1 Die Entwicklung der Social Media

Die rasanten technologischen Entwicklungen in der Kommunikations- und Informationstechnik, insbesondere die Verbreitung von DSL-Anschlüssen verbunden mit sinkenden Kosten für deren Nutzung sowie die verbesserte Nutzerfreundlichkeit von Web-Anwendungen, hat zu einer wachsenden Verbreitung und Akzeptenz von Social MediaFootnote 1 geführt. (vgl. ausführlich dazu Alby 2008) Dabei verändern Social Media, wie z. B. Facebook, Twitter, Xing und StudiVZ, das Kommunikationsverhalten der Nutzer. Es kommt zu Verschiebungen in den Sender-Empfänger-Strukturen, derart, dass Nutzer, die traditionell Empfänger von Informationen waren, nun selbst Content erzeugen, ihre Erfahrungen und Meinungen mit anderen teilen und dadurch zu Sendern werden. Somit lässt sich eine Abkehr von der klassischen Ein-Weg-Kommunikation und eine soziale Integration von Nutzern im Web beobachten, die charakteristisch für Social Media und Web 2.0-Anwendungen ist.

Die Kommunikationsmöglichkeiten im Social Web sind schnell und günstig und die Informationen gelten als besonders glaubwürdig, da sie oft von „Gleichgesinnten“ stammen. Millionen Deutsche knüpfen deshalb über soziale Netzwerke Kontakte und tauschen sich aus. Dies zeigt sich in den aktuellen Trends im Social Media Bereich:

  • 38 Mio. Deutsche sind in sozialen Netzwerken aktiv (Stand: Juli 2010; FAZ, S. 15)

  • Facebook ist mit insg. 500 Mio. Nutzer das größte soziale Netzwerk der Welt. (Stand November 2010; Facebook 2010) Twitter, der bekannteste Microblogging-Dienst verweist auf 175 Mio. registrierte Nutzer. (Stand: September 2010; Twitter 2010).

  • Bereits über 12,6 Mio. Deutsche nutzen Facebook. Damit hat sich die Nutzerzahl in einem Jahr fast verdreifacht. (Stand: November 2010; Facebookmarketing.de 2010) Im deutschsprachigen Raum gibt es 275 000 aktive Twitter-Accounts, was gegenüber 2009 eine Steigerung von 58 % bedeutet (Stand: August 2010; Webevangelisten 2010).

  • Somit ist der Markt sehr dynamisch. Prozentual zur Gesamtbevölkerung liegt Deutschland aber noch weit hinter Ländern wie UK, USA oder Frankreich, sodass noch ein deutliches Wachstum erwartet wird. (vgl. Piskorski 2010, S. 34 f.; FAZ 2010, S. 15)

In der angebotenen Themenvielfalt finden sich auch nachhaltigkeitsbezogene Themen wie z. B. Non-Profit- und Non-Government-Organisationen (NPO’s, NGO’s) und ihre Aktionen, verantwortungsbewusste Unternehmen und ihre nachhaltigen Produkte und Dienstleistungen oder Nachhaltigkeitsthemen allgemein. Auch zahlreiche ökologisch und sozial orientierte Akteure sind im Social Web auf die verschiedenste Art und Weise vernetzt. (vgl. Tab. 1)

Tab. 1 Beispiele der Nutzung von Social Media durch Nachhaltigkeitsakteure. (Quelle: eigene Abbildung)

2 Web 2.0 und Social Media: Begrifflichkeiten und Einteilung

Die Dynamik der Entwicklung der Web-Anwendungen hat zu einer Vielzahl von Begrifflichkeiten geführt, wovon die für unsere Thematik relevanten im Folgenden kurz definiert werden sollen.

