Einführung

Problemstellung und Ziele

Etwa 20 % der Fläche der Schweiz wird durch Karstlandschaften gebildet. Dennoch entfallen mit ca. 120 km3 bis zu 80 % des gesamten Grundwasservolumens des Landes auf Karst-Grundwasserleiter (Sinreich et al. 2012). Sowohl Klimaänderung als auch die fortschreitende Nutzung des Untergrunds haben Einfluss auf die Verfügbarkeit des Grundwassers. Gleichzeitig steigt der Wasserbedarf für Trinkwasser sowie Brauchwasser für Industrie und landwirtschaftliche Bewässerung weiter an (BAFU 2012). In diesem Kontext wurde in der Schweiz das Nationale Forschungsprojekt zur nachhaltigen Wassernutzung (NFP 61; Forschungsphase von Januar 2010 bis Ende 2013; Schweizerischer Nationalfonds (2013)) gestartet. Das SWISSKART-Projekt, das in einigen Jahren zu einer umfassenden Charakterisierung aller wichtigen Karst-Grundwasserleiter der Schweiz vervollständigt werden soll, ist Teil dieses Programms (Details unter www.swisskarst.ch; SISKA 2013). Es basiert auf der Umsetzung eines pragmatischen Ansatzes (KARSYS), welcher ebenfalls im Rahmen dieses Projektes entwickelt wurde (Jeannin et al. 2013).

Die allgemeinen Eigenschaften von Karst-Grundwasserleitern sind in der gängigen Literatur ausführlich beschrieben (z. B. Ford & Williams 2007, Bakalowicz 2005, Goldscheider & Drew 2007). Zudem sind für viele Systeme Grundlagenkenntnisse vorhanden, jedoch fehlt es häufig an der Umsetzung in brauchbare Arbeitsdokumente für die Wasserbewirtschaftung. Eine fundamentale Fragestellung betrifft die Größe und Abgrenzung von Einzugsgebieten der jeweiligen Karstquellen. Typisch für Karst-Grundwasserleiter sind hier sich überschneidende Einzugsgebiete (Diffluenzbereich) sowie sich mit den hydrologischen Bedingungen ändernde Einzugsgebietsgrenzen, wozu es zahlreiche konkrete Fallbeispiele gibt (z. B. Bonacci 1988, Ravbar et al. 2011). Nur selten werden allerdings die Gründe für diese Phänomene diskutiert und entsprechend fehlt es bisher auch an einem schlüssigen Konzept für die Ausscheidung bzw. Abgrenzung von Einzugsgebieten im Karst. Angaben zu Tiefe und Mächtigkeit von Karst-Grundwasservorkommen sowie Schwankungen von Grundwasserstand und Ausdehnung fehlen häufig völlig.

So auch in der Schweiz, wo eine Lokalisierung und Quantifizierung der Karstsysteme – trotz deren Bedeutung – bis vor wenigen Jahren nicht systematisch angegangen wurden. Zu Projektbeginn verfügte man über einen groben und allgemeinen Überblick der Grundwasservorkommen des Landes sowie über hydrogeologische Karten, welche die Eigenschaften der Karst-Grundwasserleiter partiell beschreiben. Für eine umfassende Grundwasserbewirtschaftung innerhalb eines Karstgebietes sind diese Grundlagen allerdings unzureichend, da sie keine klare Aussage über die Bedeutung und Ausdehnung der Grundwasserressourcen, über die Abgrenzung der Neubildungsbereiche und Einzugsgebiete oder über die Grundwasserfließverhältnisse enthalten. Zum Beispiel kann diesen Karten nicht entnommen werden, wo mit einer erhöhten Wahrscheinlichkeit zu rechnen ist, mit einer Bohrung auf Karstgrundwasser zu stoßen.

Entsprechend war es ein Ziel des SWISSKARST-Projektes, den Behörden und betroffenen Interessengruppen eine „pragmatische Dokumentation“ der Karst-Grundwassersysteme der Schweiz zur Verfügung zu stellen. Eine solche Dokumentation soll die Versorgung mit Trink- und Brauchwasser erleichtern, die Bedingungen zur Gewinnung von geothermischer Energie (Erdwärmesonden oder tiefe Geothermie) sowie die Möglichkeiten für den Betrieb von Wasserkraftwerken (Ableitung oder Staudämme) abklären oder auch die Hochwasserproblematik beleuchten. Darüber hinaus kann jede Art von Bauprojekt im Untergrund von Karstgebieten von einer solchen Dokumentation profitieren, sowohl für den Baufortschritt an sich, als auch im Rahmen einer Umweltverträglichkeitsprüfung.

Wie mithilfe des KARSYS-Ansatzes Informationen zur Karsthydrogeologie in einem 3D-Modell zusammengestellt werden können, ist bereits im Detail beschrieben (Jeannin et al. 2013). Ein solches Modell ist zwar hilfreich zum prinzipiellen Verständnis eines Karst-Grundwassersystem, jedoch sind für die Praxis Darstellungen in 2D (Karten und Profile) meist geeigneter. Die Ergebnisse einer Karstgebietscharakterisierung sollten also üblicherweise in Form von hydrogeologischen Karten präsentiert werden können.

Der vorliegende Artikel zeigt, welche thematischen Karten mit den wichtigsten Eigenschaften des Grundwasserleiters aus den mit KARSYS gewonnenen Informationen abgeleitet bzw. aus den 3D-Modellen erzeugt werden können. Zudem wird eine synthetisierte Karte der Karsthydrogeologie vorgeschlagen, und diskutiert, wie bestehendes Kartenmaterial um diese Informationen ergänzt werden kann. Die resultierende Dokumentation ist praxisorientiert und soll zu einer nachhaltigen Wassernutzung der Karstsysteme und ihrer Grundwasserressourcen beitragen.

