Der Schlaganfall ist weltweit eine der häufigsten Erkrankungen und Todesursachen [36]. In Industrieländern ist er Hauptgrund für eine dauerhafte Behinderung und Invalidität. Er ist nicht nur für die Betroffenen und Angehörigen eine schwere Bürde, sondern aufgrund der direkten Kosten für die Akutbehandlung, Rehabilitation und Folgetherapie auch eine erhebliche Belastung für das Gesundheitssystem. Darüber hinaus entstehen indirekte Folgekosten durch den Ausfall der beruflichen und privaten Arbeitskraft der Betroffenen. Pro Jahr erleiden in Deutschland ca. 200.000 Menschen einen Schlaganfall, wovon etwa 30.000 auf eine arteriosklerotische Läsion im Bereich der extrakraniellen A. carotis zurückzuführen sind [7]. Die Läsionen betreffen hauptsächlich den Karotisbulbus und den Abgangsbereich der A. carotis interna und sind in über 90% der Fälle arteriosklerotischer Natur.

90% der Läsionen sind arteriosklerotischer Natur

Das jährliche Risiko eines spontanen Schlaganfalls liegt beim Vorhandensein einer hochgradigen Stenose (>60%) der A. carotis laut Studien zwischen 2 und 5% [35]. Dieses Risiko wird durch eine Thrombendarteriektomie der A. carotis (CEA) signifikant gesenkt [7, 20]. Deshalb kommt dem frühzeitigen Erkennen von bisher unbekannten, hochgradigen Stenosen der A. carotis in der Prävention von Schlaganfällen eine große Bedeutung zu. Jedoch können Programme, die der Früherkennung von hochgradigen Stenosen der A. carotis dienen (Screening), auch negative Nebeneffekte haben. Dies sind z. B. Schlaganfälle, die durch eine Operation von falsch-positiv gescreenten Patienten (α-Fehler) hervorgerufen werden. Je niedriger die Prävalenz einer Karotisstenose in der zu screenenden Gruppe ist, desto größer wird der α-Fehler. Ein Ultraschallscreening der Gesamtbevölkerung würde aufgrund der niedrigen Prävalenz extrakranieller Karotisstenosen von <1% bei konsekutiver Therapie mehr Schlaganfälle auslösen als verhindern [36]. Deshalb wird ein allgemeines Screening der Bevölkerung nicht empfohlen [14, 30, 31, 36].

Die Fragestellung dieser Studie ist deshalb, wie hoch die Prävalenz einer extrakraniellen Karotisstenose sein muss, damit unter den aktuellen Rahmenbedingungen für Diagnostik und Therapie (Sensitivität, Spezifität, „numbers-needed-to-treat“, perioperative Komplikationsraten etc.) ein Screening aus medizinischen, technischen und wirtschaftlichen Gründen sinnvoll erscheint. Hierdurch könnten Sub- oder Risikogruppen definiert werden, die von einem Screeningprogramm zur Früherkennung von Karotisstenosen profitieren.

Methoden

Rahmenbedingungen

Diagnostik

Der Ultraschall ist das weitverbreitetste und einfachste Verfahren zur Detektion von Stenosen der hirnversorgenden Gefäße. Die Untersuchung ist strahlungsfrei, günstig und jederzeit wiederholbar, jedoch untersucherabhängig und kann durch kalkbedingte Schallschatten in ihrer Aussagekraft gemindert werden. Beim Vorliegen von kardiovaskulären Risikofaktoren sollte im Rahmen von Screeninguntersuchungen eine Messung der Intima-Media-Dicke in der A. carotis communis erfolgen, da eine positive Korrelation zum KHK-Risiko nachgewiesen worden ist (Grenzwert 0,8–1,0 mm). Im Dopplermodus kann die maximale Flussbeschleunigung (Vmax) im Bereich der Stenose bestimmt werden, die als Surrogatmarker des Stenosegrades experimentell und klinisch gut validiert ist. Als optimaler Grenzwert zwischen mittel- und hochgradigen (≥70%) Stenosen wurde in Studien eine Vmax von 230 cm/s ermittelt [22, 26]. Damit kann eine 70–99%ige Stenose mit einer Sensitivität von 86–94% bei einer Spezifität von 87–94% erkannt werden [26, 32]. Als sekundäre Marker einer hochgradigen Stenose kommen zusätzlich die enddiastolische Geschwindigkeit (EDV) in der A. carotis interna von mehr als 100 cm/s und das Verhältnis zwischen den Spitzengeschwindigkeiten in der A. carotis interna und A. carotis communis (ACI/ACC-Ratio) von mehr als 4,0 zur Anwendung.

