Bei der Klinikaufnahme vital bedrohter traumatisierter Patienten werden die am Unfallort eingeleiteten notärztlichen Maßnahmen zunächst weitergeführt und entsprechend den vorliegenden Verletzungen modifiziert. Die Schockraumerstdiagnostik und -therapie stellt dabei entscheidende Weichen bezüglich der weiteren Prognose des Patienten [10, 14, 15, 18, 19, 20]. Verzögerungen oder gar Versäumnisse in dieser Erstbehandlungsphase können nur mit einer Gefährdung des Patienten einhergehen oder nur mit erheblichem Zeitverlust wieder aufgeholt werden [18]. In den ersten 60 min nach stationärer Aufnahme müssen deshalb standardisierte und problemorientierte Behandlungsmechanismen ablaufen, die das Ziel verfolgen, den Patienten nach suffizienter und zeitsensitiver Primärdiagnostik in einem stabilen Versorgungszustand den weiteren operativen Versorgungsphasen (1–3) zuzuführen.

Entsprechende Handlungsprotokolle wurden in der Vergangenheit hierzu vorgestellt, alle mit der Zielsetzung durch Verbesserung der Qualität der getroffenen Entscheidungen und Maßnahmen die Prognose des Patienten zu verbessern [4, 5, 8, 9, 13, 15, 17, 19, 20]. Entsprechend wurde das Kurskonzept des Advanced Trauma Life Support (ATLS®) als systematisches Trainingsprogramm zum Traumamanagement entwickelt [1, 2, 3].

Infrastrukturelle Voraussetzungen

Die Behandlung polytraumatisierter Patienten, dass heißt von Patienten mit gleichzeitig entstandenen Mehrfachverletzungen, von denen mindestens eine oder die Kombination mehrerer vital bedrohlich ist, stellt eine besondere Herausforderung im Hinblick auf die Qualität des ärztlichen und nichtärztlichen Personals und der strukturellen, räumlichen und apparativen Ausstattung an die aufnehmende Klinik dar. Krankenhäuser mit dem Anspruch auf die Versorgung Unfallverletzter müssen sich hierfür an der fachlichen Qualifikation des Leiters, einer bestehenden fachlichen und organisatorischen Autonomie, ihren Ausstattungsmerkmalen und ihrem Leistungsprofil messen lassen [4, 6, 13, 15].

Die Behandlung Polytraumatisierter stellt eine große Herausforderung für die strukturelle, räumliche und apparative Ausstattung der aufnehmenden Klinik dar

Je nach dem, ob es sich dabei um ein Haus der Grund- und Regelversorgung, der Schwerpunktversorgung, der Maximalversorgung (universitär und nicht-universitär) handelt, müssen die u. a. Anforderungsprofile jeweils den individuellen Gegebenheiten angepasst sein [6, 7, 15]. Nachstehend aufgeführte Grundvoraussetzungen zur Erstversorgung polytraumatisierter Patienten im Schockraum sollten aber dennoch sichergestellt werden können.

Zur Primärversorgung und Erstdiagnostik von polytraumatisierten Patienten sollte ein zentraler Schockraum jederzeit, d. h. 24 h an 365 Tagen im Jahr vorgehalten werden (Abb. 1). Neben der instrumentellen und medikamentösen anästhesiologischen Ausstattung des Schockraumes (z. B. stationäres und mobiles Beatmungsgerät, Monitor, Defibrillator, arterielle und zentralvenöse Kathetersysteme, Druckinfusionsgeräte) sollte er über chirurgisch relevante Sets für kleinere und größere chirurgische Wundversorgungen, über Sets für Tracheotomie, Thoraxdrainage und Thorakotomie, über eine Beckenzwinge, über Venae-sectio-Sets sowie Schienen- und Gipsverbandmaterialien verfügen [4, 6, 15]. Spezielles Verbandsmaterial für Schwerbrandverletzte muss ebenfalls vorgehalten werden. Ein mobiles Sonografiegerät und eine mobile oder stationäre Röntgeneinheit zur Primärdiagnostik ebenso wie 24 h verfügbare Laboreinrichtungen und Blutbank komplettieren die Ausstattung.