Bestehende Dokumentation und weiterführender Bedarf

Für die Schweiz liegen hydrogeologische Karten in unterschiedlichen Maßstäben vor (Schürch et al. 2007). So wurde seit den 1970er Jahren eine Reihe von hydrogeologischen Karten im Maßstab 1:100.000 veröffentlicht, welche derzeit etwa die Hälfte der Landesfläche abdecken. Daneben sind hydrogeologische Übersichtskarten der Schweiz im Maßstab 1:500.000 publiziert, welche die Grundwasservorkommen des Landes (Bitterli et al. 2004) sowie die Vulnerabilität der Grundwasservorkommen abbilden (Philipp et al. 2007).

Hinsichtlich Karstgrundwasser beinhalten die 1:500.000-Karten folgende Basisinformationen (siehe auch Schweizerische Eidgenossenschaft 2014):

  • Verbreitung der ausstreichenden verkarstungsfähigen Gesteine

  • Lage wichtiger Karstquellen (unsystematisch und ohne dezidierte Schüttungsangaben)

  • Bedeutende Versickerungsstellen

  • Gewisse Fließverbindungen, die mit Tracerversuchen bestimmt wurden

  • Becken und Blindtäler ab etwa 1 km2

  • Abschätzung der Vulnerabilität

Die Karten im Maßstab 1:100.000 (z. B. Pasquier et al. 2006), welche teilweise auch im GIS-Format vorliegen, liefern zusätzlich folgende Informationen zu Grundwasservorkommen im Karst:

  • Halbquantitative Angaben zur mittleren Schüttung bedeutender Quellen

  • Genauere Angaben zur Verbreitung der verkarstungsfähigen Gesteine

  • Genauere Angaben über Verbindungen, die mit Tracerversuchen bestimmt wurden

  • Lage ausgewählter Höhlensysteme

  • Teilweise Angaben zur Höhe des Grundwasserspiegels und zur Ausdehnung des Grundwasservorkommens

  • Angaben zur Lage von Dolinen und Schwinden

  • Ausdehnung von Becken ohne oberirdischen Abfluss größer als 1 km2

  • Grobe Angabe zur Bedeckung des Felses durch Deckschichten

Diese großmaßstäblichen Karten stellen vor allem den oberflächennahen Teils des Untergrundes (10–20 m) mit dessen hydrogeologischen Eigenschaften dar. Für Karst-Grundwasserleiter fehlt in diesen Dokumenten zumeist die Gesamtausdehnung, die Mächtigkeit und Tiefe der gesättigten Zone (also das eigentliche Grundwasservorkommen), sowie die Abgrenzung von Fließsystemen. Außerdem sind die Angaben zu Karsterscheinungen und unterirdischen Strukturen, inklusive der Quellaustritte, nicht systematisch und damit teilweise unvollständig erhoben.

Neben diesen Karten, die unter Federführung des Bundes erstellt werden, existieren detailliertere Kartenwerke bei den Kantonen, die aber ebenfalls keinen vollständigen Überblick der Karstwasservorkommen erlauben. Dort sind vor allem die Quellen und Grundwasserschutzzonen verzeichnet. Auch sind sie meist nicht karstspezifisch, mit Ausnahme der Karte von Kiraly (1973), der vermutlich ersten Karte, welche eine tatsächliche Ausdehnung von Karst-Grundwasserleitern – einschließlich der Karsteinzugsgebiete – darstellt (http://sitn.ne.ch, Thema „Hydrogeologie“; République et canton de Neuchâtel 2014). Sie diente als Ausgangspunkt für die Entwicklung des KARSYS-Ansatzes.

Methode: Kurzdarstellung des KARSYS-Ansatzes

Die unterirdischen Karstfließwege werden vor allem von der Geometrie der verkarstungsfähigen Formation sowie von der Lage des Einzugsgebiets und der Entwässerungspunkte (Quellen) kontrolliert. Der darauf aufbauende KARSYS-Ansatz wird hier noch einmal in seinen Grundzügen vorgestellt; Details können den Originalpublikationen (Jeannin et al. 2013 und Malard et al. 2012) entnommen werden.

In einer ersten Phase müssen die verkarstungsfähigen (durchlässigen) und nicht verkarstungsfähigen Einheiten identifiziert werden. Bestehende geologische Informationen zur Geometrie dieser Schichten werden dabei in einem 3D-Modell des Karstgebietes zusammengeführt.

Diesem Modell werden dann alle bestehenden hydrologischen Informationen hinzugefügt. Es handelt sich vor allem um Quellen (mit genauer Höhenangabe) sowie sämtliche Informationen zu Grundwasserständen (z. B. aus Höhlen oder Bohrungen). Versickerungsstellen (Schwinden) sind weitere wichtige Elemente. Angaben zur Schüttungsrate von Quellen oder an Schwinden sind elementar. Stehen keine Messungen zur Verfügung, können mittels einer Abschätzung die schüttungsstärksten Objekte identifiziert und halbquantitativ erfasst werden. Sobald diese im geologischen Modell eingegeben sind, kann vereinfacht den folgenden Prinzipien entsprochen werden, um den Karstwasserfluss zu beschreiben:

  1. 1.

    Fließen durch unverkarstete Einheiten (Stauer) wird als vernachlässigbar gering angenommen. Ausnahmen werden in Betracht gezogen, z. B. im Falle von Mergellagen mit weniger als 30 m Mächtigkeit, oder wenn bedeutende Störungsflächen diese Stauerschichten durchziehen.

