Zusammenfassung
Schmerzevozierte Potenziale (PREP) eröffnen eine objektive Möglichkeit, die nozizeptiven Bahnen zu untersuchen. Sie stellen eine neue Methode dar, mit der die Integrität des peripheren und zentralen schmerzverarbeitenden Nervensystems geprüft werden kann, beispielsweise zur Diagnostik einer Small-fiber-Neuropathie (SFN) oder nach einer therapeutischen Intervention bei Kopfschmerzen. Verglichen mit den laserevozierten und kontakthitzeevozierten Potenzialen sind sie für den Probanden weniger belastend und technisch weniger aufwendig abzuleiten. Der klinische Nutzen der PREP wurde bisher für die SFN mit diabetischer, HIV- oder Hepatitis-C-assoziierter Ätiologie, für Kopf- und Gesichtsschmerzen sowie nach interventionellen Verfahren wie der transkraniellen direkten Gleichstromstimulation (tDCS) beschrieben. In dieser Übersicht werden die Vor- und Nachteile der Methode vorgestellt. Anhand der bisherigen Studien werden die Indikationen und zukünftigen Perspektiven im Vergleich zu anderen Stimulationsverfahren erörtert.
Abstract
Pain-related evoked potentials (PREPs) represent a novel method for the evaluation of peripheral and central nociceptive pathways, e.g. in the diagnosis of small fiber neuropathy (SFN) or after therapeutic interventions for headache. Compared to contact heat-evoked and laser-evoked potentials, recording of PREPs is less stressful for the subjects and technically less demanding. The clinical usefulness of PREPs has been described for SFN associated with diabetes, HIV and hepatitis C infections as well as in headache and facial pain disorders. They have also been evaluated after interventional methods, such as direct current stimulation (tDCS). The article reviews and discusses the advantages and pitfalls of this technique in the context of recent clinical studies as compared to other paradigms of peripheral electrical stimulation and delineates perspectives and possible indications.
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Die Ableitung der schmerzevozierten Potenziale [“pain-related evoked potentials“ (PREP)] stellt eine objektive Methode für die Evaluation des nozizeptiven Systems dar. Obwohl sie erst vor wenigen Jahren entwickelt wurde [26], haben sich PREP in verschiedenen klinischen und wissenschaftlichen Fragestellungen bewährt. Sie sind mit geringem technischen Aufwand abzuleiten, nichtinvasiv und für Patienten und Probanden wenig belastend.
Vergleich der schmerz-, kontakthitze- und laserevozierten Potenziale
Die mit klassischen Verfahren abgeleiteten somatosensibel evozierten Potenziale (SEP) nach direkter peripherer Nervenstimulation [48] oder nach Dermatomreizung [46] enthalten bei typischer Ableitung mittels Skalpelektroden trotz Schmerzhaftigkeit des Reizes keine selektiv erkennbaren Anteile nozizeptiver Erregung. Durch andere Verfahren der elektrischen Reizung wie die intrakutane [6], intraepidermale [33] oder transkutane Reizung [35] mit niedriger Stromintensität kann die selektive Depolarisation von oberflächlich gelegenen Aδ- und C-Fasern [6][28][35] nicht vollständig gewährleistet werden. Vielmehr kommt es parallel zu einer Aktivierung von schnell leitenden Afferenzen, deren Weiterleitung das Reizantwortpotenzial zusätzlich bestimmt. Bereits vor mehreren Jahren wurde die Kontakthitze als Verfahren etabliert, um Aδ- und C-Fasern zu erregen und evozierte Hirnpotenziale [“contact heat evoked potentials“ (CHEP), s. auch Tab. 1] abzuleiten [10]. Auch bei der Ableitung von CHEP, die im übernächsten Abschnitt ausführlicher dargestellt werden, ist eine Kostimulation von Aβ-Fasern nicht ausgeschlossen. Nach den Leitlinien der Europäischen Föderation der Neurologischen Gesellschaften (EFNS) zur Diagnostik bei neuropathischen Schmerzen [13] und der Internationalen Föderation für klinische Neurophysiologie [11] sind die laserevozierten Potenziale [“laser-evoked potentials“ (LEP), s. auch Tab. 1, Erläuterung im nächsten Abschnitt] derzeit die zuverlässigste neurophysiologische Methode, um die Funktion der nozizeptiven Bahnen zu überprüfen. Jedoch sind sowohl LEP als auch CHEP in der Praxis mit Nachteilen behaftet. Zu diesen zählen die nötige Anschaffung teurer Geräte, die aufwendigere Durchführung sowie mögliche Hautläsionen bei LEP [49]. Im Gegensatz zu CHEP- und LEP- werden für PREP-Ableitungen lediglich einfach modifizierte Elektroden benötigt, sodass bei vorhandenen SEP-Ableitmöglichkeiten keine weiteren Investitionen erforderlich sind.