Abb. 1.
figure 1

Teilansicht des unfallchirurgischen Schockraums der Universitätskliniken des Saarlandes. Man erkennt eine mobile Anästhesieeinheit links hinten, Lagerungsmöglichkeit für Notfallinstrumentarien in den Schränken rechts hinten, eine Sonografieeinheit und einen strahlentransparenten mobilen Behandlungstisch für notwendige Untersuchungen und Behandlungen

Personell sollte der Schockraum mit einem Team aus Unfallchirurgen, Anästhesisten und geschultem Pflegepersonal (Chirurgie/Anästhesie/RTA) nach Vorankündigung eines polytraumatisierten Patienten kurzfristig besetzbar sein (Tabelle 1, Abb. 2). Die Teamleitung und Organisation des Behandlungsablaufes obliegt dem erfahrenen Facharzt [4, 13, 20].

Tabelle 1. Teambesetzung des Schockraumes zur Erstversorgung polytraumatisierter Patienten
Abb. 2.
figure 2

Beteiligte Fachdisziplinen an der Schockraumversorgung

Basierend auf dem Gesamtkonzept müssen die angeführten Vorgaben den individuellen Gegebenheiten des versorgenden Hauses angepasst werden. Hier spielen insbesondere personelle Voraussetzungen und individuelle Raumverhältnisse des versorgenden Hauses eine entscheidende Rolle, denn Transportwege z. B. zwischen Schockraum, Röntgendiagnostik, CT und versorgendem OP können bei Ablauffehlplanungen unnötig viel Zeit verbrauchen [16, 18]. Der Zeitfaktor für die einzelnen Untersuchungs- und Behandlungsgänge ist deshalb im Gesamtkonzept der Versorgung unbedingt mit einzubeziehen, weshalb insbesondere der individuellen Ablauforganisation besondere Aufmerksamkeit zukommt [5, 10, 16].

Vorbereitungen bei Ankündigung eines Polytraumas

Zur zeitsensitiven Behandlung polytraumatisierter Patienten sollte ein „Alarmplan“ in der zentralen Notaufnahme vorhanden sein. Nach Vorankündigung des polytraumatisierten Patienten durch die Rettungsleitstelle über ein zentrales Notfalltelefon erfolgt die Notfallalarmierung des erstbehandelnden Teams durch einen Alarmierungsplan entsprechend einer vorgegebenen Reihenfolge.

Unabhängig von der Art der Verletzung werden durch die anästhesiologischen Teammitglieder sämtliche Gerätschaften zur Sicherung der Oxygenierung und Perfusion des Patienten (Beatmungsgerät, Monitor, Notfallwagen mit Instrumentarien und Notfallmedikamenten, Kathetersysteme zur arteriellen und venösen Katheterisierung) vorbereitet und bereitgestellt.

Die chirurgischen Teammitglieder bereiten die Dokumentation der Patientendaten, die Umlagerung des Patienten auf den Behandlungstisch, die ersten diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen wie Blutentnahme (mit Blutgruppe), Blutgabe durch Bereitstellung der Notfallkonserven (O rh negativ), sowie eine primäre Blasenkathetereinlage vor. Weitere chirurgische Sets (Beckenzwinge, Thoraxdrainage, Schwerstverbranntenmaterialien, große und kleine chirurgische Wundversorgung, Schienenmaterialien) sollten dann je nach Verletzungsmuster kurzfristig verfügbar, d. h. im Schockraum gelagert sein.

Die ebenfalls alarmierte RTA bereitet zur ersten radiologischen Diagnostik zumindest eine Kassette für Thorax -und Beckenaufnahme, sowie für Kopf und HWS in 2 Ebenen vor. Die weitere Diagnostik wird vom Teamleader dann nach der ersten Sichtung angeordnet.

