Für die geplante Überarbeitung der Leitlinie stellte die Steuerungsgruppe der Arbeitsgruppe folgende Fragen:

  1. 1.

    Sind komplementäre und alternative Verfahren beim Fibromyalgiesyndrom (FMS) kurz- und langfristig wirksam?

  2. 2.

    Welche Risiken bestehen beim Einsatz komplementärer und alternativer Verfahren beim FMS?

  3. 3.

    Von welchen komplementären und alternativen Verfahren ist beim FMS abzuraten?

Material und Methoden

Die Methodik der Literaturrecherche und -analyse sowie der Erstellung der Empfehlungen ist im Methodenreport dargestellt.

Ergebnisse

Die folgenden Feststellungen gelten für Erwachsene. Zu komplementären und alternativen Verfahren bei chronischen Schmerzen in mehreren Körperregionen bei Kindern und Jugendlichen wird auf den Beitrag „Definition, Diagnostik und Therapie von chronischen Schmerzen in mehreren Körperregionen und des sogenannten Fibromyalgiesyndroms bei Kindern und Jugendlichen“ verwiesen. Schlüsselempfehlungen sind kursiv gesetzt.

Starke Empfehlungen

Meditative Bewegungstherapien (Tai-Chi, Qigong, Yoga)

Evidenzbasierte Empfehlung

Meditative Bewegungstherapien (Tai-Chi, Qigong, Yoga) sollen eingesetzt werden. EL1a, starke Empfehlung, starker Konsens

Kommentar

Unter meditativen Bewegungstherapien wurden Studien mit Body-awareness-Therapie, Qigong, Tai-Chi, Yoga und Feldenkrais subsumiert.

Die Literatursuche ergab 46 Treffer. Eine Studie mit Feldenkraistherapie wurde wegen fehlender Randomisierung ausgeschlossen [39]. Eine randomisierte, kontrollierte Studie (RCT) mit Yoga war nur als Abstract verfügbar [31].

Analysiert wurden 9 RCT mit 420 Patienten und einer durchschnittlichen Behandlungsdauer von 11 (6–20) Wochen. In 7 Studien wurden nach durchschnittlich 20 (6–78) Wochen Nachuntersuchungen durchgeführt (Evidenzbericht, Tab. 92; [4, 9, 11, 17, 28, 39, 42, 52, 59]).

Die Qualität der Evidenz war bei mäßiger methodischer Qualität und mäßiger externer Validität (Evidenzbericht, Tab. 93) ebenso wie die Wirksamkeit mäßig. Körperbezogene Therapien waren jedoch den Kontrollgruppen in Bezug auf die Reduktion von Schmerz, Müdigkeit und Schlafstörungen am Therapieende überlegen (Evidenzbericht, Tab. 94 und Abb. 30). Dabei war die Akzeptanz mäßig (Abbruchrate: 19%) und unterschied sich nicht signifikant von Placebo (Evidenzbericht, Abb. 30).

Nebenwirkungen wurden in den analysierten Studien nicht berichtet. Die Verfügbarkeit ist eingeschränkt. Körperbezogene Therapien sind in Deutschland keine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Sie sind im multimodalen Programm einiger stationärer Einrichtungen enthalten und werden von Volkshochschulen angeboten.

Offene Empfehlungen

Akupunktur

Evidenzbasierte Empfehlung

Der zeitlich befristete Einsatz von Akupunktur kann erwogen werden. EL2a, Empfehlungsgrad offen, starker Konsens

Kommentar

Die Literatursuche ergab 340 Treffer. Es wurden 3 RCT ausgeschlossen, da die Zielvariablen nicht die Einschlusskriterien erfüllten [27] bzw. Akupunktur mit anderen aktiven Therapieverfahren kombiniert wurde [36, 54]. In einer Übersichtsarbeit [10] sind weitere 4 chinesische Studien aufgeführt: 2 verglichen Akupunktur mit Amitriptylin, 2 die Kombination von Akupunktur mit Schröpfen bzw. mit Antidepressiva vs. Antidepressiva allein. Diese Studien waren nicht in den festgelegten Datenbanken enthalten und sind nur in chinesischer Sprache veröffentlicht; sie wurden für die Analyse nicht berücksichtigt.

