Ausgehend von ersten psychosozialen Betreuungsansätzen in der onkologischen Akutbehandlung in den frühen 1970er Jahren hat sich die Psychoonkologie sowohl in der Versorgung der Patienten als auch als Forschungsfeld sehr stark entwickelt. Ziel dieses Artikels ist es, die Psychoonkologie als Fachgebiet zu definieren und ihre Kompetenzbereiche sowie Aufgaben entsprechend dem derzeitigen Kenntnisstand in der Versorgung, Forschung und Lehre bzw. Fortbildung darzustellen.

In Deutschland bieten im psychoonkologischen Bereich 2 Wissenschaftliche Fachgesellschaft eine Plattform für die fachliche Weiterentwicklung sowie gesundheitspolitische Aktivitäten und nehmen auch Aufgaben im Bereich der Qualitätssicherung und der Definition von Versorgungsstandards wahr:

  • die Deutsche Arbeitsgemeinschaft für Psychoonkologie (dapo) (Gründung 1983; http://www.dapo-ev.de) sowie

  • die Arbeitsgemeinschaft Psychoonkologie (PSO) der Deutschen Krebsgesellschaft (DKG) (Gründung 1988; http://www.pso-ag.de).

Aufgrund vermehrter wissenschaftlicher Anstrengungen und der Aktivitäten der nationalen (PSO, dapo) und internationalen Fachgesellschaften (IPOS, EFPOS) hat die Psychoonkologie insbesondere in den letzten Jahren innerhalb der Medizin an Akzeptanz gewonnen und ist in der heutigen Krebsmedizin ein unverzichtbarer Bestandteil eines integrativen patientenzentrierten Behandlungsansatzes [3, 5]. Dies zeigt sich an der zunehmenden Repräsentanz psychoonkologischer Themen auf onkologischen Fachkongressen, der Gründung eigener psychoonkologischer Arbeitskreise in großen medizinischen Fachgesellschaften wie in der DGHO und der Einbeziehung in die Entwicklung von interdisziplinären Leitlinien.

Diese Entwicklungen wurden nicht zuletzt durch Veränderungen im Gesundheitssystem hin zu einer patientenzentrierten Medizin und den zunehmenden Forderungen seitens der Patienten nach einer stärkeren Berücksichtigung psychosozialer Aspekte in der Behandlung mitbeeinflusst. So sind im Disease-Management-Programm (DMP) zur Behandlung des Mammakarzinoms psychoonkologische Aspekte zentrale Bestandteile in der Diagnostik, Behandlung und Nachsorge und müssen durch entsprechende Angebote berücksichtigt werden.

Definition der Psychoonkologie

Unter dem Begriff „Psychoonkologie“ wird ein Teilgebiet der Onkologie verstanden, welches charakterisiert ist durch die interdisziplinäre Zusammenarbeit verschiedener Fachgebiete wie Medizin, Psychologie, Psychiatrie, Psychosomatik, Soziologie und Ähnliches. Sie umfasst verschiedene Berufsgruppen wie Ärzte, Psychologen, Sozialarbeiter, Kunsttherapeuten usw. Synonym für „Psychoonkologie“ wird auch der Begriff „psychosoziale Onkologie“ verwendet.

Gegenstand der Psychoonkologie sind die Wechselwirkungen zwischen körperlichen, seelischen und sozialen Einflüssen in der Entstehung und im gesamten Verlauf einer Krebserkrankung im Kinder-, Jugend- oder Erwachsenenalter. Aufgabe der Psychoonkologie ist es, diese Wechselwirkungen wissenschaftlich zu untersuchen und die entsprechenden Erkenntnisse in der Prävention, Diagnostik, Behandlung und Rehabilitation von Patienten zu nutzen und umzusetzen [3, 6, 8, 10]. Hierbei wird derzeit davon ausgegangen, dass eine Krebserkrankung multikausal bedingt ist, wobei je nach Art der Tumorerkrankung genetische Faktoren sowie Einflüsse des Lebensstils (Risikofaktorenmodell bspw. Ernährung, Tabakkonsum, Bewegung, Sonnenexposition) eine besondere Rolle spielen. Da zahlreiche Untersuchungen eine direkte Verursachung der Krebserkrankung durch psychische Einflussfaktoren bisher nicht bestätigen konnten, gelten die früheren Modelle einer direkten Psychogenese der Krebserkrankung als überholt und werden durch das Risikofaktorenmodell abgelöst, wobei dem Gesundheitsverhalten eine zentrale Bedeutung zukommt 11. Die Psychoonkologie schließt in ihren Versorgungs- und Forschungskonzepten nicht nur die betroffenen Patienten, sondern auch die Angehörigen und die Behandler mit ein.

