Zusammenfassung
Hintergrund
Chronische lumbale pseudoradikuläre Schmerzsyndrome sind in ihrer Genese multikausal. Funktionelle, morphologische und psychosoziale Einflussfaktoren werden diskutiert. In vielen Fällen wird ein Bandscheibenschaden bei diesen Patienten gefunden. Die klinische Relevanz dieser morphologischen Veränderung ist unklar. Für die vorliegende Untersuchung wurde postuliert, dass Bandscheibenschäden eine lokale entzündliche Reaktion hervorrufen können und somit die funktionelle Behandelbarkeit der Patienten negativ beeinflussen. Durch die peridurale Injektion von Steroiden sollte die lokale Entzündungsreaktion reduziert und somit die funktionelle Behandelbarkeit und damit das Outcome verbessert werden.
Methodik
Es erfolgte eine doppelblinde randomisierte Verlaufsstudie. Im Rahmen eines multimodalen Behandlungsprogramms wurde bei Patienten mit pseudoradikulären Schmerzsyndromen bei bestehender Indikation („intention to treat“) eine peridurale Injektion durchgeführt. Die Patienten wurden in eine Verumgruppe (8 ml Bupivacain 0,25 %; 80 mg Triamcinolon) und eine Kontrollgruppe (8 ml Bupivacain 0,25 %) randomisiert.
Ergebnisse
Durch die peridurale Injektion konnte in beiden Behandlungsgruppen eine signifikante Reduktion der Schmerzstärke und eine signifikante Verbesserung der Behandelbarkeit erzielt werden. Die Unterschiede zwischen beiden Gruppen sind marginal und erscheinen klinisch nicht relevant. Möglicherweise können Subgruppen von der Steroidinjektion profitieren. Die Behandelbarkeit war weiterhin durch psychometrische Daten und das Outcome von dem erzielten funktionellen Behandlungsergebnis (Reduktion funktioneller Komplexbefunde) abhängig.
Diskussion
Patienten mit einem chronischen lumbalen Pseudoradikulärsyndrom profitieren in dieser Studie prompt von der periduralen Injektion. Der Mechanismus der Wirkung (z. B. Placebowirkungen) ist unklar und sollte weiter untersucht werden. Die Zugabe von Steroiden führt in der vorliegenden Behandlungspopulation nicht zu einem klinisch relevanten Vorteil.
Abstract
Background
Chronic lumbar pain syndromes without neurological deficits are generated by a multitude of causes. Functional, morphological and psychosocial factors are discussed. In many cases a diseased intervertebral disc is found on radiological examination but the clinical relevance of these findings is not clear. For this study it was postulated that a diseased disc results in a local inflammatory reaction therefore causing pain and impairing treatability of patients. An epidural injection of steroids can reduce inflammation and therefore improve treatability and ultimately treatment outcome.
Methods
A double blind randomized prospective trial was carried out. Patients treated in hospital for a chronic lumbar pain syndrome without neurological deficits within a multimodal treatment program were screened for indications for an epidural steroid injection (e.g. diseased lumbar disc and intention to treat). Patients eligible for the study were randomized into two groups. The treatment group received an epidural injection of 80 mg triamcinolone and 8 ml bupivacaine 0.25 %. The control group received only an epidural injection of 8 ml bupivacaine 0.25 %.
Results
In both groups pain intensity and treatability showed a statistically significant improvement after the epidural injection. The differences between the control and treatment groups were small and not clinically relevant. A small subgroup might profit from the steroid injection. In addition the treatability was dependent on psychometric values and the long-term outcome from a reduction of muscular skeletal dysfunctions.
Discussion
After the epidural injection the decrease in pain and increase in treatability was statistically significant. The mechanism of the improvement is not clear and should be examined further. The epidural injection of a steroid in this subgroup of patients did not lead to a clinical improvement in the outcome.
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Chronische Schmerzen im Bereich der Lendenwirbelsäule beruhen auf einem multifaktoriellen Geschehen. Morphologische, funktionelle und psychosoziale Einflussfaktoren werden für die Schmerzentstehung und Chronifizierung postuliert [1–5].