Auch wenn das Web 2.0 von vielen als fundamentale Innovation angesehen wird, stellt es eher eine evolutionäre Weiterentwicklung des Web 1.x mit seinem eigentlichen Ziel, der Vernetzung von Menschen, dar. Charakteristisches Merkmal des Web 2.0 ist dabei die Idee, Internetauftritte so zu gestalten, dass sie wesentlich durch die Beteiligung der Nutzer (mit-)bestimmt werden. Dabei kann der Grad der Partizipationsmöglichkeiten divergieren und reicht von der lediglichen Kommentierung von Internetseiten bis zu Seiten, die fast vollständig aus nutzergenerierten Inhalten bestehen. (vgl. Münker 2009, S. 15 f.) Somit ist das Web 2.0 durch Interaktivität, Dezentralität und Dynamik gekennzeichnet (vgl. Kilian et al. 2008, S. 7).

Die soziale Vernetztheit im Web 2.0 hat den Begriff der Social Media bzw. der Sozialen Medien geprägt. Auch wenn dieser Begriff tautologisch erscheint, weil ja Medien generell soziale Funktionen haben, da sie Mitglieder der Gesellschaft miteinander verbinden, so ist das Besondere an den Social Media, dass sie erst durch den gemeinsamen Gebrauch durch Nutzer im Web 2.0 entstehen. Somit ist der Begriff gerechtfertigt und hat sich in der Praxis durchgesetzt. Er bezeichnet alle Medien (Plattformen), die von Internetnutzern interaktiv zur Kommunikation genutzt werden (vgl. Münker 2009, S. 10; Geißler 2010, S. 31).

Aufgrund der rasanten Entwicklung sind auch die unterschiedlichsten Social-Media-Anwendungen entstanden, die sich auf verschiedene Arten unterleiten lassen. Nach den Anwendungsmöglichkeiten lassen sich sechs Social-Media-Typen unterscheiden (vgl. zur Beschreibung der Typen Killian et al. 2008, S. 12 ff.):

  • Weblogs

  • Social Networks

  • File Sharing Communities

  • Knowledge Communities

  • Consumer Communities

  • Game Communities

Weblogs (kurz auch: Blogs) sind themenspezifische Communities, die es auch zahlreich zu Nachhaltigkeitsthemen gibt. (vgl. zu Nachhaltigkeitsthemen in Blogs Glathe 2010) Sie haben sich in ihrer heutigen Form aus ursprünglich reinen Online-Tagebüchern entwickelt. In Webblogs veröffentlichen Nutzer Texte und geben den Lesern die Möglichkeit, diese zu kommentieren. Interaktivität und gemeinschaftliches Produzieren von Content sind charakteristisch. Dadurch unterscheiden sich Weblogs von persönlichen Homepages. Oft lesen Blogger auch andere Weblogs und setzen Links zu diesen. Aufgrund dessen kommt es zu einer starken Vernetztheit zwischen den Weblogs. Zu dieser Kategorie zählen auch Microblogs, wie z. B. Twitter, die auch häufig von Nachhaltigkeitsakteuren genutzt werden.

Social Networks sind Plattformen, die dem Aufbau und der Pflege von Kontakten, also dem Networking im traditionellen Sinne dienen. Hier legen Nutzer in der Regel eigene Profile an und suchen Verknüpfungen zu Freunden und Bekannten. Man kann dabei zwischen privaten und beruflichen Netzwerken unterscheiden. Zu den privaten Netzwerken zählen z. B. Facebook oder StayFriends; zu den Business Communities Xing oder LinkedIn. Beide Gruppen von Netzwerken werden auch von Nachhaltigkeitsakteuren genutzt. So haben beispielsweise viele Nachhaltigkeitsakteure eigene Facebookseiten und es gibt auf Xing nachhaltigkeitsorientierte Gruppen wie „Nachhaltige Entwicklung“, „Ökologie und Nachhaltigkeit – Green Marketing“ oder „Zivilgesellschaft und Internet“.

In File Sharing Communities tauschen Nutzer Mediadateien aller Art aus. Die bekanntesten sind YouTube als Videocommunity und Flickr als Fotocommunity. Besucher dieser Plattformen haben die Möglichkeit, selbst Dateien hochzuladen sowie eingestellte Dateien anzusehen, herunterzuladen, zu kommentieren und zu bewerten. Auch diese Social-Media-Anwendungen nutzen Nachhaltigkeitsakteure, um Stakeholdern Materialien bereitzustellen.