Grundprinzipien psychoonkologischer Betreuung

Die Psychoonkologie sieht ihre Aufgabe v. a. im supportiven Bereich. Im Vordergrund stehen die psychische Stabilisierung der Patienten und die Hilfe bei der Krankheitsverarbeitung bzw. bei spezifischen Folgeproblemen der Erkrankung und/oder Behandlung. Methoden aus verschiedenen Therapierichtungen werden patientenzentriert eingesetzt.

Die psychoonkologische Betreuung versteht sich als ein ressourcenorientiertes Angebot , wobei das gesamte Spektrum von der psychosozialen Beratung bis hin zur spezifischen Psychotherapie [2] umfasst wird. Die dem Patienten zur Verfügung stehenden individuellen Fähigkeiten zur Krankheitsbewältigung, seine Bedürfnisse und seine sozialen Ressourcen werden in der Betreuung berücksichtigt. Grundlage hierfür ist eine tragfähige therapeutische Beziehung, die emotional stabilisierend wirkt und die Komponenten Wertschätzung und Introspektionsfähigkeit enthält. Die einzelnen Interventionen stehen in der Regel im Zusammenhang mit bestimmten, meist krisenhaften Phasen der Erkrankung und ihrer Behandlung , z. B. beim Auftreten von Komplikationen, bei Tumorprogress oder Rezidiv, aber auch bei der Wiedereingliederung in das Arbeitsleben. Im Rahmen des supportiven Psychotherapiekonzepts haben auch die künstlerischen Therapien in der Psychoonkologie einen festen Platz als eigenständige Therapiemaßnahmen, die sowohl während der Akutbehandlung als auch in der Rehabilitation und Nachsorge wichtige Hilfestellungen für die Krebspatienten in ihrer Auseinandersetzung mit der Erkrankung und den Folgen der Behandlung darstellen.

Psychoonkologische Betreuung erfolgt im interdisziplinären Ansatz, in der Zusammenarbeit mit allen an der Behandlung beteiligten Berufsgruppen, beispielsweise Ärzten, Pflegern, Krankengymnasten, Sozialarbeitern, Seelsorgern, Ergotherapeuten, Logopäden usw. (Tab. 1).

Tab. 1 Grundprinzipien psychoonkologischer Versorgung

Rahmenbedingungen

Die psychoonkologische Versorgung beruht auf einem gegliederten System verschiedener Strukturen und Einrichtungen, ist jedoch bisher nicht flächendeckend und bedarfsgerecht ausgebaut. Die Finanzierung der psychoonkologischen Tätigkeit ist in den jeweiligen Versorgungsbereichen unterschiedlich geregelt. Für den Akutbereich ist sie Bestandteil des Versorgungsauftrags. Für den Bereich der stationären Rehabilitation wird sie durch Rentenversicherungsträger und Krankenkassen sichergestellt. Die ambulante psychoonkologische Versorgung basiert auf einer Struktur kommunaler und freier Träger sowie dem System der niedergelassenen Ärzte bzw. Psychotherapeuten. Eine dauerhafte Sicherung und flächendeckende Versorgung in allen Bereichen werden von fachlicher Seite gefordert. Der Zugang zu einer bedarfsgerechten psychosozialen Unterstützung ist frühzeitig und für die Patienten frei zugänglich zu ermöglichen. Neben den ambulanten Beratungsstellen müssen dazu auch psychosoziale Abteilungen/Arbeitsbereiche an Akutkliniken und Schwerpunktpraxen als Regelversorgung vorhanden sein.