  2. 2.

    Unterhalb des Niveaus der Basisquelle kann das gesamte Volumen der verkarsteten Formation als wassergesättigt betrachtet werden.

  3. 3.

    Bei Niedrigwasser ist der hydraulische Gradient (im Karströhrensystem) bergwärts der perennierenden Quelle sehr gering (oft < 1 ‰). In der Praxis wird der Gradient Null gesetzt (Standardwert) oder durch direkte Messungen bestimmt.

  4. 4.

    In der ungesättigten Zone sickert das Wasser bis zum Erreichen des Grundwasserspiegels in vertikaler Richtung (bzw. bis maximal 45°).

  5. 5.

    Trifft versickerndes Wasser bereits in der ungesättigten Zone auf den Stauer, so fließt es an der Basis der verkarsteten Formation entlang des Schichtfallens der nicht-verkarstungsfähigen Fläche weiter (= vadoser Abfluss).

  6. 6.

    In der gesättigten Zone fließt das Wasser (= phreatischer Abfluss) entlang der kürzesten hydraulischen Verbindung in Richtung der Quelle(n). Dieser Fließweg kann vertikale Komponenten von mehreren Hundertmetern enthalten.

  7. 7.

    Bei Hochwasser können die Grundwasserstände im Karst-Grundwasserleiter um einige Meter bis zu hunderten Metern ansteigen.

Abbildung 1 fasst diese Prinzipien zusammen. In Bereichen, in denen die Basis des Grundwasserleiters höher als die Karstquellen liegt, wirkt sie bei Niedrigwasser (NW) als Abflussfläche. Die Ausscheidung der Einzugsgebiete geschieht dann ähnlich derer für Oberflächengewässer, allerdings entlang der Basis des Grundwasserleiters (Abb. 1A). In Fällen, in denen die Basis des Grundwasserleiters dagegen tiefer als die Karstquellen liegt, ist das Volumen im Grundwasserleiter unterhalb der Quelle(n) wassergesättigt. Die Ausscheidung der entsprechenden Karstwassersysteme ist dann von den hydraulischen Bedingungen innerhalb der gesättigten Zone abhängig (Abb. 1B). An bestimmten Stellen kann das Wasser auch in zwei oder mehrere Richtungen fließen (Diffluenzbereich). Im Allgemeinen ist die Verteilung der hydraulischen Potenziale wenig bekannt. Bei Hochwasser (HW) können die Grundwasserdruckhöhen im Karströhrennetz von verschiedenen Indikatoren abgeleitet werden: Überlaufquellen, die aktiv werden, Pegelmessungen in Bohrungen und in Höhlen (Abb. 1C). Gegebenenfalls können aus solchen Messungen Druckhöhenverluste – d. h. hydraulische Gradienten für Hochwasser – abgeleitet und für unterschiedliche Hochwassersituationen extrapoliert werden. Der Anstieg des Grundwassers im Karstmassiv führt zu einer Vergrößerung des gesättigten Grundwasservorkommens und entsprechend auch einer Verschiebung der Systemgrenzen. Mitunter kommt es zu einer Verbreiterung der bei Niedrigwasser beobachteten Diffluenzbereiche bzw. werden neue geschaffen (Abb. 1D).

Abb. 1
figure 1

Querschnitt durch schematisierte Karstsysteme mit Darstellung der Fließwege und Ausscheidung der Systemgrenzen. Je nach Systemtyp können bereits bei Niedrigwasser Diffluenzbereiche vorliegen (System II) bzw. bei Hochwasser entstehen (System I). Hochwasserverhältnisse und der einhergehende Anstieg des Grundwassers im Karstmassiv können zudem zu einer Verschiebung der Systemgrenzen führen (System I)

Die Anwendung dieser Prinzipien führt zu einem 3D-Modell der Grundwasserverhältnisse, wie in Abbildung 2 Footnote 1 für das Beispiel der Brunnmühle-Quelle (Berner Jura) gezeigt. Eine solch explizite und ausgereifte 3D-Darstellung ist leider für die Praxis oft nicht sehr hilfreich. Meist bevorzugen Anwender das Arbeiten mit Karten. Im Folgenden wird vor allem beschrieben, wie die Informationen aus dem KARSYS-Ansatz in ein Kartenformat übertragen werden können, sowie die Ergebnisse im Hinblick auf bestehende hydrogeologische Karten diskutiert.

Abb. 2
figure 2

Konzeptuelles 3D-Modell eines Karstsystems aus der Anwendung des KARSYS-Ansatzes. Mithilfe aller verfügbaren Daten wird zunächst ein geologisches 3D-Modell konstruiert, welches dann um hydrogeologische Objekte und unter Annahme hydraulischer Prinzipien erweitert wird. Damit können die Hauptcharakteristika des Karstsystems visualisiert werden, was das Verständnis für dessen Funktionsweise entscheidend erhöht

Ergebnisse: Kartographische Darstellungen

Kartensatz zu den karsthydrogeologischen Systemen

Das 3D-Modell sowie die Karten, die aus der Anwendung des KARSYS-Ansatzes resultieren, enthalten zu viele Informationen, um diese auf eine einzige Kartendarstellung reduzieren zu können. Üblicherweise werden die Ergebnisse an Dritte im PDF-Format mit anklickbaren Themen übermittelt oder sind im Internet publiziert (www.swisskarst.ch). An Behörden wird das 2D-Kartenmaterial als GIS-Datei abgegeben. Thematische Auszüge können in Papierform erfolgen (siehe Abb. 3, 4, 5, 6), wobei bei vollständiger Umsetzung des Ansatzes fünf Themendarstellungen dokumentiert sind:

