1 Stabilitätsproblematik von Grubengebäuden in wassersensitiven Gebirgsformationen

Die Nutzung vorhandener Rohstoffe bildet die Grundlage für Fortschritt und Weiterentwicklung der Gesellschaft. Der Abbau von natürlichen, festen Rohstoffen ober- sowie untertage über mehrere Jahrtausende führt zur punktuellen Veränderung der natürlichen Umgebung. Das Bevölkerungswachstum sowie die Erhöhung des Lebensstandards führen zu einer Ausweitung der oberflächigen Nutzungsräume. Dies hat zur Folge, dass ehemalige Bergbaugebiete bzw. aufgelassene Grubengebäude die wirtschaftlich und sozial nutzbaren Gebiete verringern und ein erhöhtes Risikopotenzial für Menschen, Umwelt und Infrastruktur aufweisen.

Langfristig muss das Ziel sein, die Tagesoberfläche gegen mögliche Gefährdungen und Schäden durch den vorhandenen Hohlraumbau abzusichern und gezielt Sicherungsmaßnahmen einzubringen, um eine gefahrlose Nutzung durch nachfolgende Generationen zu gewährleisten.

Abhängig von den vorhandenen geographischen und geologischen Bedingungen beeinflusst ein Hohlraumbau die hydrogeologische Situation in seinem Umfeld. Wasser, sei es Oberflächen- bzw. Niederschlagswasser oder Grundwasser, spielt in Abhängigkeit von den anstehenden geologischen Verhältnissen eine große Rolle für die Langzeitstabilität [1, 2]. Dies gilt insbesonders für wassersensitive Gebirgsbereiche, welche wasserlösliche und besonders stark verkarstungsfähige Bestandteile wie beispielsweise Gipse oder Salze enthalten. Hohlräume mit derartigen geologischen Randbedingungen können die Wasserwegigkeit verändern und müssen daher in der Stabilitätsbetrachtung berücksichtigt werden.

Ziel ist es, den Durchfluss des Niederschlagswassers entlang von Störzonen bzw. Klüften im Deckgebirge abzubilden. Die vorhandenen Elutionsverfahren zur Ermittlung der Laugungseigenschaften und der möglichen Laugungsmenge finden vorrangig bei Lockergesteinsmaterialien ihre Anwendung und weisen des Weiteren eine mechanische Belastung des Probenmaterials in manchen Versuchen auf. Aus diesem Grund können die bis dato vorherrschenden Standardversuche nicht verwendet werden.

2 Laugungsversuche

2.1 2.1Zerstörungsfreier Laugungsversuch

Die Elutionsversuche bzw. Laugungsversuche finden vor allem in der Umwelttechnik/Abfallwirtschaft zur Bestimmung von laugungsfähigen Schadstoffen ihre Anwendung und dienen der Untersuchung der Kontaminierung von Böden. [3]

Um die Fragestellung des Laugungsverhaltens entlang von Klüften realitätsnaher darzustellen, wurde das Trogverfahren [4, 5] modifiziert, um anstelle von Lo-ckermaterial eine Bohrkernprobe verwenden zu können. Mit Hilfe des Rührwerks lassen sich verschiedene Strömungsgeschwindigkeiten erzeugen. Weiters gewährleistet der Versuchsaufbau weitere geotechnische Versuche am gelaugten Bohrkern.

Die Bohrkernproben wurden auf einen Kunststoffeinsatz gestellt. Ein Magnetrührer, welcher zentral unter der Probe platziert ist, gewährleistet eine allseitige Umspülung der Probe. Das Glasgefäß wurde so weit gefüllt, dass die Probe komplett vom Wasser umschlossen ist. Die Probe sollte mindestens 2–3 Finger breit unterhalb der Wasseroberfläche sein. Für diesen Versuchsaufbau wurden ca. 20 l Wasser verwendet. Anschließend wurde der Magnetrührer auf die gewünschte Umdrehungszahl eingestellt und gestartet. Nach einer gewählten Verweilzeit wurde eine Eluatprobe gezogen. Diese wurde zur Vorbereitung für die chemische Analyse filtriert. Weiters wurde der Bohrkern behutsam aus dem Gefäß entfernt und das restliche Eluat durch den sich am Glasgefäß befindlichen Hahn in ein Fass abgelassen. Der entfernte Probekörper wurde während des Ausspülens vorsichtig abgestellt und die äußerlichen Veränderungen mittels einer Kamera festgehalten. Dieser Vorgang wurde 3–4 Tage lang wiederholt, was ca. der Verweildauer des Bergwassers aus den hydrogeologischen Untersuchungen entspricht. Der Versuchsdurchlauf ist in der Abb. 1 dargestellt:

Abb. 1
figure 1

Flowchart für die Durchführung der Elutionsversuche

Die gezogenen Eluatproben wurden für die Bestimmung des Sulfat- und Calciumgehaltes [6] ins Labor des Institutes für nachhaltige Abfallwirtschaft und Entsorgungstechnik an der Montanuniversität Leoben gebracht. Der Rest des Eluats wurde mittels Filtrationsanlagen gefiltert. Die Masse der getrockneten Filterpapiere wurden zur Bestimmung der nicht löslichen Bestandteile vor und nach dem Abfiltern des Eluats gewogen.

