Zusammenfassung
Hintergrund
Basalzellkarzinome sind die häufigsten malignen Tumoren unter der weißhäutigen Bevölkerung. Sie weisen eine hohe Vielfalt an histologisch-morphologischen Erscheinungsformen auf.
Patienten und Methode
In einer retrospektiven Studie wurden Patienten mit Basalzellkarzinomen der Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie am HELIOS-Klinikum Erfurt, die im Zeitraum 1976–2003 behandelt worden waren, analysiert und nachuntersucht.
Ergebnisse
Es wurden 648 Patienten mit 765 Basalzellkarzinomen behandelt. Das weibliche Geschlecht dominierte gegenüber dem männlichen bei einer Häufigkeitsverteilung von 1,24:1. Das Durchschnittalter betrug 70,6 Jahre mit einem deutlich höheren Anteil von Seniorinnen ab dem 60. Lebensjahr. In 64% der Fälle wurden noduläre und in 16% infiltrativ wachsende Basalzellkarzinome nachgewiesen. Andere morphologisch-histologische Erscheinungsformen traten mit einer Häufigkeit von ≤5% auf. Die häufigste Lokalisation war im Bereich der am meisten sonnenexponierten Regionen wie Nase, Mittelgesicht und Stirn zu finden.
Diskussion
Bei klinischem Verdacht auf ein infiltrativ wachsendes Basalzellkarzinom und im Fall zweifelhaft ausreichender Radikalität beim Primäreingriff muss die Forderung nach einer mehrzeitigen Vorgehensweise erhoben werden. Die funktionelle und ästhetische Qualität der Rekonstruktionsmaßnahmen war bei Nahlappenplastiken (90%) und Primärverschluss (86%) besser als bei freien Hauttransplantaten (30–54%). Aber auch freie Lappen und Epithesen besitzen bei den nachuntersuchten Patienten eine gute Akzeptanz.
Abstract
Background
Basal cell carcinomas are the most frequently occurring malignant tumors in the white population. They exhibit a multitude of histological/morphological forms.
Patients and method
All cases of basal cell carcinoma treated at the department for oral and maxillofacial and regional plastic surgery of the HELIOS hospital in Erfurt between 1976 and 2003 were analyzed and partly reexamined in a retrospective study.
Results
A total of 648 patients with 765 basal cell carcinomas were treated. Occurrences in females dominated those in males with a frequency distribution of 1.24:1. The average age was 70.6 years with a significantly larger number of female seniors above 60. In 64% of the cases the basal cell carcinomas were nodular, in 16% infiltrative. Other morphological/histological forms occurred with a frequency of ≤5%. The most frequent localizations were in of the regions of the highest sun exposure such as the nose, midface, and forehead.
Discussion
If an infiltrative basal cell carcinoma is suspected or insufficient radical primary surgery is presumed, plastic reconstruction should be postponed until free margins can be confirmed histologically. The functional and aesthetic quality of reconstruction was better using pedicled flaps (90%) and primary closure (86%) than using free skin transplants (30–54%). Nevertheless, free skin flaps and epitheses were found to be well accepted by the reexamined patients.
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Basalzellkarzinome zählen zu den häufigsten malignen Tumoren unter der weißhäutigen Bevölkerung [8, 9, 21]. Mit 80% weisen sie vor den Plattenepithelkarzinomen (16%) und den malignen Melanomen (4%) die höchste Inzidenz unter den malignen Hauttumoren auf [2]. Es handelt sich dabei um lokal destruierende Tumore, die in der Regel nicht metastasieren [5]. Die häufigste Lokalisation — ca. 80% — ist die Kopf-Hals-Region. Das Durchschnittsalter der Erkrankung liegt bei 50–60 Jahren. Während in den USA und Australien eine Geschlechtsverteilung zwischen männlich zu weiblich von 2:1 angegeben wird, gilt für den europäischen Raum ein gleichmäßiges Verteilungsmuster von 1:1 [4, 8, 13, 20]. Für die Entstehung der Basalzellkarzinome werden neben einer genetischen Disposition wie helle, pigmentarme Haut oder syndromale Erkrankungen vor allem eine hohe und lang andauernde UV-Exposition, aber auch eine langfristige Arsenexposition, medikamentöse Immunsuppression und Albinismus verantwortlich gemacht [7, 10, 15, 20]. Patienten mit Basalzellkarzinomen und Hautkarzinomen weisen darüber hinaus unter Bezugnahme auf eine große multizentrische Studie in den USA mit 93.676 Patienten 2,3-mal häufiger weitere Malignome auf, als es in der übrigen Population der Fall ist [17].