Knowledge Communities sind auch unter den Begriffen Wikis oder Bookmarkingdienste bekannt. Wahrscheinlich kennt jeder Internetnutzer Wikipedia, die Online-Enzyklopädie. Sie zählte im Oktober 2010 1.140.958 Artikel in deutscher Sprache. Ein Beispiel für eine nachhaltig ausgerichtete Wiki ist Playgreen. Ziel dieser Communities ist die gemeinschaftliche (Re-)Produktion von Wissen, was allen Nutzern zur Verfügung gestellt wird. Knowledge Communities werden auch von Institutionen oder von Unternehmen intern zur Wissensbereitstellung genutzt. Zu den Bookmarkingdiensten zählen Mr. Wong und Del.icio.us.

Informationen über und Bewertungen zu Produkten und Dienstleistungen werden auf Consumer Communities ausgetauscht. Hier lassen Nutzer andere an ihren Konsumerfahrungen teilhaben und betreiben virtuell „Word of Mouth“ (Mund-zu-Mund-Propaganda). Am bekanntesten sind hier sicher die Bewertungen bei eBay oder Holidaycheck. Im Nachhaltigkeitsbereich findet man Analoges beispielsweise bei Utopia, der Internetplattform für strategischen Konsum (vgl. zur Analyse von Utopia auch CSCP 2010, S. 34 ff.) oder im Avocadostore, dem nach eigenen Angaben größten Marktplatz für grüne Produkte im Internet.

Game Communities: Hier können klassische Brett- und Kartenspiele sowie Online-Rollenspiele gemeinsam mit anderen Nutzern gespielt werden. Als Weiterentwicklung zählen virtuelle Welten, wie z. B. Second Life.

Plattformen können sich auf einzelne dieser Social-Media-Typen spezialisiert haben, wie z. B. Twitter oder Wikipedia. Aber es können auch verschiedene Typen auf einer Plattform miteinander kombiniert werden. So finden sich beispielsweise auf Utopia Elemente von Consumer Communities, Social Networks, Knowledge Communities und Blogs. Zudem wird dort eine Verbindung zu YouTube, also zu einer File Sharing Community aufgezeigt. Ebenso können von Homepages Links zu verschiedenen Social Media Plattformen gesetzt werden.

3 Nachhaltige Social Media

Nachhaltigkeit und nachhaltig verstehen wir im Sinne des einschlägigen dreidimensionalen Ansatzes (ökonomische Entwicklung, Naturverträglichkeit, soziale Gerechtigkeit). Als nachhaltige Social Media seien dann Internetplattformen bezeichnet, die zwei Merkmale erfüllen (in Anlehnung an Antes 1992, S. 490 f., 1996, S. 84–88):

  1. 1.

    die unmittelbare Nachhaltigkeit der Nutzung von Social Media, d. h. die Kommunikationsinfrastruktur muss selbst den Nachhaltigkeitskriterien genügen. Insbesondere sind dies

    • die Vermeidung oder Verminderung der Inanspruchnahme von Naturleistungen. Im Wesentlichen dürfte dies die Energieeffizienz betreffen (für das Internet generell vgl. Fichter et al. 2008; Behrendt u. a. 2009) und die Substitution von physisch stattfindenden Treffen (z. T. können Reboundeffekte auftreten);

    • der Schutz persönlicher Daten.

  2. 2.

    die mittelbare Nachhaltigkeit, als die bessere Ermöglichung von einem selbst oder von anderen (den Netzwerkpartnern) infolge der interaktiven Kommunikation nachhaltig zu handeln. Dieses Merkmal spricht die Inhalte der Kommunikation und die Handlungsebene, auf die sie abzielen, an, insbesondere

    • die Kommunikation über Nachhaltigkeitsthemen;

    • das Unterlassen von Irreführen (Greenwashing der eigenen Aktivitäten, Diffamierung/Bad-Mouthing) der Nachhaltigkeitsaktivitäten anderer, z. B. von Wettbewerbern) und von kriminellen Aktivitäten (v. a. Wirtschaftsspionage, Geheimnisverrat, Verletzung von Schutzrechten).