Die Behandlungsangebote müssen niederschwellig sein, eine individuell angepasste Behandlung bieten und in Kooperation mit anderen Behandlern erfolgen (Tab. 1). Die Tätigkeiten der Behandler müssen transparent sein und kommuniziert werden. Dazu bedarf es einer standardisierten Dokumentation und qualitätsgesicherten Evaluation. Für alle Behandler ist Supervision in ihren verschiedenen Ausprägungen (z. B. Fallbesprechung, externe Teamsupervision, Balint-Gruppe) verpflichtend anzubieten. Erste Leitlinienempfehlungen sind für verschiedene Bereiche bereits vorgelegt worden [6, 9].

Kompetenzbereiche der Psychoonkologie

Sie gehen aus Tab. 2 hervor und werden im Folgenden mit ihren Anforderungen übersichtsartig dargestellt.

Tab. 2 Versorgungsorientierte Kompetenzbereiche der Psychoonkologie

Gesundheitsmanagement

Innerhalb der neuen Rahmenbedingungen im Gesundheitsmanagement kann die Psychoonkologie einen erheblichen Beitrag zu einer verbesserten Versorgung der Patienten leisten. Durch eine adäquate psychoonkologische Betreuung können die weit reichenden Auswirkungen der Erkrankung im körperlichen, seelischen und sozialen Bereich aufgefangen werden. Eine frühzeitige Betreuung kann vor einer Chronifizierung der Beschwerden schützen und somit Spätfolgen und Folgekosten vermeiden helfen.

Im Sinne einer integrierten Sektoren übergreifenden Versorgung sollte fachkundige psychosoziale Betreuung in jedem Bereich der Versorgungskette der Onkologie den Patienten zugänglich sein:

  • in der Diagnostik,

  • während der stationären bzw. ambulanten Behandlung,

  • in Nachsorge und Rehabilitation,

  • als Begleitung bei chronischen Langzeitverläufen und

  • im terminalen Lebensabschnitt.

Zur Sicherstellung einer qualitätsgerechten, wirtschaftlichen und wirksamen psychoonkologischen Versorgung gehören neben der Begleitung der Patienten auch die Unterstützung für die Angehörigen und die an der Behandlung beteiligten Teams [7]. Klinische Qualitätsstandards, Leitlinien sowie verbindliche Richtlinien zu Indikation, Dokumentation und Evaluation sind hierfür unabdingbar.

Primärprävention

Hierbei spielen psychosoziale Aspekte eine gewichtige Rolle, da der Lebensstil als Grundlage des Risikofaktorenmodells durch Kognitionen (wie Einstellungen, subjektive Theorien u. a.) sowie Emotionen gesteuert wird. Aufklärung und Erziehung zu einer gesunden Lebensweise und damit Krankheitsprävention sind eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, deren Erfüllung im Wesentlichen von den Fachgesellschaften und den Krankenkassen wahrgenommen wird. Eindrucksvolle Beispiele sind die Aktion „5 am Tag“ der Deutschen Krebsgesellschaft (DKG), mit der für den regelmäßigen Verzehr von Obst oder Gemüse geworben wird, und das Rauchertelefon des Deutschen Krebsforschungszentrums in Heidelberg. Die Krankenkassen leisten einen wichtigen Beitrag mit der Ernährungsberatung und der Förderung von Fitnessprogrammen .

Im Bereich der Sekundärprävention liegen die psychosozialen Aufgaben im Abbau von Barrieren gegenüber Früherkennungsprogrammen durch Aufklärung, Enttabuisierung der Krebserkrankung sowie Reduzierung von Ängsten. Psychoonkologische Studien haben wichtige Grundlagen geliefert, um kulturabhängige Einstellungen, das Bild der Krebserkrankung in den Medien sowie die Ängste gegenüber der Krebserkrankung in der Normalbevölkerung besser verstehen und ihre Bedeutung für die Verhaltenssteuerung sowie das Inanspruchnahmeverhalten von Vorsorge- und Früherkennungsmaßnahmen klären zu können.

