Die therapeutische (oder palliative) Sedierung wird im palliativmedizinischen Kontext verstanden als der überwachte Einsatz von Medikamenten mit dem Ziel einer verminderten oder aufgehobenen Bewusstseinslage (Bewusstlosigkeit), um die Symptomlast in anderweitig therapierefraktären Situationen in einer für Patienten, Angehörige und Mitarbeiter ethisch akzeptablen Weise zu reduzieren.

Sedierung wird im palliativmedizinischen Behandlungsumfeld in diversen Situationen eingesetzt:

  1. 1.

    kurzfristige Sedierung für belastende Behandlungen,

  2. 2.

    Sedierung zur Behandlung von Brandverletzten,

  3. 3.

    Sedierung in der Entwöhnung von Beatmung am Lebensende (terminales Weaning),

  4. 4.

    Sedierung zur Behandlung anderweitig refraktärer Symptome in der Finalphase,

  5. 5.

    Sedierung in Notfallsituationen,

  6. 6.

    zwischenzeitliche Sedierung zur Erholung von belastenden Zuständen („respite sedation“),

  7. 7.

    Sedierung bei psychischen und existenziellen Krisen.

Therapiestandards existieren bereits für die kurzfristige Sedierung bei belastenden Behandlungen [1, 2, 3, 4], in der Brandverletztenbehandlung [5] und für das terminale Weaning [6, 7], sodass diese Situationen im Folgenden nicht weiter erläutert werden.

Warum Behandlungsstandards wichtig sind

Die EAPC bewertet die palliative Sedierung als wichtige und notwendige Behandlungsoption für bestimmte Patienten, die unter therapierefraktären Symptomen leiden. Der Einsatz dieser Maßnahme erfordert Sorgfalt, umsichtiges Vorgehen und klinische Erfahrung („good clinical practice“)Footnote 1. Eine Nichtbeachtung der potenziellen Risiken und hinterfragenswerte Praktiken können schädigendes und unethisches Handeln nach sich ziehen, welches die Glaubwürdigkeit und die Reputation der verantwortlichen Therapeuten und Institutionen als auch der Palliativmedizin insgesamt beeinträchtigen kann.

Potenzielle unerwünschte Folgen und Risiken der Sedierung in der Palliativversorgung

Abgesehen vom Einsatz bei Patienten, die sich belastenden Prozeduren unterziehen oder in terminaler Situation vom Beatmungsgerät entwöhnt werden, ist die palliative Sedierung aufgrund ihrer erwarteten unerwünschten Folgen und Risiken eine Maßnahme, die erst dann eingesetzt wird, wenn alle anderen therapeutischen Maßnahmen versagt haben.

Eine der zu erwartenden negativen Folgen von Sedierung ist die Beeinträchtigung oder der Verlust der Interaktionsfähigkeit in Abhängigkeit von der Sedierungstiefe. Dies muss eingehend mit den Behandlungszielen abgewogen werden, die auch die Aufrechterhaltung vitaler Funktionen (einschließlich kommunikativer Funktionen) umfassen. Für die meisten Patienten stellen diese wichtige und relevante Behandlungsziele dar, welche durchaus bis in sehr späte Krankheitsstadien am Lebensende geschätzt werden.

Der Einsatz palliativer Sedierung mit dem Ziel der Leidenslinderung kann für Familienangehörige [8, 9, 10, 11, 12] und Mitarbeiter [12, 13, 14, 15] belastend sein. Für Familienangehörige können u. a. folgende Faktoren bedeutend sein: Traurigkeit in Hinblick auf die reduzierten Kommunikationsmöglichkeiten, vorweggenommene Trauerarbeit, Unklarheit oder Dissens bezüglich der zugrunde liegenden Indikationsstellung, die Auffassung, dass der Behandlungsbeginn überstürzt oder verspätet gewesen sein könnte, oder die Sorge, dass die Sedierung direkt oder indirekt das Eintreten des Todes beschleunigt [8, 9, 10, 11, 12].

Zu den klinischen Risiken der Sedierung zählen Zustände paradoxer Agitiertheit [16, 17] und eine Beschleunigung des Sterbeprozesses. Obwohl Daten existieren, die darauf hinweisen, dass Sedierung das Eintreten des Todes nicht beschleunigt [18, 19, 20, 21, 22, 23], verbleibt hierfür bei bestimmten Patienten ein kleines Risiko z. B. im Zusammenhang mit Atemdepression, Aspiration oder kardiozirkulatorischer Beeinträchtigung [24]Footnote 2. Für Patienten im unmittelbaren Sterbeprozess mögen diese Risiken als trivial bewertet werden eingedenk des Zieles einer Entlastung von anderweitig unerträglichen Symptomen. In anderen Situationen jedoch, wie z. B. bei dem Ziel, eine vorübergehende Erholung von einer belastenden Situation zu erzielen, kann das Risiko eines vorzeitigen Eintritts des Todes erhebliche, gar katastrophale Konsequenzen haben. In solchen Situationen können die Risiken der Sedierung substanziell sein, sodass Vorsichtsmaßnahmen (wie z. B. das Monitoring von Vitalfunktionen oder das Bereithalten von Antidota) indiziert sein können.

