Erst die Verwendung alloplastischer Gefäßimplantate hat die chirurgische Behandlung zahlreicher vaskulärer Erkrankungen ermöglicht. Im Gegensatz zu körpereigenen Geweben sind Gefäßimplantate anfällig für eine bakterielle Besiedlung mit konsekutiver Ausbildung eines Protheseninfekts. Infektpräventive Maßnahmen in der rekonstruktiven Gefäßchirurgie verfolgen verschiedene Ansätze.

Hintergrund

Ein Protheseninfekt stellt meist eine katastrophale Situation dar und geht häufig mit Majoramputationen oder letalen Komplikationen einher. Die Rate an Protheseninfekten wurde, abhängig von der Lokalisation des Implantats, bislang mit 0,5–5% angegeben, allerdings scheint diese in den letzten Jahren eher steigend zu sein [2, 33, 50, 64]. Bei infrainguinalen alloplastischen Bypassrekonstruktionen liegt die Infektrate bei bis zu 18% [6]. Neben den selbstverständlichen Maßnahmen einer chirurgischen Asepsis werden verschiedenste Ansätze verfolgt, die Gefäßprothesen weniger anfällig für Infektionen machen sollen. Im Folgenden wird eine kommentierte Übersicht über den aktuellen wissenschaftlichen Stand zur Infektratensenkung nach alloplastischen Gefäßrekonstruktionen gegeben.

Pathophysiologische Aspekte des Protheseninfekts

Das nötige bakterielle Inokulum für die erfolgreiche Genese einer postoperativen Wundinfektion ist um den Faktor 10.000-mal geringer, wenn ein Fremdkörper im Gewebe vorhanden ist [29]. Die Kontamination von alloplastischen Implantaten mit bakteriellen Mikroorganismen wird durch die feste Anhaftung der Bakterien an der Implantatoberfläche (bakterielle Adhärenz) und die Ausbildung eines Biofilms begünstigt [16].

Bakterielle Adhärenz und Ausbildung eines Biofilms begünstigen die Kontamination

Der Biofilm verhindert, dass körpereigene immunologische Abwehrmechanismen oder verabreichte antimikrobielle Substanzen (Antibiotika) die bakterielle Besiedlung beseitigen können, was ein weiteres Bakterienwachstum und die Ausbildung eines zunächst lokalen, später auch systemischen Infektgeschehens zur Folge hat. Experimentell konnte gezeigt werden, dass unter Verwendung eines rifampicinempfindlichen Staphylococcus-epidermidis-Stamms selbst bei einer extrem hohen Rifampicinkonzentration von 1,2 mg/ml bei Anwesenheit eines Biofilms nur etwa die Hälfte aller Biofilmträgerproben von S.  epidermidis eradiziert werden konnte [19]. Die Wege, auf denen Bakterien Kontakt mit dem implantierten Prothesenmaterial erhalten, sind vielfältig und nach Manifestation der Infektion oft schwer nachvollziehbar [27, 31]. Es gibt wenige gesicherte Erkenntnisse darüber, welchen Anteil die verschiedenen Kontaminations- und Infektionswege am Gesamtkollektiv der Protheseninfekte haben. Sicher ist, dass ein wesentlicher Anteil der Infektionen durch die Hand des Chirurgen bzw. durch das an der Operation beteiligte Team ausgelöst wird.

Nicht selten geht dem Protheseninfekt eine Wundproblematik des Operationszugangs voraus [1, 64]. Insofern sind alle Maßnahmen zur Reduktion von „surgical site infections“ (SSI) als Prophylaxe eines tiefen Protheseninfekts anzusehen. Das Ausmaß der chirurgischen Intervention ist ein wesentlicher Risikofaktor für die Entstehung eines SSI. So haben sich die Operationszeit, eine intraoperative Hypothermie, nichtkorrekt eingestellte perioperative Glucosewerte und die Gabe von Bluttransfusionen als Risikofaktoren für eine SSI nach gefäßchirurgischen Eingriffen erwiesen [22]. Eine kürzlich veröffentlichte, prospektive, multizentrische Beobachtungsstudie aus Finnland berichtet eine postoperative Wundinfektionsrate nach gefäßchirurgischen Eingriffen von immerhin 27%. Solche Infekte verlängern den stationären Aufenthalt, verursachen eine Verdoppelung des Risikos für Bypassverluste und bedingen eine höhere Reoperationsrate [22].

Ein weiterer Mechanismus, der zur bakteriellen Besiedlung eines Gefäßimplantats führt, ist die hämatogene (Bakteriämie) bzw. die lymphogene Streuung von Mikroorganismen. Freisetzung von Bakterien durch Verletzungen des Magendarm- bzw. Urogenitaltrakts kann ebenfalls ein Infektionsweg sein. Patientenfaktoren, wie hohes Alter, Vorliegen eines Diabetes mellitus, Malnutrition oder immunsuppressive Medikamente, können ferner die Ausbildung einer Infektion begünstigen. Die Vermeidung jeder postoperativen, nosokomialen Infektion verringert letztlich das Risiko für einen Protheseninfekt [64].