Akut-/Primärversorgung

Die frühzeitige Bereitstellung psychoonkologischer Angebote bereits in der Akutbehandlung ist ein zentrales Aufgabengebiet psychoonkologischer Versorgung. Organisatorische Basis sind Konsiliar-/Liaisondienste oder integrierte Fachabteilungen. Spezifische Rahmenbedingung im Akutkrankenhaus ist die sich seit Einführung des pauschalierten Abrechnungssystems der DRG (Diagnoses Related Groups) zunehmend verkürzende Verweildauer der Patienten. Strukturelle Voraussetzung ist die Verankerung einer integrierten und flexiblen psychoonkologischen Behandlungsorganisation in Abhängigkeit von der akuten Behandlungs- und Belastungssituation der Patienten.

Der Betreuungsbedarf während der Akutbehandlung wird auf insgesamt etwa 1/3 geschätzt. Seine systematische Erfassung mit standardisierten Instrumenten ist möglich, wobei sowohl die subjektive Einschätzung der Patienten als auch die qualifizierte Beurteilung durch die medizinischen und pflegerischen Mitarbeiter einbezogen werden sollten. Spezifische Ziele der psychoonkologischen Behandlung während der Akutbehandlung sind

  • die Prävention bzw. frühzeitige Behandlung reaktiver psychischer Störungen (Prävalenz etwa 1/3 der onkologischen Patienten),

  • die Reduktion von Ängsten und Depressivität,

  • die gezielte Behandlung von Symptomen als Folgeprobleme oder Nebenwirkungen der Diagnostik und/oder Behandlung sowie

  • die Unterstützung der Kommunikation [1].

Ziele in Richtung auf die Angehörigen sind neben der Stärkung des primären Unterstützungssystems der Patienten die direkte Entlastung und Unterstützung der Angehörigen selbst. Das Interventionsspektrum beinhaltet kurzpsychotherapeutische, supportive und systemische Strategien, Informationsvermittlung, ggf. Planung einer Weiterbehandlung und Sterbebegleitung . Das Setting variiert hinsichtlich der beteiligten Personen, der zeitlichen Dauer und der räumlichen Gestaltung. Zur Entwicklung einer integrierten interdisziplinären Versorgungsstruktur sind Fallbesprechungen und Stationskonferenzen wichtige Voraussetzungen.

Stationäre Rehabilitation

Aufgabe der onkologischen Rehabilitation sind die Diagnostik, Früherkennung und Behandlung der krankheits- oder behandlungsbedingten Folgeprobleme im Bereich der körperlichen, psychischen und sozialen Funktionen. Somit lässt sich der Bereich der Rehabilitation der tertiären Prävention zuordnen.

Zentrale Zielsetzungen psychoonkologischer Aufgaben in der onkologischen Rehabilitation sind

  • die Verbesserung der Krankheitsverarbeitung und Lebensqualität,

  • die Anpassung an krankheits- oder behandlungsbedingte Funktionseinschränkungen sowie

  • die Förderung der beruflichen und sozialen Reintegration.

Für die betroffenen Patienten geht es je nach Ausgangssituation der Tumorerkrankung in der Rehabilitation um die Verringerung der Einschränkungen und Beeinträchtigungen, die Stabilisierung des gegenwärtigen Zustands, die Vermeidung von Maladaptation oder das Erlernen von kompensatorischen Leistungen .

Die Psychoonkologie (Diagnostik und Therapie) ist zentraler Bestandteil der onkologischen Rehabilitation, wobei je nach Diagnosegruppe unterschiedliche Prioritäten gesetzt werden müssen. Die Einbeziehung des Patienten in medizinische Entscheidungen, seine Mitwirkung am Rehabilitationsprozess und seine Befähigung zur kompetenten Mitverantwortung sind wichtige Aufgaben der Rehabilitation. Gerade im Bezug auf die Zielgrößen der Selbstverantwortung der Patienten, der Hilfe zur Selbsthilfe und der Ressourcenorientierung hat die Psychoonkologie neben anderen Fachdisziplinen mit dazu beigetragen, diese Konzepte zu schärfen und dadurch die Interventionsmöglichkeiten in diesem Bereich deutlich zu verbessern.