Laserevozierte Potenziale
Durch die Laserhitzereizung (Hitzepulsdauer: 1–100 ms) können selektiv Aδ- und C-Nozizeptoren in der behaarten Haut erregt werden, ohne dabei gleichzeitig Mechanorezeptoren und Aβ-Fasern zu aktivieren. Die danach abgeleiteteten Hirnpotenziale werden LEP genannt. Die selektive Reizung von Nozizeptoren stellt einen Vorteil der LEP gegenüber den PREP und CHEP dar. Die meisten klinischen und experimentellen Studien werden mit dem CO2-Laserstimulator (Wellenlänge ʎ=10,6 µm) als dem meist validierten Laser durchgeführt [49]. Im Gegensatz dazu führen Laser mit einer niedrigeren Wellenlänge (ʎ=1–2 µm) wie der Thulium- oder Neodiniumlaser zu einer größeren Amplitude der kortikalen Potenziale [21]. Die kürzere Wellenlänge dieser Laser führt im Vergleich zu CO2-Lasern zu weniger oberflächlichen Hautläsionen. Dennoch treten bei diesen Laserwellenlängen häufiger Hautpigmentationen auf [42]. Durch die Laserreize werden gleichzeitig Aδ- und C-Fasern erregt, jedoch stellen die kortikalen Potenziale meist nur eine Aδ-Aktivität dar [8]. Es gibt die sog. Microspot-Technik für die selektive Erregung von C-Fasernozizeptoren [12]. Dadurch werden ultraspäte LEP erzeugt, die 800–1000 ms nach einer Handreizung entstehen. Am Vertex wird der Potenzialkomplex mit der größten Amplitude erhalten (N2-P2-Komplex). Beispielwerte der Latenzen sind in Tab. 1 dargestellt. Dipolquellenanalysen ergaben, dass der N2-P2-Komplex durch den mittleren Gyrus cinguli, die Insel oder das frontale Operkulum generiert wird [49]. Zudem lässt sich eine frühere N1-Komponente der LEP temporal ableiten. Im klinischen Einsatz ist diese frühe N1-Latenz der LEP vorteilhaft, da sie im Gegensatz zum N2-P2-Komplex weniger anfällig für Aufmerksamkeits- und Vigilanzeffekte ist [16]. Die P2-Komponente der LEP wird von Erregung und Aufmerksamkeit beeinflusst und ist in dementen Patienten nicht vorhanden, sodass sie diagnostisch nur eingeschränkt verwertet werden kann. Die Ergebnisse einer Reihe von Studien an Patienten mit sensibler Neuropathie [31], Karpaltunnelsyndrom [52] oder postherpetischer Neuralgie [51] führten zur Empfehlung der LEP für die Messung der Aδ-Faseraktivität in Patienten mit Neuropathie in den EFNS-Leitlinien [13]. LEP nach C-Nozizeptorreizung können nach der derzeitigen Datenlage nicht empfohlen werden [13].