Die wissenschaftliche Evidenzlage für den Einfluss morphologischer Befunde auf chronische Schmerzsyndrome im Bereich der Lendenwirbelsäule ist schwach [6]. Trotzdem zielt die Mehrzahl der diagnostischen und therapeutischen Verfahren auf diese Befunde ab. Dies trifft unter anderem auf interventionelle Schmerztherapien wie peridurale Steroidinjektionen zu. Peridurale Steroidinjektionen werden in der Behandlung von akuten und chronischen Schmerzen der Lendenwirbelsäule (LWS) mit und ohne Ausstrahlung in die unteren Extremitäten angewandt. Die aktuelle Studienlage unterstützt nur den Einsatz von periduralen Steroidinjektionen bei akuten bzw. akut exazerbierten Radikulärsyndromen der LWS. Die Wirksamkeit ist jedoch nur kurz [7–9, 16].
Komplexe Funktionsstörungen des Bewegungssystems wie die konstitutionelle Hypermobilität, Bewegungsmusterstörungen und Insuffizienzen der Tiefenstabilisation werden als Risikofaktoren für eine Schmerzchronifizierung bzw. für Schmerzrezidive angesehen [1, 4, 10–14]. Akute oder akut exazerbierte Schmerzen verhindern oft eine effektive Behandelbarkeit (Physiotherapie, Trainingstherapie) und damit eine Beeinflussbarkeit dieser Befunde.
Aufgrund der antientzündlichen Wirkung von Steroiden und der damit zu erwartenden Schmerzreduktion wurde für diese Studie eine Verbesserung der funktionellen Behandelbarkeit durch eine peridurale Steroidinjektion angenommen [15, 16]. Durch die Verbesserung der Behandelbarkeit sollen eine effektivere funktionelle Therapie, ein besserer funktioneller Entlassungsbefund und ein langfristiger Therapievorteil erreicht werden. Diese sollen sich in Hinsicht auf die Schmerzreduktion im Sinne eines verbesserten funktionellen Zustandes des Patienten und einer damit verbundenen verbesserten Lebensqualität, Alltagsfähigkeit und einer Verminderung des Medikamentenbedarfs nachweisen lassen.
Methodik
Die Studie wurde als doppelblinde, prospektiv randomisierte, klinische Studie durchgeführt. Es handelt sich um eine Prüfung der Phase 3b.
Patienten, die aufgrund eines lumbalen, nichtradikulären, chronischen Schmerzsyndroms mit bildmorphologisch nachgewiesener Bandscheibenschädigung (Nucleus-pulposus-Prolaps oder -Protrusio) in die Klinik für Manuelle Medizin Sommerfeld eingewiesen wurden, wurden durch den aufnehmenden Arzt auf die Indikation zu einer periduralen Steroidinjektion untersucht. Bei vorhandener Indikation („intention to treat“) und Erfüllung der Ein- und Ausschlusskriterien erfolgte die Aufklärung mittels des Diomed-Aufklärungsbogens [peridurale Injektion (PDI)] und des Studienaufklärungsbogens. Bei Frauen im gebärfähigen Alter (nicht abgeschlossene Menopause) wurde ein Schwangerschaftstest durchgeführt. Diese Frauen erhielten zusätzlich einen Aufklärungsbogen zur effektiven Kontrazeption.
In die Studie wurden in der Klinik für Manuelle Medizin stationär behandelte Patienten (Alter 18–65) mit chronischen lumbalen Schmerzsyndromen [Mainz Pain Stage System (MPSS) II und III [17]], bestehendem/nachgewiesenem Bandscheibenschaden und schmerzbedingter eingeschränkter funktioneller Behandelbarkeit (funktionelle Behandelbarkeit 0–1) eingeschlossen.
Die Ausschlusskriterien sind in Tab. 1 dargestellt.
Die Patienten wurden in 2 Studiengruppen aufgeteilt:
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Behandlungsgruppe, peridurale Injektion mit
-
8 ml Bupivacain 0,25 %,
-
80 mg Triamcinolon,
-
-
Kontrollgruppe, peridurale Injektion mit
-
8 ml Bupivacain 0,25 %.
