Zusammenfassung
Fragestellung
Ziel dieser Arbeit war es, die Treffsicherheit der nichtinvasiven Bürstenbiopsie einschließlich DNA-Bildzytometrie in der Routinediagnostik zu bestimmen.
Material und Methode
In unserer Untersuchung wurden prospektiv 1328 Mundschleimhautabstriche von 205 Patienten mit insgesamt 92 histologisch gesicherten Plattenepithelkarzinomen und 240 benignen Mundschleimhautläsionen zytologisch begutachtet und anschließend mithilfe der DNA-Bildzytometrie geprüft. Dabei wurden 47 Patienten mehrfach aufgrund rezidivierender Läsionen untersucht, 80 Patienten wiesen multiple Veränderungen der Mundhöhle auf.
Ergebnisse
Die zytologische Begutachtung der Präparate erzielte eine Sensitivität von 91,3% und eine Spezifität von 95,1%. Die nachfolgenden DNA-Messungen aller Präparate erreichten eine Sensitivität von 95,5% und eine Spezifität von 100%. Durch die kombinierte Auswertung der Zytologie und der DNA-Bildzytometrie konnte eine Steigerung der diagnostischen Treffsicherheit erreicht werden; die Sensitivität betrug dann 97,8% bei einer Spezifität von 100%. Der positive Vorhersagewert lag bei 100% und der negative Vorhersagewert erreichte 98,1%.
Schlussfolgerung
Die Anwendung der DNA-Bildzytometrie mit DNA-Aneuploidie als Marker für neoplastische Transformation in Mundschleimhautabstrichen sicherte die zytologische Diagnose von Mundkrebs. Zudem ermöglicht sie, die Dignität von morphologisch zweifelhaften Epithelveränderungen wie Dysplasien oder regenerativen Epithelien zu klären, indem sie die obligaten Präkanzerosen und die voraussichtlich bösartig verlaufenden Läsionen erkennt und eine frühzeitige effektive Therapie zulässt. Der Nachweis von DNA-Aneuploidie stellt somit die Indikation zur vollständigen chirurgischen Entfernung der Läsion mit histologischer Nachuntersuchung dar. Die DNA-Bildzytometrie als adjuvantes zytopathologisches Verfahren ist in der Lage, sowohl die Sensitivität als auch die Spezifität der nichtinvasiven Bürstenbiopsie der Mundschleimhaut zu erhöhen und die Rate von zytologisch falschnegativen und falschpositiven Diagnosen zu senken.
Abstract
Purpose
The aim of this prospective study was to investigate the diagnostic accuracy of DNA image cytometry in combination with non-invasive brush biopsies taken from suspicious oral lesions.
Material and methods
Cytological diagnoses obtained from 1328 exfoliative smears of 332 different lesions were compared with histology and/or clinical follow-ups of the respective patients. Additionally, nuclear DNA contents were measured after Feulgen restaining using a TV image analysis system. DNA aneuploidy was assumed if abnormal DNA stemlines or cells with DNA content greater than 9c were observed.
Results
The sensitivity of our cytological diagnosis in addition to DNA image cytometry on oral smears for the detection of cancer cells was 97.8%, specificity 100%, positive predictive value 100%, and negative predictive value 98.1%.
Conclusion
The application of DNA image cytometry with DNA aneuploidy as a marker for neoplastic transformation in oral smears secures cytologic diagnosis of carcinomas. Smears from brushings of all visible oral lesions are an easily practicable, cheap, noninvasive, painless, and safe screening method for detection of oral precancerous lesions and squamous cell carcinoma in all stages. We conclude that DNA image cytometry is a very sensitive and highly specific, objective, and reproducible adjuvant tool for identification of neoplastic cells in oral smears.
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Die Plattenepithelkarzinome der Mundhöhle gehören weltweit zu den zehn häufigsten Tumoren des Menschen. Die Inzidenz liegt in Europa bei 3–5%, wobei in der Bundesrepublik Deutschland jährlich 3000 Männer sowie 1000 Frauen an dieser Form des Krebses erkranken [25].
Trotz der Einführung neuer chirurgischer sowie strahlen- und chemotherapeutischer Methoden ist es in den letzten vier Jahrzehnten weltweit nicht gelungen, die Fünfjahresüberlebensrate zu erhöhen. So stirbt innerhalb dieses Beobachtungszeitraumes immer noch durchschnittlich die Hälfte der erkrankten Patienten. Bei frühzeitigem Erkennen und rechtzeitiger Behandlung ist diese Form des Krebses jedoch heilbar.