Einzelne Schockraumphasen

Eintreffen des Patienten

Die Übergabe des polytraumatisierten Patienten erfolgt durch den Notarzt an das gesamte Team bei Einlieferung. An Informationen sollten dabei die Unfallanamnese (Abb. 3), der klinische Zustand des Patienten bei Eintreffen des Notarztes am Unfallort (GCS), die gestellten Arbeitsdiagnosen und die vorgenommenen Behandlungsmaßnahmen weitergegeben werden. Abschließend sollte kurz der Ist-Zustand des Patienten anhand der Vitalparameter durch den Notarzt dargestellt werden.

Abb. 3.
figure 3

PKW-Seitenanprall gegen Baum. Vor Ort ein polytraumatisierter 38-jähriger Patient, Rettungszeit ca. 45 min. Für die Übergabe des Notarztes an das Schockraumpersonal ist die tatsächliche gesamte Rettungszeit, die Patientenlage bei Eintreffen der Ersthelfer (massive Gewalteinwirkung von links) und der initiale GCS besonders wichtig

Eine schriftliche Dokumentation der Befunde erfolgt durch den Notarzt auf einem entsprechenden DIVI-Protokoll und verbleibt bei den Patientenunterlagen, um auch im späteren Behandlungsverlauf z. B. Aussagen zum initialen neurologischen Status des Patienten nachlesen zu können [12].

Erste Sichtung und Behandlung des Patienten

Nachdem sich das Schockraumteam aus den gemachten Angaben einen kurzen Überblick über den Unfallhergang und -mechanismus, die Rettungszeit und Bergung sowie den Transport und den Zustand des Patienten verschafft hat, steht die Erkennung und Abwendung unmittelbar lebensbedrohlicher Zustände an erster Stelle der Behandlung [13]. Hierzu gehört die Überprüfung der Atemwege, der Spontan- oder Beatmung und die Überprüfung der Kreislauffunktion. Bei der Inspektion der Atemwege muss ebenfalls die Immobilisation der HWS überprüft oder sichergestellt werden, falls dieses nicht bereits zuvor geschehen ist. Immer wird eine Röntgenaufnahme des Thorax p. a. und eine Abdomensonografie zur Sicherung bzw. zum Ausschluss „freier Flüssigkeit“ im Abdomen durchgeführt [11, 13, 17]. In dieser Phase der Sichtung ist sicherzustellen, dass keine peripheren oder zentralen neurologischen Ausfälle bestehen.

Unter anästhesiologischer Kontrolle werden zur weiteren Therapieführung des Patienten eine arterielle Druckmessung und ggf. notwendige weitere Volumenzugänge zur umgehenden Versorgung des Patienten mit einer ausreichenden Volumenmenge angelegt (bereitgestellte Notfallkonserven der Blutgruppe O rh negativ nicht vergessen!). Der Patient wird parallel umgelagert und entkleidet. Mit Abschluss dieser ersten Sichtungsphase ist die Atmung des Patienten gesichert, es erfolgt eine ausreichende Volumensubstitution, Blutungen werden komprimiert und kontrolliert (z. B. Verband, Klemme).

An dieser Stelle müssen lebensrettende notfallmäßige Eingriffe wie Koniotomie, Thoraxdrainagenanlage oder eine Vena sectio zur Sicherstellung der Atmungs- bzw. Kreislauffunktion notwendigerweise ohne Abwarten der weiteren Diagnostik durchgeführt werden.

Initiale Diagnostik

Der aufnehmende Traumatologe führt parallel zu den laufenden Reanimationsmaßnahmen eine komplette systematische Bestandsaufnahme der vorliegenden Verletzungen durch (kraniokaudaler chirurgischer Body-Check). Nicht vergessen werden darf dabei die Untersuchung sämtlicher Körperöffnungen und die komplette Untersuchung des liegenden Patienten, d. h. auch der Rückenbereich muss durch axiales Drehen des Patienten zugänglich gemacht werden. Aufgrund der Untersuchungsergebnisse werden jetzt die weiteren diagnostischen Maßnahmen gezielt angeordnet.