Entscheidend ist zweifellos die Ermöglichung zum nachhaltigen Handeln, also die infolge der Kommunikation erst möglich werdenden – daher mittelbaren – Nachhaltigkeitseffekte. Eine nachhaltige Infrastruktur allein ist dagegen nicht hinreichend, Social Media als nachhaltig zu deklarieren. Dadurch wird ausgeschlossen, dass nicht-nachhaltige Social-Media-Nutzungen (z. B. für Greenwashing) auch noch als nachhaltig deklariert werden können, nur weil sie z. B. energieeffizient operieren.

Das Gegenstück, die unmittelbare Nachhaltigkeit der Nachhaltigkeitskommunikation, ist ebenfalls wünschenswert. Denn eine Nachhaltigkeitskommunikation, die über Maßen Ressourcen verzehrt oder den persönlichen Datenschutz verletzt, stellt einen Widerspruch in sich dar. Hier ist allerdings einschränkend zu konstatieren, dass die Kommunikationspartner nur bedingt Einfluss z. B. auf die Ressourceneffizienz oder die Datensicherheit der entsprechenden Internetplattform haben bzw. bereits das Wissen hierüber sehr intransparent ist und bislang am ehesten über Pannen bekannt wird. In Übertragung des aus der normativen Entscheidungstheorie bekannten Prinzips des unzureichenden Grundes (Laplace-Regel) zum Umgang mit Unsicherheit i. e. S. erscheint es nicht unbillig bis zum gegenteiligen Beleg anzunehmen, dass das zu nutzende Social Media weder nachhaltiger noch weniger nachhaltig als andere Internetplattformen ist. Man darf aber speziell von organisationalen Internetnutzern (z. B. Unternehmen oder Verbänden) mindestens erwarten, dass sie ein Social Media vor der institutionalisierten Nutzung soweit als möglich einem Nachhaltigkeitscheck unterziehen.

In Verbindung mit einer solchen Prüfung besteht die Option, den Informationsgrad über die Nachhaltigkeit des Social Media zu erhöhen, indem die Organisation ihren Einfluss als Stakeholder solcher Internetplattformen geltend macht und auf erhöhte Transparenz und – letztlich – auf eine nachhaltige Infrastruktur hinwirkt. Das kann z. B. auch dadurch geschehen, dass die Nachhaltigkeit des Social Media selbst zum Gegenstand der Kommunikation auf diesem Social Media gemacht wird. Als letzte Möglichkeit verbleibt, schließlich, immer die Exit-Option, d. h. ein nicht nachhaltiges Social Media zu meiden solange das Problem, etwa der fahrlässige Umgang mit persönlichen Daten der Nutzer oder die Verweigerung von prüfungsnotwendiger Information, nicht behoben wird.

Im Weiteren wollen wir uns auf die mittelbare Nachhaltigkeit von Social Media konzentrieren. Zur Ermöglichung nachhaltigen Handelns qua Social Media stehen grundsätzlich zwei Nutzungsmöglichkeiten offen: Zum einen können Nachhaltigkeitsthemen in bestehenden, nicht nachhaltigkeitsspezifischen Social Media aufgegriffen oder integriert werden. So nutzen viele Nachhaltigkeitsakteure etwa die schon vorhandenen Plattformen Facebook, Twitter, YouTube, Flickr, MySpace und StudiVZ. Zum anderen können neue Social Media explizit zu Nachhaltigkeitszwecken geschaffen werden. Hierzu zählen etwa die Plattformen Utopia und Campact, eine Plattform, die Kampagnen organisiert, bei denen sich Menschen via Internet in aktuelle politische Entscheidungen einmischen.