Nur durch eine frühzeitige und rasche Abklärung unklarer Mundschleimhautveränderungen wird es möglich sein, die unakzeptabel hohe Mortalität und Morbidität des oralen Plattenepithelkarzinoms zu senken. Probeexzisionen sind als Methode für die Früherkennung des oralen Plattenepithelkarzinoms wegen ihrer invasiven Vorgehensweise in der (zahn)ärztlichen Praxis nur bedingt geeignet. Seit 1997 wird in unserer Klinik ein interdisziplinär entwickeltes nichtinvasives Verfahren angewendet, das ohne großen technischen und zeitlichen Aufwand dem niedergelassenen (Zahn-)Arzt ermöglicht, eine Dignitätsabklärung unklarer Mundschleimhautbefunde zu erreichen.
Ziel unserer Untersuchungen war es, die Treffsicherheit der nichtinvasiven Bürstenbiopsie kombiniert mit der DNA-Bildzytometrie im Vergleich zur Histologie an krebsverdächtigen Läsionen der Mundschleimhaut in der Routinediagnostik zu bestimmen.
Material und Methode
Im Zeitraum von November 1997 bis Dezember 2002 wurden prospektiv an 205 Patienten 1328 Abstriche mit daraus resultierenden 322 zytologischen Diagnosen gewonnen. Dabei wurden 47 Patienten aufgrund rezidivierender Läsionen mehrfach untersucht, 80 Patienten zeigten multiple Veränderungen der Mundhöhle. Diese Patienten suchten die Poliklinik der Klinik für Mund-, Kiefer- und Plastische Gesichtschirurgie der Universität Leipzig entweder selbstständig oder aufgrund einer Überweisung ihres (Zahn-)Arztes zur Abklärung tumorverdächtiger Läsionen der Mundschleimhaut auf. Im Rahmen der oralmedizinischen Vorfelddiagnostik [21] erfolgte mithilfe eines Zellkollektors die Gewinnung repräsentativer Zellen der unklaren Veränderung aus der Mundhöhle (Abb. 1). Die entsprechenden Gewebeproben wurden in der Regel eine Woche nach Abstrichentnahme (nach Vorliegen der zytologischen Begutachtung) gewonnen, bei klinisch manifesten Plattenepithelkarzinomen im direkten Anschluss an die Bürstenbiopsie bei Vorliegen der radiologischen Ergebnisse im Rahmen präoperativer Staginguntersuchungen.
Die alkoholfixierten und getrockneten Präparate wurden anschließend nach Papanicolaou gefärbt und von einem erfahrenen Zytopathologen untersucht. Die Auswertung der Präparate erfolgte gemäß den allgemein akzeptierten diagnostischen Kriterien [2, 3]. Die Ergebnisse wurden in folgende Kategorien zytologischer Diagnosen eingeteilt:
-
sicher negativ für unauffällige, reaktive oder entzündliche Zellbilder,
-
nicht sicherer Nachweis von bösartigen Zellen in Fällen mit abnormen Zellveränderungen (z. B. mit leichten oder mäßigen Dysplasien),
-
mit dringendem Verdacht auf das Vorliegen von Tumorzellen bei nur wenigen atypischen Zellen oder bei nicht sicheren Malignitätskriterien atypischer Zellen (schwere Dysplasie) oder
-
sicher positiv bei Vorliegen eindeutig maligner Zellen [7].
Präparate mit den zytologischen Diagnosen „sicher negativ“ oder „ohne sicheren Nachweis“ wurden als „ohne Anhalt für das Vorliegen von Malignität“ gewertet. Sie erhielten in unserer Auswertung zusammengefasst die Wertung „tumorzellnegativ“. Fälle mit den Diagnosen „mit dringendem Verdacht“ oder „sicher positiv“ wurden als Präparate mit dem dringenden Verdacht bzw. dem Vorliegen von Malignität eingestuft und bekamen zusammengefasst die Wertung „tumorzellpositiv“ [5].