Bei jedem intubierten und beatmeten Patienten wird eine Beckenübersicht zum Ausschluss knöcherner Frakturen durchgeführt, ansonsten bei klinisch auffälligem Befund. Die Anfertigung einer konventionellen Schädelaufnahme und einer Aufnahme der HWS seitlich kann heutzutage zugunsten einer CT-Diagnostik bei räumlicher Nähe des CT unterbleiben (ansonsten gehören diese Aufnahmen ebenfalls zur primären Diagnostik).

Die HWS bleibt solange immobilisiert, bis der diagnostische Ausschluss einer Fraktur zweifelsfrei vorliegt.

Zeitgleich zu den vorgenannten Maßnahmen wird durch das Pflegepersonal eine Blutentnahme für die notwendigen Laboruntersuchungen, zur Kreuzprobe und zur Blutgasanalyse durchgeführt. Eine Katheterisierung der Blase zur Sicherung der Harnfunktion und Kontrolle der durchgeführten Volumentherapie, eine prophylaktische Tetanussimultanimpfung bei offenen Wunden, sowie eine erste Dokumentation der Patientendaten erfolgt ebenfalls durch das chirurgische Pflegepersonal.

Ständige Reevaluation

Durch den Teamleader erfolgt am Ende eines jeden durchgeführten diagnostischen und therapeutischen Einzelschrittes eine Evaluation dieser Maßnahme mit dem Ziel der umgehenden Korrektur des Schrittes. Dies betrifft sowohl die respiratorische und kardiopulmonale Situation des Patienten wie auch die Zusammenstellung der bisher festgestellten bzw. ausgeschlossenen Verletzungen. Die Überprüfung der Kreislaufsituation und der durchgeführten Volumensubstitution erfolgt anhand einfacher Parameter wie z. B. systolischer Mitteldruck (um 80 mmHg), Blutgase und O2-Sättigung (>95%). Weicht der Ist-Zustand in erheblichem Maße ab, erfolgt eine umgehende Ursachenforschung und Korrektur der eingeleiteten Maßnahmen (z. B. Druckinfusionen, Katecholamintherapie).

Die inzwischen verfügbaren angefertigten Röntgenaufnahmen und das Ergebnis der Abdomensonografie sollten als weitere Bausteine mit in diese Ursachenforschung einbezogen werden.

Beispielsweise kann in diesem frühen Zustand ein Pneumothorax ohne einen klinischen Hinweis (tastbare Rippenfraktur, Hautemphysem, Sättigungsabfall, Kreislaufdepression) bestehen und daher übersehen worden sein. Ergibt sich die Diagnose anhand der durchgeführten Röntgenthoraxaufnahme wird umgehend eine Thoraxdrainage zur Entlastung der Pleura angelegt. Sollte sich in der ersten Thoraxkontrolle noch kein Pneumothorax nachweisen lassen, kann sich dieser auch unter der laufenden Beatmungstherapie oder bei einer ggf. notwendigen kardiopulmonalen Reanimation entwickeln, sodass spätestens mit Einlage eines zentralvenösen Katheters eine 2. Thoraxkontrolle im Schockraum durchgeführt und auf Hinweise für einen Pneumothorax kontrolliert werden sollte.

Die native Röntgenkontrolle der BWS und LWS a.p., sowie verletzter Extremitäten in 2 Ebenen mit Darstellung eines angrenzenden Gelenkes schließt die konventionelle Schockraumdiagnostik ab [11, 13, 17]. Der Pulsstatus verletzter Extremitäten muss palpiert oder ggf. mit einer Dopplersonografie festgestellt werden. Für notwendige Transporte und Umlagerungen des Patienten sind verletzte Extremitäten zunächst notfallmäßig mit Schienen- oder Gipsverbänden so zu stabilisieren, dass der Patient gefahrlos innerhalb der Klinik zu den weiteren Behandlungsmaßnahmen weitertransportiert werden kann.