Spezifische Kompetenzen niedergelassener Psychotherapeuten

Entsprechend den Richtlinien zur ambulanten Psychotherapie können Tumorpatienten bei entsprechender Indikationsstellung behandelt werden (Psychotherapierichtlinien D1.3.3. und 1.3.4.). Indikationen für die ambulante psychotherapeutische Behandlung beim entsprechend qualifizierten Fachpsychotherapeuten sind psychische Folgestörungen im Sinne der psychischen Komorbidität, die sich als inadäquate Krankheitsverarbeitung äußern und über normale Reaktionen der Krankheitsverarbeitung hinausgehen. Dies findet Ausdruck in einer Reihe von Symptomen wie

  • Ängsten,

  • Verlusterleben,

  • depressiven Symptomen wie Trauer, Antriebslosigkeit, Resignation oder Hoffnungslosigkeit.

Die häufigsten ICD-Diagnosen bei Tumorpatienten sind Angststörungen, depressive Störungen sowie Anpassungsstörungen. In der psychotherapeutischen Behandlung von Krebspatienten ist eine Zusammenarbeit mit den somatisch behandelnden Ärzten von entscheidender Bedeutung, da Informationen über die medizinischen Behandlungsmöglichkeiten und ihre Aus- und Nebenwirkungen für den Psychotherapeuten wichtige Hilfen sind, um den Patienten zur Mitwirkung an seiner Behandlung zu befähigen und vor einer Flucht in unsolide Heilungsversprechungen zu schützen. Neben der psychotherapeutischen Basisqualifikation sind für diese Tätigkeit eine psychoonkologische Fort- und Weiterbildung sowie eingehende onkologische Erfahrungen erforderlich.

Ambulante Beratung

Die psychosoziale Krebsberatung ist ein integrierter Bestandteil der ambulanten Versorgung von Tumorpatienten und ihrer Angehörigen und stellt eine wichtige Schnittstelle zwischen stationärer Versorgung und Nachsorge dar. Organisatorische Basis sind die psychosozialen Krebsberatungsstellen in kommunaler oder freier Trägerschaft (Länderkrebsgesellschaften, Tumorzentren, Diakonie, Caritas usw.). Durch die zunehmende Verkürzung der Liegezeiten im Akutkrankenhaus kommt ihnen eine wichtige Funktion in der Klärung und Vermittlung weiterführender ambulanter Hilfen zu (Psychotherapie, Selbsthilfe u. a.).

Neben der sozialrechtlichen Beratung werden auch niederschwellige Unterstützungsangebote für Patienten und ihre Angehörigen vorgehalten. Eine ausreichende personelle Ausstattung und eine kontinuierliche Qualitätssicherung sind zu gewährleisten. Eine qualifizierte Ausbildung im psychoonkologischen Bereich ist Voraussetzung für die psychosoziale Beratungstätigkeit. Seit 2004 stehen strukturelle Leitlinien für psychosoziale Krebsberatungsstellen zur Verfügung, die die personelle Ausstattung, die Struktur, die Angebote und die Qualitätssicherung der ambulanten psychosozialen Versorgung vorgeben.

Basiskompetenz medizinischer Berufsgruppen

Vor dem Hintergrund des Leitgedankens der Interdisziplinarität, der psychosozialen Anforderungen in der Onkologie und der sich verändernden Patientenbedürfnisse müssen auch die medizinischen Behandler psychoonkologische Basiskompetenzen besitzen, eine angemessene psychoonkologische Ausbildung vorweisen und sich diesbezüglich kontinuierlich fortbilden. Schwerpunkte hierbei sind die Fähigkeiten und Fertigkeiten in der Gesprächsführung v. a. in Krisensituationen. Darüber hinaus werden jedoch auch Grundkenntnisse in der psychologischen Diagnostik, der psychosomatischen Basisversorgung sowie der berufsübergreifenden Kooperation gefordert. Da diese Basiskompetenzen nur teilweise in den jeweiligen Studien oder Ausbildungsgängen vermittelt werden, wird dadurch ein wichtiges Aufgabengebiet für die psychoonkologische Fort- und Weiterbildung definiert (s. auch „Fachliche Qualifikation: Fort- und Weiterbildung“).