Anschließend wurde für die Messung des DNA-Gehaltes der Zellkerne eine Umfärbung nach Feulgen mithilfe des modifizierten Färbeautomaten Varistain 23-4 (Shandon, Runcorn, UK) vollautomatisch durchgeführt. Das Färbeschema erfolgte gemäß Böcking et al. [6, 8]. Es handelt sich hierbei um eine quantitative Färbung der Zellkern-DNA nach Feulgen u. Rossenbeck [10]. Zur fotometrischen Messung der integrierten optischen Dichte (IOD) der nach Feulgen umgefärbten Zellkerne wurde das System QUIC-DNA der Firma Tripat (Burlington, USA) in Kombination mit einem konventionellen Lichtmikroskop der Firma Zeiss (Jena) verwendet. Das Mikroskop ist mit einem PC-basierten Fernsehbild-Analysesystem gekoppelt. Durch die Messung von 30 Referenzzellen (normalen Plattenepithelzellen) wird mithilfe ihres mittleren IOD-Wertes der DNA-Gehalt von 2c (c=“content“) ruhender normaler Epithelien festgelegt. Zur Qualitätssicherung musste der Variationskoeffizient (CV) der Referenzzellpopulation kleiner als 5% sein [6, 8, 15]. Die Leistungsdaten des Systems entsprachen den strikten Standards der European Society for Analytical Cellular Pathology (ESACP) für die Diagnostik mittels DNA-Zytometrie [8, 12, 15, 16, 23].
Eine Population normaler proliferierender Zellen zeigt in einem DNA-Histogramm einen ersten Häufigkeitsgipfel bei 2c und einen zweiten bei 4c (G0/G1- bzw. G2/M-Phase im Zellzyklus). Als DNA-Aneuploidie bezeichnet man DNA-Verteilungen von Zellpopulationen, die sich statistisch signifikant von denen normaler (ruhender, proliferierender oder polyploider Zellen) unterscheiden. Bei der Erfüllung einer der nachfolgenden Kriterien wurde eine DNA-Verteilung als aneuploid interpretiert:
-
1.
Vergleich der Referenzzellpopulation mit der G0/G1-Phase-Fraktion der Analysezellpopulation ergibt eine abnorme Stammlinie, wenn ihr Modalwert um 10% vom normalen 2c-Gehalt abweicht, d. h. wenn Stammlinienwerte von <1,80c >2,20c bzw. <3,60c >4,40c auftreten [8].
-
2.
Zellen mit einem DNA-Gehalt größer als 9c (9cEE) werden nachgewiesen [7].
Die in den Abb. 2, 3, 4 u. 5 dargestellten Histogramme zeigen Beispiele für euploide und aneuploide DNA-Verteilungen benigner und maligner Mundschleimhautveränderungen.
Ergebnisse
Das Untersuchungsgut bestand aus insgesamt 332 zytologischen Diagnosen von 205 Patienten. Die endgültigen Diagnosen der 332 Fälle ergaben 92 verschiedene histologisch gesicherte orale Plattenepithelkarzinome (darunter 83 primäre Karzinome und 9 Rezidiv- bzw. Zweittumoren), 93 Leukoplakien nach WHO-Kriterien [30] sowie 142 entzündliche oder andere gutartige Mundschleimhautveränderungen (Tabelle 1, 2). Da nicht in jedem Fall von gutartigen Mundschleimhautveränderungen ein histologisches Follow-up existierte, wurden für die Verlaufsbeurteilung die klinischen Follow-ups ebenfalls zur Auswertung herangezogen. Von insgesamt 240 Präparaten gutartiger Mundschleimhautveränderungen wurden 101 Präparate histologisch untersucht. 139 Fälle wurden ausschließlich anhand des klinischen Follow-ups begutachtet. Das Patientenkollektiv setzte sich aus 127 Männern und 78 Frauen zusammen, deren Alter bei Diagnosestellung zwischen 20 und 88 Jahren lag. Das Durchschnittsalter aller Patienten betrug 59,3 Jahre (SD±13,6 Jahre). Mit einem mittleren Alter von 62,4 (SD±14,7 Jahren) waren die Frauen bei der Diagnosestellung durchschnittlich 5,1 Jahre älter als die Männer (mittleres Alter 57,3; SD±12,6 Jahre). Das Durchschnittsalter der Tumorpatienten lag bei 60,3 (SD±12,4 Jahre). Die Frauen waren mit einem mittleren Alter von 64,8 (SD±12,1 Jahre) im Schnitt 5,9 Jahre älter als die Männer (mittleres Alter 58,9; SD±12,2 Jahre).