Kontakthitzeevozierte Potenziale
Nach Applikation von wiederholten Hitzereizen einer definierten Temperatur in einem großen Hautareal (572 mm2) können nach Erregung von mehr Aδ- als C-Fasern Hirnpotenziale abgeleitet werden [10]. Ein Vorteil der CHEP gegenüber LEP ist, dass durch die größere Fläche der Hitzereizung die Hitzewahrnehmung besser repräsentiert wird [20]. Mit der CHEP-Thermode lassen sich durch einen raschen Temperaturanstieg (70°C•s−1) Aδ- und C-Fasern reizen. Nach einem kurzen Reiz (Dauer: 500 ms) wird die maximale Temperatur der Thermode (51°C) erreicht. Danach kehrt diese wieder auf das Ausgangsniveau zurück (32°C). Die N- und P-Latenzen der CHEP sind länger als die der LEP. Vermutlich beruht dies auf einer längeren Dauer der Hitzereize und einer längeren Hitzeleitungszeit nach Aktivierung von Nozizeptoren [22]. Es gibt 2 weitere Vorteile von CHEP gegenüber LEP: Zum einen können die Reize im selben Areal wiederholt appliziert werden, ohne Hautläsionen hervorzurufen. Zum anderen kann die Spitzentemperatur präzise kontrolliert werden [9]. Allerdings sollten die folgenden negativen Aspekte bei der klinischen Anwendung von CHEP bedacht werden: Durch den Kontakt der Thermode können Mechanorezeptoren erregt werden; für die Platzierung der Thermode ist eine ebene Fläche notwendig und der langsame Temperaturanstieg der Hitzereize bei CHEP (CHEP: 70°C•s−1; LEP: >1000°C•s−1) führt zu einer reduzierten temporalen Summation [3]. Es liegen Studien zu Untersuchungen des neuropathischen Schmerzes mit CHEP vor [18], jedoch gibt es bislang keine evidenzbasierten Studien, die eine diagnostische Tauglichkeit nahelegen [12]. Kürzlich wurde gezeigt, dass die N2-P2-Amplitude der CHEP linear mit der intraepidermalen Nervenfaserdichte korreliert [10]. Dies belegt, dass die CHEP eine Methode zur Messung der strukturellen Integrität kleiner Fasern ist.
Schmerzevozierte Potenziale
Im Folgenden wird die PREP-Methode im Detail dargestellt, um sie LEP und CHEP gegenüberzustellen (s. auch Tab. 1).
Methode
Die Hautafferenzen werden durch eine konzentrische Elektrode (KE, auch kommerziell als K2-Stimulationselektrode erhältlich) transkutan erregt. Diese besteht aus einer Metallkathode (Durchmesser: 0,5 mm) und einem Anodenring (Durchmesser: 6 mm). Aufgrund ihres konzentrischen Designs und der schmalen Anoden-Kathoden-Distanz produziert die KE bei niedrigen Stromintensitäten eine hohe Stromdichte. Daher wird angenommen, dass die induzierte Depolarisation auf nozizeptive Aδ- und C-Fasern in der oberflächlichen Schicht der Dermis beschränkt ist und keine tieferen Schichten erreicht, die vorwiegend Aβ-Fasern enthalten [26][27].
Stimulationsparameter
Die KE führt zu einer Reizung von nozizeptiven Hautafferenzen (Tab. 1, Tab. 2, Abb. 1; [26]). Die trigeminale Reizung für die Ableitung von trigeminalen PREP erfolgt im Areal des ersten Trigeminusasts mit 2 Elektroden, die 10 mm über dem N. supraorbitalis platziert werden. Die extrakraniellen (somatischen) PREP werden durch eine nozizeptive Reizung des zweiten und dritten Fingers oder des Vorfußes der Phalangen des zweiten und dritten Zehs hervorgerufen. Die Schmerzschwelle wird durch auf- und absteigende Reizserien in 0,01-mA-Stufen bestimmt. Appliziert werden 15–20 Blöcke elektrischer Triple- [38] oder Doppelpulse ([26]; monopolare Rechteckpulse; Intensität: 1,5-fache individuelle Schmerzschwelle; Dauer: 0,5 ms; Pulsintervall: 5 ms; Interstimulusintervall: 12–18 s [26], 15–17 s; Tab. 1, [38]). PREP werden mit einer Nadelelektrode über Cz (nach dem internationalen 10–20-Elektroenzephalographie-System platziert) gegen die Ohrelektroden abgeleitet. Die Erdelektrode befindet sich zwischen der peripheren Stimulationselektrode und der Ableitelektrode. Analysiert werden die negativen Peak-N1- und positiven Peak-P1-Latenzen sowie N1-P1-Peak-to-peak-Amplituden (PPA) der PREP (Abb. 1). Es fand sich eine starke lineare Korrelation zwischen den PPA der PREP und der Intensität der Schmerzwahrnehmung [numerische Rating-Skala (NRS)], sodass Hinweise vorliegen, dass PREP zumindest teilweise ein Messinstrument darstellen, mit dem quantitativ die Schmerzverarbeitung dargestellt werden kann [38]. Normwerte und Untersuchungen über eine Temperatur-, Geschlechts -oder Altersabhängigkeit existieren bislang noch nicht. Die Ergebnisse klinischer Studien sind in Tab. 2, Tab. 3 und Tab. 4 dargestellt.