Der optimaler Grenzwert zwischen mittel- und hochgradigen Stenosen liegt bei 230 cm/s

Die Computertomographie ist im Gegensatz zum Ultraschall eine objektive Messmethode, die mittlerweile flächendeckend zur Verfügung steht und schnell durchführbar ist. Die CT-Angiographie erlaubt mit einer Sensitivität von 77% und einer Spezifität von 95% eine Abschätzung des Stenosegrades, jedoch vermindern Artefakte, die durch Gefäßkalk oder Zahnimplantate bedingt sind, die Bildqualität oft drastisch. Sofern verfügbar, ist die Durchführung einer MR-Angiographie der gehirnversorgenden Arterien mit diffusionsgewichteter Darstellung des Gehirns aufgrund des höheren Informationsgewinns empfohlen.

Die Magnetresonanztomographie ist zwar örtlich und zeitlich noch in geringerem Ausmaß verfügbar als die Computertomographie, bietet jedoch bei der Bildgebung der supraaortalen Äste und des Gehirns deutliche Vorteile gegenüber der CT-Angiographie. Im Gegensatz zu dieser verursacht vorhandener Gefäßkalk keine Artefakte, jedoch führen Stents aufgrund ihrer Beeinflussung des Magnetfeldes zu Auslöschungsartefakten. Aus den gewonnenen Rohdaten lässt sich ein dreidimensionales und beliebig drehbares Abbild der supraaortalen Äste erzeugen, das die Erfassung des Gefäßstatus erheblich erleichtert. Auch eine dynamische Darstellung des KM-Bolus ist möglich. Damit erlaubt die kontrastmittelverstärkte MR-Angiographie die Detektion von 70–99%igen Stenosen der A. carotis interna mit einer Sensitivität von 95% bei einer Spezifität von 90% [26, 36].

Die intraarterielle digitale Subtraktionsangiographie (DSA) ist trotz der rapiden technischen Fortschritte in der Duplex- und MR-Bildgebung weiterhin der Goldstandard bei der Diagnostik von Stenosen der gehirnversorgenden Gefäße. Sie ermöglicht die Bestimmung des Stenosegrades sowie der Stenosenausdehnung und der Oberflächenmorphologie der Plaques. Ebenfalls kann die nachgeschaltete, intraossäre und intrakranielle Strombahn dargestellt werden. Der Kontrastmittelbolus wird bei der DSA zeitaufgelöst dargestellt, sodass eine Beurteilung des Anflutverhaltens vom Aortenbogen bis in die zerebralen Endstromgebiete möglich ist. Besonders beim Vorliegen mehrerer Stenosen helfen diese dynamischen Informationen bei der Indikationsfindung und Festlegen der Behandlungsprioritäten der einzelnen Stenosen. Die intraarterielle DSA als invasive Untersuchung hat jedoch mehrere Nachteile, die bei der Indikationsstellung berücksichtigt werden müssen. Das Risiko für das Auftreten eines nichtreversiblen neurologischen Defizits liegt bei selektiver Darstellung der gehirnversorgenden Gefäße bei bis zu 1,2% [10, 36]. Lokale Komplikationen wie Hämatome oder Wundinfekte im Punktionsbereich treten in 2–8% der Fälle auf und lassen sich meistens auf eine falsche Punktionstechnik oder unkorrekt angelegte Druckverbände zurückführen [15].