Die zytologischen Diagnosen der 240 Präparate gutartiger Veränderungen der Mundschleimhaut setzten sich wie folgt zusammen (Tabelle 3): 208 Fälle mit der Diagnose „sicher negativ“, 27 Fälle „ohne sicheren Nachweis von Tumorzellen“, 2 Präparate „mit dringendem Verdacht“ und 3 Fälle „sicher positiv“ (Nachweis bösartiger Zellen). Die Ergebnisse der DNA-Zytometrie der Präparate lauteten in allen negativen Fällen: DNA-nichtaneuploid.
Die zytologischen Gutachten der 92 Tumorpatienten lauteten wie folgt (Tabelle 4): 68 Fälle „sicher positiv“, 16 Fälle mit „dringendem Verdacht auf das Vorliegen von Tumorzellen“, 5 Fälle „ohne sicheren Nachweis von Tumorzellen“ und 3 Präparate „sicher negativ“. Die nachfolgende DNA-Zytometrie war in drei Fällen technisch nicht durchführbar, da nicht genügend oder nicht messbare Zellen (z. B. wegen Kernüberlagerungen) zur Verfügung standen. 85 Präparate wiesen eine DNA-Aneuploidie auf, 4 Präparate zeigten keine DNA-Aneuploidie. Bei diesen vier Präparaten konnten in einem Fall nur 89 Zellen, bei den übrigen Präparaten jeweils 288, 304 und 309 Analysezellen gemessen werden. Die Kombination von DNA-Aneuploidie—abnorme Stammlinien und Zellen größer als 9c—trat mit 58,8% am häufigsten auf. Das Merkmal Zellen größer als 9c alleine war mit 25,9%, das Auftreten abnormer Stammlinien allein war mit 15,3% vertreten (Tabelle 5).
Für die DNA-Zytometrie wurden vier Fälle als falschnegativ gewertet, da in der histologischen Begutachtung ein Carcinoma in situ bzw. in drei Fällen jeweils ein Plattenepithelkarzinom diagnostiziert wurde. Dies entsprach einer Sensitivität für die DNA-Zytometrie alleine von 95,5%.
Fasst man die Maßzahlen der diagnostischen Treffsicherheit zusammen, beträgt die Sensitivität der konventionellen Exfoliativzytologie im Vergleich zur Histologie 91,3%, die der DNA-Bildzytometrie 95,5%. Die Spezifität der Zytologie alleine lag bei 95,1%, die der DNA-Zytometrie bei 100%. Der positive Vorhersagewert der Zytologie erreichte einen Wert von 95,4%, die der DNA-Zytometrie einen von 100%. Der negative Vorhersagewert der Zytologie alleine betrug 92,3%. Die DNA-Zytometrie erreichte einen Wert von 96,2%. Die Kombination der Zytologie mit der DNA-Zytometrie erhöhte die Sensitivität für die Erkennung von malignen Zellen auf einen Wert von 97,8%. Die Spezifität für die Erkennung nichtneoplastischer Zellen lag somit bei 100%. Der positive Vorhersagewert betrug 100%, der negative Vorhersagewert 98,1% (Tabellen 6, 7 und 8).
Unter Berücksichtigung des klinischen Follow-ups mit einem Beobachtungszeitraum von durchschnittlich 42 Monaten in 139 Fällen mit klinisch benignen Veränderungen, bei denen kein histologisches Material gewonnen werden konnte (z. B. vollständige Rückbildung der Läsion, Patient lehnte invasive Diagnostik ab), erhöhte sich der negative Vorhersagewert auf 99,1%. Die übrigen Maßzahlen der diagnostischen Treffsicherheit blieben unverändert.
Diskussion
Die Prinzipien der oralen Exfoliativzytologie wurden bereits in den 50er- und 60er-Jahren des letzten Jahrhunderts klinisch mithilfe eines Watteträgers in der Mundhöhle erprobt, wobei die erzielte Treffsicherheit eher enttäuschend war [1, 11, 20, 24] und Studien mit verbesserter Sensitivität und Spezifität keine Beachtung fanden [17, 18, 19, 20, 26]. Somit stellt die histologische Begutachtung nach chirurgischer Probeentnahme immer noch den „Goldstandard“ für die Abklärung unklarer Mundschleimhautveränderungen dar, obwohl nur wenige Informationen über die Maßzahlen der diagnostischen Treffsicherheit dieser Methode zu finden sind.
