg sein, die bislang fehlende Evidenz für die Nachhaltigkeit bei der Veränderung fachspezifischer und überfachlicher Fähigkeiten zu erreichen und auch das patientenbezogene Outcome zu verbessern.

Organisationale Möglichkeiten und Grenzen

Trotz steigender Zahl von Simulationszentren kann aktuell von keiner flächendeckenden und strukturierten Simulationsausbildung in D-A-CH gesprochen werden. Forderte man alleine ein einmal jährliches Training im Simulator z. B. für alle berufstätigen Anästhesisten in Deutschland (gemäß Ärztestatistik Bundesärztekammer 2012 20.836), so bräuchte man bei ca. 220 möglichen Betriebstagen und maximal 8 Teilnehmern/Tag pro Jahr bereits 12 voll ausgelastete Simulatoren. Folgte man der Empfehlung „train togehter who works together“, so multiplizierte sich die Zahl jeweils um die Zahl der Teammitglieder, d. h. für die Schulung eines normalen OP-Teams von 6 Personen bräuchte es alleine für ein gemeinsames Training pro Jahr 72 Simulatoren in Deutschland. Forderte man das gleiche für Chirurgen, Gynäkologen, Notärzte, Rettungsassistenten etc., so würde die Zahl weiter sprunghaft ansteigen. Anstatt jedoch die Teams in sog. Zentren zu schicken, würde es sich zumindest für größere Kliniken oder Klinikverbünde anbieten, standardmäßig eigene Simulationsangebote zu schaffen. Das Personal könnte anstelle im Rettungswagen 1 oder im OP-Saal 4 eingeteilt zu werden, routinemäßig in das Simulationstraining eingeplant werden. Das Simulationstraining wäre so in den normalen Arbeitsalltag integriert (sog. In-situ-Simulation).

Wenngleich dies etwas futuristisch anmuten mag: Wieso sollte nicht – analog der Industrie – jeder 1000. “Patient“ völlig selbstverständlich und unaufgeregt zur Qualitätssicherung in Form eines Simulators durch den präklinischen und klinischen Behandlungspfad geschleust werden – vom Straßengraben via Rettungswagen – Übergabe an den RTH und via Schockraum bis auf die Intensivstation? Dem stehen aktuell klar finanzielle Gründe entgegen. Neben den reinen Anschaffungs- und Betriebskosten für einen Simulator müssen auch entsprechende Personalressourcen (Trainer und Teilnehmende) aus dem klinischen Alltag freigestellt werden. Viele Kliniken – auch die in erster Linie für die Ausbildung verantwortlichen Hochschulen – sind chronisch unterfinanziert und die Aus-, Fort und Weiterbildung ist im DRG-System unzureichenden abgebildet. Der Frage „Wer soll das bezahlen?“ kann wohl am ehesten mit der Gegenfrage „Wer bezahlt aktuell die definitiv entstandenen Schäden?“ geantwortet werden.

Simulation und Bedeutung für die Versicherungswirtschaft

Neben der reinen Versicherungsabwicklung interessieren sich die Haftpflichtversicherer immer mehr für den Bereich der Prävention und des Risikomanagements. Neben diesem Präventionsimpuls aus ökonomischem Antrieb wird das klinische und medizinische Risikomanagement zunehmend auch von der Versicherung selbst als Zeichnungsvoraussetzung gefordert. Einige große, am Markt verbliebene Versicherer sind generell nur noch bereit, das Risiko abzusichern, wenn die Klinik den Nachweis strukturierter Präventionsmaßnahmen erbringen kann. Dies beinhaltet die regelmäßige Durchführung von Sicherheits- und Risiko-Auditierungen, den Betrieb eines Fehlermeldesystems (Critical Incident Reporting System), die Durchführung von Komplikationsanalysen im Sinne einer Mortalitäts- und Morbiditätskonferenz sowie die strukturierten Durchführungen von retrospektiven Schadenfallanalysen. Vor Übernahme des Risikos führen einige Haftpflichtversicherer Begehungen in den Kliniken durch, sichten Unterlagen und lassen sich Präventionskonzepte demonstrieren. Im Zusammenhang mit der diesbezüglichen Darlegung der Prävention kommt Simulations- und Teamtrainings eine besondere Rolle zu. Diese werden von den meisten Versicherern bisher noch nicht regelhaft erwartet (wie die oben dargestellten „klassischen“ Risikomanagement-Aktivitäten), sondern sie werden als „Zusatzleistung“ bonifiziert. Nimmt eine geburtshilfliche Abteilung beispielsweise am Projekt „SimParTeam“ [40] teil und kann den Nachweis erbringen, dass das therapeutische Team diesbezüglich regelmäßig und nachhaltig trainiert wird, so wird der Haftpflichtversicherer diese Maßnahme bei der Klassifizierung der geburtshilflichen Risiken und letztendlich bei der Prämienfindung berücksichtigen. Das Projekt „SimParTeam“ entstand aufgrund der Initiative der Arbeitsgruppe Behandlungsfehlerregister des Aktionsbündnisses Patientensicherheit e. V. Gemeinsam mit anderen Partnern wurde ein Trainingskonzept entwickelt, mit dem die Sicherheit für Mutter und Kind in Notfallsituationen während der Geburt erhöht werden soll. Programmbestandteile sind die fallbasierten CTG-Schulungen für Hebammen und Geburtshelfer, Skill Trainings für die Neugeborenenerstversorgung sowie CRM-Trainings mit Simulatoren, Videoaufzeichnungen und Debriefing.