Basalzellkarzinome sind reich an morphologischen Varianten [18], was zu einer Vielzahl von Klassifikationen geführt hat. Die histologische Subtypisierung basiert auf Differenzierungsmustern, die auch in der aktuellen histologischen Klassifizierung der WHO zum Ausdruck kommen [11]. Folgende Einteilung wird empfohlen [4]:
-
1.
Noduläres Basalzellkarzinom (Subtypen: solid, adenoid, zystisch)
-
2.
Infiltratives Basalzellkarzinom (Subtypen: nichtsklerosierend, sklerosierend, desmoplastisch, morpheaartig)
-
3.
Fibroepitheliales Basalzellkarzinom
-
4.
Multifokales superfizielles Basalzellkarzinom (superfiziell multizentrisch)
-
5.
Basalzellkarzinom mit adnexoider Differenzierung (follikulär, ekkrin)
-
6.
Basosquamöses Karzinom
-
7.
Keratotisches Basalzellkarzinom
-
8.
Pigmentiertes Basalzellkarzinom
-
9.
Basalzellkarzinom beim Basalzellnävussyndrom
-
10.
Mikronoduläres Basalzellkarzinom
Die Therapie der Basalzellkarzinome wird in der Literatur genauso vielfältig beschrieben wie ihr histologisch-morphologisches Erscheinungsbild. Als Standard gilt die chirurgische Entfernung des Tumors mit histologischer Ergebnissicherung [3, 6, 16]. Als weitere Therapieverfahren werden die Strahlentherapie, lokal destruierende Verfahren wie die Kürettage, Kryotherapie, intraläsionale Chemotherapie, Lasertherapie, photodynamische Therapie sowie lokale medikamentöse Behandlungen mit 5-Fluorourazil, Interferon und Imiquimod angewandt. [1, 6, 12, 14, 19]. Letztere weisen jedoch bei ästhetisch gutem Sofortresultat bereits nach einem Jahr klinisch nachweisbare Rezidive in bis zu 20% der Fälle auf.
Material und Methode
In einer retrospektiven Studie wurde das Patientengut der Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie des HELIOS-Klinikums Erfurt — ehemals Medizinische Akademie Erfurt — der Jahre 1976–2003 analysiert. Dabei fanden ausschließlich Patienten mit einem chirurgisch behandelten und histologisch bestätigten Basalzellkarzinom Berücksichtigung. Einweisungen mit gleichlautender Verdachtsdiagnose, die sich in der feingeweblichen Untersuchung nicht bestätigten, wurden ausgeschlossen.
Die Auswertung erfolgte unter Berücksichtigung von Alter, Geschlecht und Lokalisation der Tumore. Ebenso wurden die histologisch-morphologischen Diagnosen mithilfe der WHO-Einteilung aufgeschlüsselt. Eine besondere Wertung erfuhren dabei Non-in-sano-Resektionen (R1-Resektionen) unter Berücksichtigung ein- und mehrzeitiger operativer Vorgehensweisen. Ebenso wurde anhand der Aktenlage eine Größenbestimmung der behandelten Tumore vorgenommen und die angewandten Rekonstruktionsverfahren analysiert. Hierbei wurde in die Gruppen Primärverschluss, regionäre und Nahlappen, Fernlappen einschließlich mikrochirurgisch anastomosierter Lappen, freie Hautransplantate und epithetische Versorgung differenziert.