2.2 Versuchsergebnisse

Die Messergebnisse der nichtlöslichen Feinanteile aus der ersten Versuchswoche weisen überdurchschnittlich hohe Werte auf. Dies ist darauf zurückzuführen, dass die Oberfläche der Probe durch die Kernbohrarbeiten sowie den Transport beschädigt wurde und sich die Feinanteile durch die Strömungsgeschwindigkeit des Eluats ablösen. Aus diesem Grund wurde bei der Auswertung der Messdaten diese erste Messreihe nicht berücksichtigt. Ebenso zeigen sich punktuelle Ausreißer in den Messdaten der nichtlöslichen Bestandteile, welche auf das Abfallen größerer Körner (1–5 mm) von der Bohrprobe zurückzuführen sind. Die Aufnahmen der einzelnen Bohrkerne zu Versuchsbeginn und zu Versuchsende (Abb. 2) zeigen je nach Zusammensetzung des Kerns aus Gipsgestein, Karbonaten und Tonbestandteilen unterschiedliche Veränderungen an der Oberfläche.

Abb. 2
figure 2

Elutionsversuche; Bohrkernproben zu Versuchsanfang und Versuchsende

In Abb. 3 und Abb. 4 sind die Mittelwerte an gelaugtem Gips und angefallenem Feinanteil von Tag 1 bis Tag 4 abgebildet. Die Mengenangaben beziehen sich jeweils auf 20 l Elutionsflüssigkeit.

Abb. 3
figure 3

Übersicht der gelösten Gipsmenge in [g] auf 20 l Elutionsflüssigkeit in Abhängigkeit der Verweildauer im Eluat aller Proben

Abb. 4
figure 4

Übersicht der nichtlöslichen Feststoffanteile in [g] auf 20 l Elutionsflüssigkeit in Abhängigkeit der Verweildauer im Eluat

Das Minimum der Einzelmessungen des nichtlöslichen Feststoffanteils liegt bei 0,96 g, das Maximum der Einzelmessungen bei 19,31 g und im Mittel über alle Versuchswerte bei 8,06 g nach ca. 4 Tagen Laugung. Die gelaugten Gipsmengen liegen zwischen dem Minimum der Einzelmessungen bei 26,54 g und dem Maximum der Einzelmessungen bei 48,78 g bei ca. 4 Tagen Laugung. Der Mittelwert aller Versuche ergibt 38,61 g gelösten Gips nach 4 Tagen. Es zeigt sich, dass die Verläufe der einzelnen Kurven tendenziell vergleichbar sind.

Die Einzelwerte sind auf Grund der ausgeprägt inhomogenen Eigenschaften, hervorgerufen durch die unterschiedliche mineralogische Zusammensetzung und Mineralverteilung, Verwachsungsgrad, Gefüge etc. stark streuend. Die Extrapolation der Versuchskurven ergibt eine Sättigung des Eluats nach 4–5 Tagen. Des Weiteren ist eine Korrelation zwischen der gelaugten Gipsmenge und den nichtlöslichen Bestandteilen erkennbar. Dies deutet darauf hin, dass bei zunehmender Verringerung des Laugungspotenzials (zunehmender Laugungsdauer) der Anstieg der nichtlöslichen Bestandteile im Eluat abnimmt.

3 Langzeitverhalten unter Berücksichtigung von Laugungsprozessen

Die folgenden Beispiele zeigen, wie sich Wasser auf die Standfestigkeit/Gebirgsfestigkeit auswirken kann. An Proben einer weitläufigen, massiven Gipslagerstätte, die nördlich von Gemerek (Türkei) [7] situiert ist, wurden Untersuchungen durchgeführt, um den Zusammenhang zwischen Wassergehalt und der einaxialen Druckfestigkeit sowie dem E-Modul festzustellen. Zusätzlich zu diesen Untersuchungen wurde ein Wasserlagerungsversuch durchgeführt. Hierbei wurden 20 Gesteinsproben in einem Wasserbad gelagert. In einem Abstand von zwei Tagen wurden jeweils zwei Proben entnommen und die einaxiale Druckfestigkeit bestimmt. Der Effekt der Wasserlagerung auf die einaxiale Druckfestigkeit ist in Abb. 5 ersichtlich. Die Ergebnisse zeigen, dass die Festigkeit innerhalb der ersten Woche um 60–65 % abnimmt. [7, 8]