Problembehaftete Praktiken

Die Fürsorge für Palliativpatienten kann in vielfältiger Weise durch missbräuchlichen, nicht gerechtfertigten oder unsachgemäßen Einsatz von palliativer Sedierung unterminiert werden. Während es aussagekräftige Daten zur missbräuchlichen Anwendung von Sedierung gibt, ist vergleichsweise wenig über das Vorkommen ungerechtfertigter oder nicht sachgemäßer Sedierung bekannt.

Missbräuchliche Sedierung

Ein Missbrauch palliativer Sedierung liegt vor, wenn Behandler Patienten in Todesnähe mit dem Primärziel sedieren, den Tod zu beschleunigen [25, 26, 27, 28, 29, 30, 31, 32]. Dieses Vorgehen wird als „slow euthanasia“, als langsame aktive Sterbehilfe, bezeichnet. In der klinischen Praxis verabreichen manche Ärzte Medikation in sehr hohen Dosierungen, auf den ersten Blick um Symptome zu lindern, jedoch mit einer impliziten Absicht der Lebenszeitverkürzung. Dies muss konstatiert werden bei einer freizügigen Sedierung von Patienten, die nicht unter refraktären Symptomen leiden, oder bei Dosierungen jenseits dessen, was zu einer adäquaten Beschwerdefreiheit nötig gewesen wäre. Überdosierungen können physiologische Funktionen wie die Spontanatmung und Kreislaufstabilität beeinträchtigen. Solche unzulässigen Praktiken stellen eine inakzeptable und oft auch juristisch illegale Abweichung von normativen ethischen Grundsätzen dar.

Ungerechtfertigte Sedierung

Hierunter wird der Einsatz palliativer Sedierung mit dem Ziel der Symptomkontrolle verstanden, obwohl die klinische Situation eine solche einschneidende Intervention nicht rechtfertigt. Hierbei wird Sedierung zwar mit dem Ziel der Leidenslinderung verabreicht und auch sorgfältig am Effekt gemessen titriert, jedoch ist die Indikation nicht angemessen, um eine solche radikale Intervention zu rechtfertigen. Dies tritt z. B. auf

  1. 1.

    in Situationen, in denen der klinische Zustand des Patienten fehleingeschätzt wurde und potenziell reversible Gründe für die aktuelle Symptomatik übersehen bzw. ignoriert wurden [26, 33],

  2. 2.

    in Situationen, in denen eine palliative Sedierung eingeleitet wurde, ohne zuvor ausreichende Expertise in Symptomkontrolle hinzugezogen zu haben, obwohl diese verfügbar gewesen wäre [26, 34],

  3. 3.

    in Situationen, in denen ein Arzt sedierende Medikamente einsetzt, weil ihn die Versorgung eines Patienten mit komplexer Symptomatik überfordert [12],

  4. 4.

    in Situationen, in denen die Sedierung von den Angehörigen anstatt von dem Patienten selbst eingefordert wird [12].

Ungerechtfertigtes Vorenthalten palliativer Sedierung

Palliative Sedierung kann auch ungerechtfertigterweise einem Patienten vorenthalten werden, wenn trotz insuffizienter Symptomkontrolle die Einleitung einer Sedierung sehr hinauszögert wird. In Anbetracht der Subjektivität der Einschätzung refraktärer Symptome und der weitreichenden interindividuellen Variabilität beziehungsweise des Ansprechens auf palliative Therapiemaßnahmen fällt eine solche Bewertung in der Regel sehr schwer. Aus therapeutischer Perspektive sollte bewusst sein, dass „phobische“ Gegenreaktionen möglich sind, bei denen die Sorge vor schwierigen Diskussionen über Sedierung und Begleitung am Lebensende insgesamt und die dadurch mögliche Beschleunigung des Todes zu einem therapeutischen Vermeidungsverhalten oder zu sinnlosen Therapieverfahren zulasten des Patienten führen können.

Nicht standardgemäßer Einsatz palliativer Sedierung

Hierunter wird der Einsatz sedierender Maßnahmen am Lebensende in einer rechtfertigenden Indikation, jedoch mit unzureichender klinischer Sorgfalt verstanden. Vorgehensweisen, die den erforderlichen allgemeinen klinischen Standards nicht entsprechen, umfassen z. B.:

  1. 1.

    unzureichende Beratung bzw. Abstimmung mit dem Patienten (obwohl seitens der klinischen Situation her möglich), mit Angehörigen oder Mitarbeitern zulasten eines gemeinsamen Verständnisses der Indikationen, der Behandlungsziele, der erwarteten Behandlungsresultate und der möglichen Risiken;

  2. 2.

    unzulängliche Überwachung der Symptombelastung oder der angestrebten Symptomlinderung;

  3. 3.

    unzureichende Berücksichtigung psychischer, spiritueller und sozialer Faktoren, die zum Leiden des Patienten beitragen [12];

  4. 4.

    unzureichende Überwachung physischer Parameter, die auf eine Übermedikation hinweisen (falls klinisch relevant);

  5. 5.

    zu rasche Dosiseskalation ohne wirkungsabhängige Titration der minimal-effektiven bzw. niedrigstmöglichen Dosierung;

  6. 6.

    Einsatz von Medikamenten, die zum Zwecke der Sedierung ungeeignet sind (z. B. Opioide) [35, 36];

  7. 7.

    unzureichende Betreuung der Familie des Patienten [12];

  8. 8.

    unzureichende Aufmerksamkeit gegenüber den emotionalen und spirituellen Bedürfnissen der betreuenden Mitarbeiter [12, 14].