Guinta et al. [13] zeigten, dass 2,5% der primär durchgeführten chirurgischen Probeentnahmen durch den Pathologen nicht korrekt diagnostiziert wurden, was in einer Sensitivität von nur 97,5% für die histologische Aufarbeitung resultierte. Die Sensitivität für die Histologie lag in unserer Studie für die Erkennung des Mundkrebses bei 95,6%, die Spezifität bei 100%. Sudbø et al. [28] berichten in einer retrospektiven Studie, dass von 150 Patienten mit der histologischen Diagnose einer oralen Dysplasie 36 Patienten im weiteren klinischen Verlauf ein orales Plattenepithelkarzinom entwickelten. Die Auswertung des archivierten Biopsiematerials mithilfe der DNA-Bildzytometrie ergab folgende Ergebnisse: 105 Fälle waren diploid, von denen 3 im Beobachtungszeitraum maligne entarteten; im Gegensatz dazu entarteten 21 von 25 aneuploid gewerteten Fällen. Dies entsprach einem negativen Prädiktionswert von 97% für diploide Läsionen und einem positiven Prädiktionswert von 84% für aneuploide Läsionen. Hinsichtlich der Prognoserelevanz erwies sich der histologische Dysplasiegrad als völlig unbrauchbar: Die Patienten mit leichten und mittleren Dysplasien hatten eine schlechtere Prognose für das Auftreten eines Karzinoms als die mit schweren Dysplasien. Zog man dagegen die Ergebnisse der DNA-Bildzytometrie zur Prognose heran, zeigte sich, dass die diploiden und die tetraploiden Fälle eine signifikant bessere Prognose aufwiesen, als dies bei den aneuploiden Dysplasien der Fall war.
Brickley et al. [9] untersuchten mithilfe eines computerbasierten neuronalen Netzwerkes 348 Abstriche sowohl von normaler Schleimhaut als auch von dysplastisch veränderter bzw. maligner Mundschleimhaut unter Berücksichtigung zellmorphologischer Aspekte. Mit einer Spezifität von 82% und einer Sensitivität von 76% konnte das System eine Dignitätsunterscheidung treffen. Sciubba et al. [27] stellten eine computergestützte zytologische Analyse vor (Oral CDX), die speziell zur Erkennung von epithelialen präkanzerösen und kanzerösen Zellen entwickelt wurde. Hierbei handelt es sich um ein Sortiersystem, das abnorme Zellmorphologie und abnorme Keratinisierung als Kennzeichen von Dysplasien bzw. Malignität heranzieht. Die vom Bildanalysesystem detektierten Zellen werden dem Pathologen in einer Bildergalerie auf einem Bildschirm zur Begutachtung präsentiert. Die bisher umfangreichste Studie zu diesem System untersuchte 995 Abstrichpräparate, die Sensitivität wurde mit 100% angegeben. Dabei stellten aber 7,1% der chirurgisch entfernten Läsionen mit zytologischen Atypien gutartige histologische Diagnosen dar und hätten nicht operativ entfernt werden müssen. Das Verfahren verhilft nicht zu einer endgültigen Diagnose in Bezug auf die An- oder Abwesenheit von Malignität, wie es die hier vorgestellte Methode ermöglicht, welche sich zudem mit der histologischen Beurteilung messen und Probeexzisionen vermeiden kann.
In unserer Studie lieferten chirurgische Probeexzisionen von vier Patienten mit unklaren Veränderungen anfänglich histologisch keinen Anhalt für das Vorliegen von Malignität, während Zytologie und DNA-Zytometrie eindeutig bösartige Zellen bzw. DNA-Aneuploidie feststellten. Erst weitere Biopsien bzw. die vollständige Entfernung der Läsionen waren in der Lage, die zytologischen und DNA-zytometrisch frühzeitig erkannten Plattenepithelkarzinome als solche histologisch zu verifizieren. Dies bedeutete für die Patienten eine Verschleppungszeit bis zur korrekten histologischen Diagnose ihres Mundkrebses von bis zu 15 Monaten. Bei einer Erkrankung, deren Heilungschancen signifikant von der frühzeitigen Erkennung abhängen, ist dies keine unerhebliche Verzögerung [22].