Maßnahmen zur Verbesserung der chirurgischen Asepsis

Die Einhaltung der Grundsätze der chirurgischen Asepsis ist als eine der wesentlichen und effektivsten Maßnahmen zur Verhinderung eines Protheseninfekts anzusehen. Hierzu soll auch auf die entsprechenden Empfehlungen der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention des Robert Koch-Instituts verwiesen werden [34].

In einer randomisierten Studie zur Frage, ob ein intraoperativer Handschuhwechsel kurz vor der Implantation einer Gefäßprothese die Zahl an bakteriellen Kontaminationen senken kann, zeigte sich, dass von 92,5% aller Prothesen und 33% der Handschuhe Bakterien isolierbar waren [68]. Dies war jedoch unabhängig davon, ob ein Handschuhwechsel stattgefunden hatte oder nicht. Signifikant geringer war allerdings aufgrund des Handschuhwechsels die Zahl der Prothesen, die mit mehr als einer Bakterienspezies besiedelt waren, was zumindest einen gewissen präventiven Effekt dieser Maßnahme vermuten lässt. Ähnlich hohe Raten an intraoperativ kontaminierten Handschuhen (ca. 20%) direkt vor Prothesenimplantation haben sich auch bei orthopädischen Operationen gefunden [10]. Ob sich die Rate an klinisch manifesten Infektionen durch einen Handschuhwechsel senken lässt, konnte wegen der geringen Patientenzahlen nicht beantwortet werden [10, 68]. Mikroperforationen von Operationshandschuhen werden bereits in 15% nach 90-min- und in 24% nach 150-min-Tragezeit beobachtet [49]. Bakterielle Migrationen durch solche Mikroperforationen sind möglich [24]. Auch wenn die klinische Relevanz dieser Daten zunächst noch unklar bleibt, empfiehlt sich bei der Implantation von Gefäßprothesen ein wiederholtes Wechseln (ca. alle 90 min) oder das Tragen von doppelten Handschuhen.

Eine intraoperativ durchgeführte Hautantiseptik mit alkoholischen Präparaten ist lediglich in der Lage, rasch und vollständig transiente Erreger von der Hautoberfläche zu eliminieren. Wegen der enorm hohen Bakterienzahlen der residenten Hautflora verbleiben aber durchschnittlich 1 log koloniebildende Einheiten residenter Bakterien auf der Haut, und in Talg- und Schweißdrüsen habitierende Mikroorganismen werden durch diese Maßnahme fast nicht reduziert. Die residente Flora besiedelt überwiegend das Stratum corneum sowie die distalen Abschnitte von Haarfollikeln und Talgdrüsenausführungsgängen; nur etwa ein Fünftel ist in einer Tiefe  > 0,3 mm zu finden. Die residente Flora enthält vorwiegend S. epidermidis (in 25% aller Hautbiopsiestücke nachweisbar), weitere koagulasenegative Staphylokokken, Coryneforme wie Propionibacterium-, Corynebacterium-, Dermabacter- und Microccocus-Spezies, ferner Pityrosporum-Spezies. Diese können durch Transpiration der Patienten die Hautoberfläche wieder kolonisieren, so den chirurgischen Zugangsweg kontaminieren und Protheseninfektionen auslösen. Aus diesem Grund verwendet man gerade bei der Einbringung alloplastischer Implantate Folien, die eine Versiegelung der Haut bewirken sollen. Unterstützt wird diese Versiegelung durch die zusätzliche Imprägnierung der Folie mit Jod (z. B. Ioban™-Folie). Hierdurch soll der Folie ein bakterizider Effekt hinzugefügt werden. Experimentelle Studien zur Wirksamkeit dieses Prinzips scheinen widersprüchlich zu sein. In einer Untersuchung von Manncke u. Heeg [45] aus den 1980er Jahren wurde kein signifikanter bakterizider Effekt gesehen. Kramer et al. [36] zitieren jedoch in ihrer Übersichtsarbeit eine bislang nur als Poster veröffentlichte Arbeit, die eine deutliche Reduktion der Erregerzahl v. a. für Staphylokokken im Testsystem zeigte. Sicher scheint jedoch, dass jodimprägnierte Folien in der klinischen Situation in der Lage sind, die bakterielle Hautflora zu reduzieren und die Wundkontamination zu verhindern [12, 15, 40]. Der Nutzen von Inzisionsfolien erbrachte laut einer jüngsten Cochrane-Analyse keine signifikante Reduktion der Rate an SSI und hatte damit keinen Einfluss auf das postoperative Outcome [66]. Auch die Jodimprägnierung dieser Folien, die in zwei Studien mit insgesamt 1113 Patienten untersucht wurde, ergab zwar eine trendweise, aber keine signifikante Reduktion der SSI-Rate. Vermutlich ist jedoch eine Outcome-Verbesserung ohnehin nur bei größeren Stichproben zu erwarten (mindestens N = 10.000; [36]). Eine evidenzbasierte Empfehlung zur Verwendung jodimprägnierter Folien bei der Implantation von Gefäßprothesen kann also derzeit nicht gegeben werden, allerdings sind auch keine Nebenwirkungen bei einer 2%igen Jodierung beobachtet worden.