Aktivierung von Aδ-Fasern
Nach einer lokalen Behandlung mit dem Lokalanästhetikum Lidocain, das zu einem Verlust der Thermästhesie und Schmerzwahrnehmung, jedoch nicht der Berührungsempfindung führte, waren die PREP an der Hand bis zu einer mittleren Reizintensität von 2,5 mA nicht mehr auslösbar [26]. Dieser Befund deutet darauf hin, dass hauptsächlich aktivierte Aδ- und C-Fasern für die PREP verantwortlich sind. Außerdem führte die Lokalanästhesie zu einer Hemmung der nozizeptiven Blinkreflexantwort bis zu einem Ausmaß von 90%. Dies legt nahe, dass nach elektrischer Stimulation mit der KE nur 10% der Aβ-Fasern zur Antwort beitragen [38]. Die nach Stimulation mit der KE und Ableitung der PREP bestimmte Leitgeschwindigkeit (16–18 m•s−1; [38]) ist vereinbar mit der Leitgeschwindigkeit von Aδ-Fasern [24].
Vergleich verschiedener Verfahren der peripheren elektrischen Stimulation
Es existieren zahlreiche Verfahren der peripheren elektrischen Reizung, die eine Erregung von Aδ- und C-Fasern hervorrufen und nach deren Erregung sich PREP ableiten lassen (Tab. 2). PREP können als Sonderform der SEP angesehen werden. Durch eine Nadelelektrode von Inui [23] konnte eine Erregung von Aδ-Fasern erreicht werden, während sich durch die Elektrodenbeschaffenheit und die angewendete Reizstärke der Elektrode nach Nilsson [36] vorwiegend C-Fasern erregen ließen. Ein Nachteil der Inui-Elektrode besteht in ihrer Invasivität. Durch ein anderes Elektrodendesign (10 Elektroden mit einem Durchmesser von jeweils 200 µm) konnte eine räumliche Summation innerhalb der rezeptiven Felder der Rückenmarkneurone und eine hohe Stromdichte bei niedrigen Reizintensitäten erreicht werden, um die Aktivierung von Aδ- und C-Fasern zu begünstigen [29]. Diese Vorteile finden sich ebenfalls bei der Reizung mit der KE. Über klinische Anwendungen dieser elektrischen Reizelektroden zur Ableitung von PREP wurde, im Gegensatz zu den PREP-Ableitungen mit der KE, bisher nicht berichtet.
Klinische Anwendungen der schmerzevozierten Potenziale
Die Ergebnisse zu den klinischen Anwendungen beziehen sich auf die Arbeiten einer Arbeitsgruppe (Tab. 3, Tab. 4; [2, 17, 19, 26, 27, 34, 38, 39, 50]).
Small-fiber-Neuropathie
Neuropathische Symptome bei Patienten mit Diabetes mellitus, Human-immunodeficiency-virus(HIV)- und Hepatitis-C-Infektion ohne den Nachweis einer Schädigung in der N.-suralis-Neurographie können zu einer N1-Latenzverlängerung und PPA-Reduktion der PREP führen (Tab. 3, Tab. 4; [34, 38, 54]). Small-fiber-Neuropathien (SFN) sind ein Subtyp der sensiblen Neuropathie, der ausschließlich oder vorwiegend dünn bemarkte Aδ- und unbemarkte C-Nervenfasern erfasst und zu Symptomen wie Brennschmerzen und Dysästhesien führt. Zudem können in der neurologischen Untersuchung u. a. eine Thermhypästhesie, taktile oder mechanisch-dynamische Allodynie oder Hyperalgesie nachgewiesen werden. Die Sensitivität von PREP bei der Detektion einer klinisch diagnostizierten SFN bei Patienten mit Diabetes mellitus betrug 94% [33]. Mit PREP wurden in einem Kollektiv von 35 klinisch mit neuropathischen Symptomen behafteten Diabetikern mit normaler Standardneurographie signifikant verlängerte N1-Latenzen und reduzierte PPA der PREP im Vergleich zu Diabetikern ohne neuropathische Symptome festgestellt [34]. Folglich können PREP möglicherweise als ein frühes Diagnostikum der SFN dienen und so das Dilemma der Standardneurographie lösen, der eine isolierte Schädigung der kleinen Fasern entgeht. Es existieren bereits einige Methoden, mit denen die Funktion der kleinen Fasern untersucht wird:
-
quantitative sensorische Testung (QST),
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sympathischer Hautreflex (SSR),
-
quantitativer sudomotorischer Axonreflextest (Q-SART) und
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autonome Testung.