In der hier präsentierten Studie werteten wir die zytologischen Diagnosen „sicher tumorzellpositiv“ und „mit dringendem Verdacht auf das Vorliegen von Tumorzellen“ als Beweis für das Vorliegen bösartiger Zellen. Die nachfolgende histologische Begutachtung bestätigte in 84% der Fälle das Vorhandensein eines Plattenepithelkarzinoms der Mundhöhle. Acht weitere histologisch gesicherte Karzinome wurden zytologisch als negativ, acht Fälle als „ohne sicheren Nachweis von Tumorzellen“ bewertet. Die nachfolgende DNA-zytometrische Messung konnte bei sechs von diesen Fällen eine DNA-Aneuploidie feststellen. Die übrigen zwei Fälle waren DNA-euploid. Bei dem ersten falschnegativen Fall handelte es sich um einen Patienten mit einem Tumorrezidiv, das unter einem bereits transplantierten Radialislappen wuchs. Damit lässt sich erklären, dass die Bürste keine Tumorzellen aufnehmen konnte, da das oberflächliche Epithel intakt war. Im zweiten Fall sind keine besonderen Umstände bekannt, sodass es sich hier vermutlich um einen sog. „geographic error“ des Behandlers bei der Entnahme handelt, da auch die Zweitbegutachtung des zytologischen Präparates keinen Hinweis für Tumorzellen ergab.
An zwei Tumorpräparaten konnte kein aneuploider DNA-Gehalt festgestellt werden, wobei die zytologische Diagnose „mit dringendem Verdacht auf das Vorliegen von Tumorzellen“ lautete. Zu berücksichtigen ist in einem Fall, dass insgesamt nur 89 Analysezellen und 30 Referenzzellen gemessen werden konnten. Hier hätte der Abstrich wiederholt werden müssen, da eine zu geringe Anzahl repräsentativer Zellen auf dem Objektträger vorhanden und somit die Abstriche technisch unzureichend waren. Dies bekräftigt die Forderung nach dem Vorliegen von mindestens 300 Analysezellen und 30 Referenzzellen, um eine aussagekräftige DNA-Messung zu erhalten.
Wie die Auswertung der verschiedenen Aspekte der DNA-Aneuploidie zeigte, wurde in 22 Fällen das Plattenepithelkarzinom nur durch die Detektion einzelner Zellen mit einem DNA-Gehalt >9c ermöglicht. Ebenso machte diese Auswertung deutlich, dass die kombinierte Anwendung beider Algorithmen, nämlich die Interpretation der DNA-Stammlinien (abnorme Lage) und die Detektion der Zellen >9c (sog. „rare events“), die Erkennungsrate von Karzinomen erhöht. Wir führen die gezeigte hohe Prävalenz von DNA-Aneuploidie auf eine hohe Präzision der DNA-Messung und auf die Verwendung dieser beiden Algorithmen zurück. Keine vergleichbare adjuvante Diagnosemethode in der Zytopathologie weist ein höheres Niveau der Standardisierung auf als die DNA-Bildzytometrie [8, 12, 14, 15].
Da die Prävalenz von DNA-Aneuploidie bei Plattenepithelkarzinomen sehr hoch, bei benignen Veränderung der Mundschleimhaut dagegen gleich null ist, bietet sich dieser Marker zur Identifikation maligner Mundschleimhautzellen an. Die orale nichtinvasive Bürstenbiopsie ist als adjuvante Untersuchungstechnik zur Überwachung von Leukoplakien, Erythroplakien oder Lichen sowie zur (Früh-)Erkennung oraler Plattenepithelkarzinome angezeigt. Somit ist eine treffsichere und reproduzierbare Diagnostik unklarer Veränderungen der Mundschleimhaut in Kombination mit einer DNA-zytometrischen Untersuchung mit einer einfach durchzuführenden, nichtinvasiven Bürstenbiopsie möglich. Diese Entnahmetechnik stellt eine für den Patienten nur gering belastende Methode zur Mundkrebsfrüherkennung dar. Die gesetzlichen Krankenversicherungen in Deutschland erstatten die Gewinnung von Zellmaterial aus der Mundhöhle seit dem 01.01.2004 im Rahmen einer neuen Gebührenordnungsziffer (05) des Bewertungsmaßstabs für Zahnärzte.
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Teilergebnisse dieser Studie waren Inhalt zweier Vorträge auf der Jahrestagung des Arbeitskreises für Oralmedizin und Oralpathologie, 30.5.–01.06.2003 in Bad Homburg v.d.H.
Ein positives Votum der Ethikkommission der Universität Leipzig zur Durchführung dieser klinischen Studie liegt vor.
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Remmerbach, T.W., Mathes, S.N., Weidenbach, H. et al. Nichtinvasive Bürstenbiopsie als innovative Methode in der Früherkennung des Mundhöhlenkarzinoms. Mund Kiefer GesichtsChir 8, 229–236 (2004). https://doi.org/10.1007/s10006-004-0542-z
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