Warum Rahmenbedingungen für die Entwicklung von Behandlungsstandards?

Trotz der Tatsache, dass sich eine bestmögliche, spezifische, klinische Praxis noch nicht konsequent durchgesetzt hat, können dennoch Leitlinien entwickelt werden, die einen Rahmen für die therapeutische Entscheidungsfindung, die Förderung und den Schutz der Interessen von Patienten, Angehörigen und Gesundheitsversorgern bieten. Die vorgeschlagenen Leitlinien für die Entwicklung von Behandlungsstandards streben dabei die Wissensvermittlung für Behandler, die Implementierung von Expertise und bestmöglicher klinischer Versorgung und die Vermittlung einer Haltung an, die palliative Sedierung als eine akzeptierte, ethisch legitime Maßnahme vermittelt, wenn sie in gerechtfertigten Situationen eingesetzt wird. Zudem war mit der Ausarbeitung der rahmengebenden Leitlinien die Hoffnung verbunden, dass mit der Entwicklung von Behandlungsstandards die Wahrscheinlichkeit eines nachteiligen klinischen Ergebnisses oder einer klinisch unzureichenden oder unethischen Versorgung verhindert oder minimiert wird.

Daher befürworten wir die Entwicklung und die Anpassung prozeduraler Behandlungsstandards, sei es auf nationaler, lokaler oder institutioneller Ebene. Unabhängig davon sollten diese nach ihrer Implementierung verbreitet, zur Diskussion freigegeben und für Ärzte zur klinischen Verwendung verfügbar gemacht werden.

Die EAPC strebt dabei an, die Entwicklung von Behandlungsstandards mithilfe der Formulierung breit gefächerter Rahmenbedingungen zu fördern, welche auf bereits bestehenden Standards, auf wissenschaftlich publizierten Erfahrungen und umfangreichen Peer-review-Verfahren basieren.

Vorgehen bei der Formulierung der Rahmenbedingungen

Der Vorstand der EAPC erteilte einen Auftrag an Herrn Prof. Dr. Nathan Cherny, einen Entwurf zu formulieren. Eine Medline- und Cancerlit-Recherche wurde für die Jahre 1966–2008 mit den Suchbegriffen palliative care/sedation, terminal care/sedation durchgeführt. Hierzu wurden 172 bzw. 188 Literaturstellen gefunden, einschließlich 235 unterschiedlicher Veröffentlichungen. Abstracts, Zusammenfassungen sowie vollständige Texte wurden überprüft, und basierend auf 4 Kategorien von Publikationen wurde eine Ausgangsformulierung konzipiert:

  1. 1.

    vorbestehende und publizierte Leitlinien [12, 19, 25, 37, 38, 39, 40, 41, 42, 43, 44, 45, 46, 47, 48, 49, 50, 51, 52, 53, 54, 55, 56],

  2. 2.

    Übersichtsarbeiten [18, 47, 57, 58, 59, 60, 61],

  3. 3.

    Expertenbefragungen [62, 63, 64, 65, 66, 67, 68],

  4. 4.

    unveröffentlichte Behandlungsstandards einzelner Institutionen.

Der Entwurf durchlief ein breites Peer-review-Verfahren innerhalb und außerhalb der EAPC, an dem sich viele, aber nicht alle eingeladenen Kliniker beteiligten. Im Rahmen des Peer-review-Verfahrens wurden sowohl sprachliche Aspekte zur Verwendung von Wörtern oder Formulierungen als auch substanzielle Aspekte, in denen Aufgabe und Inhalt reflektiert wurden, angemerkt. Das Manuskript wurde vom Erstautor nach den Empfehlungen des Peer-review-Verfahrens modifiziert und erneut eingereicht. Dieser Prozess des Überarbeitens und erneuten Reviews war von vornherein nicht begrenzt und wurde insgesamt 6-mal fortgeführt, bis keine weiteren substanziellen Anmerkungen geäußert wurden. Das resultierende Manuskript wurde vom Vorstand der EAPC ratifiziert und verabschiedet. Letzte Modifikationen wurden im Rahmen des anonymisierten Peer-review-Prozesses der publizierenden Fachzeitschrift vorgenommen.

Rahmenbedingungen für prozedurale Behandlungsstandards

Wir stellen im Folgenden ein 10-Punkte-Rahmenprogramm vor, das im Sinne einer Leitlinie auf die relevanten klinischen Aspekte eingeht; diese Rahmenbedingungen sind nicht als starre Schablone zu verstehen. Die Empfehlungen können in der vorliegenden Form übernommen oder vorzugsweise den lokalen kulturellen und rechtlichen Gegebenheiten und spezifischen Bedürfnissen angepasst werden, sei es im häuslichen, im klinischen oder im hospizlichen Umfeld.

Vorangehende Erörterung einer möglichen Rolle der palliativen Sedierung in der Versorgung am Lebensende und Vorsorgeplanung

Ärzte werden sehr ermutigt, die Aspekte der letzten Lebensphase mit allen Patienten, bei denen die Gefahr des Versterbens besteht, zu erörtern, insbesondere bei Patienten mit fortschreitender lebenslimitierender Erkrankung oder mit intermittierenden lebensbedrohenden Exazerbationen. Das Ziel dieser Erörterungen soll sein, die allgemeinen Ziele der Behandlung und die Prioritäten der weiteren Versorgung zu klären.