Entsprechende Trainings- und Simulationsmaßnahmen im Bereich der zentralen Notaufnahme, im Intensivversorgungsbereich sowie im Kontext von operativen Eingriffen werden gleichfalls von der Versicherung honoriert.

Mit der Verabschiedung des Patientenrechtegesetzes in Deutschland 2013 bzw. mit der Fortentwicklung 2014 und der Definition eines Mindeststandards für ein klinisches Risikomanagement durch den Gemeinsamen Bundesausschuss wurden auch durch den Gesetzgeber die Vorgaben für die Förderung der Patientensicherheit definiert. Dies wird künftig auch für die Haftpflichtversicherer eine zentrale Voraussetzung für den Risikotransfer sein. Bei potenziell weiter steigender Schadenlast im Einzelfall ist davon auszugehen, dass die Haftpflichtprämien weiter steigen und dass sich dieser Trend nur durch die Darlegung und den Nachweis wirksamer Präventionsmaßnahmen aufhalten lassen wird.

Ein Teil der hohen Kosten für die Simulation kann kompensiert werden

Lässt sich allerdings durch den Nachweis von Risikomanagementmaßnahmen die Prämienlast senken, so kann man auch sicher einen Teil der hohen Kosten für die Simulation damit kompensieren. Es ist bei der dynamischen Entwicklung davon auszugehen, dass in wenigen Jahren auch die Simulationstrainings kritischer Situation eine Zeichnungsvoraussetzung für die Haftpflichtversicherer wird. Da in erster Linie bisher die Finanzierungsfrage die routinemäßige Einführung von Simulationstrainings verhindert hat, kommt daher dieser Entwicklung eine bedeutende Stellung für die flächendeckende und regelmäßige Umsetzung von Simulationstrainings zu. Es muss künftig schlicht günstiger sein, die Mitarbeitenden prophylaktisch zu trainieren, um Fehler zu vermeiden, als für den Fehler aufkommen zu müssen.

Kommentar

Fasst man die Befundlage und das theoretisch erwartbare Potenzial zum Erfolg simulationsbasierten Lernens zusammen, sind die Autoren der Ansicht, das dieses Lernformat zielführend darin ist, handlungsbezogene Fähigkeiten sowohl fachmedizinischer als auch überfachlicher Natur zu verbessern. Wünschenswert wäre es, zum einen die zukünftige Forschung stärker auf die Nachhaltigkeit der Wirkung von simulationsbasiertem Lernen als auch dessen Implikationen für die Patientensicherheit zu fokussieren. Zum anderen ist es an der Zeit, analog anderen Hochrisikobereichen, die finanziellen und strukturellen Voraussetzungen für eine curriculare Integration des SBL in die Aus-, Fort und Weiterbildung von medizinischem Personal zu schaffen. Bei der ungeklärten Frage der Finanzierung könnte es durchaus sein, dass neben den politischen Forderungen die Haftpflichtversicherer eine wichtige Treiberrolle übernehmen könnten.

Fazit für die Praxis

  • Simulationsbasiertes Lernen (SBL) stellt eine wichtige Methode der medizinischen Aus-, Fort- und Weiterbildung dar.

  • Besonders der fehleranfällige Bereich der Human Factors kann trainiert werden.

  • Es gibt starke Hinweise, dass SBL neben der Verbesserung der Sicherheitskultur auch die Patientensicherheit erhöhen kann.

  • Die bisherige ungeklärte Frage der Finanzierung könnte künftig durch politische und haftungsrelevante Entwicklungen gelöst werden.