Festlegung der Behandlungsprioritäten

Behandlungsalgorithmen sollten als Handlungsanweisungen verstanden werden, die konzeptionell aufgebaut sind und zielgerichtet zum Behandlungserfolg auch in schwierigen Situationen führen [5, 8, 9, 10, 14, 19, 20]. Im Verlauf jeder Polytraumabehandlung im Schockraum entsteht trotz eindeutiger Vorgaben immer auch die Situation, eine Entscheidung für oder gegen einen bestimmten Schritt treffen zu müssen, um einer anderen zeitlich eigentlich erst später anstehenden, aber jetzt sinnvollen und notwendigen Maßnahme den Vorzug zugeben. Mit anderen Worten, es müssen Prioritäten festgelegt werden.

Insbesondere in der ersten Behandlungsphase muss deshalb eine engmaschig Zeit-Nutzen-Analyse jeder durchgeführten Maßnahme erfolgen, um stets einen optimalen Behandlungsfluss ohne Zeitverlust aufrecht zu erhalten (Abb. 4). Ein eingespieltes Team aus Chirurgen, Anästhesisten und Pflegepersonal kann dabei durch paralleles Arbeiten rasche Behandlungsabläufe ohne gegenseitige Behinderungen garantieren (z. B. Röntgen während der Anlage der i.v.-Zugänge). Qualitätssicherndes Kriterium sollte dabei immer die Zeitersparnis für den Gesamtbehandlungsablauf sein.

Abb. 4.
figure 4

Beispiel eines Behandlungsalgorithmus bei einer Beckenfraktur mit beckenbedingter Kreislaufinstabilität. Die Entscheidung zur notfallmäßigen operativen Stabilisierung sollte innerhalb eines Zeitfensters von 30 min getroffen sein. Der zentrale Entscheidungsparameter ist die Kreislaufsituation; bei suffizienter Wiederherstellung der Kreislaufstabilität kann die operative Versorgung auch frühsekundär erfolgen

Am Ende der Schockraumversorgung steht die Festlegung des weiteren Therapiekonzeptes und damit der weiteren Behandlungsprioritäten an.

Notfalloperation vs. Diagnostik

Mit den vorhandenen Informationen müssen zu diesem Behandlungszeitpunkt erste Entscheidungen für oder gegen lebensrettende operative Sofortmaßnahmen getroffen werden können:

  1. 1.

    Patient ist klinisch und seitens seiner bisher gemessenen Parameter in einem stabilen und versorgungssicheren Zustand. Weitere diagnostische Maßnahmen und Prozeduren mit entsprechendem Zeitaufwand können zunächst durchgeführt werden (z. B. Schädel-CT, Angiographie, Embolisation). Notwendige chirurgische Interventionen können ohne Gefahr für den Patienten zeitverzögert nach der Diagnostik ausgeführt werden.

  2. 2.

    Patient bleibt trotz der eingeleiteten Maßnahmen in einem kreislaufinstabilen Zustand, eine chirurgische Sofortintervention zur Herstellung der Kreislaufstabilität ist notwendig, sodass auf weitere diagnostische Maßnahmen zunächst verzichtet werden muss.

Im ersteren Falle schließt sich an die durchgeführten Maßnahmen eine erweiterte Diagnostikphase an [11, 13, 17, 19]. Insbesondere bei primär bewusstlosem Patient wird eine kraniale Computertomographie mit Kopf-Hals-Übergang zur Darstellung der oberen HWS durchgeführt. Bei vorliegendem Thoraxtrauma sollte insbesondere zum Ausschluss einer Aortendissektion eine Spiral-CT des Thorax erfolgen. Bei entsprechendem Unfall- und Verletzungsmechanismus schließt sich eine Abdomen- und Beckencomputertomographie mit und ohne Kontrastmittel an. Wegen des hierfür notwendigen Zeitaufwandes muss die Kreislaufsituation des Patienten durch entsprechendes mobiles Monitoring ständig kontrollierbar sein. Je nach Verletzungsmuster werden Konsile entsprechender Disziplinen angeordnet und durchgeführt und die weitere Therapieplanung im Sinne einer Prioritätenliste festgelegt.