Zuweilen wird es erforderlich sein, dass diese Erörterung spezifische Themen wie kardiopulmonale Reanimation (CPR), invasive Beatmung, Katecholamintherapie, symptomorientierte Begleitung, Antibiotikagabe, künstliche Ernährung oder intravenöse Flüssigkeitszufuhr umfasst. Wo immer Sorgen bezüglich Belastungen und Leid am Lebensende bestehen, sollten diese angesprochen werden. Wenn es klinisch angemessen ist, sollte die Entlastung von extremen Symptomen erörtert werden. Dies sollte auch den Einsatz sedierender Maßnahmen als eine angemessene und effektive symptomkontrollierende Maßnahme einschließen, wenn einfachere Maßnahmen nicht ausreichen oder es sich um häusliche Notfallsituationen am Lebensende handelt. Dies betrifft insbesondere Patienten, die keine CPR oder Beatmung wünschen oder für die solche Maßnahmen nicht mehr indiziert sind.

Sofern katastrophale KrisenFootnote 3 vorhersehbar sind, wie z. B. Blutungen oder extreme Symptome, sollten Notfallmaßnahmen im Vorfeld erörtert werdenFootnote 4.

Die besprochenen Punkte sollten dokumentiert werden, die Dokumentation leicht auffindbar aufbewahrt werden. Die Behandlungsziele von Patient und Familie sollten regelmäßig reevaluiert und dokumentiert werden, auch wenn sich diese im Verlauf nicht geändert haben.

Beschreibung der für die palliative Sedierung erwägenswerten Indikationen

Palliative Sedierung kann indiziert sein in Situationen unerträglicher Belastung durch physische Symptome, wenn keine andere Methode der Palliation innerhalb eines akzeptablen Zeitrahmens und ohne unzumutbare Nebenwirkungen zur Verfügung steht (Therapierefraktärität).

Die spezifischen belastenden Symptome sollten identifiziert werden. Dazu zählen zumeist agitierte Verwirrtheit, Dyspnoe, Schmerz und Krampfleiden. Notfallsituationen umfassen massive Blutungen, Asphyxie, schwere terminale Luftnot oder Schmerzkrisen [69, 70, 71]Footnote 5.

Kontinuierliche tiefe Sedierung sollte lediglich dann in Betracht gezogen werden, wenn sich der Patient in der allerletzten Lebensphase befindet mit einer erwarteten Prognose von Stunden, höchstens wenigen Tagen. Zwischenzeitliche palliative Sedierung oder eine Sedierung zur Erholung von belastenden Zuständen („respite sedation“) kann früher im Krankheitsverlauf indiziert sein, um vorübergehende Erleichterung zu verschaffen, bis andere eingeleitete Therapiemaßnahmen Wirkung zeigen.

In Krankheitssituationen in der Finalphase kann eine palliative Sedierung auch für nichtphysische Symptome wie refraktäre depressive Zustände, Angst, Demoralisation oder existenzielle Not erwogen werden [72, 73, 74, 75, 76, 77, 78]. Für den Einsatz von palliativer Sedierung für diese Indikationen gibt es jedoch keinen übergreifenden fachlichen Konsens [54]. Für diese klinischen Umstände werden besondere Vorsichtsmaßnahmen beschrieben (Anhang 1).

Beschreibung der erforderlichen klinischen Einschätzung und Beratungsverfahren

Extremes Leiden stellt einen medizinischen Notfall dar, daher sollte die klinische Einschätzung eines Patienten mit der notwendigen Dringlichkeit erfolgen.

Die klinische Einschätzung sollte durch einen ausreichend in der Palliativmedizin erfahrenen und fachkompetenten Arzt erfolgen. Falls die Ersteinschätzung durch einen unerfahreneren Arzt in Weiterbildung erfolgte, sollte diese durch einen erfahrenen Arzt mit palliativmedizinischer Expertise, einen spezialisierten Palliativmediziner oder ein Palliative-Care-Team bestätigt werden. Diese Einschätzung sollte möglichst immer interdisziplinär erfolgen und folgende Aspekte umfassen:

  1. 1.

    die Anamneseerhebung,

  2. 2.

    alle relevanten diagnostischen Ergebnisse,

  3. 3.

    eine klinische Untersuchung des Patienten.

Diese Einschätzung soll insbesondere akute klinische Beeinträchtigungen durch behandelbare Komplikationen ausschließen, wie z. B. Sepsis, reversible metabolische Störungen, Arzneimitteleffekte, Pleuraergüsse, Perikardtamponaden, Ureterkompressionen, obere Atemwegsobstruktionen, Ileuszustände, akute Blutungen, Harnverhalt oder durch erhöhten Hirndruck verursachte Zustände.

Die klinische Einschätzung soll psychosoziale und umweltbedingte Einflussfaktoren erfassen, einschließlich der Auslöser von spirituellen oder existenziellen Notlagen, die die zugrunde liegenden Belastungen vergrößern. Dabei sollen sowohl die Mitarbeiter der psychosozialen Berufsgruppen als auch Pflegende, Angehörige und andere Informationsquellen genutzt werden. Insbesondere der Hausarzt sollte in den Evaluationsprozess und die Entscheidungsfindung einbezogen werden.