-
Die Aufteilung in die Studiengruppen erfolgte telefonisch in einem externen Büro (Randomisierungsbüro) per Losverfahren. Jedem Patienten wurde eine Studiennummer zugeteilt. Jeder Studiennummer war eine Medikamentenkombination zugeordnet, deren Auflösung nur im Randomisierungsbüro und beim durchführenden Arzt hinterlegt war. Die periduralen Injektionen wurden in der Anästhesieabteilung der Sanakliniken Sommerfeld durchgeführt. Deren Ärzte gehörten nicht zum Behandlungs- oder Untersuchungsteam der Patienten und hatten außer während der periduralen Injektion keinen Kontakt zu den Patienten.
Die peridurale Injektion erfolgte als Single-shot-Injektion mit einer Tuohy-Kanüle (18 G) nach der Widerstandsverlustmethode. Es wurde im Segment der betroffenen Bandscheibe punktiert. Das injizierte Volumen betrug insgesamt 10 ml/Injektion. Eine Wiederholungsinjektion frühestens nach 1 Woche war möglich.
Am ersten Postinjektionstag begannen die befundgerechten physiotherapeutischen Behandlungen. Diese begannen auch bei weiterhin eingeschränkter funktioneller Behandelbarkeit. Hinsichtlich der medikamentösen Schmerztherapie wurde ein standardisiertes Schema angewandt:
-
WHO 1: Eterocoxib (60–120 mg/Tag),
-
WHO 2: Tilidin (100–300 mg/Tag),
-
WHO 3: Oxicodon (ab 10 mg/Tag ohne Dosisbegrenzung).
In Abhängigkeit der Befundlage wurde für jeden Patienten ein individuelles multimodales Therapieprogramm (Tab. 2) erarbeitet und durchgeführt. Es erfolgten tägliche ärztliche Visiten und Gespräche. Zur Therapiekontrolle wurden regelmäßige (mindestens 1-mal/Woche) interdisziplinäre Teambesprechungen durchgeführt.
Nicht zugelassen wurden andere interventionelle Verfahren (z. B. wirbelsäulennahe Injektionen, Denervationsverfahren an der Wirbelsäule oder dem Sakroiliakalgelenk, Sympathikusblockaden) und Analgetika außerhalb des Studienprotokolls. Die Endpunkte sind in Tab. 3 dargestellt.
Die Behandelbarkeit wurde anhand des klinischen Untersuchungsbefundes und eines Behandlungsversuches vom jeweiligen behandelnden Arzt zusammen mit dem Behandlungsteam (Arzt, Physiotherapeut, Trainingstherapeut, Psychotherapeut) eingeschätzt.
Folgende Messzeitpunkte wurden gewählt:
-
T0 = vor der Intervention,
-
T1 = 1. Tag nach der Injektion,
-
T2 = 3. Tag nach der Injektion,
-
T3 = 5. Tag nach der Injektion,
-
T4 = Entlassung aus der stationären Behandlung,
-
T5 = 6 Wochen nach Beendigung der stationären Behandlung.
Die statistische Auswertung erfolgte mithilfe von SPSS. Folgende statistische Analyseverfahren wurden verwandt:
-
Levene-Test für unverbundene Stichproben,
-
Wilcoxon-Test für verbundene Stichproben,
-
Cohens d (Effektstärke).
Ergebnisse
In die Studie wurden insgesamt 81 Patienten mit einem Durchschnittsalter von 48 Jahren (25–65) eingeschlossen; 58 % der Patienten waren Männer und 42 % Frauen. Mit Ausnahme der Analgetikaeinnahme und der Behandelbarkeit unterschieden sich beide Gruppen nicht statistisch signifikant voneinander. Hinsichtlich der Behandelbarkeit waren 4 Patienten in der Kontrollgruppe funktionell nicht behandelbar, während in der Verumgruppe nur 1 Patienten nicht behandelbar war (p = 0,015). In der Verumgruppe nahmen statistisch signifikant mehr Patienten WHO-II- und WHO-III-Analgetika (p = 0,001).