Psychoonkologie in Forschung und Lehre

Die Psychoonkologie ist eine noch rechte junge Wissenschaft. Seit Mitte der 1970er Jahre entwickelte sie sich zu einer Subspezialisierung der Onkologie [4] und hat sich mittlerweile in allen Forschungsgebieten der Prävention, Diagnostik, Therapie und Nachsorge der Tumorerkrankung etabliert. Die wissenschaftliche Produktivität der Psychoonkologie insgesamt lässt sich neben den zahlreichen Arbeiten in medizinpsychologischen oder psychosomatischen Fachzeitschriften auch in substanziellen Publikationsanteilen in hochrangigen medizinischen Zeitschriften (z. B. Journal of Clinical Oncology, The Oncologist) feststellen. Darüber hinaus wurden spezielle Fachzeitschriften wie „Journal of Psychosocial Oncology“, „Psycho-Oncology“ oder „Quality of Life Research“ gegründet. Auch in Deutschland hat sich in den letzten Jahrzehnten eine vielfältige und breit gefächerte psychoonkologische Forschung etabliert, die durch staatliche Forschungsförderung (v. a. BMBF, BMG, DFG) und private oder freigemeinnützige Stiftungen (wie DKH, Carreras, u.v.m.) unterstützt wird.

Das Themenspektrum umfasst alle Forschungsthemen der Psychoonkologie wie Krankheitsverarbeitung, Lebensqualität, Belastung und Komorbidität, Interventionen, Arzt-Patienten-Interaktion, aber auch spezifische Themen wie Patientenkompetenz, Salutogenese u. a. Fachspezifische Kongresse und Tagungen (wie die Jahrestagungen der dapo und PSO), aber auch Symposien in medizinischen Fachkongressen (wie Deutscher Krebskongress, Jahrestagung der DGHO u. a.) bieten Gelegenheit, die wissenschaftlichen Erkenntnisfortschritte und Methodenentwicklungen zu diskutieren.

Die Psychoonkologie wird in der universitären Ausbildung v. a. durch die Fachdisziplinen der Medizinischen Psychologie, Psychosomatik, Psychiatrie, Klinische Psychologie oder Rehabilitationspsychologie vertreten. Obwohl Tumorerkrankungen zu den häufigsten Erkrankungen gehören, gibt es in der zurzeit gültigen Studienordnung keine verbindliche Empfehlung bzw. Verpflichtung zur Teilnahme an psychoonkologischen Lehrveranstaltungen. Eine Änderung der aktuellen Ausbildungscurricula ist daher anzustreben.

Fachliche Qualifikation: Fort- und Weiterbildung

Die bisher erreichte Etablierung und Integration der Psychoonkologie in das System der medizinischen Versorgung erfordert eine Qualifizierung der in diesem Bereich tätigen Berufsgruppen durch entsprechende Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen. Die Notwendigkeit wird z. B. deutlich an den Richtlinien der Zertifizierung von Brustkrebszentren, nach denen die Bereitstellung einer psychoonkologischen Fachkraft notwendige Voraussetzung für die Zertifizierung darstellt. Bisher ist der Begriff Psychoonkologe/in weder berufsrechtlich noch als Zusatztitel klar definiert oder rechtlich geschützt. Mit zunehmender Bedeutung und Integration psychoonkologischer Fachkompetenz in die onkologischen Strukturen wird jedoch eine klare Vorgabe der erforderlichen Qualifikation notwendig, um entsprechende Qualitätsstandards zu erreichen (s. auch Abschnitte „Rahmenbedingungen“ und „Gesundheitsmanagement“).