Die klinische Evaluation sollte abschätzen, ob das Versterben voraussichtlich binnen Minuten oder Stunden, Stunden oder Tagen, Tagen oder Wochen oder später eintreten wird. Diese Abschätzung sollte unter Berücksichtigung der vorliegenden Krankheitsausbreitung, validierter Prognosescores, der Dynamik des klinischen Verlaufs, etwaigem Organversagen oder weiterer Prognosefaktoren (stark reduzierter körperlicher Zustand, Dyspnoe, Gewichtsverlust, orale Aufnahmeunfähigkeit, Delir und Ödem) erfolgen.

Ebenfalls muss die Fähigkeit des Patienten eingeschätzt werden, selbst an der Entscheidungsfindung beziehungsweise der weiteren Behandlung und Versorgung teilzuhaben. Dies sollte anhand standardisierter Kriterien erfolgen:

  1. 1.

    Der Patient kann seinem Willen Ausdruck verleihen.

  2. 2.

    Der Patient kann die relevanten Informationen verstehen.

  3. 3.

    Der Patient kann die Konsequenzen der zu treffenden Entscheidung verstehen und überblicken.

Falls das Entscheidungsvermögen in Zweifel gezogen werden muss, sollte eine psychiatrische Konsultation erfolgen.

Falls im Rahmen der klinischen Einschätzung weitere Unklarheiten bestehen bleiben, z. B. in Bezug auf die Frage, ob alle Optionen der Symptomlinderung ausgeschöpft wurden, sollte Rat weiterer Fachdisziplinen (z. B. Psychiater, Anästhesisten, Schmerztherapeuten, Onkologen, Fachpflegende) gesucht werden.

Wenn immer möglich, sollten die medizinische Indikationsstellung und der Entscheidungsfindungsprozess auf der Mitwirkung eines multiprofessionellen Palliative-Care-Teams basieren, anstatt durch den behandelnden Arzt alleine getroffen zu werden. Fallbesprechungen und Teamkonferenzen sind dafür geeignete Kommunikationsformen, die diesen Prozess erleichtern.

Die Rationale für eine Empfehlung zur palliativen Sedierung, der Entscheidungsprozess, die Ziele der Sedierung, die geplante Sedierungstiefe und die vorgesehene Sedierungsdauer sollten in einem möglichst praktikablen Format dokumentiert werden, z. B. innerhalb der Patientenakte.

Spezifische Anforderungen an die Zustimmung

In nichtakuten Situationen sollten mit einem entscheidungsfähigen Patienten die Ziele, der Nutzen und die Risiken der vorgeschlagenen Sedierung unter folgenden Aspekten diskutiert werden:

  1. 1.

    der Allgemeinzustand des Patienten einschließlich der zugrunde liegenden Ursachen für die Symptombelastung, die bisher versuchten Behandlungen, die Grenzen anderer Therapieverfahren und, falls zutreffend, die vermutlich begrenzte Lebenszeit;

  2. 2.

    das Argument, dass Sedierung die einzige Methode zur Symptomkontrolle innerhalb eines akzeptablen Zeitraumes darstellt;

  3. 3.

    die Ziele der palliativen Sedierung;

  4. 4.

    die Methode der Sedierung, einschließlich der vorgesehenen Sedierungstiefe, des erforderlichen Monitorings, der Optionen einer Reduktion bzw. Beendigung (je nach Situation);

  5. 5.

    die anzunehmenden Effekte der Sedierung einschließlich des Ausmaßes der Bewusstseinsdämpfung, der Auswirkungen auf geistige Aktivität, Kommunikation und orale Zufuhr;

  6. 6.

    die Gefahr seltener Risiken wie paradoxe Agitiertheit, verzögerte oder inadäquate Symptomkontrolle, und die Möglichkeit von Therapiekomplikationen einschließlich eines vorzeitigen Versterbens;

  7. 7.

    die Aufrechterhaltung medizinischer Therapien und pflegerischer Versorgung unter der Sedierung: Behandlungen und Versorgungsleistungen zur Optimierung des Befindens des Patienten werden beibehalten, unter Berücksichtigung der Wünsche von Patient und Familie;

  8. 8.

    der zu erwartende klinische Verlauf, wenn eine palliative Sedierung nicht eingeleitet wird, einschließlich alternativer Behandlungsoptionen und das jeweils darunter zu erwartende Ausmaß an residueller Symptomlast und Lebenszeit;

  9. 9.

    das klare Bekenntnis zum Wohlergehen des Patienten und zur bestmöglichen Behandlung und Begleitung, unabhängig von der zu treffenden Entscheidung des Patienten.

Es empfiehlt sich, diese Diskussion im Beisein der relevanten Familienmitglieder zu führen, wenn der Patient zustimmt. Dadurch können Kommunikationsaspekte verbessert und inhaltliche Fragen von Patienten und Angehörigen gemeinsam geklärt werden, solange dies noch möglich ist.

Inhalt und Entscheidung der Diskussion sollten in der Patientenakte dokumentiert werden.

Falls der Patient nicht einwilligungsfähig ist und keine Patientenverfügung vorliegt, muss eine Zustimmung eines gerichtlich bestellten Betreuers eingeholt werden. Der behandelnde Arzt sollte klarstellen, dass die Rolle des Betreuers, des Vorsorgebevollmächtigten oder der Angehörigen nicht in der Entscheidung selbst, sondern in der Vermittlung des mutmaßlichen Willens des Patienten liegt und in der Begründung, was zu dieser Vermutung geführt hat. Auch sollte gegenüber der Familie betont werden, dass sie nicht zu einer Therapieentscheidung aufgefordert werden, sondern dass das Behandlerteam die Verantwortung für die medizinische Entscheidung übernimmtFootnote 6.