Die durchschnittliche stationäre Behandlungszeit für die interdisziplinäre multimodale Therapie lag in der Verumgruppe bei ca. 10,3 Tagen mit einer Spanne zwischen 5 und 17 Tagen und in der Kontrollgruppe bei ca. 9,9 Tagen mit einer Spanne zwischen 2 und 15 Tagen nach der periduralen Injektion.
Die Behandelbarkeit verbesserte sich nach der periduralen Injektion in beiden Gruppen statistisch signifikant (p < 0,001). Diese Verbesserung der Behandelbarkeit ließ sich über den gesamten Therapieverlauf nachweisen (Abb. 1).
Am ersten Tag nach der periduralen Injektion (T1) war die Behandelbarkeit in der Kontrollgruppe im Vergleich zur Verumgruppe statistisch signifikant besser (p < 0,05). Während des weiteren Behandlungsverlaufs (T1–T3) gab es statistisch signifikante Vorteile für die Verumgruppe (p < 0,05). Am Ende der Behandlung waren alle Patienten bis auf eine Ausnahme in der Kontrollgruppe aktiv behandelbar. Statistisch signifikante Unterschiede in der Behandelbarkeit bestanden nicht.
Die Behandelbarkeit wurde zusätzlich zu den periduralen Injektionen durch folgende Parameter beeinflusst:
-
Depressionsscores (HADS D > 10; T1 p = 0,007; T4 p < 0,001),
-
Angstscores (HADS A > 10; T1 p < 0,001; T2 p < 0,001; T3 p < 0,001),
-
dysfunktionale Kognitionen (FABQ > 44; T3 p = 0,046; T4 p = 0,019).
Die Schmerzstärke reduzierte sich nach den periduralen Injektionen über die gesamte Untersuchungsgruppe statistisch signifikant (Abb. 2). Diese Verbesserung tritt direkt nach der periduralen Injektion auf (T0 zu T1; p < 0,001, Effektstärke d 1,5) und lässt sich über den gesamten Behandlungsverlauf nachweisen. Am Ende der Behandlung ist die Schmerzstärke im Mittel um 2,8 Punkte gesunken (T0 zu T4; p < 0,001; Effektstärke d 1,4). Die Schmerzstärke ist 6 Wochen nach Abschluss der Behandlung weiterhin statistisch signifikant reduziert (T0 zu T5; p < 0,001, Effektstärke d 0,9). Nach der Behandlung kommt es zu einem leichten Anstieg der Schmerzstärke, jedoch ohne statistische Signifikanz (T4 zu T5).
In der Verumgruppe hatten zum Abschluss der Behandlung mehr Patienten eine Schmerzlinderung von mehr als 2 Punkten auf der Numerischen Rating Skala (NRS; T0 zu T4; p = 0,004, Effektstärke d 0,02; Abb. 3). Es gab keine anderen statistisch signifikanten Unterschiede zwischen beiden Behandlungsgruppen hinsichtlich der Schmerzstärke.
Die funktionelle Untersuchung zeigte eine statistisch signifikante Verbesserung von koordinativen Defiziten [T0 zu T4; (Verumgruppe p = 0,019; Kontrollgruppe p = 0,047]. Zwischen beiden Gruppen ergab sich kein statistisch signifikanter Unterschied.
Unterteilt man die Studienpopulation anhand ihrer klinischen Funktionalität zur Entlassung (T4; Befundquantität Stabilisation/Koordination) in 2 Gruppen (9 oder mehr funktionelle Befunde, 8 oder weniger Befunde), zeigt sich, dass die erfolgreicher funktionell behandelte Gruppe (8 oder weniger Befunde) am Ende (T4) und 6 Wochen nach der Behandlung (T5) ein statistisch signifikant besseres Outcome hinsichtlich der folgenden Parameter aufweist:
-
Wirbelsäulenbeweglichkeit (Finger-Boden-Abstand T4; p = 0,038),
-
Schmerzstärke (NRS T5; p = 0,007),
-
Schmerzstärke (NRS T5; p = 0,014),
-
Psychometrie (HADS Angst T5; p = 0,033),
-
Psychometrie (HADS gesamt T5; p = 0,011).