Bei Einordnung des Patienten in die zweite, kreislaufinstabile Gruppe muss eine erneute Überprüfung und ggf. Erweiterung der eingeleiteten Maßnahmen zur Klärung der Ursache erfolgen. Neben einer zentralnervösen Schädigung mit intrakranieller Blutung, die einer umgehenden CCT-Kontrolle und neurochirurgischen Intervention zugeführt werden sollte, kommen insbesondere abdominelle Verletzungen als Ursache der fortbestehenden Kreislaufdepression in Frage. Daher steht eine erneute sonografische Kontrolle des Abdomens auf freie Flüssigkeit mit einer konsekutiv notwendigen umgehenden Laparotomie zur chirurgischen Versorgung intraabdomineller Organverletzungen in dieser Situation oben auf der Prioritätenliste.

Der Nachweis intraabdomineller Flüssigkeit führt nicht ultimativ zur Probelaparotomie

Allerdings sollte der alleinige Nachweis intraabdomineller Flüssigkeit nicht ultimativ in eine Probelaparotomie münden, da insbesondere eine instabile Beckenringverletzung infolge der dorsalen Verletzungskomponente zu einer signifikanten retroperitonealen Blutung führen kann, die dann sekundär durch Transsudation zum falsch positiven Nachweis abdomineller freier Flüssigkeit führt. Eine Probelaparotomie ergibt dann sowohl keine nachweisbare und therapierbare intraabdominelle Verletzung und kann zusätzlich sekundär infolge der Druckentlastung zu einer Verschlechterung der Kreislaufsituation des Patienten beitragen. Eine zusätzliche Eröffnung des retroperitonealen Hämatoms ist aus gleichen Gründen obsolet.

Im Falle einer instabilen Beckenringverletzung sollte je nach Verletzungsmuster des Beckens mit einer entsprechenden Notfallstabilisierung (suprapubischer Fixateur externe, Beckenzwinge, Beckentamponade) die Kreislaufsituation des Patienten zunächst beherrscht werden. Vor einer weiterführenden zeitaufwendigen Diagnostik mit CT oder Angiografie sollte unbedingt eine Risiko-Nutzen-Abwägung für den Aussagewert der Untersuchung erfolgen, da während der eigentlichen Untersuchung keinerlei therapeutische Arbeit am Patienten verrichtet wird und insofern ggf. wertvolle Zeit für den Patienten verloren wird.

Notfalloperation vs. Intensivtherapie

Ist die Diagnostik insgesamt abgeschlossen und der Patient in einem stabilen Kreislaufzustand schließt sich eine 2. Operationsphase bzw. die Durchführung der notwendigen Primäreingriffe an den Extremitäten an. Ein Scoring der Verletzungsschwere (PTS, ISS, MESS) soll bei der Abschätzung helfen, inwieweit definitive operative Versorgungen (Marknagelung, Plattenosteosynthese) hinter Notfallstabilisierungsmaßnahmen (z. B. Schienen, Extensionen, Fixateur externe) zurückstehen müssen. Bei Extremitätenverletzungen mit Gefäß- oder Nervenbeteiligung gilt dabei die Regel, zunächst eine Frakturstabilisierung zu erreichen, um anschließend eine operative Versorgung der Gefäßverletzung durchzuführen.

Bei fortbestehender instabiler Kreislaufsituation ohne operative Interventionsnotwendigkeit ist zunächst eine intensivmedizinische Therapie zur weiteren Stabilisierung des Patienten vor weiteren operativen Maßnahmen indiziert. Notwendige Operationen sollten zeitversetzt (z. B. nach 6 h.) als postprimäre Versorgungsmaßnahmen angeschlossen werden. In jedem Fall erfolgt die notfallmäßige Reposition und Retention von Gelenkluxationen und Extremitätenfrakturen (Lagerung, Schienung), sowie die chirurgische Erstversorgung offener Wunden.