In Sterbesituationen mit erheblichem symptombezogenem LeidenFootnote 7, in denen der Patient nicht entscheidungs- oder einwilligungsfähig ist, keine Patientenverfügung vorliegt und kein Betreuer eingesetzt ist, stellen Maßnahmen der Symptomkontrolle (einschließlich sedierender Maßnahmen, falls nötig) den Behandlungsstandard dar, der den Entscheidungsprozess prägt.

Notwendigkeit zur Erörterung des Entscheidungsprozesses mit den Angehörigen des Patienten

Falls die Angehörigen eines Patienten nicht bei dem obigen Aufklärungsgespräch zugegen waren, sollte der Patient um Erlaubnis gebeten werden, die Absprachen den Angehörigen mitzuteilen. Die Information der Angehörigen sollte dem Patienten dabei als gängige Praxis dargestellt werden und hierzu die Erlaubnis in Form einer Zustimmung eingeholt werden.

Mit Zustimmung des Patienten sollte die Familie über die klinische Situation, über mögliche Behandlungsoptionen, mögliche Behandlungsresultate und die Konsequenzen der vom Patienten geäußerten Präferenzen informiert werden. Oft kann es hilfreich sein, einen Teil dieses Gespräches gemeinsam mit dem Patienten und den Angehörigen zu führen, aber auch Raum zu lassen für die Sorgen der Angehörigen ohne Beisein des Patienten.

Falls der Patient einen Einbezug der Angehörigen ablehnt, sollten die Gründe dafür exploriert werden und der Patient nachhaltig ermutigt werden, diese Entscheidung zu überdenken. Zuweilen beinhaltet das auch die Notwendigkeit, dem Patienten zu erläutern, dass das Vorenthalten von Informationen Angehörige belasten kann.

In einigen Kulturen gilt die Zustimmung der Familie als notwendige oder zumindest wünschenswerte Behandlungsvoraussetzung. Falls unter diesen Bedingungen die Familie dem Behandlungsplan nicht zustimmt, sollte das Behandlerteam

  1. 1.

    den Familienangehörigen ausreichend Informationen übermitteln, damit diese die klinische Situation und das Leiden des Patienten besser verstehen,

  2. 2.

    den Patienten und die Familie durch Gespräche mit allen Beteiligten unterstützen und eine Lösung finden, die von allen akzeptiert werden kann, und

  3. 3.

    der Familie ausreichend psychologische Unterstützung anbieten, um sie von konfliktfördernden Gefühlen wie Trauer oder Schuld zu schützen.

Während der Patient und seine Familie die anstehende Entscheidung diskutieren, sollte das Behandlerteam diejenigen Behandlungsoptionen explorieren, die dem Patientenwillen bestmöglich entsprechen und ihm zugute kommen.

Vorgaben zur Auswahl der Sedierungsmethode

Im Allgemeinen sollte die Sedierungstiefe möglichst niedrig gehalten werden, jedoch gleichzeitig eine angemessene Linderung der Beschwerden bewirken. Im Gegensatz zu KrisensituationenFootnote 8 in der Sterbephase sollte grundsätzlich zunächst eine intermittierende und milde Sedierung angestrebt werden. Bei manchen Patienten wird eine Sedierung bei erhaltenem Bewusstsein, bei der die Fähigkeit, auf verbale Stimuli zu reagieren erhalten bleibt, ausreichende Symptomkontrolle bieten, ohne dass dem Patienten die Möglichkeit zur Interaktion genommen wird.

Die Dosierung der Sedativa kann reduziert werden, um den Patienten nach einem abgesprochenen Zeitintervall zur Reevaluation des klinischen Zustandes und des Patientenwillens oder für geplante familiäre Interaktionen das Bewusstsein wiedererlangen zu lassen. (Dies stellt jedoch eine potenziell ungewisse Situation dar. Die Möglichkeit, dass das Bewusstsein nicht sogleich wiedererlangt wird, dass die vormaligen refraktären Symptome wieder auftreten oder dass der Patient verstirbt, sollte mit dem Patienten und seiner Familie erörtert werden.)

Eine tiefere Sedierung sollte angestrebt werden, wenn sich eine leichte Sedierung als ineffektiv erwiesen hat.

Eine kontinuierliche und tiefe Sedierung sollte von vorneherein angestrebt werden,

  1. 1.

    wenn das Leiden des Patienten sehr ausgeprägt ist,

  2. 2.

    wenn die BeschwerdenFootnote 9 eindeutig refraktär auf andere Vorgehensweisen sind,

  3. 3.

    wenn das Versterben des Patienten binnen Stunden oder wenigen Tagen angenommen werden muss,

  4. 4.

    wenn der Patient dieses Vorgehen explizit wünscht,

  5. 5.

    in einer Extremsituation am Lebensende, wie z. B. bei massiver Blutung oder Asphyxie.

Anleitung für die Dosistitration, Monitoring und Begleitung des Patienten

Die für eine palliative Sedierung sinnvollen Arzneimittel sind im Anhang 2 dargestellt.