Die Beweglichkeit der Lendenwirbelsäule in der Anteflexion (Finger-Boden-Abstand, Seitneige) verbesserte sich in beiden Behandlungsgruppen im Verlauf statistisch signifikant (Tab. 4). Keine statistisch signifikanten Veränderungen ergeben sich beim Schober (Tab. 4).
Der Schober verbesserte sich jedoch im Behandlungsverlauf (T1 zu T4) in der Verumgruppe signifikant gegenüber der Kontrollgruppe (p = 0,017; Effektstärke d 0,19).
Die Lebensqualität verbesserte sich in beiden Behandlungsgruppen. In der Verumgruppe zeigten sich 6 Wochen nach der Behandlung (T0 zu T5) statistisch signifikante Verbesserungen in folgenden Subkategorien des SF36:
-
physische Funktion (p = 0,02),
-
physische Rolle (p = 0,003),
-
Schmerz (p < 0,001).
In der Kontrollgruppe zeigten sich folgende statistisch signifikante Verbesserungen:
-
physische Funktion (p = 0,002),
-
Schmerz (p < 0,001),
-
Vitalität (p = 0,002).
Zwischen beiden Behandlungsgruppen ergab sich 6 Wochen nach der Behandlung mit einer Ausnahme kein statistisch signifikanter Unterschied hinsichtlich der Lebensqualität. Nur in der Subkategorie physischer Bereich ergab sich ein statistisch signifikanter Vorteil für die Kontrollgruppe (p = 0,016; Effektstärke d 0,42).
In beiden Behandlungsgruppen verbesserte sich durch die Behandlung die Alltagsfähigkeit [Hannoveraner Funktionsfragebogen (FFbH); T0 zu T5, Verumgruppe (VG) p = 0,04; Kontrollgruppe (KG) p = 0,002] und der psychometrischen Werte (HADS Angst, HADS Depression; T0 zu T5, p < 0,001).
Weder hinsichtlich der Funktionalität noch der psychometrischen Parameter ließ sich ein Unterschied zwischen beiden Behandlungsgruppen darstellen.
Die psychometrischen Parameter (HADS) beeinflussten das Behandlungsergebnis hinsichtlich der Schmerzstärke und Alltagsfunktionalität nicht statistisch signifikant. Die Schmerzstärke 6 Wochen nach der Behandlung wurde jedoch von dysfunktionalen Kognitionen („fear avoidance“, FABQ) statistisch signifikant beeinflusst. Patienten mit hohen FABQ-Scores (> 44) lagen mit ihren Schmerzstärken signifikant über denen mit niedrigen Scores (< 26, p = 0,001)
In beiden Behandlungsgruppen sinkt im Behandlungsverlauf die Einnahme von Analgetika. Zum Aufnahmezeitpunkt nahmen 4 Patienten keine Analgetika, 6 Wochen nach der Behandlung 23. Die Zahl der Patienten die WHO-I- bzw. WHO-II-Medikamente nahmen, wurde im selben Zeitraum halbiert. Es ergab sich jedoch eine Zunahme an Patienten, die regelmäßig WHO-III-Analgetika einnahmen. Diese Patienten rekrutierten sich überwiegend aus der Kontrollgruppe. In der Verumgruppe konnte eine statistisch signifikante Verminderung der Einnahme von Analgetika (T0 zu T5; p = 0,01) erreicht werden. In der Kontrollgruppe erreichte diese Verbesserung keine statistische Signifikanz (t0 zu T5; p = 0,371).
Nebenwirkungen und unerwünschte Reaktionen auf die Behandlung wurden während des gesamten Behandlungszeitraumes erfasst. Es ergaben sich keine schwerwiegenden Komplikationen. Die häufigsten dokumentierten Nebenwirkungen waren folgende:
-
Schmerzen an der Einstichstelle,
-
Kopfschmerzen,
-
initiale Schmerzzunahme,
-
am Tag der Injektion
-
Kraftminderung,
-
Sensibilitätsstörungen,
-
Gang- und Standunsicherheit.
-
Es gab keine Unterschiede zwischen beiden Behandlungsgruppen.