Zusammenfassend ist die Kombination aus Duplexsonographie und MR-Angiographie mit ihrer hohen Sensitivität und Spezifität, ihrer hohen Informationsdichte und Bildqualität, sowie der Möglichkeit der gleichzeitigen morphologischen und funktionellen Zielorgandiagnostik bei gänzlich fehlender Strahlenbelastung die derzeit beste Methode der nichtinvasiven Diagnostik bei Stenosen der hirnversorgenden Gefäße, sodass eine invasive Diagnostik nur noch in Einzelfällen indiziert ist.

Therapie

Die Daten zur operativen Therapie der symptomfreien Karotisstenose basieren auf großen randomisierten Studien wie der nordamerikanischen ACAS-Studie mit n=1662 Patienten [10] und der europäischen ACST-Studie mit n=3120 Patienten [16], die beide für den Endpunkt „ipsilateraler Schlaganfall innerhalb der nächsten 5 Jahre“ einen statistisch hochsignifikanten Benefit der CEA im Vergleich zur alleinigen konservativen Therapie von asymptomatischen hochgradigen Karotisstenosen zeigen konnten. Die kombinierte Rate an Schlaganfällen während der folgenden 5 Jahre betrug inklusive der perioperativen Schlaganfallrate/Letalität in der konservativen Gruppe 11,5% und in der CEA-Gruppe 6,0%. Aus der absoluten Risikoreduktion von 5,5% errechnet sich eine „numbers-needed-to-treat“ bezogen auf 5 Jahre (NNT) von 18. Dies bedeutet, dass 18 Patienten operiert werden müssen, um 1 Schlaganfall in 5 Jahren zu verhindern. Die NNT zeigte jedoch deutliche Unterschiede zwischen den Subgruppen. So betrug in der ACST-Studie die NNT bei Männern 12, bei Frauen hingegen 24 und bei Patienten mit einem Ausgangscholesterinwert von mehr bzw. weniger als 250 mg/dL 9 bzw. 22. Aufgrund dieser Ergebnisse besteht beim Vorliegen einer asymptomatischen, hochgradigen Stenose der A. carotis interna (60% nach NASCET und ≈70% nach ECST/DEGUM) die Indikation zur CEA. Dies ist als Klasse-I-Empfehlung in ausländische und deutsche Leitlinien eingegangen [5, 9, 14]. Diesen Empfehlungen liegt jedoch die Forderung zugrunde, dass das perioperative Risiko des jeweiligen Operateurs unter 3% liegen muss.

Kosten

Die Kosten im deutschen Gesundheitswesen sind aufgrund des DRG-Systems sowie der Möglichkeit zur Verhandlung individueller Kostenvereinbarungen äußerst intransparent. Außerdem sind die erstatteten Kosten nicht mit den tatsächlichen Kosten gleichzusetzen, da für Betrieb, Wartung, Verbrauchsmaterial und Personalkosten je nach Setting sehr unterschiedliche Kosten zu erwarten sind. Die hier zugrunde gelegten Zahlenwerte sind der GOÄ (Stand 2008) entnommen [18]. Für die Screeninguntersuchung mittels Ultraschall können gemäß GOÄ #645 „Untersuchung der Strömungsverhältnisse in den hirnversorgenden Arterien und in den Periorbitalarterien mit direktionaler Ultraschall-Doppler-Technik“ nach einfachem Satz 37,89 € als individuelle Gesundheitsleistung (sog. IGeL-Leistung) berechnet werden. Die MR-Angiographie inklusive KM-Gabe und 3D-Rekonstruktion (GOÄ #5700, 5731, 5733) kann mit 361,38 € abgerechnet werden. Für eine konventionelle Angiographie der hirnversorgenden Gefäße (Übersicht und Zielläsion in 2 Ebenen) ist ohne Berechnung etwaiger Kosten für einen kurzstationären Aufenthalt nach GOÄ #5300, 5301, 351 ein Betrag von 250,61 € abrechenbar.