Abb. 3
figure 3

Kartographische Darstellung der Niedrigwassersituation (Legende s. Abb. 7). A Karte der phreatischen Zone inklusive gespanntem Grundwasser mit Isohypsen der unteren (schwarz) und oberen Grenze (weiß) des Grundwasservorkommens (m.ü.M) sowie Mächtigkeitsangabe für die gesättigte Zone; B Karte der phreatischen Zone mit Tiefe des Grundwasserspiegels unterhalb Geländeoberfläche; C Karte des gesamten Systems mit unterirdischer Begrenzung des Karstsystems bei Niedrigwasser und Höhenlinien des Karstwasserspiegels. Die Darstellung der Hauptfließwege veranschaulicht die Diffluenzbereiche in der ungesättigten Zone (rote Flächen) und der phreatischen Zone (gestreifte Flächen)

Abb. 4
figure 4

Kartographische Darstellung der Hochwassersituation (Legende s. Abb. 7). A Karte der phreatischen Zone inklusive gespanntem Grundwasser mit Isohypsen der unteren (schwarz) und oberen Grenze (weiß) des Grundwasservorkommens sowie Mächtigkeitsangabe für die gesättigte Zone; B Karte der phreatischen Zone mit Tiefe des Grundwasserspiegels unterhalb Geländeoberfläche; C Karte des gesamten Systems mit ober- und unterirdischer Begrenzung des Karstsystems bei Hochwasser und Höhenlinien des Karstwasserspiegels. Diese Karte verdeutlicht den Anstieg des Karstwasserspiegels gegenüber Niedrigwasserverhältnissen sowie die Ausweitung der Diffluenzbereiche bei Hochwasser

Abb. 5
figure 5

Darstellung der Oberflächenmerkmale mit Bereichen nackten, teilweise bedeckten und völlig bedeckten Karsts. Bei vollständig bedecktem Karst (Gitterstruktur) kommt es zu keiner direkten Infiltration, sondern zu Oberflächenabfluss mit teilweise allochthoner Grundwasserneubildung und damit mitunter zu einer Abweichung von ober- und unterirdischem Einzugsgebiet. Die schmalen Exfiltrationslinien bei Niedrigwasser können sich bei Hochwasser zu breiteren Exfiltrationsbereichen erweitern (orange) (Legende s. Abb. 7)

Abb. 6
figure 6

Synthetisierte Darstellung der hydrogeologischen Situation des Karstsystems. Eine solche Karte kann bereits für Systeme mit relativ wenig verfügbaren Daten erstellt werden. Sie wird als gangbarer Kompromiss zwischen Lesbarkeit und Informationsdichte angesehen. Anhand der damit vorliegenden Informationen kann aus der kartographischen Darstellung z. B. der vermutliche Fließweg eines hypothetischen Tracerversuchs direkt abgeleitet werden (Legende s. Abb. 7)

  1. 1.

    Grundwasser bei Niedrigwasser

  2. 2.

    Fließsysteme bei Niedrigwasser

  3. 3.

    Grundwasser bei Hochwasser

  4. 4.

    Fließsysteme bei Hochwasser

  5. 5.

    Oberflächenmerkmale

Abb. 7
figure 7

Legende zu den Abbildungen 3 bis 6

In Tabelle 1 sind die Charakteristika zusammengefasst, die auf den jeweiligen thematischen Karten dargestellt sind.

Tab. 1 Charakteristika, die auf den jeweiligen thematischen Karten des KARSYS-Ansatzes dargestellt werden können

Grundwasser bei Niedrigwasser (phreatische Zone)

Als erstes liefert der KARSYS-Ansatz eine Abgrenzung und Charakterisierung des Grundwasservorkommens unter normalen hydrologischen Bedingungen bzw. bei Niedrigwasser. Mit einem dann als quasi-horizontal angenommenen hydraulischen Gradienten ergibt die Verschneidung von Quellniveau und 3D-Geometrie der Basis der verkarsteten Formation einen Umriss der phreatischen Zone (Grundwasser bei Nie­drigwasser). Darauf aufbauend kann das Volumen der wasserführenden Einheit bestimmt werden. Noch wichtiger ist die Möglichkeit, Zonen mit und ohne gesättigte Grundwasserverhältnisse voneinander zu unterscheiden. Auf der entsprechenden Karte (Abb. 3A, B) sind die Bereiche mit ganzjährig vorhandenem Grundwasser in hellblau und die Bereiche ohne gesättigte Zone in grau dargestellt. Die Karte erlaubt auch Teilbereiche mit gespannten Grundwasserverhältnissen separat auszuweisen (dunkelblau). Des Weiteren können die Tiefe des Grundwasserspiegels unterhalb der Geländeoberfläche sowie die Mächtigkeit der phreatischen Zone abgeleitet werden. Letztlich kann der Karte die Tiefenlage der unteren und – in Bereichen gespannten Grundwassers – der oberen Grenze der verkarsteten Einheit entnommen werden.