Die beiden Fachgesellschaften PSO und dapo führen bundesweit seit vielen Jahren ein Curriculum zur Weiterbildung in Psychoonkologie (WPO) durch, welches in einen Grund- und Aufbaukurs aufgeteilt ist und die notwendigen Kenntnisse vermittelt. Die erfolgreiche Teilnahme an dieser Weiterbildung wird mit einem Zertifikat der Deutschen Krebsgesellschaft nachgewiesen. Im Zuge eines sich weiter differenzierenden Fortbildungsbedarfs wurde seit 2005 auch ein spezifisches Curriculum für approbierte Psychotherapeuten eingerichtet. Weitere Curricula zur Vermittlung von psychosozialen Basiskompetenzen für Onkologen werden ab 2006 angeboten werden.

Ausblick

Das vergleichsweise noch recht junge Fach der Psychoonkologie hat sich auch in Deutschland in den letzten Jahren zusehends als eigene Fachdisziplin etabliert und ist für die moderne Krebsmedizin sowie eine patientenzentrierte Behandlung und Versorgung unverzichtbar geworden. Die Ausführungen haben deutlich gemacht, dass die Psychoonkologie in den verschiedenen Bereichen der Patientenversorgung sowie der Forschung und Lehre fest etabliert ist, dennoch sind immer noch deutliche Defizite in der fachpsychoonkologischen Versorgung der Patienten festzustellen.

Seitens der Patienten wird die Forderung nach einer angemessenen psychoonkologischen Betreuung und Behandlung zunehmend stärker. Trotz dieser Entwicklungen bestehen weiterhin Defizite in einer flächendeckenden psychoonkologischen Versorgung in Deutschland. Unter den derzeitigen schwierigen Rahmenbedingungen im Gesundheitswesen ist es ein wichtiges Ziel, die etablierten Strukturen zu erhalten und auszubauen. Hierzu tragen die Bestrebungen der Qualitätssicherung bei, die auch im Bereich der Psychoonkologie im Hinblick auf die Finanzierbarkeit eine zunehmende Rolle spielen. Wichtige Maßnahmen sind hierbei eine angemessene Qualifizierung durch entsprechend zertifizierte Fort- und Weiterbildungen, wie sie durch die beiden Fachgesellschaften PSO und dapo angeboten werden, sowie die Ausarbeitung von Leitlinien und Betreuungsstandards für die Psychoonkologie. Als disziplinenübergreifendes Fachgebiet lassen sich zunehmend spezifische Aufgabenbereiche für einzelne Berufsgruppen sowie Fächer definieren, wobei die interdisziplinäre Zusammenarbeit ein wesentliches Qualitätsmerkmal des Fachgebiets Psychoonkologie bleibt.

Fragen zur Zertifizierung

Welche Antwort ist richtig? Eine psychoonkologische Versorgung

Ersetzt die medizinische Behandlung.

Erfolgt nur nach Abschluss der medizinischen Behandlung.

Sollte den Patienten in jedem Sektor der Versorgungskette zur Verfügung stehen.

Kann nach Abschluss der medizinischen Therapie nicht mehr einsetzen.

Kann nur in der Prävention erfolgen.

Wie viele Patienten benötigen in der Akutbehandlung psychoonkologische Versorgung?

100%.

Etwa 30%.

Etwa 50%.

Etwa 75%.

0%.

Was ist das Grundprinzip psychoonkologischer Versorgung? Psychoonkologische Betreuung arbeitet vorwiegend

Supportiv.

Konfrontativ.

Aufdeckend.

Ablenkend.

Neurosenorientiert.

Welche der folgenden Antworten zur Psychoonkologie ist falsch?

Psychoonkologie befasst sich mit verschiedenen psychosozialen Aspekten einer Krebserkrankung.

Psychoonkologie ist ein interdisziplinäres Fachgebiet.

Hauptanliegen der Psychoonkologie heute ist die wissenschaftliche Untersuchung der psychischen Verursachung einer Krebserkrankung.