Präoperative Hautantisepsis

Verschiedene präoperative Hautpräparationen vor gefäßchirurgischen Eingriffen, inklusive präoperative antiseptische Bad- oder Duschprotokolle am Abend vor der Operation, konnten keinen Nutzen dieser Maßnahmen auf die Reduktion postoperativer Wundinfektionen feststellen [58, 59]. Eine Cochrane-Analyse bestätigt diese Ergebnisse auch für andere chirurgische Bereiche [67].

Demgegenüber gilt die unmittelbar vor der Hautinzision durchzuführende Hautantiseptik mithilfe eines gefärbten antimikrobiellen Hautantiseptikums als Standard und wird bei fast keinem operativen Eingriff mit Durchtrennung der intakten Haut unterlassen. Durch die unmittelbar vor Durchtrennung des Integuments durchgeführte Hautantiseptik soll erreicht werden, dass transiente Flora gänzlich und residente Hautflora in ihrer Erregerzahl möglichst stark reduziert werden, damit Erreger nicht während eines operativen Eingriffs in primär sterile Körperregionen verschleppt werden. Die Effektivität der Hautantiseptik dürfte bei Eingriffen mit Implantation von Fremdkörpern relevanter sein als bei solchen, bei denen ohne Fremdkörperimplantation in gut durchblutetem Gewebe operiert wird. Hinsichtlich der Auswirkung auf die direkte Prävention von SSI liegen aber keine Studien vor.

Mittel der Wahl sind alkoholbasierte Hautantiseptika. Hier erweist sich Propan-1-ol als der wirksamste Monoalkohol im Vergleich zu Propan-2-ol bzw. Äthanol [51]. Der Zusatz eines remanenten Wirkstoffs [z. B. Octenidindihydrochlorid, Polyvinylpyrrolidon(PVP)-Jod oder Chlorhexidindiglukonat] kann die erwünschte Langzeitwirkung verstärken [11]. Wässrige Iodophorlösungen oder Präparate auf Basis von Octenidindihydrochlorid sind im Rahmen der Hautantiseptik stets Mittel der zweiten Wahl. Ihre Anwendung kann aber bei Patienten mit krankhafter Hautveränderung, Anwendung an Haut-Schleimhaut-Übergängen oder bei unreifen Neonaten notwendig sein. Langsamer als alkoholische Hautantiseptika wirken PVP-Jod und Octenidindihydrochlorid; sie erreichen aber bei entsprechend langer Einwirkzeit ähnliche Reduktionen. Octenidindihydrochlorid soll nie gemeinsam mit Antiseptika auf PVP-Jod-Basis verwendet werden, da Octenidindihydrochlorid Jodradikale aus dem PVP-Komplex freisetzen kann, wodurch es in den Grenzbereichen neben einer starken braunen bis violetten Verfärbungen zu Gewebereizungen kommen kann. Wässrige PVP-Jod- und wässrige Chlorhexidinlösung sind signifikant geringer wirksam als alkoholbasierte Antiseptika.

Perioperative Antibiotikaprophylaxe

Zweck der perioperativen Antibiotikaprophylaxe ist es, während operativer Eingriffe in das Wundgebiet gelangende oder systemisch streuende Mikroorganismen mithilfe einer kurzzeitigen, in der Regel einmaligen Gabe eines systemischen Antibiotikums abzutöten, um so eine Prävention postoperativer Infektionen zu erreichen. Die perioperative Antibiotikaprophylaxe kann das Multibarrierebündel präventiver Hygienemaßnahmen nicht ersetzen, sondern diese idealerweise ergänzen.

Die Indikation zur perioperativen Antibiotikaprophylaxe wird anhand der Wundklassifikation und aufgrund autochthoner Patientenrisikofaktoren gestellt, wobei sie bei „kontaminierten“ und „schmutzigen“ Eingriffen unabhängig von möglichen weiteren Patientenrisikofaktoren durchzuführen ist [65]. Bei „sauberen“ oder „sauber-kontaminierten“ Eingriffen ist die Durchführung abhängig vom Vorliegen von Risikofaktoren wie z. B. Diabetes mellitus, Immuninkompetenz, reduzierter Allgemeinzustand, Adipositas, Malnutrition, Score  > II in der Klassifikation der American Society of Anesthesiologists (ASA) oder zeitgleich bestehenden floriden Infektionen an anderen Lokalisationen.