Karstfließsysteme bei Niedrigwasser

Aus der Darstellung der phreatischen Zone kann die Abgrenzung der Karstfließsysteme bei Niedrigwasser erfolgen. In Abbildung 3C sind die Fließwege innerhalb eines an eine ganzjährig aktive (perennierende) Karstquelle gebundenen Systems aufgezeigt. Das Fließsystem wird also entweder in der ungesättigten Zone durch die undurchlässige Grenze bzw. Wasserscheide an der Basis der verkarsteten Formation, oder durch die piezometrische Wasserscheide zwischen zwei aktiven Quellen begrenzt (vgl. Abb. 1A, B). Hieraus kann dann auch das Einzugsgebiet des Karstsystems bestimmt werden. Da in Karstsystemen häufig Diffluenzen und nur ungenaue Informationen über hydraulische Gradienten sowie Geometrie der verkarsteten Formationen vorliegen, reicht es nicht aus, diese Abgrenzung des Einzugsgebiets lediglich in Form einer Linie darzustellen. Vielmehr müssen die Randbereiche durch Flächen markiert werden, wobei die Grenzlinie wiederum die maximale Ausbreitung der beitragenden Flächen zur Gesamtschüttung des Systems umschließt. Die Fläche bzw. das entsprechende Volumen beschreiben den Diffluenzbereich, aus dem ein Teil des Wassers auch bei Niedrigwasser in andere Systeme entwässert oder entwässern könnte. Auf diese Art überlappen sich in den meisten Fällen die maximalen Einzugsgebiete benachbarter Karstsysteme.

Wie in Abbildung 1 skizziert, können dieser Darstellung die wichtigsten (vermuteten) Fließwege des Karstsystems hinzugefügt werden (Abb. 3C). Für die ungesättigte Zone wird angenommen, dass das Wasser vertikal versickert, bis es entweder die Basis der verkarsteten Formation oder das Grundwasser (phreatische Zone) erreicht. Trifft das Wasser zunächst auf die undurchlässige Basis, folgt es dieser Fläche in Richtung des Schichtfallens (ähnlich dem Oberflächenabfluss). In der phreatischen Zone gilt dann das Prinzip, dass das Wasser auf der kürzesten hydraulischen Verbindung in Richtung der Quelle fließt. Weitere Quellen, die hydraulisch direkt mit der ganzjährig aktiven Quelle in Verbindung stehen, können identifiziert werden. Eine solche Quellgruppe umfasst alle wichtigen Austrittspunkte des Karstsystems. Falls piezometrische Daten des Niedrigwasser-Karstwasserspiegels existieren (am ehesten Beobachtungen in Höhlen oder Bohrlochmessungen), können die entsprechenden Gradienten abgeschätzt werden. Eine piezometrische Karte kann die Systemdokumentation ergänzen. Dabei ist allerdings zu beachten, dass Pegelstände in Bohrungen deutlich (mehr als 20 m) vom Karstgrundwasserspiegel abweichen können (Jeannin 1995); Karstgrundwasserspiegel können nur durch hydraulische Tests bestimmt werden. Zusätzlich können auf diesen Karten die Ergebnisse von Tracerversuchen dargestellt werden, welche bei Niedrigwasserverhältnissen durchgeführt wurden.

Grundwasser bei Hochwasser (phreatische + epiphreatische Zone)

Bei Hochwasser, d. h. zu Zeiten erhöhter Quellschüttungen, steigen die Fließgeschwindigkeiten in den Karströhren entsprechend der Druckhöhen an. Beobachtungen und Messungen in Höhlen zeigen, dass je nach System Schwankungsbereiche (epiphreatische Zone) bis zu 500 Höhenmetern vorkommen (Abb. 1C). In topographisch eher flachen Karstgebieten bewegen sich die Schwankungen im Bereich von 5–50 Metern (z. B. Milandre in der Schweiz (Jeannin 1996)), manchmal sogar darunter (z. B. Mammoth Cave in den USA (Quinlan et al. 1983)). In gebirgigen Karstsystemen mit ihren mächtigen Kalkformationen und starken Niederschlägen (sowie Beiträgen aus Schnee- und Gletscherschmelze) – wie dies in den Schweizer Alpen häufig der Fall ist – können Schwankungen größer 350 m erreicht werden (z. B. Hölloch (Jeannin 2001) oder Luire (Morel et al. 2006)); üblichere Werte liegen zwischen 50 und 200 Metern (z. B. Bärenschacht (Häuselmann et al. 2003) oder Areuse (Schürch et al. 2006)). Diese Schwankungen führen in der Regel zu einer signifikanten Vergrößerung der Mächtigkeit der gesättigten Zone bei Hochwasser.

Die Bestimmung der Hochwassersituation ist nicht eindeutig, da die Schwankungshöhe von Quellschüttung und Druckhöhe von der Intensität der meteorologischen Ereignisse abhängt. Je nach Fragestellung betrachtet man eine übliche (jährliche) oder eine extreme (30- oder 100-jährliche) Hochwassersituation. Die Bestimmung der Hochwasserverhältnisse erfolgt durch Beobachtung der Grundwasserstände während des Ereignisses meist an Überlaufquellen sowie in Höhlen und Bohrungen. Sollten keine solchen Daten zur Verfügung stehen, muss auf die Darstellung der epiphreatischen Zone verzichtet werden. Kann diese allerdings bestimmt werden, so ist auch eine Abschätzung des Wasservolumens möglich, welches in der epiphreatischen Zone gespeichert ist. Auf der entsprechenden Karte (Abb. 4A, B) sind die epiphreatischen Bereiche in hellblauen Streifen dargestellt. Bereiche mit bei Hochwasser gespannten Grundwasserverhältnissen sind mit dunkelblauen Streifen gekennzeichnet. Sind ausreichende Datenreihen vorhanden, können zudem Karten für Hochwassersituationen unterschiedlicher Wiederkehrperiode produziert werden.