Die CEA mit hoher oder geringer Komorbidität (B04B/D) wird gemäß g-DRG-2007 mit einer Fallschwere von 2,26 und 1,29 bewertet. Detaillierte Kostenaufstellungen am eigenen Krankengut zeigten einen tatsächlichen finanziellen Aufwand für eine CEA von zirka 3100 €. Für einen erstmaligen Schlaganfall wurden im Rahmen des populationsbasierten Erlanger Schlaganfall Projektes in einem Grundkollektiv von mehr als 100.000 Menschen direkte Behandlungskosten innerhalb des ersten Jahres von ca. 18.500 € sowie die Folgekosten binnen der nächsten 4 Jahre von ca. 5500 € pro Jahr ermittelt [24]. Eingeflossen sind die Kosten für die stationäre und ambulante Therapie, die Rehabilitation sowie die Pflege. Die indirekten Kosten eines Schlaganfalls, die durch den Ausfall der öffentlichen und privaten Arbeitskraft, Rentenzahlungen bei Invalidität, Ausfall der Arbeitskraft von pflegenden Angehörigen etc. verursacht werden, wurden dabei nicht berücksichtigt.

Prävalenz der Karotisstenose

Da es kaum populationsbasierte Screeninguntersuchungen gibt, gründet sich das Wissen über die Prävalenz der Karotisstenose nur auf Daten einzelner Kohortenstudien. Aus ihnen lässt sich eine mittlere Prävalenz für eine extrakranielle, über 50%ige Stenose von ca. 7% für Patienten mit einem Alter um 70 Jahre ableiten [12, 19, 27, 29]. Zudem ist bekannt, dass die Prävalenz altersabhängig ist. So zeigten die Framingham- und Bruneck-Studien [21, 23] für Patienten über 60 Jahre eine Prävalenz von 9,5–10,5% für Stenosen >50%, während in der „Berliner Altenstudie“ bei 225 sonst gesunden Patienten zwischen 70 und 100 Jahren einer Prävalenz von 15% gefunden wurde [19]. Des Weiteren ist bekannt, dass bei Patienten mit kardiovaskulären Risikofaktoren wie Hyperlipidämie, Diabetes mellitus, KHK, pAVK oder Nikotinabusus die Prävalenz deutlich höher ist. So zeigten einzelne Studien, dass beim Vorhandensein einer pAVK die Koinzidenz einer hochgradigen Karotisstenose 4 bis 25% beträgt [1, 2, 4]. Bei Patienten mit KHK und Indikation zum Koronarbypass betrug dieses Risiko 8,7% [6, 11]. In der Bevölkerung über 65–70 Jahre wurde in 1,6–4,0% der Fälle eine hochgradige Karotisstenose nachgewiesen, während in der Bevölkerung, die lediglich kardiovaskuläre Risikofaktoren aufwies, das Risiko nur bei 1,3% lag [17]. Für die unselektionierte Bevölkerung wird eine Prävalenz von <1% angenommen.

Rechenmodell

Das theoretische Rechenmodell ist schematisch in Abb. 1 skizziert. Ausgehend von einem Grundkollektiv mit definierten Prävalenzen einer hochgradigen Karotisstenose, wurde verglichen, wie viele Schlaganfälle mit und wie viele ohne ein Screeningprogramm inklusive der veranlassten Operationen auftreten würden. Zur Verbesserung der Anschaulichkeit wurde als Beispiel ein Grundkollektiv mit einer Größe von n=100.000 Menschen angenommen. Die Primärmethode des Screenings ist dabei die Duplexsonographie mit einer Sensitivität von 94% und Spezifität von 92%. Beim Nachweis einer hochgradigen Stenose wurde eine MR-Angiographie zu Befundbestätigung nachgeschaltet und hierfür eine Sensitivität und Spezifität von 95% bzw. 90% zugrunde gelegt. Für das Modell wurde angenommen, dass nach Anwendung der Primär- und Sekundärmethode bei 3% der Fälle diskrepante oder unklare Befunde vorliegen, die eine weitere Abklärung durch eine Angiographie erforderten. Für die Angiographie wurde eine Sensitivität und Spezifität von jeweils 99% angenommen. Die Wahrscheinlichkeit durch eine selektive Angiographie der supraaortalen Äste einen Schlaganfall auszulösen wurde mit 1,2% angenommen. Alle Patienten, bei denen durch das Screeningprogramm eine hochgradige Karotisstenose diagnostiziert worden war, wurden operiert. Für alle operierten Patienten wurde eine Wahrscheinlichkeit für ein perioperatives Ereignis sowie einen Schlaganfall innerhalb der folgenden 5 Jahre von 6% angenommen. Im konservativen Arm wurde für Patienten mit und ohne hochgradige Karotisstenose ein Schlaganfallrisiko von 11,5% bzw. 5% für einen Zeitraum von 5 Jahren angenommen.