Analysiert wurden 9 RCT mit 414 Patienten und einer durchschnittlichen Behandlungsdauer von 7 (2–15) Wochen. Die mittlere Nachuntersuchungszeit von 3 Studien lag bei 17 (12–28) Wochen (Evidenzbericht, Tab. 95; [2, 18, 29, 30, 34, 41, 43, 49, 53]).

Die Qualität der Evidenz war mäßig bei geringer methodischer Qualität und mäßiger externer Validität (Evidenzbericht, Tab. 96). Aufgrund der geringen methodischen Qualität erfolgte eine Abstufung des Evidenzgrads.

Die Wirksamkeit war gering. Die standardisierte Mittelwertdifferenz (SMD) von Verumakupunktur im Vergleich zu Scheinakupunktur für Schmerz am Therapieende war gering (Evidenzbericht, Tab. 97 und Abb. 31).

Die Abbruchrate lag bei 8,2%. Dabei fanden sich keine Unterschiede zu den Kontrollgruppen (Evidenzbericht, Abb. 31). Nebenwirkungen wurden nur in einer Studie systematisch erfasst. Die Häufigkeit schwerwiegender Nebenwirkungen der Akupunktur wird kontrovers diskutiert. Schwerwiegende Komplikationen (Blutungen, Pneumothorax) sind jedoch in der Literatur beschrieben [16].

Akupunktur ist als Kassenleistung bei komorbiden Rückenschmerzen verfügbar.

Aufgrund der potenziellen Risiken und der eingeschränkten Verfügbarkeit erfolgt eine Abstufung der Empfehlung um einen Grad.

Negative Empfehlungen

Achtsamkeitsbasierte Stressreduktion als Monotherapie

Evidenzbasierte Empfehlung

Achtsamkeitsbasierte Stressreduktion [“mindfulness-based stress reduction“ (MBSR)] sollte als Monotherapie nicht eingesetzt werden. EL2a, negative Empfehlung, Konsens

Kommentar

Die Literatursuche ergab Treffer 8 Treffer. Analysiert wurden 4 RCT mit 371 Patienten, MBSR und einer durchschnittlichen Behandlungsdauer von 8 Wochen [4, 26, 50, 51]. In 3 Studien wurden nach durchschnittlich 8 Wochen Nachuntersuchungen in beiden Studienarmen durchgeführt. In einer Studie [26] wurde in der MBSR-Gruppe, jedoch nicht in der Kontrollgruppe nach 3 Jahren bei 26 von 39 Patienten eine Nachuntersuchung durchgeführt (Evidenzbericht, Tab. 98).

Die Qualität der Evidenz war mäßig bei niedriger methodischer Qualität und mäßiger externer Validität (Evidenzbericht, Tab. 99). Die sekundären Studienendpunkte wurden in einer Studie nicht berichtet und auf Anfrage nicht zur Verfügung gestellt [51]. Es besteht daher die Möglichkeit einer Nichtpublikation von negativen Studienergebnissen. Daher erfolgte eine Abstufung des Evidenzgrads.

MBSR war nicht wirksam und war den entsprechenden Kontrollgruppen in der Reduktion von Schmerz und der Verbesserung der empfundenen Einschränkungen der Lebensqualität nicht überlegen (Evidenzbericht, Tab. 100 und Abb. 32).

Die Akzeptanz war mäßig (Abbruchrate: 22%) und unterschied sich nicht signifikant von Kontrollen (Evidenzbericht, Abb. 32). Nebenwirkungen wurden in den Studien nicht berichtet und sind auch in der Literatur nicht erwähnt.

Die Verfügbarkeit ist eingeschränkt. MBSR ist in Deutschland keine Leistung der GKV. MBSR ist im multimodalen Programm einiger stationärer Einrichtungen enthalten.