Wahl des geeigneten Krankenhauses

Aus der Darstellung der Diagnostik- und Behandlungsabläufe bei Aufnahme eines polytraumatisierten Patienten ergeben sich rückwirkend auf die Rettungskette Kriterien für die Zuweisung der notärztlich versorgten Patienten. Die Aufnahme des Patienten in ein „geeignetes“ Krankenhaus steht in der Entscheidung des am Unfallort behandelnden Notarztes. Bei traumatisierten Patienten sollte es sich dabei um ein Krankenhaus mit vorhandener traumatologischer Infrastruktur und Logistik bzw. den notwendigen diagnostischen Möglichkeiten handeln [6, 7, 9]. Die Verletzungsschwere und das Verletzungsmuster des Verunfallten bestimmen dabei die Wahl des Krankenhauses:

  • Patienten mit reinen Extremitätenverletzungen (z. B. Schenkelhalsfraktur des älteren Patienten, etc.) können in traumatologisch behandelnden Krankenhäusern aller Versorgungsstufen behandelt werden.

  • Vital bedrohte polytraumatisierte Patienten oder Patienten mit Schädel-Hirn-Verletzungen sollten dagegen primär in Kliniken weiterbehandelt werden, die über sämtliche diagnostische und therapeutische Behandlungsoptionen für derartige Verletzungen verfügen (z. B. Neurochirurgie, Computertomographie).

Diese Optionen rechtfertigen dann auch den Transport des kreislaufstabilen Patienten über weitere Entfernungen, bzw. eine frühsekundäre Verlegung des primär kreislaufinstabilen Patienten nach Stabilisierung seiner Vitalfunktionen in ein sekundär weiterbehandelndes Krankenhaus [6, 15].

Fazit für die Praxis

Die stationäre Aufnahme und Erstbehandlung des polytraumatisierten Patienten stellt auch bei vorhandener suffizienter Infrastruktur der Klinik eine Herausforderung an das behandelnde Team dar. Durch die lebensbedrohliche Situation, in der sich der polytraumatisierte Patient befindet, ist ein zeitsensitives und zielgerichtetes Arbeiten unabdingbar. Der Behandlungsablauf entscheidet dabei wesentlich über die Prognose des Patienten. Ein eingespieltes Team mit festgelegten und durchdachten Behandlungsabläufen wird auch mit einer technisch schlechteren Schockraumausstattung ein besseres Behandlungsergebnis erzielen, als ein schlecht agierendes Team ohne eindeutiges Konzept in einer technisch perfekt ausgestatteten Umgebung.

Zentrale Kriterien zur Beurteilung der Therapieeffizienz sind die Wiederherstellung und Sicherung der Kreislauffunktion sowie die Sicherung der ausreichenden Oxigenierung des Patienten. Die Behandlungsabläufe müssen sich insofern an diesen beiden Parametern messen lassen. Bei fortbestehender Kreislaufinstabilität am Ende der ersten Behandlungsphase macht eine routinemäßige Fortführung der Diagnostik keinen Sinn. Zunächst gilt es, durch Überprüfung und Korrektur durchgeführter Maßnahmen des Reanimationszyklus die Zirkulation des Patienten zu stabilisieren. Dieses Ziel muss teilweise auch mit Maßnahmen anderer, eigentlich erst später einsetzender Behandlungsabläufe erreicht werden. Insofern sind Erfahrung und Kompetenz des unfallchirurgischen Teamleaders ebenfalls wichtige Kriterien für den Behandlungserfolg.

Ein weiteres wichtiges Erfolgskriterium stellt die Strukturierung des Teams dar. Prinzip muss dabei die vertrauensvolle Zusammenarbeit und Führung durch Kompetenz sein. Hilfreich sind hierfür Qualitätszirkel, die kritische Konstellationen vorbesprechen und Problemsituationen nachbesprechen sowie den Konsens festhalten. Im Akutfall muss Verantwortung übernommen werden, in Vor- und Nachbesprechungen kann diskutiert werden! Zuständig- und Verantwortlichkeiten sollten im Vorfeld der Behandlung geklärt sein und regelmäßig überprüft, trainiert und ggf. korrigiert werden. Schließlich stellen das gut eintrainierte Team und klar strukturierte Behandlungskonzepte den Schlüssel zur erfolgreichen Behandlung eines schwerverletzten Patienten dar.