Die QST ist eine psychophysiologische Methode, mit der die Messung der Wahrnehmung als Antwort auf externe Reize von kontrollierter Intensität überprüft wird [43, 44]. Die QST ist in der klinischen Testung von Nutzen; sie dient der Bestimmung eines sensorischen Profils des Patienten. Auch die Effekte einer medikamentösen Behandlung können anhand der QST über die mechanisch-dynamische Allodynie oder Hyperalgesie quantifiziert werden. Ihre Nützlichkeit ist insbesondere in der frühen Diagnose der diabetischen Neuropathie nachgewiesen [13]. Der SSR ist eine Veränderung des elektrischen Hautpotenzials infolge eines überraschenden Reizes; mit ihm wird die sympathische Sudomotorfunktion gemessen. Ist der SSR nicht nachweisbar, kann das auf eine autonome Dysfunktion hinweisen. Mit dem Q-SART [15] wird der entstandene Schweiß nach Reizung einzelner C-Fasern per Iontophorese mit Acetylcholin gemessen. Somit kann eine Über- oder Unterfunktion der C-Fasern bestimmt werden [32]. Studien zeigten, dass unter Anwendung des Q-SART eine distale SFN mit einer Sensitivität von >75% detektiert werden konnte [37]. Ein autonomes Testverfahren ist der thermoregulatorische Schweißtest, mithilfe dessen die postganglionäre sudomotorische Funktion untersucht werden kann. In diesem Test wird eine Indikatorsubstanz verwendet, deren Farbe sich nach dem Schwitzen ändert [15].
Jedes dieser Verfahren ist jedoch zeitintensiv oder teilweise nicht ausreichend sensitiv. Das bislang zuverlässigste und effizienteste Zusatzverfahren in der SFN-Diagnostik ist die histologische Bestimmung der intraepidermalen Nervenfaserdichte (IENFD) durch eine Hautbiopsie [30]. Mit der Quantifizierung der IENFD kann die Diagnose einer SFN besser gesichert werden als mit einer Standardneurographie und Nervenbiopsie des N. suralis [30]. Eine reduzierte IENFD ist häufig mit neuropathischem Schmerz assoziiert, jedoch korreliert sie nicht mit der Intensität des neuropathischen Schmerzes [30]. Die IENFD korreliert mit der Small-fiber-Dysfunktion, die psychophysisch anhand von thermischen und Schmerzschwellen bestimmt wurde [30]. Dennoch ist die Bestimmung der IENFD mit dem Nachteil der Minimalinvasivität behaftet.
In einer Studie an 19 HIV-Patienten mit Symptomen einer SFN konnte nachgewiesen werden, dass sowohl die N1-Latenz als auch die PPA der PREP mit der IENFD signifikant korrelieren [38]. Diese Korrelation ist bemerkenswert, da mit PREP und der Quantifizierung der IENFD nicht dieselbe Struktur gemessen wird: PREP werden vorwiegend in Aδ-Fasern, weniger auch in C- und teilweise in Aβ-Fasern abgeleitet, während in der Hautbiopsie vorwiegend C-Fasern und weniger Aδ-Fasern bestimmt werden. Zudem ist die Vergleichbarkeit der IENFD-Ergebnisse der Hautbiopsie und der PREP-Parameter eingeschränkt, da in der genannten Studie die IENFD und PREP nicht an identischen Hautarealen gezählt bzw. abgeleitet wurden (PREP: zweiter und dritter Zeh; IENFD: 2 cm unterhalb des lateralen Malleolus). Die enge Korrelation der PREP-Parameter mit der IENFD der Hautbiopsie legen aber nahe, dass der intraepidermalen Nervenfaserdegeneration ein Prozess der Degeneration zugrunde liegt, der in ähnlichem Ausmaß Aδ- und C-Fasern betrifft [38]. Die hohe Sensitivität der PREP in der frühen Erkennung einer SFN ist durch die selektive Erregung der Aδ-Fasern und den distalen Stimulationsort zu erklären.