Die behandelten Patienten wurden unabhängig vom sonst üblichen Tumor-Recall einer Nachuntersuchung mit standardisiertem Frage- und Befundbogen unterzogen. Kriterium für die Einbeziehung war neben der Erreichbarkeit der Probanden ein mindestens 12-monatiges Intervall seit der Behandlung. Die subjektive Gesamteinschätzung des Behandlungsergebnisses durch die Patienten wurde nach einem 4-Punkte-System erfasst: 1 = sehr gut, 2 = gut, 3 = befriedigend und 4 = unbefriedigend.
Postoperative Beschwerden wie Schmerz, Spannungsgefühl, Kälteempfindung, Parästhesien und Epiphora wurden nach Art und Häufigkeit ihres Auftretens registriert. Darüber hinaus wurden objektivierbare Kriterien erfasst und einer numerischen Auswertung zugeführt:
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1.
Visuelle und palpatorische Beurteilung der Kontur der Defektdeckung:
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im Hautniveau zur Umgebung,
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unter Niveau der umgebenden Hautregion,
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über Hautniveau bzw. erhabene oder wulstige Rekonstruktion.
-
-
2.
Visuelle Beurteilung der rekonstruierten Region unter Tageslichtbedingung:
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keine Differenz zur Umgebung,
-
diskrete, nicht störende Farbabweichung des rekonstruierten Bezirkes zur Umgebung,
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starke, ästhetisch auffällige Abweichung.
-
-
3.
Digitale Untersuchung der Hautbeweglichkeit im Bereich der Defektdeckung/Rekonstruktion:
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normale Beweglichkeit und
-
verminderte Beweglichkeit.
-
-
4.
Berührungsempfindlichkeit unter Zuhilfenahme des stumpfen Endes einer zahnärztlichen Sonde:
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Normästhesie,
-
Hyperästhesie,
-
Hypästhesie,
-
Anästhesie.
-
-
5.
Schmerzrezeption unter Verwendung einer Kanüle bzw. des spitzen Endes einer zahnärztlichen Sonde:
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Analgesie,
-
Hypalgesie,
-
keine Differenz zur Umgebung,
-
Hyperalgesie.
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-
6.
Temperaturempfindung unter Verwendung von Kältespray, der mit einem Watteträger appliziert wurde:
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Thermohypästhesie,
-
Thermonormästhesie,
-
Thermohyperästhesie.
-
Die gewonnenen Zahlenwerte wurden tabellarisch erfasst.
Ergebnisse
Im Zeitraum von 1976–2003 waren 648 Patienten mit insgesamt 765 histologisch gesicherten Basalzellkarzinomen behandelt worden. Mehrere Basalzellkarzinome bei ein und derselben Person wurden in 18% der Fälle (n=117) angetroffen. Darüber hinaus wurden in 23,6% weitere maligne oder benigne Zweitläsionen (n=153) nachgewiesen.
Im Unterschied zu den Literaturangaben dominierte in unserem Patientengut das weibliche Geschlecht mit 55,4% (männlich zu weiblich 1:1,24), was vor allem auf den größeren Anteil von Seniorinnen in den Altersgruppen ab dem 60. Lebensjahr zurückzuführen war (Abb. 1).
98,9% aller behandelten Basalzellkarzinome waren im Kopf-Hals-Bereich lokalisiert. Dabei wurden die meisten Befunde in den licht- und wetterexponierten Zonen des Gesichts wie Nase, Mittelgesicht, Augenlider und Stirn angetroffen. Bezogen auf die Gesichtsfelder lokalisierten sich somit 75% aller Basalzellkarzinome im Mittelgesichtsbereich (n=538) und 95% (n=685) oberhalb der Mundwinkel-Tragus-Ebene (Abb. 2).