Diskussion
Hinsichtlich der Studienpopulation ist der relativ hohe Anteil an Männern auffällig. In vorhergehenden Untersuchungen konnte jedoch gezeigt werden, dass Männer mit chronischen Schmerzerkrankungen des Bewegungssystems häufig höhere Schmerzwerte am Behandlungsbeginn angaben und somit eher die Indikation zur interventionellen Schmerztherapie gestellt wird. Die initialen statistischen Unterschiede zwischen beiden Behandlungsgruppen sind marginal. Insgesamt ist die Studienpopulation mit Populationen in anderen Studien vergleichbar und für die Fragestellung geeignet [1, 20, 26, 27].
Patienten mit einem chronischen lumbalen Pseudoradikulärsyndrom profitieren in dieser Studie prompt von der periduralen Injektion.
Die Zugabe von Steroiden führt in der vorliegenden Behandlungspopulation nicht zu einem klinisch relevanten Vorteil.
Der anfängliche Vorteil der Kontrollgruppe kann auf den Steroideffekt zurückgeführt werden. Klinisch lassen sich bei periduralen Steroidinjektionen häufig initial Schmerzzunahmen, Einschränkungen der Behandelbarkeit und Beweglichkeitseinschränkungen verzeichnen. Diese Veränderungen sind in der Regel kurzlebig. In der vorliegenden Untersuchung kommt es im weiteren Verlauf auch zu einem Vorteil hinsichtlich der Behandelbarkeit für die Verumgruppe. Dieser Effekt ist marginal und erscheint für den klinischen Alltag nicht relevant. Interessant ist jedoch, auf welchen Mechanismen die deutliche Verbesserung der Behandelbarkeit unmittelbar nach der Injektion beruht. Auf Grundlage der vorliegenden Daten können mehrere Mechanismen diskutiert, keiner jedoch belegt werden. So kommen Placeboeffekte, die pharmakologische Wirkung des Lokalanästhetikums (Reduktion wind up WDR-Neuron), reflektorische Wirkung (Muskelentspannung durch Lokalanästhesie) oder eine lokale Spülwirkung durch das Medikamentenvolumen infrage [28–31]. Aufschlussreich wäre eine Vergleichsuntersuchung mit Scheininjektionen.
Die Schmerzstärken (NRS) zeigen einen nahezu gleichen Verlauf wie die Behandelbarkeit. Es kommt direkt nach der Injektion zu einer deutlichen, statistisch signifikanten und klinisch relevanten Schmerzreduktion, die über den gesamten Behandlungsverlauf aufrechterhalten werden kann. Nach Abschluss der Komplexbehandlung kommt es wieder zu einer leichten Zunahme, die Schmerzlinderung verbleibt jedoch weiterhin statistisch signifikant und klinisch relevant.
Im Wesentlichen unterscheiden sich beide Behandlungsgruppen hinsichtlich der Schmerzreduktion nicht. Auffällig ist jedoch, dass in der Kontrollgruppe einige Patienten nicht profitieren und dass in der Verumgruppe mehr Patienten eine Schmerzlinderung von 2 und mehr Punkten hatten. Im Vergleich beider Gruppen erscheint die klinische Relevanz gering (Effektstärke). Möglicherweise existiert jedoch eine Subgruppe von Patienten, die von der antientzündlichen Wirkung des Steroids profitieren. Diese Frage lässt sich aus den vorliegenden Daten jedoch nicht beantworten.
Die funktionellen Befunde ließen sich durch die durchgeführte multimodale Komplexbehandlung verbessern. Koordinative Defizite und die Wirbelsäulenbeweglichkeit verbesserten sich. Klinisch relevante Unterschiede zwischen beiden Behandlungsgruppen ergaben sich hinsichtlich der Reduktion von funktionellen Befunden oder der Verbesserung der Wirbelsäulenbeweglichkeit nicht.
Wie schon in vergangenen Studien gezeigt, ist das Behandlungsergebnis unmittelbar von der erreichten Funktionsverbesserung abhängig [20, 26, 27]. Eine gute funktionelle Behandelbarkeit und Behandlung sind somit Voraussetzung für ein gutes Behandlungsergebnis.