4 Akteure in den Sustainable Social Media

Aufgrund des recht einfachen und kostengünstigen Zugangs agieren in den Social Media zahlreiche Akteure im Bereich der Nachhaltigkeit (vgl. Abb. 1). Die Vernetztheit und Interaktivität, die das Web 2.0 charakterisieren, ermöglichen den Akteuren zweiseitige Kommunikation, d. h., dass sie gleichzeitig Sender und Empfänger von Informationen sein können. Im Folgenden werden verschiedene Akteure mit einer Auswahl konkreter Anwendungen des Social Web kurz beschrieben.

Abb. 1
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Akteure in den Sustainable Social Media. (Quelle: eigene Abbildung)

Unternehmen können Social Media sowohl intern als auch extern nutzen. In der internen Kommunikation von Mitarbeitern und dem Management können ökologie- und sozialorientierte Informationen bereitgestellt werden, nachhaltigkeitsbezogene Schulungsmaterialien erstellt und angeboten werden, Plattformen für die bereichsübergreifende Zusammenarbeit in nachhaltigen Projekten oder für Nachhaltigkeitsinnovationen genutzt werden usw. Im Bereich der externen Kommunikation geht es einerseits um die Information von verschiedenen Stakeholdern, wie Kunden, Lieferanten, Anwohner, NPO’s/NGO’s oder der interessierten Öffentlichkeit, über ökologische und soziale Themen allgemein, nachhaltige Produkte und Dienstleistungen sowie die eigene Nachhaltigkeitsleistung (sustainable performance) und ihre Verbesserung. Zum anderen spielen auch die aktive Einbindung von Stakeholdern in die Entwicklung nachhaltiger Produkte oder die aktive Kundenpflege eine Rolle. Außerdem dienen Social-Media-Analysen Marktforschungszwecken oder als strategisches Frühwarnsystem bezüglich der Anforderungen von Stakeholdern.

Konsumenten ihrerseits nutzen Sustainable Social Media ebenfalls, um über Nachhaltigkeitsthemen und auch nachhaltige Produkte und Dienstleistungen zu kommunizieren. Hier erfolgt Word-of-Mouth, die, auch wenn mittlerweile Unternehmen gezielt Informationen streuen und steuern, glaubwürdig erscheint und über das Web sehr weit verbreitet wird. Gleichfalls können Konsumenten in der Kommunikation mit Unternehmen Innovationen vorantreiben.

Auch von NGO’s werden die Social Media stark genutzt. Einerseits dienen sie auch hier zunächst dem Informationsaustausch, werden aber z. B. auch zur PR, zur gemeinschaftlichen Organisation von Kampagnen (z. B. auf Campact und GreenAction) oder dem interaktiven Spendensammeln (z. B. auf Amazee oder Betterplace) genutzt.

Social Media werden auch von der Politik für Nachhaltigkeitsthemen genutzt. Auch hier spielt wieder die Information eine bedeutende Rolle, aber auch das Involvieren verschiedener Akteure in die Erarbeitung von Strategien (z. B. bei der Nachhaltigkeitsstrategie für Deutschland auf www.dialog-nachhaltigkeit.de), Gesetzesvorlagen u. ä.

Analoges gilt auch für Verbände (auch wenn im Nachhaltigkeitskontext wenig genutzt), denen sich die Möglichkeit bietet, über das Social Web zu informieren, Nachhaltigkeitsthemen bzw. konkrete Stellungnahmen zu erarbeiten und sich selbst dann in die politische Diskussion einzumischen.

Nicht zuletzt bieten die Social Media gerade auch für die interessierte Öffentlichkeit eine Plattform für umfangreiche nachhaltigkeitsbezogene Interaktionen. So suchen Bürger z. B. Informationen, stellen selbst Inhalte ein, beteiligen sich an politischen Diskussionen oder interagieren mit Unternehmen und NPO’s/NGO’s.