82,3% der behandelten Basalzellkarzinome (n=630) wurden primär in unserem Haus therapiert. In 17,7% der Fälle (n=135) handelte es sich um andernorts vorbehandelte Geschwülste oder Rezidiverkrankungen.
Histologisch-morphologisch wurden in 64,4% (n=493) noduläre und in 15,1% (n=115) infiltrative Erscheinungsformen nachgewiesen. Fibroepitheliale (n=43), multifokale superfizielle (n=34), Basalzellkarzinome mit adnexoider Differenzierung (n=32) und andere Varianten (n=48) bewegten sich im Bereich von 5% und darunter.
Die organoide Differenzierung nodulärer Basalzellkarzinome zeigte mit 85% (n=415) eine deutliche Dominanz solider vor zystischen (7%, n=43), adenoid-zystischen (6%, n=32) und adenoiden (2%, n=12) Formen.
Bei der feingeweblichen Beurteilung der Absetzungsränder der Resektate beim Primäreingriff (n=675) wurde in 10% der Fälle (n=79) ein Heranreichen einzelner Tumorformationen oder sogar eine Randinfiltration beschrieben.
In der histologischen Analyse ist dieses Ergebnis hauptsächlich durch die infiltrierenden Wachstumsformen (n=115) zu verantworten, die mit 23% (n=27) R1-Resektionen auffällig wurden. Nicht zuletzt wird diese Aussage auch durch die Beurteilung ein- und mehrzeitiger Vorgehensweisen gestützt:
Auf den Erfahrungen der zurückliegenden Jahre basierend wird seit 1999 bei klinischem Verdacht auf das Vorliegen infiltrierend wachsender Basalzellkarzinome überwiegend ein mehrzeitiges Vorgehen (n=22) gewählt. In diesen Fällen wurde bei 18 Probanden (mehr als 80%) ein Heranreichen von Tumorausläufern an die Resektionsränder bei der primären Ablation beschrieben.
Anhand der Aktenlage konnte bei 77% der behandelten Basalzellkarzinome (n=590) eine Größenzuordnung vorgenommen werden. Danach wurden zwei Drittel der Patienten (n=383) mit einem Tumordurchmesser von 6–20 mm behandelt. Nur 16,3% (n=96) suchten die Klinik mit Geschwülsten unter 5 mm auf. 77 Patienten (13%) kamen mit Basalzellkarzinomen von 21–50 mm zur Behandlung. Tumorgrößen von mehr als 50 mm wurden nur in 5,8% der Fälle (n=34) registriert.
Die Tumorgröße und die morphologisch-histologische Diagnose beeinflussen wesentlich das Rekonstruktionsverfahren. So können kleine Basalzellkarzinome mit einem Durchmesser ≤5 mm meist gut durch einen Primärverschluss oder eine Verschiebelappenplastik behandelt werden. Größere Befunde erfordern in der Regel den Einsatz regionärer oder Nahlappenplastiken bzw. freier Hauttransplantate. Bei großen Defekten ist in Abhängigkeit von der Lokalisation neben Verfahren wie der Esser-Wangenrotation, großen Transpositionslappen, z. B. vom Skalp, in Verbindung mit freien Spalt- oder Vollhauttransplantaten zum Hebedefektverschluss auch der Einsatz von Fernlappen oder Epithesen angewandt worden (Abb. 3).
Von 646 im Beobachtungszeitraum behandelten Patienten konnten 159 mit 182 Basaliomen standardisiert nachkontrolliert werden. Die vergleichsweise geringe Anzahl von 24,5% lässt sich durch das in der Regel hohe Lebensalter der Patienten zu Behandlungsbeginn erklären.
Mit sehr gut und gut bewerteten 86% der Patienten subjektiv das Gesamtresultat der Behandlung nach Primärverschluss, 90% sogar nach Anwendung regionärer und Nahlappen und 80% nach freien Hauttransplantaten. Fernlappen und selbst Epithesen fanden eine sehr gute Akzeptanz (Tabelle 1).