Möglichst immer sollte eine palliative Sedierung von einem Arzt und einer Pflegekraft gemeinsam eingeleitet werden. Die Maßnahme sollte vorzugsweise durch einen Arzt in leitender Position und mit Erfahrung in der Versorgung von Patienten am Lebensende weiter durchgeführt und supervidiert werden, nicht zuletzt um die Bedeutung dieser Maßnahme und die hohe Priorität des palliativen Therapieziels zu unterstreichen. Initial sollte der Patient mindestens alle 20 min klinisch eingeschätzt werden, bis eine angemessene Sedierung erreicht ist und anschließend mindestens 3-mal täglich.

Die Intensität der Symptome, die Bewusstseinslage und Nebenwirkungen der Sedierung (wie z. B. delirante oder agitierte Zustände oder Aspiration) sollten regelmäßig evaluiert werden. Die Medikamentendosierung sollte schrittweise so gesteigert oder reduziert werden, dass die Symptomlast effektiv gelindertFootnote 10 und die Bewusstseinslage möglichst wenig beeinträchtigt wird und Nebenwirkungen vermieden werden. Die Gründe für jeweilige Dosisänderungen und deren Auswirkungen sollten dokumentiert werden. Die Bewusstseinslage wird eingeschätzt durch Reaktionen des Patienten auf externe Stimuli, durch Unruhe, Bewegungen oder Mimik. Im Anhang 3 werden Skalen vorgestellt, die die Symptomerfassung von bewusstseinsgetrübten Patienten unterstützen können.

Wenn eine kurzfristige, intermittierende oder leichte Sedierung angestrebt wird, sollten Vorkehrungen zur Stabilisierung der Vitalfunktionen innerhalb der abgesprochenen Behandlungsgrenzen getroffen werden. Die Sedierungstiefe und physiologische Parameter wie Herzfrequenz, Blutdruck und Sauerstoffsättigung sollten regelmäßig erfasst werden. Falls es zu ausgeprägten Atemgeräuschen oder zu plötzlichen Apnoephasen kommt, sollte die Dosierung reduziert werden.

Im Falle einer lebensbedrohlichen Atemdepression bei Patienten, die zwecks Erholung von belastenden Zuständen sediert werden, kann eine vorsichtige Gabe eines Benzodiazepinantagonisten (Flumazenil) indiziert sein, um eine klinische Stabilität des Patienten wiederherzustellen.

Falls das Behandlungsziel in der Symptomlinderung bis zum Tod eines unmittelbar sterbenden Patienten besteht, richten sich die einzig relevanten Überwachungskriterien auf den Erhalt einer ausreichenden Leidenslinderung. Die Erfassung der Herzfrequenz, des Blutdrucks oder der Sauerstoffsättigung trägt hierbei nicht zum Behandlungsziel bei und sollte daher beendet werden. Die Atemfrequenz wird hauptsächlich zum Ausschluss von Atemnot und Tachypnoe erfasst. Da eine Dosisreduktion der Sedativa das Risiko vermehrter Symptomlast nach sich zieht, wird diese in den meisten Fällen nicht empfohlen, selbst wenn der Patient sich dem Zeitpunkt des Versterbens nähert. Im Sterbeprozess ist ein allmähliches Abnehmen der Atemaktivität ein erwarteter Prozess und sollte für sich genommen noch nicht zu einer Reduktion der Sedierung führen.

In allen beschriebenen Situationen sollte das Behandlerteam denselben würdigen Umgang mit dem Patienten pflegen wie vor der Sedierung; dies umfasst die Ansprache des Patienten und das Anpassen der Umgebung an die gegebene Situation.

Mund- und Augenpflege, Intimpflege, Hygiene, Dekubitusprophylaxe und -behandlung sollten entsprechend des Patientenwunsches und eingedenk potenzieller Auswirkungen auf die abgesprochenen Therapieziele durchgeführt werden.

Entscheidungshilfen bezüglich Hydratation, Ernährung und Begleitmedikation

Die Entscheidung zur Flüssigkeits- oder Nahrungszufuhr ist unabhängig von der Entscheidung zur Sedierung. Ob eine Flüssigkeits- oder Nahrungssubstitution erfolgt, sollte individuell anhand der Vorstellungen des Patienten, der hierdurch möglichen Vorteile und Belastungen angesichts des Behandlungsziels (Leidenslinderung) erfolgen.

Hierzu existieren divergente Meinungen und Praktiken. Diese Divergenzen reflektieren die Vielschichtigkeit der Haltungen klinisch tätiger Ärzte, Ethiker, Patienten, Familienangehöriger und in den örtlichen Standards guter klinischer und ethischer Praxis.

Patienten, Familienangehörige und Kliniker können eine fortgesetzte Hydratation als nicht belastende supportive Maßnahme einschätzen, welche womöglich eine Maßnahme der Leidenslinderung darstellt (die sie gelegentlich auch ist). Andererseits kann eine Flüssigkeitssubstitution als überflüssige Behinderung eines unausweichlichen Versterbens verstanden werden, welches angemessenerweise unterlassen werden kann, da es nicht zum Wohlergehen des Patienten bzw. zum Behandlungsziel beiträgt. Häufig wird der Patient nach einer Linderung seines Leidens fragen und sich nicht direkt zur Flüssigkeits- oder Nahrungszufuhr äußern. In solchen Situationen müssen Behandler und Familie einen Konsens erarbeiten, was in der jeweiligen Situation als moralisch akzeptabel vor dem Hintergrund der Interessen des Patienten gelten kann.