Für die Psychoonkologie gibt es fachspezifische wissenschaftliche Zeitschriften.

Die Krankheitsverarbeitung ist ein Teilgebiet psychoonkologischer Forschung.

Welche Aussagen treffen zu? Eine frühzeitige psychoonkologische Betreuung kann

I Die Zufriedenheit des Patienten steigern.

II Die medizinische Prognose verbessern.

III Den Heilungsprozess beschleunigen.

IV Vor Chronifizierung von psychischen Beschwerden schützen.

V Eine frühere Klinikentlassung ermöglichen.

Aussagen I und III treffen nicht zu.

Aussagen II, III und V treffen nicht zu.

Aussage IV trifft nicht zu.

Alle Aussagen treffen zu.

Keine Aussage trifft zu.

Was sind die häufigsten ICD-Diagnosen bei Tumorpatienten?

Psychosen.

Suchterkrankungen.

Angststörungen, depressive Störungen und Anpassungsstörungen.

Neurosen.

Persönlichkeitsstörungen.

Welche der folgenden Aussagen zur psychoonkologischen Qualifikation trifft nicht zu?

I Eine psychoonkologische Qualifikation kann durch entsprechende Fort- und Weiterbildung erworben werden.

II Medizinische Berufsgruppen in der Onkologie benötigen psychoonkologische Basiskompetenzen.

III Voraussetzung für die Tätigkeit als Psychoonkologe ist die Approbation als psychologischer Psychotherapeut.

IV Sozialarbeiter mit entsprechender Zusatzausbildung können psychoonkologisch tätig werden.

V Der Fachbegriff Psychoonkologie ist rechtlich geschützt.

Aussagen I und II treffen nicht zu.

Aussagen II und V treffen nicht zu.

Aussage IV trifft nicht zu.

Aussagen III und V treffen nicht zu.

Alle Aussagen treffen zu.

Welcher der folgenden Antworten zur Psychotherapie bei Krebspatienten ist richtig?

Jeder niedergelassene Psychotherapeut kann auch Krebspatienten behandeln.

Bei einer ambulanten psychotherapeutischen Behandlung eines Krebspatienten ist eine Zusammenarbeit mit dem somatisch behandelnden Arzt wichtig.

Alle Krebspatienten sollten fachpsychotherapeutisch behandelt werden.

In der psychotherapeutischen Behandlung von Krebspatienten werden seelische Konflikte bearbeitet, die zur Entstehung der Krebserkrankung geführt haben.

Eine Psychotherapie mit Krebspatienten dauert mindestens 2 Jahre.

Welche der folgenden Aussagen zur psychoonkologischen Versorgung im Akutkrankenhaus treffen zu?

I Liaison- und Konsiliardienste sind eine Grundlage zur Organisation psychoonkologischer Betreuung.

II Eine gute Krankenhausseelsorge kann einen Fachpsychoonkologen ersetzen.

III Die psychoonkologische Versorgung in den Krankenhäusern der Akutversorgung ist flächendeckend ausgebaut.

IV Stationskonferenzen und Fallbesprechungen unterstützten die interdisziplinäre Zusammenarbeit im Krankenhaus.

V Die Angehörigen des Patienten sind eine Zielgruppe psychoonkologischer Betreuung.

Aussagen II und III treffen zu.

Aussagen I, IV und V treffen zu.

Aussage V trifft zu.

Alle Aussagen treffen zu.

Keine Aussage trifft zu.

Welche Aussage zu den Grundprinzipien der psychoonkologischen Betreuung ist nicht richtig:

Sie versteht sich als ein ressourcenorientiertes Angebot.

Grundlage für eine effektive Betreuung ist eine tragfähige therapeutische Beziehung.

In der Regel werden krisenhafte Phasen der Erkrankung oder ihrer Behandlung aufgearbeitet.

Künstlerische Therapien haben keinen festen Stellenwert in der Psychoonkologie.

Es werden Methoden aus verschiedenen Therapierichtungen patientenorientiert eingesetzt.