Karstfließsysteme bei Hochwasser

Üblicherweise variieren die Fließgrenzen und hydraulischen Bedingungen in den Karstsystemen je nach Wasserstand (Abb. 1D). Sehr häufig führt das Ansteigen des Grundwassers zu einer Art „unterirdischem Überlauf“, welcher entweder zu einem Wasserverlust oder zu einer Wasseranreicherung im System führt. Somit ist für die Hochwassersituation – neben den Niedrigwasserverhältnissen – eine weitere Analyse der Abgrenzung der Grundwassersysteme und deren Einzugsgebiete notwendig; in gewissen Systemen sollten sogar Zwischenstände berücksichtigt werden. Neue Abgrenzungslinien und -bereiche müssen skizziert werden, ebenso wie neue Diffluenzbereiche – diesmal für Hochwasserverhältnisse – bestimmt werden müssen.

Analog zur Niedrigwassersituation können die wichtigsten (vermuteten) Fließwege des Karstsystems eingezeichnet werden (Abb. 4C). In vielen Fällen verändert die Aktivierung von Überlaufquellen die Systemaustrittspunkte sowie die Fließwege relativ stark. Falls piezometrische Daten des Karstwasserspiegels für Hochwasser vorliegen (aus Höhlen, Überlaufquellen oder Bohrungen), können die Hochwassergradienten abgeschätzt werden. In der Regel steigen diese in Karstsystemen nicht gleichmäßig, sondern eher stufenweise (z. B. Wildberger & Ziegler 1992). Eine piezometrische Karte für Hochwasserverhältnisse kann die Dokumentation des Systems ergänzen. Gebiete, in denen der Karstwasserspiegel die Geländeoberfläche erreicht (oder sich ihr annähert), sind als überflutungsgefährdete Bereiche zu betrachten. Entsprechend kann die Tiefe des Grundwasserspiegels bei Hochwasser unterhalb der Geländeoberfläche – für eine gegebene Wiederkehrperiode – auf der Karte dargestellt werden. Auf diesen Karten können analog die Ergebnisse der Tracerversuche, die bei Hochwasser durchgeführt wurden, vermekt werden.

Darstellung der Oberflächenmerkmale

Die berücksichtigten Oberflächenmerkmale umfassen die Darstellung von Infiltrations- und Exfiltrationsbedingungen (Abb. 5).

Bezüglich Infiltration wird die Fläche des gesamten Einzugsgebiets gleichsam für Niedrigwasser und Hochwasser in drei Kategorien unterteilt: (i) nackter Karst, (ii) teilweise bedeckter Karst und (iii) völlig bedeckter Karst. Nackter Karst entspricht Bereichen, in denen die Bedeckung nur mäßig mächtig ist (0 bis ca. 2 m), und wo angenommen werden kann, dass der Hauptteil des Nettoabflusses unterirdisch in den Karst erfolgt. Wenn sich dagegen bei starkem Niederschlag Oberflächenabfluss bilden kann und/oder im Fall bedeutender Deckschichten, wird eine Region als teilweise bedeckt kartiert. Diese Unterscheidung kann meist bereits aus dem digitalen Höhenmodell und den Bodenkarten getroffen werden. Wenn der Hauptteil des Niederschlags an der Oberfläche abfließt, wo also ein Bach oder Fluss an der Oberfläche existiert, ist das Gebiet als bedeckter („allochthoner“) Karst kartiert, vorausgesetzt dass dieser Oberflächenabfluss zumindest teilweise in den Karst entwässert.

Bei den Exfiltrationsphänomenen handelt es sich um ganzjährig aktive Quellen, temporäre Überlaufquellen sowie Exfiltrationslinien bzw. -bereiche für Niedrigwasser und Hochwasser. Bereiche, die nur bei Hochwasser zum Exfiltrationsbereich werden, sind in der Regel bei Niedrigwasser Infiltrationsbereiche.

Synthetisierte Darstellung

Da mehrere Karten notwendig sind, um sämtliche beschriebene Informationen zu visualisieren, wird eine synthetisierte Darstellung der KARSYS-Ergebnisse vorgeschlagen (Abb. 6). Eine solche zeigt die Quellen, die Ausdehnung des Grundwasservorkommens bei Niedrigwasser (bei Bedarf zusätzlich bei Hochwasser), die Hauptfließwege des Systems bei Niedrigwasser, das gesamte Einzugsgebiet, die Diffluenzbereiche sowie die drei unterschiedenen Infiltrationsszenarien (nackter, teilweise bedeckter und völlig bedeckter Karst). Üblicherweise bleiben Kartendarstellungen mit diesem Umfang an Angaben noch lesbar. Die Karte wird in der Regel durch ein hydrogeologisches Vertikalprofil ergänzt.

Dokumentation für unterschiedliche Aspekte des Wassermanagements

Zwischen 2010 und 2013 wurde der KARSYS-Ansatz auf mehr als 100 Karstsysteme vor allem in der Schweiz (von hochalpinen Systemen bis Jura-Plateaus), aber auch in Slowenien und Spanien angewendet (Turk et al. 2013, Ballesteros et al. 2013). Diese Dokumentationen wurden im Hinblick auf eine breite Palette von Nutzern erstellt. Tabelle 2 führt die Anwendungsbereiche, für welche Karten des KARSYS-Ansatzes geeignet erscheinen, auf.