Homöopathie

Evidenzbasierte Empfehlung

Homöopathie sollte nicht eingesetzt werden. EL1a, negative Empfehlung, Konsens

Minderheitenvotum (Arbeitsgemeinschaft „Komplementäre und alternative Verfahren“: J. Langhorst, K. Bernardy, H. Lucius, M. Settan, A. Winkelmann, F. Musial):

Der Einsatz von Homöopathie kann erwogen werden. EL1a, offene Empfehlung

Kommentar

Die Literatursuche ergab 20 Treffer. Die Daten einer Studie wurden doppelt publiziert [7, 8]. Qualitativ analysiert wurden 5 RCT mit 204 Patienten und einer durchschnittlichen Studiendauer von 15 Wochen (Evidenzbericht, Tab. 101; [7, 8, 23, 24, 46]).

Die Qualität der Evidenz war mäßig bei mäßiger methodischer Qualität und mäßiger externer Validität (Evidenzbericht, Tab. 102).

Es ergaben sich keine konsistenten Hinweise für die Wirksamkeit von Homöopathie. Es konnten 2 Studien quantitativ ausgewertet werden [8, 46]. Die SMD von Homöopathie vs. Kontrollen am Therapieende zeigten einen positiven Trend der Homöopathie für Lebensqualität (Evidenzbericht, Tab. 103 und Abb. 33). In den beiden nicht metaanalytisch auswertbaren Studien fanden sich in der qualitativen Analyse ebenfalls keine konsistenten Ergebnisse, die eine Wirksamkeit der Homöopathie belegen. In einer Studie konnten keine signifikanten Unterschiede in Bezug auf die Reduktion von Schmerz und Schlafstörungen festgestellt werden. Bei einer Subgruppenanalyse zeigte sich eine signifikante Reduktion von Schmerz und Schlafstörungen bei den Patienten, die >3 Symptomcharakteristika des verschriebenen Medikaments aufwiesen [23]. In einer Studie wurde eine Reduktion von Schmerz und Schlafstörungen im Vergleich zu Placebo festgestellt [24]. In einer Nachanalyse der Studie mit statistisch angemessenen Methoden konnte in der ersten Cross-over-Behandlungsphase keine signifikante Überlegenheit von Homöopathie gegenüber Placebo festgestellt werden [15].

Die Akzeptanz war mäßig. Die Abbruchrate von 13% unterschied sich nicht signifikant von Placebo (Evidenzbericht, Abb. 33). Die Risiken sind wahrscheinlich gering: Nebenwirkungen wurden nicht erfasst. Relevante Nebenwirkungen sind aus der Literatur nicht bekannt.

Die Verfügbarkeit ist eingeschränkt: Nur einige Krankenkassen erstatten die Kosten.

Minderheitenvotum: In der Studie von Fischer [24] aus dem Jahr 1989 wurde eine Reduktion von Schmerz und Schlafstörungen im Vergleich zu Placebo festgestellt. In einer Nachanalyse dieser Studie mit veränderten statistischen Methoden konnte in der ersten Cross-over-Behandlungsphase keine signifikante Überlegenheit von Homöopathie gegenüber Placebo festgestellt werden. Der Autor setzt dabei voraus, dass es Carry-over-Effekte gibt, d. h., dass die Effekte der aktuellen Behandlungsperiode durch die Effekte der vorherigen Behandlungsperiode mitbedingt sind [15]. Dies ließ sich statistisch allerdings nicht sicher nachweisen (p=0,07). Da formal keine Carry-over-Effekte vorliegen, zeigt sich ein signifikantes Bild zugunsten der Homöopathie.