Insgesamt konnte durch die multimodale Komplexbehandlung eine Verbesserung der Lebensqualität, der Alltagsfähigkeit/Funktionalität und der gemessenen psychometrischen Parameter erreicht werden. Dieses Ergebnis reproduziert die schon in vorhergehenden Studien gezeigte Effektivität von funktionell orientierten multimodalen Komplexbehandlungen [26, 27]. Klinisch relevante Unterschiede zwischen beiden Behandlungsgruppen ließen sich nicht darstellen. Es ist davon auszugehen, dass der nur geringfügige und klinisch nicht relevante positive Effekt der Steroidinjektion sich in den hier erhobenen Parametern nicht auswirkt.
Der positive Effekt der multimodalen Komplexbehandlung wird durch die Reduktion der Analgetikaeinnahmen bestätigt.
Die Verminderung des Analgetikagebrauchs erreicht in der Verumgruppe statistische Signifikanz. In der Kontrollgruppe zeigt sich neben der Reduktion der Einnahme von WHO-I- und -II-Analgetika ein leichter Anstieg der Einnahme von WHO-III-Analgetika. Diese Patienten rekrutieren sich aus der Gruppe der nicht erfolgreich behandelten Patienten und stellen möglicherweise die Patientengruppe dar, die von der Steroidinjektion profitieren könnte (s. oben).
Chronische pseudoradikuläre lumbale Schmerzen beruhen auf einem komplexen Geschehen. Funktionelle, psychosoziale und morphologische Einflussfaktoren werden beschrieben. Peridurale Steroidinjektionen haben eine lokale antiphlogistische Wirkung. Diese scheint in der hier untersuchten Behandlungsgruppe jedoch nur eine marginale Rolle zu spielen bzw. nur in einer kleinen Subgruppe klinisch relevant zu sein. Wichtiger für die Behandelbarkeit erscheinen psychosoziale Faktoren zu sein. Dies bestätigen bekannte Daten aus der Literatur [32, 33]. Interessant bleiben die deutliche Schmerzreduktion und die Verbesserung der Behandelbarkeit durch die peridurale Injektion. Hier ergibt sich ein wichtiger zukünftiger Forschungsansatz, um die Rolle von interventionellen schmerztherapeutischen Verfahren zu evaluieren und ggf. klinische Subgruppen zu definieren, die von diesen Verfahren profitieren können. Die Rolle der funktionellen Befunde, insbesondere der Störungen der Stabilisation und Koordination konnte erneut bestätigt werden. Verfahren zur Beeinflussung dieser Befunde sollten in der Zukunft näher erforscht werden.
Fazit für die Praxis
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Patienten mit einem chronischen lumbalen Pseudoradikulärsyndrom profitieren in der vorliegenden Studie prompt von der periduralen Injektion.
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Der Mechanismus der Wirkung ist unklar und sollte weiter untersucht werden.
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Die Zugabe von Steroiden führt in der vorliegenden Behandlungspopulation nicht zu einem klinisch relevanten Vorteil.
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Interessenkonflikt
K. Niemier, M. Schindler, T. Volk, K. Baum, B. Wolf, J. Eberitsch und W. Seidel geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Alle Patienten, die über Bildmaterial oder anderweitige Angaben innerhalb des Manuskripts zu identifizieren sind, haben hierzu ihre schriftliche Einwilligung gegeben. Im Falle von nicht mündigen Patienten liegt die Einwilligung eines Erziehungsberechtigten oder des gesetzlich bestellten Betreuers vor.
Alle im vorliegenden Manuskript beschriebenen Untersuchungen am Menschen wurden mit Zustimmung der zuständigen Ethik-Kommission, im Einklang mit nationalem Recht sowie gemäß der Deklaration von Helsinki von 1975 (in der aktuellen, überarbeiteten Fassung) durchgeführt. Von allen beteiligten Patienten liegt eine Einverständniserklärung vor.
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Niemier, K., Schindler, M., Volk, T. et al. Wirksamkeit periduraler Steroidinjektionen in der Therapie von nichtradikulären chronischen Rückenschmerzen. Schmerz 29, 300–307 (2015). https://doi.org/10.1007/s00482-015-0020-6
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DOI: https://doi.org/10.1007/s00482-015-0020-6