In etwa der Hälfte der Anwendungen waren Fragen zur Wasserversorgung Auslöser der durchgeführten Arbeiten (z. B. Berner Jura (Malard et al. 2012)). Die gelieferten Karten konnten aufzeigen, wie viel Wasser im Karst-Grundwasserleiter gespeichert ist und wo die Erstellung einer Fassung günstig oder ungünstig wäre. Einzugsgebiete wurden neu ausgeschieden, und viele bis dahin unverstandene Beobachtungen früherer Untersuchungen konnten nun eingeordnet werden. Die 3D-Modelle spielten stets eine wichtige Rolle in der Kommunikation der Ergebnisse. So halfen die anschaulichen Darstellungen den Wassermanagern, ihre Karstsysteme konkret zu verstehen, und konnten in Bezug auf die Abschätzung der Wasserverfügbarkeit eine gewisse Plausibilität vermitteln.

In einem Fall wurde der KARSYS-Ansatz herangezogen, um die Ursache von Verschmutzungen eines Pumpbrunnens im Schweizer Jura (Poljé von La Brévine, Kanton Neuchâtel) zu eruieren. Bisher wurde dort ein lokal begrenztes Einzugsgebiet von 0,5 km2 angenommen. Das 3D-KARSYS-Modell und die Karte des Grundwasservorkommens haben jedoch ein solch begrenztes Einzugsgebiet nicht bestätigt; vielmehr ergaben sich zahlreiche Anzeichen für ein um ein Vielfaches größeres Einzugsgebiet. Dies wurde schließlich auch durch einen Tracerversuch belegt. Die Infiltrationsbereiche dieses Gebietes, die aus dem 3D-Modell abgeleitet und auf den synthetisierten Karten dargestellt wurden, können dann genutzt werden, um angepasste Schutzzonen zu bemessen.

Der Kanton Waadt interessierte sich für eine Abschätzung des Energiepotenzials der Karst-Grundwasserleiter und ließ dafür seine 50 Karstsysteme mehr oder weniger detailliert mit dem KARSYS-Ansatz dokumentieren (Jeannin et al. 2010). Analog zu Abbildung 4C konnten dieje-nigen Systeme kartographisch dargestellt werden, in denen ein unterirdischer Bach deutlich oberhalb des Vorfluters verläuft und somit unterirdische Wasserkraftwerke installiert werden könnten. Die Einzugsgebiete dieser potenziellen Fassungsstellen wurden bestimmt und die Abflussmengen abgeschätzt. Eine daraus resultierende Stromproduktion von insgesamt 20 MW wäre zwar bescheiden, aber nicht unbedeutend. Drei Projekte erscheinen rentabel und werden weiterverfolgt. Gleichzeitig wurde das Potenzial für Wärmegewinnung aus Karstgrundwasser untersucht. Das Potenzial ist vorhanden, aber nicht immer am günstigen Ort, d. h. zu weit entfernt von den entsprechenden Nutzern. Trotzdem gibt es bereits einige solcher Anlagen in Karstgebieten der Schweiz.

Ein weiteres Anwendungsbeispiel ergibt sich im Rahmen der Beurteilung von Hochwassergefahren. In Karstgebieten gibt es Bereiche, die zwar so gut wie nie einen Oberflächenabfluss aufweisen, jedoch manchmal von aufsteigendem Karstwasser geflutet werden. In der Ajoie in der Nordschweiz (Kanton Jura) ist dies der Fall und die Ingenieure hatten sehr wenig Kenntnis und Informationen, um die Wahrscheinlichkeit und das Ausmaß einer solchen Überflutung abzuschätzen. Der KARSYS-Ansatz wurde benutzt, um Karten des Grundwassersystems bei Niedrig- und Hochwasserverhältnissen zu erstellen (entsprechend Karten der Abb. 4 und  5). Bereiche, in denen das Grundwasser die Geländeoberfläche erreichen kann, wurden mitsamt ihrer Einzugsgebiete ausgeschieden (Vouillamoz et al. 2013). Mit einfachen hydraulischen Modellen konnten die Wassermengen und Wiederkehrperioden von Ereignissen bestimmt werden. Zwar wird eine echte Validierung der Ergebnisse erst mit dem Eintritt entsprechender – aber seltener – Ereignisse stattfinden können, jedoch wurde das Modell bei normalen Hochwassern schon sehr gut bestätigt, nicht zuletzt dank des Einbaus zusätzlicher Messgeräte im Untergrund.

Erdwärmesonden sind nicht nur in der Schweiz mittlerweile sehr verbreitet. Die Bewilligung dafür erfolgt über die Kantonsbehörden, jedoch ist die Beurteilung solcher Bohrungen in Karstgebieten nicht immer evident. In einigen Kantonen sind Erdwärmesonden im Karst generell verboten, in anderen Kantonen teilweise oder kaum reglementiert. Im Kanton St. Gallen wurde der KARSYS-Ansatz herangezogen, um ein Konzept für die Reglementierung des Erstellens von Erdwärmesonden zu entwickeln. Dafür wurden die Karstsysteme des Kantons vollständig mit KARSYS dokumentiert. Für jedes System wurden Karten im Stil der Abbildung 3 erstellt, woraus als Endprodukt eine kantonsweite Karte für die Erteilung von Bewilligungen für Erdwärmesonden in Karstgebieten hervorgehen soll.

Der KARSYS-Ansatz und entsprechendes Kartenmaterial kamen auch bereits für die Beurteilung der Auswirkungen von Projekten oder bestehenden Bauten (Deponien, Anlagen, Tunnelbauten) zum Einsatz. Eine konkrete Erweiterung des Ansatzes wurde für die Prognose von karstspezifischen Gefahren im Untertagebau vorgenommen (KarstALEA, Filipponi et al. 2012).