5 Nutzungsformen der Sustainable Social Media

Wie gezeigt wurde, nutzen die Akteure in unterschiedlichem Maße die Social Media. Nach der Zielsetzung der Nutzung lassen sich dabei verschiedene nachhaltige Nutzungsformen ableiten und klassifizieren:

  • Nachhaltigkeits-„Infothek“en für andere, sei es

    • als spezielle Nachhaltigkeitsplattform (z. B. Utopia, Playgreen) für externe Nutzer oder

    • als unternehmensinterne Plattform (z. B. bereichs- und standortübergreifende Austauschmöglichkeit von Unternehmensmitarbeitern über betriebliche Nachhaltigkeitsprobleme, -lösungen und Ansprechpartner)

  • Kampagnen und Diskurse für Nachhaltigkeit. Dies gilt insbesondere für NPO’s/NGO’s, wie Verbände und Bürgerinitiativen oder auch Akteure wie den Nachhaltigkeitsrat, bei der Fortschreibung der Nachhaltigkeitsstrategie (s. o.);

  • Berichterstattung, besser Kommunikation der eigenen Nachhaltigkeitsleistung (sustainable performance) und ihrer Verbesserung mit Stakeholdern, etwa infolge von Kommentaren, Kritik oder Anregungen z. B. von Kunden, Lieferanten, NPO’s/NGO’s oder privaten Personen;

  • Bewerbung und Verkauf von nachhaltigen Produkten und Dienstleistungen (z. B., wenn auch nicht ausdrücklich auf Nachhaltigkeit bezogen, verkauft die Firma Dell ihre Computer zunehmend über Twitter; vgl. Mehta und Schmidt 2010. Avocadostore stellt eine rein auf nachhaltige Produkte orientierte Verkaufsplattform Kunden zur Verfügung);

  • Hilfestellung/Informationen zur nachhaltige(re)n Produkt-/Stoff-/Verfahrensnutzung und -anwendung, beispielsweise für die Kunden eines Unternehmens oder für ein Unternehmen in seiner Rolle als Kunde seiner Vorlieferanten;

  • Innovation, d. h. die gezielte aktive Einbindung in Entwicklungsprozesse von Produkten und Dienstleistungen (B2C- und B2B-Experten Communities; über Social-Media-vermittelte Innovationen wird, wenn auch nicht aus dem Nachhaltigkeitsbereich, von Bernoff und Schadler 2010 berichtet);

  • Monitoring in zwei Formen:

    • zur Orientierung für das eigene Unternehmen. Das schließt die Früherkennung schwacher Signale („strategisches Radar“) ebenso ein, wie Information über State of the Arts und – fortgeschritten – Benchmarks nachhaltigen Managements;

    • zum Aufdecken und zur Abwehr von Irreführung (z. B. Diffamierung) und kriminellen Akten (z. B. Verletzung des Geheimnisschutzes) wider die eigene Organisation. Wie einige jüngere Skandalfälle bei der Bekämpfung von Korruption und Diebstahl durch Unternehmen demonstrierten, ist hier allerdings Vorsicht geboten mit der Kollision von Datenschutzinteressen der Privatsphäre von Mitarbeitern und Kunden.

Mit Ausnahme der letzten Nutzungsform liegt allen anderen Formen im Kern die Idee des Networking zugrunde, d. h. die Suche nach Kooperationspartnern. Das ist allerdings nicht vorraussetzungsfrei zu haben. Im Gegensatz zu einer häufig noch praktizierten Ein-Weg-Berichterstattung erfordert die Nutzung von Social Media für die Organisationskommunikation die Bereitschaft seitens der Organisation, die Kommunikationshoheit abzugeben – Schweigard spricht sogar von einem unumkehrbaren Prozess (Schweigard 2010) – und die Fähigkeit, den Nutzern „zuzuhören“ (allgemein Mehta und Schmidt 2010).

6 Kritische Würdigung

Mit der Entwicklung des Web 2.0 wurden Internetnutzern neue Möglichkeiten der Kommunikation gegeben. Mit der Nutzung der Social Media können Informationen sehr schnell, kostengünstig und mit hoher Reichweite verbreitet werden. Dadurch ergeben sich auch Chancen für Nachhaltigkeitsakteure, da ökologische und soziale Themen weit gestreut werden können. Da nicht nur nachhaltigkeitsspezifische Plattformen genutzt werden, kommen auch nicht vordergründig an ökologischen und sozialen Themen Interessierte mit entsprechenden Themen in Berührung.