Nahrungsergänzungsprodukte

Evidenzbasierte Empfehlung

Nahrungsergänzungsprodukte [Algen- und Apfelsäure-Magnesium-Präparate, Anthocyane, Carnitin, S-Adenosylmethionin (SAM), Sojaöl, Vitamin-Spurenelement-Präparate] sollten nicht eingesetzt werden. EL3, negative Empfehlung, starker Konsens

Kommentar

Anthocyane sind Pflanzenfarbstoffe. In der Europäischen Union sind sie als Lebensmittelzusatzstoff unter der Nummer E 163 ohne Höchstmengenbeschränkung für Lebensmittel allgemein zugelassen.

SAM ist eine essenzielle Aminosäure. In den USA wird es als Nahrungsergänzung verkauft. Dies wurde möglich durch den Dietary Supplement Health and Education Act von 1999. Dieses Gesetz erlaubt für Nahrungsergänzungsstoffe die Umgehung der Food and Drug Administration (FDA). SAM ist über das Internet erhältlich.

Carnitin ist eine vitaminähnliche Substanz. Sie wird vom Körper selbst hergestellt, jedoch überwiegend über die Nahrung (Fleisch) zugeführt. Die Substanz ist in Deutschland zur Behandlung des Carnitinmangels bei Niereninsuffizienz und von Sonderformen der Muskeldystrophie zugelassen. Carnitin ist über das Internet erhältlich.

5-Hydroxytryptophan ist eine Aminosäure, die in Bananen und den Samen der afrikanischen Schwarzbohne vorkommt. Die Substanz ist in Deutschland nicht als Arzneimittel zugelassen, jedoch im Internet als „natürlicher Stimmungsaufheller“ erhältlich.

Die Literatursuche ergab 130 Treffer. Aus der Analyse ausgeschlossen wurden 2 Studien mit SAM, da die klinischen Endpunkte [53] bzw. ihre Darstellung in der Publikation [54] nicht für eine Analyse geeignet waren.

Analysiert wurden 11 Studien mit 12 Studienarmen, 517 Patienten und einer durchschnittlichen Behandlungsdauer von 6 (1–12) Wochen. Keine Studie führte eine Nachuntersuchung durch [1, 12, 21, 22, 25, 35, 44, 47, 48, 57, 58]. Nur für ein Präparat (SAM) lag >1 Studie (3 Studien, 121 Patienten) vor (Evidenzbericht, Tab. 104). Aufgrund der eingeschränkten Studienlage erfolgte eine Abstufung des Evidenzgrads.

Die Qualität der Evidenz war gering bei geringer methodischer Qualität und geringer externer Validität (Evidenzbericht, Tab. 105). Daher erfolgte eine weitere Abstufung des Evidenzgrads.

Die Wirksamkeit war gering. Die SMD von Nahrungsergänzungsprodukten vs. Kontrollen am Therapieende für Schmerz, Schlaf und Müdigkeit waren gering (Evidenzbericht, Tab. 106 und Abb. 34).

Die Akzeptanz war mäßig (Abbruchrate: 12%) und unterschied sich nicht signifikant von Placebo (Evidenzbericht, Abb. 34). Die Risiken waren hoch: Gastrointestinale Nebenwirkungen waren unter SAM und 5-Hydroxytryptophan >10% häufiger als in der Kontrollgruppe.

Aufgrund der hohen Risiken und der geringen Verfügbarkeit erfolgte eine Abstufung der Empfehlung um einen Grad.

Reiki

Evidenzbasierte Empfehlung

Reiki sollte nicht eingesetzt werden. EL2b, negative Empfehlung, starker Konsens

Kommentar

Die Literatursuche ergab 19 Treffer. Eine Studie hatte keine Kontrollgruppe [19]. In einer Studie erhielten je 25 Patienten über 8 Wochen von einem Reikimeister bzw. einem Schauspieler entweder Reiki (direkte Berührung) oder eine „Distanztherapie“. Keine der Behandlungen hatte einen signifikanten Effekt auf Schmerz, Müdigkeit, Schlaf und Lebensqualität [3]. Aufgrund des negativen Studienergebnisses erfolgte trotz der eingeschränkten Datenlage eine Stellungnahme.