Einige der mit KARSYS dokumentierten Systeme wurden zusätzlich hydrologisch modelliert, um das heutige Fließregime besser zu charakterisieren, oder auch um die Auswirkung zukünftiger Klimaänderungen abzuschätzen. Dies hat gezeigt, dass hydrologische oder hydrogeologische Modelle relativ leicht aus der KARSYS-Dokumentation entwickelt werden können.

Diskussion und Schlussfolgerungen

Im Vergleich zur klassischen kartographischen Darstellung erlauben die mit KARSYS erstellten Karten eine deutlich umfangreichere Charakterisierung der Karst-Grundwasserleiter und Fließsysteme. Dieses Material ist praxisorientiert und wurde im Hinblick auf die Anforderungen der potenziellen Anwender entwickelt (siehe Tab. 2).

Tab. 2 Auswahl von bisher bearbeiteten Anwendungsbereichen für Karten des KARSYS-Ansatzes

Der Vorteil einer expliziten 3D-Darstellung – ergänzt durch Karten – liegt vor allem in der Tatsache, dass alle Projektbeteiligten trotz unterschiedlicher Fachkenntnis das gleiche Bild vom Funktionieren des betrachteten Karst­systems vor Augen haben. Dies hilft Missverständnisse zu vermeiden, konträre Vorstellungen zu diskutieren und damit das Modellverständnis insgesamt zu verbessern. Die Anwendungen haben gezeigt, dass die KARSYS-Dokumentation für viele Aspekte der Bewirtschaftung eines Karstgebietes von Nutzen sein kann. Ein solches Verständnis stellt auch die notwendige Grundlage für quantitative Ansätze bezüglich Wasserbilanz, hydrologische Modelle sowie unterirdische Fließ- und Transportmodellierungen dar.

Zwar ist das 3D-Modell des Untergrundes, aus dem die thematischen Karten abgeleitet werden, sehr konkret und scheint die Realität abzubilden. Der Nutzer muss sich aber bewusst sein, dass es sich um eine vereinfachte Darstellung der natürlichen Verhältnisse handelt, welche stets komplexer als das Modell sind. Wie groß die Unterschiede zwischen Modell und Realität letztlich sind, hängt einerseits von Verfügbarkeit und Qualität der Daten ab, anderseits vom Vereinfachungsgrad, der im Ansatz angenommen wird. So bleiben z. B. Entwässerungsbahnen durch Stauerformationen in der Regel außerhalb von Verwerfungszonen unberücksichtigt.

Trotz der Funktionalität des Ansatzes gibt es noch Verbesserungsmöglichkeiten. So ist die Darstellung der jeweiligen Informationen in 3D und in den thematischen Karten noch nicht endgültig definiert. Hierzu sind Rück- und Bedarfsmeldungen explizit erwünscht, insbesondere ob die hier gewählten thematischen Darstellungen sinnvoll erscheinen, wie die Karten für geometrisch komplexe Systeme aussehen könnten oder ob die synthetisierte Karte wirklich die für die Anwender wichtigsten Informationen enthält.

Die Bearbeitung der Daten von den Grundlagen in Papierform bis zum Endresultat (3D-Modell und Karten) benötigt den Einsatz etwa zehn unterschiedlicher Software-Programme und eigener Skriptsprachen. Gewisse Teilbereiche müssen noch aufwändig von Hand bearbeitet werden. Für die Ersterstellung einer Systemdokumentation ist eine solch halbautomatisierte Vorgehensweise ein gangbarer Weg. Eine standardisierte Aktualisierung durch neue Dokumente (z. B. eine neu abgeteufte Bohrung) ist damit aber nicht machbar und somit derzeit noch nicht realisiert.

Ein weiteres Problem liegt in der Darstellung der Rohdaten und der Verdeutlichung von Unsicherheitsgraden. Im GIS-Projekt sind alle Ausgangsdaten zugänglich, jedoch ist ihre Darstellung in den publizierten Dokumenten nicht umgesetzt. In den Fällen, in denen die Anwender das vollständige GIS-Projekt erhalten, können diese Daten jedoch eigenständig eingesehen werden. Die Berücksichtigung der Modellunschärfe ist im Moment noch nicht gegeben. Derzeit ist es für den Anwender schwierig, ein System mit vielen und genauen Daten von einem mit wenigen und grob abgeschätzten Daten zu unterscheiden. Hier gibt es noch Verbesserungsbedarf.

Auch ist die Darstellung von mehrstöckigen verkarstungsfähigen Einheiten nicht gelöst. Zwar können solche Wechsellagerungen aus Karst-Grundwasserleitern und Stauerschichten mit dem 3D-Modell relativ gut nachvollzogen und visualisiert werden, jedoch ist es schwierig, dies auch kartographisch darzustellen. Dies geschieht bislang auf getrennten Karten, wobei für die Beispiele in der Schweiz bisher ohnehin hauptsächlich der oberste Grundwasserleiter betrachtet wurde.

Die systematische Anwendung des KARSYS-Ansatzes hat dessen Effizienz, aber auch das Optimierungs- und Erweiterungspotenzial aufgezeigt. Mit relativ bescheidenem Arbeitsaufwand kann ein konkretes Modellkonzept eines Karstsystems entwickelt werden. Die hier vorgestellten Ergebnisse mit den thematischen Karten – inklusive der synthetisierten Darstellung – haben die Praxistauglichkeit und Nützlichkeit des Verfahrens an einem breiten Spektrum von Themen und Fragestellungen unter Beweis gestellt. Sie sollen einen Beitrag zur Diskussion hin zu einer besseren Berücksichtigung karstspezifischer Phänomene bei der Erstellung hydrogeologischer Karten leisten.