Abb. 1
figure 1

Schematische Darstellung des den Berechnungen zugrunde liegenden Rechenmodells

Die Prävalenz wurde als Variable in das Modell einbezogen und ist auf allen Abbildungen auf der Abszisse (x-Achse) dargestellt. In Abhängigkeit von der Prävalenz wurde die Nettoanzahl der verhinderten Schlaganfälle, die „numbers-needed-to-screen“ um einen Schlaganfall in 5 Jahren zu verhindern sowie die gemittelten Gesamtkosten pro Individuum im Screeningkollektiv berechnet und auf der Ordinate (y-Achse) dargestellt. Zudem wurde berechnet, ab welcher Prävalenz mehr Schlaganfälle durch das Screeningprogramm verhindert als ausgelöst werden und wann ein Screeningprogramm kostendeckend arbeiten würde.

Ergebnisse

Beispielhaft seien hier die Ergebnisse eines hypothetischen Screenings eines Kollektivs von n=100.000 Menschen mit einer Prävalenz von 1% bzw. 10% für eine hochgradige Karotisstenose miteinander verglichen. Die Ergebnisse für andere Prävalenzen sind den Abbildungen 2 bis 5 zu entnehmen.

Bei einer Prävalenz von 1% führt ein Screening bei n=1665 Patienten zur Diagnose einer hochgradigen Karotisstenose (Abb. 2). Hierunter finden sich n=771 bzw. 46% falsch-positive Diagnosen mit konsekutiv nichtindizierter CEA. Bei einer Prävalenz von 10% werden n=9642 Patienten mit hochgradiger Karotisstenose detektiert. Hierunter finden sich n=701 falsch-positive Befunde (Anteil 7%).

Abb. 2
figure 2

Anzahl an Operationen in Abhängigkeit von der Prävalenz, die nach dem Screeningprozess durchgeführt würden. Die Gesamtzahl bezieht sich auf ein gescreentes Kollektiv von 100.000 Menschen

Effizienz des Screenings

Nach Abzug der durch Diagnostik und Therapie ausgelösten perioperativen Ereignisse und Schlaganfälle innerhalb der folgenden 5 Jahre verhindern die veranlassten Operationen n=38 (Prävalenz 1%) bzw. n=479 Schlaganfälle bei einer Prävalenz von 10% (Abb. 3). Daraus errechnet sich eine NNS von n=2632 bzw. n=209 um einen Schlaganfall in 5 Jahren zu vermeiden (Abb. 4). Wie aus Tab. 1 ersichtlich, errechnet sich für Patienten über 65 Jahre (Prävalenz 1,6–4,0%) eine NNS von 1478–540, während in der Risikogruppe der Patienten mit PAVK (4–25%) 540–82 Patienten zu screenen wären, um einen Schlaganfall in 5 Jahren zu verhindern.

Abb. 3
figure 3

Gesamtzahl verhinderter Schlaganfälle in Abhängigkeit von der Prävalenz unter Abzug der durch Screening und Folgeoperationen ausgelösten Schlaganfälle bezogen auf ein Kollektiv von 100.000 Menschen

Abb. 4
figure 4

In Abhängigkeit von der Prävalenz ist die „numbers-needed-to-screen“ (NNS) dargestellt, die nötig ist, um einen Schlaganfall in 5 Jahren zu verhindern

Tab. 1 Übersicht der Prävalenzraten für hochgradige Karotisstenosen je nach Risikogruppe und kalkulierter NNS, um einen Schlaganfall in 5 Jahren zu verhindern

Kosten des Screenings

Die Kosten für ein Screeningprogramm beliefen sich inklusive der dadurch veranlassten Therapiekosten bei einer Prävalenz von 1% auf 2158 € pro Individuum bzw. 2492 € pro Individuum bei einer Prävalenz von 10%. Die durch Verhinderung von Schlaganfällen eingesparten Gelder betragen dabei 16 € (Prävalenz 1%) bzw. 194 € (Prävalenz 10%) pro Individuum, jeweils bezogen auf das gesamte gescreente Kollektiv. Ohne Screening und konsekutive Operationen würden Folgekosten für die Therapie von Schlaganfällen von 2051 € bzw. 2288 € pro Individuum anfallen. Wie in Abb. 5 ersichtlich, wäre damit unter den gewählten Umgebungsvariablen ein Screening ab einer Prävalenz von 11,1% kostengünstiger.