Tanztherapie

Evidenzbasierte Empfehlung

Tanztherapie sollte als Monotherapie nicht eingesetzt werden. EL2b, negative Empfehlung, starker Konsens

Kommentar

Die Literatursuche ergab 9 Treffer. Die Daten einer in der Datenbank der National Institutes of Health als beendet und ausgewertet gemeldeten Studie wurden in den anderen Datenbanken nicht gefunden [6]. In einer schwedischen RCT mit 36 Patienten konnte durch Tanztherapie (einmal pro Woche über 6 Monate) im Vergleich zur Kontrollgruppe am Therapieende und der 6-Monatskatamnese keine Reduktion von Schmerz nachgewiesen werden [32]. Aufgrund des negativen Studienergebnisses erfolgte trotz der eingeschränkten Datenlage eine Stellungnahme.

Keine positive oder negative Empfehlung möglich

Ernährung (vegetarische Ernährung, Eliminationsdiät, Heilfasten)

Evidenzbasierte Feststellung

Aufgrund der eingeschränkten Datenlage ist keine positive oder negative Empfehlung möglich. Starker Konsens

Kommentar

Die Literatursuche ergab 27 Studien. In einer RCT erhielten 37 Patienten vegetarische Kost und 41 Patienten Amitriptylin 10–100 mg/Tag (in Abhängigkeit von der Schwere der Schlafstörung) über 6 Wochen. Beide Therapieverfahren führten zu einer Schmerzreduktion. Amitriptylin war der vegetarischen Kost am Therapieende in Bezug auf die Schmerzreduktion überlegen [5].

In einer kontrollierten Studie war salzarme vegetarische Rohkost (18 Patienten) der üblichen Ernährung nach 3 Monaten in Bezug auf die Reduktion von Schmerzen und Beeinträchtigungen überlegen [37].

In einer US-amerikanischen kontrollierten Studie erhielten 40 Patienten über 6 Monate eine Ausschlussdiät (z. B. Weizen, Nahrungsergänzungsstoffe), basierend auf immunologischen Tests. Sie wurden mit 11 Patienten verglichen, die sich weiter in Form ihrer üblichen Kost ernährten. Beide Gruppen nahmen an Gesprächsgruppen teil. Am Therapieende gaben die Patienten unter Ausschlussdiät eine 50%ige Reduktion von Schmerzen an, während es in der Kontrollgruppe nicht zu Veränderungen kam [20].

Melatonin

Evidenzbasierte Feststellung

Aufgrund der begrenzten Datenlage ist keine positive oder negative Empfehlung zu Melatonin möglich. Starker Konsens

Kommentar

Die Literatursuche ergab 34 Treffer. In einer nichtkontrollierten argentinischen Studie mit 19 Patienten verbesserte Melatonin 3 mg/Tag über 4 Wochen am Therapieende die Schlafqualität und reduzierten den „tender point score“ [14]. In einer RCT erhielten 24 Patienten Melatonin 5 mg/Tag, 24 Patienten Fluoxetin 20 mg/Tag, 27 Patienten Fluoxetin 20 mg/Tag plus Melatonin 3 mg/Tag und 23 Patienten Fluoxetin 20 mg/Tag plus Melatonin 5 mg/Tag. Eine Placebokontrolle wurde nicht durchgeführt. In allen Therapiearmen kam es zu einer signifikanten Schmerzreduktion, zu einer signifikanten Verbesserung des Schlafs nur in den Melatoningruppen [33]. Melatonin ist für Patienten ab 55 Jahren zur kurzzeitigen Behandlung der primären Insomnie zugelassen.