Mixed-fiber-Neuropathie
Patienten mit neuropathischen Symptomen, die an einer HIV-assoziierten oder einer sensiblen Neuropathie bei Kryoglobulin-negativer Hepatitis-C-Virusinfektion erkrankt waren und eine pathologische N.-suralis-Neurographie aufwiesen, zeigten verlängerte N2-Latenzen und reduzierte PPA der PREP (Tab. 3, [38][54]), sodass PREP auch bei Patienten mit einer gemischten – sowohl kleine als auch große Fasern betreffenden – Neuropathie [Mixed-fiber-Neuropathie (MFN)] geeignet sind, die Schädigung der kleinen Fasern zu detektieren. Derzeit wird in einer Studie untersucht, ob PREP auch bei MFN mit einem breiteren Ursachenspektrum für die Detektion der Small-fiber-Beteiligung geeignet sind.
Kopfschmerzen
PREP können bei einem medikamenteninduzierten Kopfschmerz der Verlaufsmessung zur Prüfung der Wirksamkeit medikamentöser Therapien dienen. Es konnte gezeigt werden, dass die PPA der PREP nach der Entzugsbehandlung bei analgetika- und triptaninduzierter Migräne signifikant reduziert waren (Tab. 3; [2]). PREP können bei zusätzlicher Ableitung des nozizeptiven Blinkreflexes auch dazu dienen, eine zentrale Sensibilisierung in Kopfschmerzpatienten nachzuweisen [2]. Zudem können PREP der Funktionsdiagnostik der Dysfunktion bei Trigeminusneuralgie dienen (Tab. 3). In Kombination mit dem nozizeptiven Blinkreflex konnte bei der Trigeminusneuralgie die Läsion nahe der Wurzeleintrittszone des Hirnstamms lokalisiert werden [39]. In Zukunft könnten PREP zum Nachweis der Effektivität therapeutischer Interventionen herangezogen werden. Beispielsweise war die PPA der PREP nach kathodischer transkranieller Gleichstromstimulation (tDCS) signifikant reduziert und nach anodaler tDCS signifikant gesteigert, im ersten Fall als Hinweis auf eine inhibierte, im zweiten Fall als Anzeichen für eine fazilitierte Schmerzverarbeitung [30].
Generatoren der PREP
Anders als bei LEP gibt es bislang noch keine Dipolquellenanalysen der PREP, die zeigen, dass schmerzhafte elektrische Reize ähnlich wie die schmerzhaften Hitzereize den operkuloinsularen Kortex in der Nähe des sekundären somatosensorischen Kortex (SII) und den Gyrus cinguli aktivieren [3][4][44].
Fazit für die Praxis
PREP stellen im Vergleich zu LEP und CHEP eine einfache, billige und nichtinvasive diagnostische Möglichkeit dar, um im klinischen Alltag eine SFN oder möglicherweise eine Beteiligung von dünnen Fasern bei MFN nachweisen zu können. Mittlerweile sind die entsprechenden Stimulationselektroden auch als K2-Stimulationselektroden kommerziell erhältlich. PREP können auch der Verlaufsdiagnostik nach einer therapeutischen Intervention oder dem Nachweis einer zentralen Sensibilisierung bei Kopfschmerzpatienten dienen.
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Hansen, N., Obermann, M., Üçeyler, N. et al. Klinische Anwendung schmerzevozierter Potenziale. Schmerz 26, 8–15 (2012). https://doi.org/10.1007/s00482-011-1117-1
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DOI: https://doi.org/10.1007/s00482-011-1117-1