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SOP aus der monatlich erscheinenden Reihe „SOPs zur palliativen Versorgung von Patienten im Netzwerk der deutschen Comprehensive Cancer Center“, erstellt von der Arbeitsgemeinschaft (AG) Palliativmedizin der von der Deutschen Krebshilfe geförderten CCCs.

Risikobewertung der Mangelernährung

(Abb. 1 und 2)

Abb. 1
figure 1

Risikobewertung der Mangelernährung

Diagnostik und ursachenspezifische Therapie

(Abb. 3)

Abb. 2
figure 2

Risiko der Mangelernährung [1]

Ursachenspezifische Therapie

  • Depression: psychotherapeutische Intervention, med. Therapie mit Antidepressiva

  • Mukositis: lokale Therapie, z. B. Bepanthenlösung

  • Mundsoor: antimykotische Therapie

  • Stenose/Verschluss/Fistel des Ösophagus: Stenteinlage/Bougierung endoskopisch

  • Gastroösophagealer Reflux, Ulkus: med. Therapie mit PPI

  • Schmerzen: med. Therapie der Schmerzen, ggf. lokale Therapie(z. B. Radiatio)

  • Hyperkalzämie: forcierte Flüssigkeitsgabe, ggf. mit Gabe von Schleifendiuretika, Bisphosphonate, ggf. Kortisongabe

  • CRP-Erhöhung: Fokussuche, Behandlung einer Infektion mit Antibiotika

  • Anämie: Therapie und Diagnostik symptombezogen: Gabe von Transfusionen, ggf. Blutungsursache abklären

  • Exsikkose: Gabe von parenteraler Flüssigkeit

  • Überprüfung, ob eine Medikamentennebenwirkung vorliegt: z. B. Antidepressiva, Benzodiazepine, Muskelrelaxanzien, Anticholinergika, Antiparkinsonmedikamente, Blutdrucksenker, Medikamente gegen Demenz, Antiepileptika, Digitalisüberdosierung

Abb. 3
figure 3

Diagnostik und ursachenspezifische Therapie

Therapie der tumorbedingten Kachexie

(Abb. 4)

Abb. 4
figure 4

Therapie der tumorbedingten Kachexie

Angepasste Ernährung

  • Vor einer Beratung zur angepassten Ernährung sollte ein ausführliches Gespräch über die individuelle Krankheitssituation, mögliche Therapieoptionen der Grunderkrankung und den voraussichtlichen Krankheitsverlauf stehen. Es sollten die Wünsche und Ziele des Patienten erfragt und besprochen werden. In der palliativen bzw. finalen Krankheitssituation kann durch eine Therapiezieländerung eine Entlastung des Patienten und der Angehörigen erreicht werden, wenn das Geschehen als Teil der Erkrankung akzeptiert wird.

  • Zur Steigerung der oralen Nahrungsaufnahme sollten möglichst immer qualifizierte Ernährungsberatungen angeboten werden, incl. Anreicherung der Speisen und/oder dem Angebot oraler Trinknahrungen.

  • Wunschkost anbieten.

  • Häufige und kleine Mahlzeiten anbieten.

  • Körperliche Bewegung anregen.

  • Wann immer möglich, Mahlzeit in Gesellschaft einnehmen.

  • Eine enterale oder parenterale Zufuhr von Nährlösungen sollte erfolgen, wenn das Behandlungsziel dies rechtfertigt und eine ausreichende orale Nahrungsaufnahme – beispielsweise aufgrund erheblicher Beeinträchtigung des Gastrointestinaltrakts – nicht erreicht werden kann. Vor- und Nachteile sollen insbesondere bei Patienten mit einer Lebenserwartung unter 4 Wochen sorgfältig abgewogen werden. Mögliche Nachteile: Überwässerung, Appetitminderung, Ödembildung, Förderung von Aszites/Pleuraerguss, Nykturie.

Kalorienbedarfgedeckte Ernährung

  • Auch bei nicht heilbar kranken Tumorpatienten sollte auf eine ausreichende Nahrungsaufnahme geachtet werden, da die Überlebenszeit auch bei diesen Patienten stärker durch eine Unterernährung als durch die Grunderkrankung eingeschränkt sein kann.

  • Die Kalorienzufuhr sollte bei mobilen Patienten 30 kcal/kg täglich und bei bettlägerigen Patienten 25 kcal/kg täglich betragen.

  • Bei Tumorpatienten kann in der Regel eine tägliche Eiweiß‑/Aminosäurenzufuhr von 1,2–1,5 g/kgKG empfohlen werden; der Bedarf kann bei ausgeprägter Inflammation auch höher (bis zu 2 g/kgKG) liegen.

  • Der Fettanteil soll mindestens 35 % der Gesamtenergiezufuhr betragen (entsprechend der allgemeinen Ernährungsempfehlungen) und kann bei Insulinresistenz oder zur Erhöhung der Energiedichte auf 50 % der Nichteiweiß-Energiezufuhr erhöht werden.

  • Die Ernährung von Tumorpatienten soll Vitamine und Spurenelemente in Mengen enthalten, die den Empfehlungen für gesunde Personen bzw. für künstliche Ernährung entsprechen.

  • Zum Erhalt bzw. zur Vergrößerung der Muskelmasse sollten parallel zur Ernährungstherapie bewegungstherapeutische Maßnahmen angeboten und von geschultem Personal angeleitet werden.

  • Eine enterale oder parenterale Zufuhr von Nährlösungen sollte erfolgen, wenn eine ausreichende orale Nahrungsaufnahme – beispielsweise aufgrund erheblicher Beeinträchtigung des Gastrointestinaltrakts – nicht erreicht werden kann.

  • Auch bei onkologischen Patienten soll bei ausreichender Funktion des Verdauungstrakts die enterale der parenteralen Ernährung vorgezogen werden, wobei man zur Bedarfsdeckung auch die Kombination einsetzen kann.

Beenden der Ernährung und Flüssigkeitstherapie in der Finalphase

  • Der Patientenwille ist auch bei Entscheidungen in der Sterbephase zu beachten.

  • Patienten und Angehörige sollten ausführlich über den Beginn der Sterbephase aufgeklärt werden. Sämtliche Maßnahmen sollen den Bedürfnissen des Patienten angepasst werden. Das Beenden von Maßnahmen oder Therapien bzw. neue oder veränderte Maßnahmen sollten erläutert werden.

  • In der Sterbephase soll die Zufuhr von Nahrung und Flüssigkeit allein zur Symptomlinderung erfolgen.

  • Flüssigkeitsgabe vermindert die Mundtrockenheit nicht. Mundpflege (inklusive Anfeuchten der Mundschleimhaut) sollte angepasst an die Bedürfnisse des Patienten durchgeführt werden, da hierdurch die Mundtrockenheit vermindert werden kann.

  • Durstgefühl tritt bei guter Mundpflege kaum auf.

  • Flüssigkeit sollte bei Rasselatmung in der Sterbephase nicht zugeführt werden.

  • Nach sorgfältiger Abwägung im Einzelfall (z. B. Stillen von Hunger und Durst) sollten künstliche Ernährung und Flüssigkeitszufuhr bei Sterbenden nicht gegeben werden.