Die aktuelle S1-Leitlinie „Gefäßinfektionen“ hält fest, dass „… die perioperative Antibiotikaprophylaxe …“ „… in der Gefäßchirurgie besonders im Zusammenhang mit der Verwendung von Gefäßprothesen von großer Wichtigkeit“ ist. In der S1-Leitlinie „Perioperative Antibiotikaprophylaxe“ wird unter Punkt 1.1. (Indikation) festgehalten, dass sich in der Regel eine Antibiotikaprophylaxe bei „sauberen“ Eingriffen erübrigt und lediglich bei „sauber-kontaminiert“/kontaminierten Eingriffssituationen indiziert ist. Bei dem überwiegenden Anteil gefäßchirurgischer Primäreingriffe handelt es sich jedoch um saubere Eingriffe, die, unter penibler Einhaltung aseptischer Kautelen, prinzipiell vollständig kontaminationsfrei durchgeführt werden können. Dies gilt insbesondere für Rekonstruktionen an der Karotis, Eingriffe an der Aorta abdominalis und selbst eine Reihe arterieller Rekonstruktionen der unteren Extremitäten. Die aktuellen Referenzdaten des Nationalen Referenzzentrums für Surveillance von nosokomialen Infektionen (Berechnungszeitraum 2006–2010) weisen 502 von 1980 Eingriffen an der Aorta abdominalis auf, die in der Risikokategorie 0 und somit mit Sicherheit einer Wundklassifikation  < 2, also aseptischen Eingriffen, entsprachen. Unter insgesamt 4381 erfassten Rekonstruktionen der Karotis befanden sich mindestens 1071 aseptische Eingriffe, und von 15.429 arteriellen Rekonstruktionen unterer Extremitäten waren mindestens 3408 Eingriffe aseptisch. Demnach kann daraus abgeleitet werden, dass zwischen 2006 und 2010 bundesweit an 12 Abteilungen bei mindestens 22,9% (4981 von 21.790) der gemeldeten gefäßchirurgischen Eingriffe keine Indikation für die Durchführung einer perioperativen Antibiotikaprophylaxe gegeben war. Vermutlich fällt darunter auch der überwiegende Anteil der als Risikokategorie 1 eingestuften Eingriffe, was jedoch – genauso wie der Anteil der Risikokategorie-0-Patienten, die dennoch eine perioperative Prophylaxe erhalten haben – aus der zur Verfügung stehenden Statistik nicht ohne weitere Subanalyse der Rohdaten erkennbar ist.

Punkt 1.2 der Leitlinie „Perioperative Antibiotikaprophylaxe“ führt weiter aus, dass eine Prophylaxe auch dann indiziert sein kann, wenn das Infektionsrisiko – wie z. B. bei sauberen Eingriffen – zwar gering ist, wenn „… bei ihrer Manifestation aber eine erhebliche Morbidität oder sogar Letalität droht“, wie z. B. bei Implantation von Gefäßprothesen. Somit halten sowohl die Leitlinie „Perioperative Antibiotikaprophylaxe“ als auch die Leitlinie „Gefäßinfektionen“ fest, dass eine Prophylaxe in jedem Fall einer Gefäßprothesenimplantation, unabhängig davon, ob es sich um einen aseptischen oder kontaminiert/sauber-kontaminierten Eingriff handelt, indiziert ist.

Die perioperative Antibiotikaprophylaxe ist bei jeder Gefäßprothesenimplantation indiziert

Dieselbe Position vertritt die Empfehlung „Perioperative Antibiotikaprophylaxe“ der Paul-Ehrlich-Gesellschaft (PEG). Obgleich beide Leitlinien und das Empfehlungspapier diese empirisch gefasste Aussage nicht mit hochgradiger Evidenz belegen können, ist angesichts des hohen Infektionsrisikos bei Implantation von Fremdmaterial und den desaströsen Folgen einer Infektion durch kontaminiertes alloplastisches Material die Durchführung der perioperativen Antibiotikaprophylaxe in der Gefäßchirurgie jedenfalls gerechtfertigt. Eine klare Experteneinigung hierfür besteht für gefäßchirurgische Eingriffe mit Einbau alloplastischen Gefäßmaterials, gefäßchirurgische Eingriffe im Abdomen, an den unteren Extremitäten, bei posttraumatischen Rekonstruktionen sowie bei allen Eingriffen mit erhöhtem Infektionsrisiko. Auf der Basis einer Metaanalyse randomisierter Studien zur Prävention von Gefäßinfektionen ist die perioperative Antibiotikaprophylaxe allerdings die einzige Maßnahme, die eine gewisse Evidenz in Bezug auf die Verhinderung von Wundinfektionen und Protheseninfekten liefert [58, 59]. Die diesbezüglichen Studien wurden allerdings in den Jahren 1978–1987 veröffentlicht, als die epidemiologische Situation hinsichtlich Methicillin-resistentem Staphylococcus aureus (MRSA), „Extended-spectrum“-β-Lactamasen (ESBL) und anderen multiresistenten Erregern eine völlig andere war als heute. Ein blindes Vertrauen auf die heute noch vorliegende Effektivität der perioperativen Antibiotikaprophylaxe allein ist demnach in vielen Situationen nicht mehr mit Sicherheit möglich.