Abb. 5
figure 5

Verringerung der einaxialen Druckfestigkeit (UCS ) in % durch Wasserlagerung [7]

Eine weitere umfangreiche Untersuchungsreihe wurde an Gips- und Anhydritproben aus einem aufgelassenen Gips-/Anhydritbergbau in der nördlichen Lombardei in Santa Brigida (Italien) durchgeführt. Das aufgelassene Grubengebäude (Abb. 6) wurde vor ca. 30 Jahren geschlossen und besteht aus vier Ebenen. Nach der Schließung wurden die vierte und die dritte Sohle mit Wasser geflutet. Die Pfeilermächtigkeit beträgt durchschnittlich 4 m. [9, 10]

Abb. 6
figure 6

Lageplan und Schnitt des Gipsbergbaues in Santa Brigida (Italien), die blauen Bereiche im Schnitt zeigen die gefluteten Sohlen [10]

Die Gipsgesteinsproben wurden in einem 20 dm3-Tank gelagert. Das teilgesättigte Wasser wurde konstant mit 0,75 dm3/min durch Frischwasser ersetzt. Die Probenform wurde nach 7, 21 und 42 Tagen dokumentiert (Abb. 7). Die Anhydritproben wurden anders als die Gipsproben in einem 200 dm3-Tank ohne Wasseraustausch gelagert [9].

Abb. 7
figure 7

a Intakte Anhydritprobe; b Anhydritprobe nach 120 Tagen Wasserlagerung; c intakte Gipsprobe; Gipsprobe nach 7 (d), 21 (e) und 42 (f) Tagen Wasserlagerung [9]

Zuzüglich zu der optischen Untersuchung wurden einaxiale Druckversuche mit Gips- und Anhydritproben durchgeführt. Die ersten einaxialen Druckversuche der Gipsproben wurden nach 7 Tagen Wasserlagerung durchgeführt. Die Ergebnisse zeigen eine starke Verringerung der maximalen Axialkraft von 8,2 kN auf ca. 2,0 kN sowie eine Verringerung des E-Moduls von 2,5 GPa auf 0,57 GPa (Abb. 8). Die Proben aus Anhydrit zeigen einen ähnlichen Verlauf. Die maximale Axialkraft des intakten Probekörpers verringert sich von ca. 23,8 kN auf 4,9 kN nach 120 Tagen Wasserlagerung (Abb. 8) [9].

Abb. 8
figure 8

a, b Versuchsdaten eines einaxialen Druckversuch einer Gipsprobe im intakten, trockenen Zustand und nach einer Woche Wasserlagerung; c Versuchsdaten eines einaxialen Druckversuches einer Anhydritprobe im intakten, trockenen Zustand sowie nach 80 und 120 Tagen Wasserlagerung [9]

Im Zuge von felsmechanischen Untersuchungen des untertägigen Gipsbergbaus Preinsfeld [11] wurden Versuche zur Ermittlung und Quantifizierung des festigkeitsreduzierenden Einflusses von Wasser auf Gipsproben durchgeführt. Bei den Untersuchungen wurden die Proben bis zu 128 Tage in Wasserbecken gelagert, wobei nach je 2 Wochen das Wasser erneuert wurde. Es wurden einaxiale Druckversuche vor der Wasserlagerung sowie nach 48 und 126 Tagen Wasserlagerung durchgeführt. Die Versuchsergebnisse sind in Abb. 9 dargestellt [11].

Abb. 9
figure 9

Grafische Darstellung der Versuchsergebnisse vor und nach der Wasserlagerung [11]

Die Mittelwerte der einaxialen Druckfestigkeit betragen ohne Wasserlagerung 22,48 MPa, nach 48 Tagen Wasserlagerung 12,10 MPa und nach 128 Tagen Wasserlagerung 6,93 MPa. Dies entspricht einer Reduktion der Druckfestigkeit um 69 %.

4 Möglichkeiten der Implementierung von Laugungsprozessen in die numerische Simulation

Die Implementierung von Laugungsprozessen in numerische Simulationen kann auf verschiedene Arten vorgenommen werden.