28% der nachuntersuchten Patienten klagten postoperativ über zumeist erträgliche Beschwerden: Parästhesien, Schmerzzustände und Spannungsgefühl wurden dabei am häufigsten in den Gruppen der Hauttransplantate, regionären- und Nahlappenplastiken sowie Primärverschluss angegeben (Tabelle 2).
Bei der Bewertung der Kontur im Bereich der Defektdeckung wurde Folgendes registriert: 86% aller Primärverschlüsse lagen korrekt im Hautniveau. Bei den Nahlappenplastiken traf dies in etwa 77% der Fälle zu. Bei Verwendung freier Hauttransplantate dagegen konnte nur in 54% eine im Hautniveau liegende Kontur erzielt werden. Bei den nachuntersuchten Fernlappen war das in keinem Fall gelungen (Tabelle 3).
Ein ähnliches Ergebnis wurde bei der visuellen Beurteilung des Kolorits der rekonstruierten Region im Vergleich mit der autochthonen Haut bei Tageslicht erzielt. Erwähnenswert ist dabei auch die Farbabweichung bei epithetischem Ersatz. Hier spielt die von der Jahreszeit abhängige Pigmentierung der Haut eine große Rolle (Tabelle 4).
Ein weiteres Bewertungskriterium der wiederhergestellten Region war die digitale Prüfung der Hautbeweglichkeit. Diese war bei Primärverschlüssen mit 93%, bei Nahlappenplastiken mit 88% und bei Hauttransplantaten mit 63% im Normbereich. Die Ergebnisse der Fernlappenplastiken mit je einem Normalwert und einer verminderten Beweglichkeit erlauben keine statistische Wertung (Tabelle 5).
Mit ähnlichen Werten geben die Patienten auch das Berührungsempfinden als normal an. Während Hypästhesien mit Ausnahme der Fernlappen in allen Gruppen registriert wurden, traten Hyperästhesien im Sinne von Überempfindlichkeit bei freien Hauttransplantaten und in einem Fall beim Primärverschluss auf (Tabelle 6).
Die Schmerzrezeption und Temperaturempfindlichkeit wurden mit einem spitzen Gegenstand bzw. Kältespray überprüft und fügten sich mit ihren Ergebnissen im Wesentlichen in die bereits geschilderte Ergebnisverteilung ein (Tabelle 7 u. 8).
Fallbeispiele
Fall 1
Eine 80-jährige Patientin stellte sich mit einem alio loco primär behandelten keratotischen Basalzellkarzinom am linken inneren Lidwinkel in unserer Klinik vor. Der Operationsdefekt war mit einem subkutan gestielten Gleitlappen verschlossen worden (Abb. 4a). Das inzwischen aufgetretene Tumorrezidiv hatte die Orbita infiltriert, sodass eine durch feingewebliche Schnellschnittdiagnostik kontrollierte R0-Resektion nur durch Exenteratio orbitae und Resektion der periorbitalen Gewebe erzielt werden konnte (Abb. 4b). Der Defekt wurde durch einen großen Skalptranspositionslappen verschlossen. Der Sekundärdefekt wurde mit einem freien Spalthauttransplantat vom Oberschenkel versorgt (Abb. 4c). Es resultierte ein im ehemaligen Defektbereich befriedigendes ästhetisches Ergebnis, jedoch war die Patientin aufgrund des haarlosen Spalthauttransplantates im Skalpbereich, das sich zudem in Kolorit und durch eine Niveaudifferenz zur Umgebung unterschied, dauerhaft auf das Tragen einer Perücke angewiesen. Die Stirn musste regelmäßig rasiert werden (Abb. 4d).