Falls negative Begleiterscheinungen einer künstlichen Flüssigkeits- und/oder Nahrungszufuhr auftreten, die die Symptombelastung erhöhen, sollte eine Reduktion oder Beendigung der Flüssigkeits- oder Nahrungssubstitution erfolgen.

Medikamente zur Symptomkontrolle, die schon vor der Sedierung eingesetzt wurden, sollten fortgesetzt werden, außer sie erwiesen sich als ineffektiv oder nebenwirkungsträchtig. Medikamente, die den palliativen Therapiezielen entgegenstehen oder für diese irrelevant sind, können generell abgesetzt werden. In den meisten Fällen sollte die Gabe von Opioiden fortgesetzt werden, möglicherweise in modifizierter Dosis, wenn keine Überdosierungszeichen (Atemdepression, Myoklonien) festzustellen sind. Falls die Symptome gut kontrolliert sind, jedoch Überdosierungszeichen festzustellen sind, sollte die Opioiddosierung reduziert werden, jedoch eingedenk möglicher Entzugssymptomatik nicht abrupt abgesetzt werden.

Begleitung und Informationsbedürfnis der Angehörigen des Patienten

Situationen, in denen ein Familienmitglied sediert wird, sind außerordentlich belastend für die anderen Familienangehörigen. Die Familie sollte ermutigt werden, bei dem Patienten zu verweilen, zumal die Gelegenheit des Verabschiedens in vielen Situationen von entscheidender Bedeutung sein kann. Falls der Patient stationär behandelt wird, sollten keine Mühen gescheut werden, emotionale und physische Intimität zu gewährleisten. Besuchsbeschränkungen sollten insbesondere für Kinder minimiert werden. Um die Familie in ihrem Befinden und in ihrem Streben nach Ruhe und Frieden zu unterstützen, sollte besonderes Augenmerk auf die ästhetische Wirkung der Umgebung gelegt werden, einschließlich einer Versorgung mit elementaren Hilfsmitteln wie Taschentüchern, Stühlen, Wasser, Zugang zu Telefon und der Möglichkeit, im selben Zimmer oder nahe dabei zu übernachten.

Das Behandlerteam hat die Aufgabe, die Familie umfassend zu unterstützen. Dazu gehört es, die Sorgen der Familie anzuhören und Trauer, physische/psychische Belastung und Schuldgefühle wahrzunehmen. Das Behandlerteam sollte die Familie dahin gehend beraten, dass diese weiterhin dem Patienten eine Hilfe sein können, z. B. durch ihre Anwesenheit, durch Reden oder Berühren, Mundpflege oder Schaffen einer für den Patienten wohltuenden Atmosphäre (z. B. durch Bereitstellen von Lieblingsmusik, Düften, Vorsingen bekannter Lieder, Gebet oder Vorlesen).

Die Angehörigen von Patienten unter palliativer Sedierung bedürfen kontinuierlicher Informationen zum Wohlergehen des Patienten und zum weiteren, zu erwartenden Verlauf. Diese Informationen sollten vom Behandlerteam regelmäßig übermittelt und bestätigt werden, einschließlich der aktuellen klinischen Situation, der Symptomlast, der zu erwartenden Veränderungen oder ggf. einem Hinweis darauf, dass der Sterbeprozess einsetzt und was dabei erwartet werden kann.

Familien bedürfen häufiger Rückversicherung, dass andere Behandlungsoptionen in ausreichendem Maße versucht worden sind und/oder eingehend abgewogen und letztendlich ineffektiv geblieben sind, dass die palliative Sedierung wahrscheinlich nicht die Lebenszeit verkürz, und dass die Sedierung reduziert oder gestoppt werden kann, falls nötig.

Nach dem Versterben des Patienten sollte der Familie Gelegenheit zum Kontakt mit dem Behandlerteam gegeben werden, um ihrer Trauer Ausdruck zu verleihen und verbleibende Bedenken, die sie zur Behandlung in den letzten Lebenstagen haben, zu besprechen.

Begleitung der Behandelnden

Situationen, in denen ein Patient sediert wird, können auch für Mitarbeiter im Behandlerteam außerordentlich belastend sein. Dies ist umso häufiger zu beobachten, wenn im Vorfeld Uneinigkeit bezüglich der Angemessenheit der Maßnahme bestand und wenn der Prozess sehr protrahiert verläuft.

Das Behandlerteam sollte sich dieses Belastungspotenzials bewusst sein. Alle Mitarbeiter im Behandlungsteam müssen die Rationale für die palliative Sedierung und die Behandlungsziele verstanden haben. Diese sollten möglichst bei Teamsitzungen und Fallkonferenzen dargestellt werden, sowohl vor als auch nach der Behandlungsphase, um die sachlich-professionellen und die emotionalen Probleme einer solchen Entscheidung zu diskutieren und Verfahrensabläufe vor Ort zu verbessern, wenn erforderlich.

Die Teambelastungen können entschärft werden durch eine Kultur der Sensibilität gegenüber emotionalen Belastungen im Rahmen der Behandlung und Begleitung, durch das Einbezogenwerden in den Entscheidungsfindungsprozess, durch Informationsaustausch und Teilnahme in multiprofessionellen Diskussionen, die der Gruppe oder dem Einzelnen Gelegenheit geben, ihren Gefühlen Ausdruck zu verleihen.