Abb. 5
figure 5

Darstellung der Kosten, die durch die Behandlung von Schlaganfällen auftreten würden (ohne Screening). Daneben Darstellung der Kosten, die durch Screening und Folgeoperationen unter Abzug der Einsparungen durch verhinderte Schlaganfälle entstehen. Es zeigt sich, dass unter den angenommenen Umgebungsbedingungen ein Screening ab ca. 11% kostengünstiger arbeiten würde

Diskussion

Für Patienten mit extrakranieller Karotisstenose wird in aktuellen Metaanalysen und Leitlinien ein abgestuftes diagnostisches Vorgehen unter klarem Präferieren der Duplexsonographie als Primärmethode empfohlen. Dieses Vorgehen ist in der Praxis weit verbreitet [30, 33, 34], sodass die Verwendung dieses Screeningschemas als Grundlage der Berechnungen der Realität sehr nahe kommen dürfte. Dagegen basieren die Daten über Sensitivität und Spezifität der Untersuchungsmethoden lediglich auf einzelnen Untersuchungen unter Studienbedingungen, sodass anzunehmen ist, dass die tatsächlichen Werte in der Praxis schlechter sind. Zudem ist besonders beim Ultraschall die Abhängigkeit der Sensitivität und Spezifität von den jeweils verwendeten Grenzwerten, z. B. der maximalen Flussbeschleunigung, zu bedenken [22, 26].

Die theoretischen Berechnungen zeigen, dass schon in Kollektiven mit geringer Prävalenz für eine hochgradige Karotisstenose ein Ultraschallscreening (inkl. nachfolgender Bestätigung mittels MR-Angiographie und ggf. DSA) mehr Schlaganfälle verhindert als ohne Screeningprogramm und Therapie auftreten würden. Ein derartiges Screeningprogramm wäre demnach medizinisch sinnvoll. Da jedoch bei einer Prävalenz von z. B. 0,25% rechnerisch eine NNS von n=63.600 nötig wäre, um einen Schlaganfall in 5 Jahren zu vermeiden, ist dies aus organisatorischen und wirtschaftlichen Gründen nicht zweckmäßig. Wie unsere Berechnungen zeigen, sind bei einer Prävalenz von 10% hingegen nur n=209 Untersuchungen nötig, was aus organisatorischer Sicht als machbar erscheint. Allen Berechnungen zur Therapie liegen die Daten der ACAS- und ACST-Studie zugrunde, die eine Ereignisrate innerhalb von 5 Jahren von 6% für die CEA und 11,5% für die konservative Therapie ermittelt haben. Diese Daten stammen jedoch aus den 1980er und 1990er Jahren, sodass in Anbetracht der mittlerweile verbesserten „besten medikamentösen Therapie“ (BMT) das aktuelle Risiko der konservativen Therapie möglicherweise niedriger einzustufen ist. In einem aktuellen, systemischen Cochrane-Review wurde gezeigt, dass bei Patienten mit stattgehabtem Schlaganfall Statine zwar die Rate an koronaren Ereignissen reduzieren, jedoch auf die Verhinderung eines erneuten Schlaganfalls einen tendenziell positiven, aber nicht signifikanten Effekt haben [25]. Dagegen zeigte sich bei Patienten ohne manifeste kardiovaskuläre Erkrankungen aber vorhandenen kardiovaskulären Risikofaktoren klar, dass eine Statintherapie mit einem signifikant verlängerten Überleben und einer deutlichen Reduktion des Risikos für kardiovaskuläre Ereignisse assoziiert ist [3]. Dies ist u. a. durch die hemmende Wirkung der Statine auf die Plaqueprogression zu erklären [13]. Die Progression einer Karotisstenose ist bisher nur in wenigen Studien untersucht worden. Es ist weiter unklar, welche Stenosen bei welchen Patienten unter welchen Umgebungsbedingungen wie stark wachsen. Eine Plaqueprogression und der Effekt eines programmierten Rescreenings ist deshalb noch nicht in das Rechenmodell aufgenommen worden. Ebenso ist der prognostische Wert einer im Rahmen der Karotisuntersuchung feststellbaren Verbreiterung des Intima-Media-Komplexes im Hinblick auf das Risiko kardialer Ereignisse [28]noch nicht einbezogen worden.