Eine Möglichkeit ist die Verwendung von Software zur Simulation von physikalisch-chemischen Vorgängen. Ein Beispiel für ein solches Programm ist COMSOL Multiphysics. Diese Informationen müssen im Anschluss an eine Stabilitätssimulation gekoppelt werden. Die Darstellung von Laugungsprozessen und den damit verbundenen physikalisch-chemischen Vorgängen ist auf Grund der benötigten Eingangsparameter aufwendig. Es ist in vielen Fällen nicht möglich, den genauen Transportweg des Wassers im Untergrund sowie das Umgebungsmaterial/-gestein zu ermitteln.

Im Zuge einer Forschungsarbeit am Lehrstuhl für Subsurface Engineering wurde der Laugungsfortschritt von Niederschlagswässern im Deckgebirge eines Grubengebäudes simuliert. Die Annahme ist, dass sich ein Teil des Niederschlagswassers gravitativ durch das Deckgebirge bewegt. Die Regenwässer werden vorrangig entlang von Klüften und Schichtgrenzen abgeleitet und führen zu verstärkten punktuellen Laugungserscheinungen. Jene punktuellen Laugungserscheinungen entlang von Klüften und Schichtgrenzen können in dieser Fragestellung auf Grund der kontinuumsmechanischen Simulation nicht behandelt werden. Das Regenwasser weist das größte Laugungspotential beim Eindringen in die Deckschicht auf und nimmt mit zunehmender Teufe ab. Dieser Laugungsvorgangverringert die Festigkeit des tragfähigen Haselgebirges sukzessive, bis eine bodenartige Masse mit stark verringerten Festigkeitseigenschaften zurückbleibt. Dieser Vorgang ist schematisch in Abb. 10 dargestellt.

Abb. 10
figure 10

Schematische Darstellung des Laugungsfortschrittes in der Deckschicht des Hohlraums; a tragfähige Deckschicht ohne Laugungserscheinung; bd die Mächtigkeit der festen/tragfähigen Restschwebe verringert sich mit fortlaufender Laugung, bis erste Merkmale der Überbeanspruchung auftreten können; e Versagen der Schwebe

Dieses tiefenabhängige Laugungsverhalten sowie der Versickerungsvorgang kann daher im weiteren Sinne mit einem Diffusionsvorgang verglichen werden. Die Diffusions-gleichung entspricht der Wärmeleitungsgleichung, was die Implementierung in die numerische Simulation ermöglicht. Mit Hilfe einer zeitabhängigen Temperaturverteilung in Kombination mit temperaturabhängigen Festigkeitsparametern konnte der Laugungsvorgang in dem kontinuumsmechanischen Simulationsprogramm umgesetzt werden.

Die Entscheidung, welche der hier angeführten Methoden anzuwenden ist, ist vor allem von den gegebenen bzw. vorhandenen Parametern und Informationen sowie von der projektbezogenen Fragestellung abhängig.

5 Zusammenfassung und Diskussion

Die durchgeführten Laugungsversuche und die Untersuchung des Langzeitverhaltens an Proben aus dem aufgelassenen Gipsbergbau Preinsfeld [11] sowie der Vergleich mit dem in der Literatur angeführten Langzeitverhalten von Geomaterialien unter Berücksichtigung von Laugungsprozessen geben eine eindeutige Tendenz betreffend der Langzeitstabilität von Grubengebäuden in wassersensitiven, geologischen Formationen wieder.

Aufgrund der laugungsfähigen Bestandteile in den Gebirgsmassen im Zusammenhang mit Grund- und/oder Niederschlagswasser kommt es zur Abnahme der Gebirgsfestigkeit. Dieser Prozess ist stark vom Laugungspotential der eintretenden Wässer, ob ungesättigt oder teilgesättigt, sowie der Geologie abhängig. Die Ergebnisse aus den Versuchen sowie der Literatur zeigen, dass die Abnahme der Festigkeit nach mehreren Tagen Wasserlagerung zwischen 60–75 %, abhängig von den geologischen Bestandteilen, betragen kann. Längerfristig kann eine Verringerung der Druckfestigkeit um bis zu 90 % angenommen werden. Eine Langzeitstabilität ist bei Grubengebäuden in wassersensitiven Bereichen mit Wasserzutritt daher ohne entsprechende Verfüll- oder Ausbaumaßnahmen nicht gegeben.

Zur Abschätzung lokaler Versagenserscheinungen sowie für die Beurteilung der Langzeitstabilität müssen vorhandene Laugungsprozesse in den numerischen Simulationen sowie in den analytischen Ansätzen berücksichtigt werden. Diese Fragestellungen erfordern weiterführende Untersuchungen zur Simulation von Laugungsprozessen sowie der Problematik der Kombination von Festkörpermechanik und einem vorhandenen Laugungsprozess.