Die effektivste Periode zur Durchführung der perioperativen Antibiotikaprophylaxe liegt zwischen 60–30 min vor dem Hautschnitt bis, je nach Kinetik des verwendeten Antibiotikums, ca. 2 h nach Operationsbeginn. Die Durchführung der Prophylaxe nach Wundverschluss hat keinen Einfluss auf die SSI-Rate [65]. Bei gefäßchirurgischen Eingriffen an den Extremitäten in Blutleere sollen die Antibiotikagabe 10 min vor Anlegen der Blutsperre und eine Folgedosis nach Eröffnung der Sperre erfolgen.

Die Auswahl des Antibiotikums soll sich nach dem zu erwartenden Erregerspektrum und nach der Kenntnis der zu erwartenden Resistenzlage richten. Idealerweise verfügt eine Abteilung oder ein regional nahe stehender Verbund an Abteilungen über ausreichende mikrobiologische Daten ihrer eigenen Patienten, woraus sich eine der eigenen Region entsprechende Reihung der relevantesten Erreger, einschließlich ihrer Resistenzprofile, berechnen lässt.

Stehen solche Daten nicht zur Verfügung, muss auf nationale Pool-Daten Rücksicht genommen werden. Wann immer möglich sollen β-Lactam-Antibiotika als erste Wahl eingesetzt werden, da sie geringe Nebenwirkungen aufweisen und nach parenteraler Gabe innerhalb von Minuten gute Blut- und Gewebespiegel erreichen. β-Lactam-Antibiotika stehen mit langer (z. B. Ceftriaxon) und kurzer Halbwertszeit (z. B. Cefazolin, Cefuroxim, Ampicillin) zur Verfügung. Je nach vorgesehener Länge des Eingriffs kann auf die eine oder andere Gruppe zurückgegriffen werden. Bei Patienten mit β-Lactam-Allergie empfiehlt die PEG die Gabe von Vancomycin oder Teicoplanin (das geringere Aktivität bei koagulasenegativen Staphylokokken aufweist); daneben wären aber auch Clindamycin oder bei Verdacht des Vorliegens einer MRSA-Besiedlung des Patienten MRSA-wirksame, aber teure Alternativen wie Daptomycin oder Linezolid zu erwägen. Alle genannten Antibiotika können mit Rifampicin, insbesondere bei Implantaten, kombiniert werden.

Prothesenbehandlungen

Antibiotikagetränkte Prothesen

Lokale Antibiotikaapplikationen haben gegenüber ihrer systemischen Gabe den Vorteil, eine hohe topische Wirksamkeit zu erreichen und gleichzeitig systemische Nebenwirkungen zu reduzieren. Als nachteilig können sich allerdings eine lokale Toxizität und bei längerer Exposition die Ausbildung von Resistenzen erweisen. Schon früh nach den ersten erfolgreichen Implantationen von alloplastischen Gefäßprothesen hat man versucht, diese durch Behandlung mit antimikrobiellen Substanzen infektresistenter zu machen. Man erkannte aber, dass das Tränken von Prothesen in diesen Substanzen zu einem raschen Verlust der antibakteriellen Wirkung führte. Erst die Bindung an eine Trägersubstanz erbrachte die gewünschte Verlängerung der antimikrobiellen Eigenschaften. Aufgrund des antimikrobiellen Spektrums und seiner physikochemischen Eigenschaften hat sich Rifampicin als Antibiotikum der Wahl zur Bindung an Gefäßprothesen herausgestellt [13, 20, 60]. Speziell die hohe ionische Bindungsaffinität von Rifampicin an sukzinylierte Gelatine, die zur Abdichtung von Polyesterprothesen benutzt wird, hat die lokale antimikrobielle Wirksamkeit auf bis zu 20 Tage erhöht [43, 44]. Als weiteres Bindungsprinzip hat sich die Koppelung des Rifampicin an kollagenbeschichtete Polyesterprothesen erwiesen. Auch hierdurch lassen sich vergleichbare Freisetzungskinetiken erreichen [42]. Rifampicin hat eine breite bakterizide Wirkung gegen die meisten grampositiven Bakterien und gegen einige gramnegative Keime. Eine experimentelle Studie von Koshiko et al. [35] belegte eine sehr gute Wirksamkeit gegen S. epidermidis bei allerdings limitierter Effektivität gegen MRSA und Escherichia coli [35]. Das verwendete experimentelle Studienprotokoll weist allerdings eine Reihe von Schwächen auf, die die Übertragbarkeit auf die klinische Situation einschränken [46]. Eine In-vitro-Studie von Hardman et al. [23] zeigte wiederum eine stark hemmende Wirkung von Rifampicin auf S. aureus, einschließlich 3 verschiedener MRSA-Stämme. Eine ganze Reihe von In-vivo-Studien mit unterschiedlichem experimentellem, z. T. sehr artifiziellem Versuchsaufbau konnte antimikrobielle Eigenschaften der rifampicinbehandelten Prothesen sowohl gegen S. epidermidis als auch MRSA im Tiermodell belegen [21, 26, 54, 55, 56].