Musiktherapie

Evidenzbasierte Feststellung

Aufgrund der eingeschränkten Datenlage ist keine positive oder negative Empfehlung zur Musiktherapie möglich. Starker Konsens

Kommentar

In einer US-amerikanischen RCT mit 26 Patienten und passiver Musiktherapie waren musikalisch fluktuierende Vibrationen (60–300 Hz) sinusoidalen Vibrationen in Bezug auf die Reduktion der Schmerzintensität nicht überlegen [13]. In einer deutschen kontrollierten Studie war aktive Musiktherapie in einer Gruppe von 12 Patienten mit verschiedenen Schmerzsyndromen inkl. FMS-Patienten der Kontrollgruppe bezüglich der Reduktion von Schmerzen und Behinderungserleben am Therapieende überlegen [45].

Diskussion

Wie schon in der ersten Version der Leitlinie [40] ausgeführt, ist die Anwendung von komplementären und unkonventionellen Therapieverfahren [“complementary and alternative medicine (CAM)] unter Patienten mit einem Fibromyalgiesyndrom mit einem Prozentsatz von 87–91% weit verbreitet. Gleichzeitig ist die Studienlage zum Thema unbefriedigend, es liegen nur wenige gute kontrollierte Studien für die komplementären und unkonventionellen Therapieverfahren vor. Weitere Forschungsaktivität ist an dieser Stelle wünschenswert und notwendig.

In der ersten Version der Leitlinie [40] erhielten Atemtherapie, Eliminationsdiät/vegetarische Kost und Fußzonenreflextherapie eine offene Empfehlung. In der Aktualisierung konnte für diese Verfahren aufgrund fehlender Studien erneut keine positive oder negative Empfehlung ausgesprochen werden. Aufgrund der quantitativen Datensynthese wurde die offene Empfehlung für Homöopathie in eine negative Empfehlung geändert. Die relativ spärliche Datenlage kann jedoch unterschiedlich interpretiert werden (s. Minderheitenvotum). Aufgrund neuer Studien und der quantitativen Datensynthese änderte sich die Empfehlung für Akupunktur von negativ zu offen (Tab. 1).

Tab. 1 Veränderungen von Empfehlungsgraden für komplementäre und alternative Verfahren der ersten und zweiten Version der Leitlinie

Komplementäre Verfahren werden in der Regel in einem interdisziplinären und integrativmedizinischen Setting angewendet. Sie stellen häufig eine sinnvolle Ergänzung im Rahmen multimodaler Therapiekonzepte dar. Ein Vorteil einiger komplementärer Therapieverfahren (z. B. Qigong oder Tai-Chi) besteht darin, dass die Patienten die Verfahren selbstständig anwenden können und nicht von einem Therapeuten abhängig sind.

Folgende Forschungsdesiderata bestehen: randomisierte klinische Studien zur Wirksamkeit von Musik- und Tanztherapie, Homöopathie und Ernährungstherapie.

Viele komplementärmedizinische Ansätze, z. B. die Akupunktur, aktivieren möglicherweise intrinsische physiologische Mechanismen. Allerdings sind die genauen Mediatoren potenzieller Therapieeffekte oftmals noch unverstanden. Deshalb besteht für die komplementären Verfahren nicht nur ein Bedarf an weiterer klinischer Forschung, sondern darüber hinaus auch an Studien aus dem Grundlagenbereich. Zudem besteht auch weiterhin die Notwendigkeit, die Informationslage zu Häufigkeit und Motivation des Gebrauchs komplementärer Verfahren bei FMS-Patienten in Deutschland zu verbessern.

Fazit für die Praxis

FMS-Patienten wenden häufig auch komplementäre und unkonventionelle Therapieverfahren an. Komplementäre Verfahren werden in der Regel in einem interdisziplinären und integrativmedizinischen Setting angewendet. Sie können im Rahmen multimodaler Therapiekonzepte eine sinnvolle Ergänzung sein. Der Einsatz von meditativen Bewegungstherapien (Tai-Chi, Qigong, Yoga) wird stark empfohlen. Akupunktur kann zeitlich befristet eingesetzt werden. Nahrungsmittelergänzungsprodukte und Reiki sowie achtsamkeitsbasierte Stressreduktion und Tanztherapie als Monotherapien sollten nicht eingesetzt werden.