Eine Statintherapie senkt das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse

Bei der Betrachtung der Kosten zeigt sich, dass ein Screeningprogramm ab einer Prävalenz von 11,1% kostengünstiger arbeiten würde. Diese Berechnungen basieren jedoch auf den Daten der GOÄ und entsprechen damit nur bedingt den tatsächlich anfallenden Kosten für eine Screeninguntersuchung. Auch gilt es zu bedenken, dass sich die Kosten für die Untersuchungen in verschiedenen Einrichtungen abhängig von der Ausstattung und vom Träger deutlich unterscheiden können. Auch dürfen die Daten über die kurz- und langfristigen Behandlungskosten eines Schlaganfalles nur als Anhaltswerte verstanden werden, da nicht bekannt ist, ob die Kosten und die Verteilung der Ausprägungsgrade der Schlaganfälle über das gesamte Prävalenzspektrum hinweg einen linearen Verlauf haben. Ebenso sind die indirekten Kosten, die durch Ausfall der Arbeitskraft entstehen, zu bedenken.

Fazit für die Praxis

Risikogruppen für eine Karotisstenose sind Patienten mit pAVK, KHK oder Patienten >65 Jahre insbesondere mit vorhandenen kardiovaskulären Risikofaktoren (Bluthochdruck, Diabetes mellitus, Hypercholesterinämie, Nikotinabusus etc.). Die Prävalenz der Karotisstenose in diesen Risikogruppen kann bis zu 25% betragen. Die Effizienz eines ultraschallbasierten Screeningprogramms zur Früherkennung von Stenosen der extrakraniellen A. carotis zeigt eine deutliche Abhängigkeit von der Prävalenz der Erkrankung im untersuchten Kollektiv. Ein derartiges Screeningprogramm unterstützt durch MRT und konventionelle Angiographie verhindert zusammen mit der dadurch veranlassten Therapie bereits ab einer Prävalenz von <1% mehr Schlaganfälle als ausgelöst werden, jedoch reduziert sich die NNS erst im höheren einstelligen Prozentbereich der Prävalenz auf organisatorisch und wirtschaftlich machbare Werte.

Unter der Annahme der aus Studien bekannten Prävalenzdaten können deshalb ein Screening der Allgemeinbevölkerung sowie ein Screening von Patienten, die lediglich kardiovaskuläre Risikofaktoren ohne klinische Manifestation aufweisen, nicht empfohlen werden. Dagegen erscheint ein Screening von Patienten mit einer pAVK oder KHK sinnvoll, insbesondere wenn der/die Patient/in älter als 65 Jahre ist und für eine CEA infrage kommt.

Wir empfehlen bei symptomfreien Karotisstenosen <50% eine Kontrolluntersuchung nach 1 Jahr. Bei Stenosen von 50–69% empfehlen wir zur Beurteilung der Dynamik der Erkrankung eine Kontrolluntersuchung nach 3–6 Monaten. Bei stabilem Befund und optimaler konservativer Therapie (Statin, ASS, Optimierung des kardiovaskulären Risikoprofils und ggf. des Lebensstils) empfehlen wir jährliche Kontrollen. Wir empfehlen zur Optimierung der Beurteilbarkeit des Verlaufs eine digitale Speicherung von aussagekräftigen und beschrifteten Untersuchungsbildern und die Wiederholung der Untersuchung am gleichen Gerät durch den gleichen Untersucher.