Rifampicin ist das Antibiotikum der Wahl zur Bindung an Gefäßprothesen

Der mögliche Nutzen rifampicinbehandelter Prothesen in der Prävention von Protheseninfektionen wurde in 3 größeren randomisierten klinischen Studien untersucht. D’Addato et al. [8] verglichen 600 Patienten mit aorto-/iliakofemoralen Bypassrekonstruktionen in Bezug auf die Rate an Protheseninfektionen III. Grades nach Szilagyi. Es konnte kein signifikanter Unterschied nach 2 Jahren zwischen behandelten und unbehandelten Prothesen festgestellt werden (2 vs. 2,3%, p > 0,05). Drei Viertel aller Infekte traten im ersten postoperativen Monat auf, im Fall von rifampicinbehandelten Prothesen waren bei 4 von 5 Infekten Staphylokokken nachweisbar. Die zweite Studie wurde an 14 Zentren aus Großbritannien sowie Irland durchgeführt und umfasste 257 Patienten mit extraanatomischen Bypasses. Auch hier wurde im Zweijahreuntersuchungszeitraum kein Vorteil durch die Rifampicinbehandlung der Prothesen gesehen [5, 14]. Eine dritte europäische Studie (Rifampicin Bonded Graft European Trial, RBGET) mit insgesamt 2522 Patienten nach aorto-/iliakofemoraler Rekonstruktion wurde nie als Originalarbeit veröffentlicht. Auch in dieser Studie ergab sich kein Vorteil im Sinne einer geringeren Rate an Protheseninfekten (Szilagyi-Grad III; 0,38 vs. 0,62%; Rifampicin vs. Kontrolle, p > 0,05); allerdings waren in der Gruppe mit den rifampicinbehandelten Prothesen weniger Wundinfektionen zu verzeichnen (Szilagyi-Grad I und II; 2,8 vs. 4,4%, p < 0,05; [9, 20]). Die Metaanalyse dieser 3 Studien ergab keinen Vorteil für die Rifampicinbehandlung, weder in Bezug auf Frühinfekte (< 1 Monat) noch nach 2 Jahren [58, 59]. Insgesamt waren die Infektraten in den Untersuchungen ohnehin sehr gering, sodass sich möglicherweise ein Vorteil durch die Verwendung von Rifampicin in einem Risikokollektiv ergeben hätte. Darüber hinaus sind die Prothesen jeweils nur in einer Lösung mit einer Konzentration von 1 mg/ml für 15 min getränkt worden. Empfohlen werden jedoch mittlerweile Konzentrationen von 10–60 mg/ml [47].

Auf der Basis der aktuellen Datenlage kann sicher keine Empfehlung zum generellen prophylaktischen Einsatz rifampicingetränkter Prothesen gegeben werden. Zu erwägen ist der Einsatz jedoch in Situationen mit hohem Risiko einer intraoperativen Kontamination. In Untersuchungen an mikrobiologischen Proben von Gefäßinfekten wiesen ca. 30% der gefundenen Erreger eine Resistenz gegen Rifampicin auf [61]. Möglicherweise werden in Zukunft Antibiotikakombinationen das antimikrobielle Spektrum der Prothesen ergänzen und somit ihre Infektresistenz weiterverstärken [30].

Silberbeschichtete Prothesen

Seit der Antike macht man sich die antimikrobiellen Eigenschaften von Silber zunutze. Gerade in der jüngsten Zeit sind viele Alltagsprodukte, in der Hoffnung hierdurch hygienische Vorteile zu erreichen, durch Silberbeschichtungen ergänzt worden. Silberbeschichtungen zur Verbesserung der Infektresistenz von Gefäßprothesen finden seit ca. 20 Jahren Anwendung.