Fall 2
Im Juni 1999 wurde ein damals 60-jähriger Patient in unsere Klinik eingewiesen, bei dem alio loco mehrfach ein infiltrierendes (sklerosierendes) Basalzellkarzinom temporofrontal links operativ entfernt worden war. Der Defekt war mit einem Vollhauttransplantat versorgt worden (Abb. 5a). Aufgrund der vorausgegangenen mehrfachen Operationen wurde das nun bestehende Basalzellkarzinomrezidiv mehrzeitig operiert. Insgesamt erfolgten drei Resektionsschritte, wobei aufgrund des Tumoreinbruchs in die linke Orbita eine Exenteratio orbitae nicht zu vermeiden war (Abb. 5b). Da das Periost und teilweise auch die Tabula externa reseziert werden mussten, war bei zögerlicher Granulationsrasenbildung der Defekt durch einen großen mikrochirurgisch mit den Fazialgefäßen anastomosierten Radialislappen (13,5×8,5 cm) verschlossen worden (Abb. 5c). Eine spannungsbedingte oberflächliche periphere Lappenrandnekrose wurde durch ein freies Hauttransplantat beherrscht. Nach fünfjährigem rezidivfreiem Beobachtungszeitraum stellt sich ein in Niveau und Kolorit zur Umgebung deutlich differenter Lappen dar (Abb. 5d). Jedoch ist die Stirn-Haar-Grenze im Wesentlichen unverändert geblieben, sodass der Patient bisher weitere Korrekturvorschläge abgelehnt hat.
Fall 3
Ein 91-jähriger Patient mit Zustand nach operativer Entfernung multipler Basalzellkarzinome präaurikulär und periorbital links sowie im Skalpbereich rechts hatte sich über mehrere Jahre der Nachkontrolle entzogen. Die aktuelle stationäre Einweisung erfolgte aufgrund eines histologisch nachgewiesenen infiltrierenden Basalzellkarzinomrezidivs am linken lateralen Lidwinkel mit Übergang auf den Bulbus oculi (Abb. 6a). Die mehrzeitige Tumorentfernung beinhaltete neben der Exenteratio orbitae auch die Resektion des Processus zygomaticus ossis frontalis. Nach Sicherung einer R0-Resektion und Aufbau einer ausreichenden Granulationsgewebsschicht im Defektbereich erfolgte die Wiederherstellung des Teguments mit frei verpflanzter Spalthaut vom Oberschenkel (Abb. 6b). Zur Vermeidung einer gesellschaftlichen Ausgrenzung wurde der Patient mit einer Epithese versorgt (Abb. 6c).
Diskussion
Bei 648 Patienten wurden 765 Basalzellkarzinome behandelt, was einer Multiplizität von 18% entspricht. Anders als in der Literatur [3, 13, 20] dargestellt dominierte in unserer Untersuchung das weibliche Geschlecht mit 55%, was auf den größeren Anteil von Patientinnen ab dem 60. Lebensjahr zurückzuführen war.
In zwei Drittel der Fälle wurden noduläre Basalzellkarzinome und nur in 16% infiltrativ wachsende Formen nachgewiesen, wobei die häufigsten Befunde im Bereich der am meisten sonnenexponierten Regionen wie Nase, Mittelgesicht und Stirn anzutreffen waren, was mit den Erfahrungen von Horn et al. [12], Tran et al. [20] und weiteren Autoren übereinstimmt. Die anderen morphologisch-histologischen Erscheinungsformen und Lokalisationen wurden mit ≤5% angetroffen.
Als Standard in der Behandlung der Basalzellkarzinome gilt die chirurgische Tumorentfernung mit histologischer Sicherung und Analyse der Resektatabsetzungsränder. Nur so kann in Übereinstimmung mit Breuninger et al. [4] eine hohe Rezidivprävention erreicht werden. Zwar ist das ästhetische Sofortresultat bei der Therapie großer Tumore oft nicht so gut, wie es von Panday [14] und Vidal u. Alomar [21] mit nichtablativen Verfahren beschrieben wird. Jedoch ist auch die Rezidivhäufigkeit signifikant niedriger als z. B. bei der photodynamischen Therapie [12] und wird im Wesentlichen neben der Ausdehnung und dem histomorphologischen Erscheinungsbild der Geschwulst nur von der Tumorfreiheit der Absetzungsränder beeinflusst. Ist erst ein Basalzellkarzinomrezidiv aufgetreten, ist dessen Behandlung deutlich problematischer als die Erstbehandlung der Erkrankung.