Aufgrund dessen, dass die Kommunikation nicht einseitig ist, sondern wegen der Vernetztheit viele Akteure – so auch Gleichgesinnte – interagieren, werden Informationen aus den Social Media auch als sehr glaubwürdig aufgenommen. Hinzu kommt, dass über den Einsatz von Bild- und Tondokumenten nicht nur sachliche Informationen vermittelt werden, sondern darüber hinaus auch Emotionen transportiert werden können. Dies kann Betroffenheit auslösen und die Aktivierung der Akteure fördern, wodurch verhindert werden kann, dass ökologische und soziale Probleme aufgrund von Wahrnehmungsbarrieren verdrängt werden und Nachhaltigkeitslösungen deshalb behindert werden (vgl. ausführlich zur Rolle von Umweltbewusstsein und Umweltverhalten Rheinländer 2003, S. 116 ff.). Zusätzlich trägt die aktive Beteiligung der Internetnutzer zu einer Steigerung des Involvements und dadurch zu potenziellen Umsetzungen von Nachhaltigkeitslösungen bei.

Weiterhin ist als positiv herauszustellen, dass die Vernetztheit, Interaktivität und Offenheit im Social Web die Bildung kollektiver Intelligenz, auch zum Nachhaltigkeitsthema, und somit auch die Innovationsfähigkeit fördert. Neben dieser Intelligenz werden auch konkrete nachhaltigkeitsorientierte Handlungen durch den Netzwerkcharakter erst ermöglicht. Man denke hier z. B. an die projektbezogenen Plattformen wie Betterplace und Amazee, die Nachhaltigkeitsprojekte und Geldgeber zusammenbringen, aber auch an Plattformen, über die Kampagnen gesteuert werden, wie z. B. Campact.

Entsprechend nutzen, wie an verschiedenen Beispielen und Nutzerzahlen gezeigt wurde, zunehmend auch Akteure im Nachhaltigkeitsumfeld Social Media.

Gleichwohl dürfen an dieser Stelle auch Probleme der Social-Media-Nutzung nicht verschwiegen werden. So meiden einige Internetnutzer bewusst das Social Web, da sie Sicherheitslücken, wie z. B. die Zweckentfremdung eigener Beiträge im Netzbeispielsweise durch Personaler, die YouTube und andere Plattformen nach Videos über Bewerber durchforsten oder Angriffe von Hackern auf persönliche Daten und anschließendes Versenden von Spam-Mails fürchten.

Zudem leidet die oben beschriebene Glaubwürdigkeit durch Greenwashing über gekaufte und geschönte Beiträge oder gezielte üble Nachrede über Konkurrenten. Insbesondere wenn entsprechende Praktiken aufgedeckt werden, hat dies sehr negative Effekte.

Nicht zu vergessen sind auch personelle und finanzielle Mittel sowie Zeit, die für die Pflege der Stakeholderbeziehungen in den Social Media bereitgestellt werden müssen. Aufgrund der Schnelllebigkeit des Web ist hier ständiger Ressourceneinsatz notwendig, um einerseits zeitnah auf Interaktionen der Stakeholder eingehen zu können und andererseits auch aktuelle Entwicklungen auf eigene Nutzungsmöglichkeiten prüfen zu können. Gleichzeitig ist hier auch an die direkten Umweltwirkungen der Social Media selbst (insb. sicher an die Energieeffizienz) zu denken.

Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass Social Media gerade auch für Nachhaltigkeitsakteure zahlreiche Chancen bieten. Es liegt an der Umsetzung durch die Akteure selbst, diese Chancen zu ergreifen und dann die Onlinewelt mit der Offlinewelt zu verbinden, um Ideen zu einer Umsetzung einer nachhaltigen Entwicklung aufzugreifen und real umzusetzen.