Silber weist bakterizide Eigenschaften gegen die meisten grampositiven (inklusive MRSA) und gramnegativen Erreger auf.

Klinisch relevante Resistenzen oder toxische Effekte nach Implantation silberbeschichteter Prothesen sind bislang nicht beschrieben worden. Allerdings finden sich Hinweise in der Literatur, dass bakterielle Resistenzmechanismen gegen Silber existieren [38]. Gegenwärtig sind 2 Technologien zur Bindung von Silber an Polyesterprothesen verfügbar. Silber bindet in ionischer Form als Silberacetat an die Kollagenbeschichtung der Prothesen und wird mit der Freisetzung des Kollagens an die Umgebung abgegeben (Intergard® Silver, Maquet Gettinge Group). Entsprechend wird ein antibakterieller Schutz bis zu 30 Tagen nach Implantation angenommen. In etlichen experimentellen Untersuchungen haben sich ganz unterschiedliche Ergebnisse bezüglich der Infektresistenz dieser Prothesen gezeigt [18, 21, 26, 41, 56, 57]. Teilweise begründet sich diese Heterogenität aus unterschiedlichen Testsystemen und verschiedenen Protokollen bakterieller Kontaminationen [18]. Darüber hinaus weisen einige Studien offensichtliche Schwächen in der Methodik auf, sodass eine Bewertung der Effektivität der silberacetatbeschichteten Prothesen im Sinne einer Infektionsprophylaxe auf der Basis experimentell gewonnener Daten schwierig ist [26, 48, 56]. Möglicherweise bietet die Kombination aus silberacetatbeschichteten Prothesen mit gleichzeitiger Rifampicinbehandlung einen synergistischen antibakteriellen Effekt [23, 56, 57].

Momentan existieren nur 2 klinische Studien zur Bedeutung der Silberacetatbeschichtung in der Prophylaxe von Protheseninfekten [39, 52]. Beide Studien konnten die Sicherheit dieser Prothesentechnologie in Bezug auf Offenheitsraten und unerwünschte Wirkungen zeigen. Ricco et al. [52] fanden in einer prospektiven, multizentrischen Beobachtungsstudie an 289 Patienten keine frühen Infekte der aortalen Bifurkationsprothesen und lediglich 2 Spätinfekte. Eine signifikante Infektprävention lässt sich aus diesen Daten jedoch nicht ablesen, da keine direkte Vergleichsgruppe im Studienprotokoll existiert, sondern lediglich auf Daten einer eigenen Metaanalyse zurückgegriffen wird. Auch wenn die postoperative Rate an nosokomialen Infektionen immerhin bei 13,5% lag, handelte es sich um ein Patientengut mit eher niedrigem Protheseninfektionsrisiko, da z. B. nur 4,8% der Patienten präoperativ trophische Hautläsionen der Extremitäten aufwiesen und nur 1% aus diesem Grund vor der Operation eine Antibiotikabehandlung benötigte. Zusätzlich erhielten in dieser Untersuchung zum Entlassungszeitpunkt immerhin 23% der Patienten eine antibiotische Therapie, was möglicherweise ebenfalls einen Einfluss auf die niedrige Rate an frühen Protheseninfektionen hatte. Larena-Avellaneda et al. [39] verglichen in einer retrospektiven, unizentrischen Studie die Ergebnisse von silberacetatbeschichteten Prothesen (n = 430) mit konventionellen Polyester-Grafts (n = 483). Die silberacetatbeschichteten Prothesen zeigten dabei keine geringere Rate an Protheseninfekten (Szilagyi-Grad III), unabhängig von der Lokalisation der Revaskularisation. Das Auftreten von Protheseninfektionen wurde signifikant durch Wundheilungsstörungen und Revisionsoperationen beeinflusst. Auch in diesen Risikokonstellationen konnten die silberbeschichteten Prothesen keine niedrigere Infektrate bewirken. Erschwert wird die Interpretation dieses Vergleichs durch die sehr heterogenen Patientenkollektive und den retrospektiven Charakter der Untersuchung.

Bei der zweiten Form der Silberbehandlung von Gefäßprothesen wird elementares Silber direkt an Polyesterprothesen gebunden (Silver Graft®, B. Braun). Der potenzielle Vorteil dieser Methode liegt in der dauerhaften Silberanhaftung mit einem verbliebenen prothesengebundenen Silberanteil von  > 97% nach einem Jahr und damit einer perpetuierten, antimikrobiellen Wirksamkeit [63]. In-vitro- und In-vivo-Studien deuten auf die Sicherheit und Effektivität auch dieses Wirkprinzips hin [41, 62, 63]. Auch im klinischen Einsatz konnte die Verträglichkeit dieser Prothese demonstriert werden [69]. Daten zur möglichen, auch längerfristigen Prophylaxe von Protheseninfekten werden in Kürze publiziert (Zegelman M, Vascular 2012, in press). Ob und wenn ja, welche silberbehandelte Prothese in Zukunft die Rate an Protheseninfekten senken wird, lässt sich momentan nicht beurteilen. Eine prospektive, randomisierte Studie zur Beantwortung dieser Frage würde bei einer angenommenen Reduktion der Infektrate von 50% (von 1,4 auf 0,7%) im aortoiliakalen Bereich zumindest 3000 Patienten/Behandlungsgruppe bedeuten [52].