R1-Resektionen beim Primäreingriff, die am Gesamtpatientengut mit knapp 10% registriert wurden, waren überwiegend in Verbindung mit infiltrativen Basalzellkarzinomen aufgetreten. Somit sollte, wenn ein klinischer Verdacht auf das Vorliegen einer infiltrativen Wachstumsform und Zweifel an der ausreichender Radikalität bestehen, bei der Primäroperation ein mehrzeitiges Vorgehen empfohlen werden.
Kleinere Basalzellkarzinome können häufig durch Exzision des Befundes und durch einen primären Defektverschluss ausreichend behandelt werden. Dieses Verfahren gelangte in 20% aller Rekonstruktionen zur Anwendung.
Größere Befunde oder schwierige Lokalisationen konnten in über 50% der Fälle durch regionäre und Nahlappenplastiken versorgt werden. Aber auch freie Hauttransplantate bzw. Spalthauttransplantate wurden in 26,5% eingesetzt.
Große Fernlappenplastiken kamen selten (0,8%) und nur bei ausgedehnten Defekten mit weit unter sich gehenden Hohlräumen zum Einsatz. Epithesen (0,5%) wurden nur in den Fällen verwendet, in denen das hohe Alter mit reduziertem Allgemeinzustand und geringer Belastbarkeit der Patienten aufwendige rekonstruktive Maßnahmen ausschloss.
Das Behandlungsergebnis unter besonderer Berücksichtigung der angewandten Rekonstruktion wurde in den Gruppen Primärverschluss und Nahlappenplastik sowohl von den Patienten als auch vom Untersucher in 86–90% der Fälle als „gut“ und „sehr gut“ eingestuft.
Freie Hauttransplantate dagegen differierten in ihrer Bewertung. Während die Patienten mit dem Ergebnis überwiegend zufrieden waren, wurde das Resultat vom Untersucher kritischer bewertet. Vor allem Niveau- und Farbunterschiede zur ortsständigen Haut und ein höherer Anteil von Missempfindungen bei herabgesetzter Transplantatbeweglichkeit auf der Unterlage lassen dieses Verfahren ungünstiger erscheinen als Primärverschlüsse und lokale Lappenplastiken. Die günstigsten ästhetischen Ergebnisse zeigten dabei sowohl retroaurikuläre Vollhaut als auch Vollhauttransplantate von der Oberarminnenseite.
Epithesen und Fernlappen waren im zurückliegenden Untersuchungszeitraum nur als Ultima ratio eingesetzt worden. Dabei zeigten vor allem die mikrochirurgisch anastomosierten Lappen deutlich bessere funktionelle und ästhetische Resultate als z. B. große Skalptranspositionen in Kombination mit freien Hauttransplantaten zum Hebedefektverschluss. Kritisch gilt hierbei anzumerken, dass diese Verfahren jedoch die Früherkennung eines möglichen Rezidives erschweren können.
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Piesold, JU., Vent, S., Krüger, R. et al. Behandlungsergebnisse nach chirurgischer Therapie von Basalzellkarzinomen im Kopf-Hals-Bereich unter Berücksichtigung unterschiedlicher Rekonstruktionsverfahren. Mund Kiefer GesichtsChir 9, 143–151 (2005). https://doi.org/10.1007/s10006-005-0594-8
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Issue Date:
DOI: https://doi.org/10.1007/s10006-005-0594-8
Schlüsselwörter
- Infiltrative Basalzellkarzinome
- Lokalisation
- Sonnenexponierte Regionen
- Chirurgische Therapie
- Histologische Untersuchung