Weitere Prothesenbehandlungen

Über die genannten, klinisch einsetzbaren Prothesenbehandlungen mit Rifampicin bzw. Silber hinaus, befinden sich weitere Ansätze mit antimikrobiellen Substanzen in der experimentellen und präklinischen Testung. So hat sich die Bindung von Triclosan, einer bakteriziden und fungiziden Substanz mit breitem antimikrobiellem Spektrum, im Tierexperiment als effektive Maßnahme zur Prophylaxe von Protheseninfekten erwiesen [25, 26]. Die Kombination von Silberacetat und Triclosan befindet sich zurzeit in der klinischen Testung. Bisher wurden 52 Patienten im Rahmen einer multizentrischen Studie (Frankreich und Deutschland) mit infrarenalen aortalen Rekonstruktionen versorgt. Die Markteinführung ist wohl in Kürze zu erwarten (persönl. Mitteilung Prof. Zegelman). Sowohl die Behandlung von Polyesterprothesen mit einer Fibrin-Baneocin- als auch Fibrin-Daptomycin-Beschichtung ergab einen prolongierten antimikrobiellen Effekt gegen S. epidermidis [37]. Vergleichbares gilt für lipopeptidgetränkte Prothesen, die mit S. aureus kontaminiert wurden [7].

Gentamicin-Kollagen-Schwamm

In Bezug auf den prophylaktischen Effekt von Gentamicin-Kollagen-Schwämmen (z. B. Genta-coll resorb®, Sulmycin Implant®) in der Gefäßchirurgie existieren keine publizierten Daten. Allerdings gibt es kleine Fallserien zur Behandlung von Wund- und Protheseninfekten [28, 32]. Diese suggerieren einen klinischen Nutzen dieser gentamicinfreisetzenden Schwämme bei der Infekttherapie. Dennoch scheint eine genauere Betrachtung ihrer infektprophylaktischen Potenz durch Erfahrungen aus anderen chirurgischen Bereichen gerechtfertigt. Untersuchungen aus den 1990er Jahren ergaben eine signifikante Reduktion von Wundinfekten nach kolorektalen Eingriffen und herzchirurgischen Operationen mit Sternotomie [17, 53]. Diese vielversprechenden Daten und die Notwendigkeit, für die Zulassung in den Vereinigten Staaten weitere Evidenz für den Nutzen dieser Infektprophylaxe zu generieren, haben zur Durchführung von 2 kürzlich publizierten, prospektiven randomisierten Multizenterstudien geführt (SWIPE-1 und 2, [3, 4]). Es ergab sich dabei kein signifikanter Benefit durch Gentamicin-Kollagen-Schwämme auf die Rate an sternalen Wundinfekten in einem Risikokollektiv (N = 1502) mit Diabetes mellitus und/oder Adipositas (8,4 vs. 8,7%, p= 0,83, [3]). Nach kolorektaler Chirurgie (N = 602) wurde sogar eine erhöhte Rate an Wundinfektionen in der Gruppe mit Schwamm gesehen (30 vs. 20,9%, p = 0,01, [4]). Die kontroverse Datenlage erlaubt also derzeit weder eine Empfehlung noch ein definitives Abraten zum prophylaktischen Einsatz von Gentamicin-Kollagen-Schwämmen in der Gefäßchirurgie.

Fazit

  • Trotz vieler prophylaktischer Ansätze hat bislang nur die perioperative Antibiotikaprophylaxe einen höheren Evidenzgrad erlangt.

  • Dennoch wird niemand auf eine präoperative Hautantisepsis verzichten, auch wenn hierzu im Zusammenhang mit Prothesenimplantationen keine randomisierten Studien existieren.

  • Momentan beruht eine Vielzahl der in der Praxis angewandten Techniken ausschließlich auf der individuellen Einschätzung der Datenlage und den persönlichen Erfahrung des jeweiligen Chirurgen.

  • In Zukunft sollte die wissenschaftliche Grundlage zur Entwicklung neuer Strategien mit dem Ziel der Vermeidung von Protheseninfekten noch intensiver erforscht werden, um möglicherweise irgendwann die vollständig infektresistente Prothese zur Verfügung zu haben.