Obwohl die American-College-of-Rheumatology- (ACR-)Kriterien zur Definition des Fibromyalgiesyndrom (FMS), nämlich „chronic widespread pain“ (CWP) und Druckschmerzhaftigkeit (Tenderness) an mindestens 11 von 18 Tender Points bei digitaler Palpation [33], ursprünglich nicht als Diagnosekriterien entwickelt wurden, werden sie zur Diagnose des FMS in der Praxis als auch in klinischen Studien genutzt [18]. Vor allem das Kriterium von mindestens 11 druckschmerzhaften Tender Points bei klinischer Untersuchung wird kontrovers diskutiert. Harth und Nielson [14] folgerten aus einer Literaturübersicht, dass die Tender-Point-Untersuchung (TPE) nützlich für die klinische Diagnose FMS sei. Andere Autoren forderten, die TPE zur klinischen Diagnose FMS nicht mehr zu benutzen, da die Untersuchung im klinischen Kontext unzureichend standardisiert durchgeführt werde und die Reliabilität und Validität der TPE außerhalb der Rheumatologie nicht überprüft worden sei [5, 22, 35]. Die Augenscheinvalidität der ACR-Kriterien wurde infrage gestellt, da sie nicht das ganze Spektrum von somatischer und psychischer Symptombelastung (Distress) von FMS-Patienten erfassen [31, 34]. Das FMS ist keine Erkrankung, die ausschließlich von Rheumatologen diagnostiziert und behandelt wird. FMS wird ebenso von Allgemeinmedizinern, Orthopäden, Schmerztherapeuten und Psychiatern diagnostiziert und behandelt [5, 19, 24]. Die Entwicklung alternativer Diagnosekriterien ohne TPE wurde von diesen medizinischen Disziplinen gefordert, da die TPE Zeit in Anspruch nimmt und kein Bestandteil ihrer Facharztausbildung ist [19].

Alternative Instrumente zur klinischen Diagnose des FMS wurden entwickelt. Katz et al. [18] machten den Vorschlag, dass die Diagnose FMS nach klinischen Kriterien wie Schmerz, Müdigkeit, Schlafstörung und psychologischen Variablen gestellt werden könne. Wolfe entwickelte in einer Stichprobe von 12.799 Patienten mit FMS, rheumatoider Arthritis (RA) und Osteoarthritis (OA) der US-Amerikanischen Datenbank für rheumatische Erkrankungen einen Fragebogen, die regionale Schmerzskala [Regional Pain Scale (RPS)]. Die Kombination von mindestens 8 von 19 vorgegebenen Schmerzorten und einem Müdigkeitswert von mindestens 6 von 10 auf einer von 0 bis 10 reichenden visuellen Analogskala identifizierte die meisten der FMS-Patienten, die zuvor von ihren Rheumatologen nach klinischen oder ACR-Kriterien diagnostiziert worden waren, korrekt. Wolfe [36] schlug vor, die RPS zur Diagnose des FMS in der Klinik und in epidemiologischen Studien (sog. Survey-Kriterien des FMS) zu verwenden.

Die RPS wurde bisher noch nicht in eine andere Sprache übersetzt und in keinem anderen Kontext validiert. Ziel dieser Studie war die Validierung der deutschen Übersetzung der RPS in unterschiedlichen klinischen Settings und einer Stichprobe aus der Allgemeinbevölkerung.

Materialien und Methoden

Deutschsprachige Übersetzung

Die Übersetzung der englischsprachigen Version der RPS wurde von 2 zweisprachigen Ärzten und 2 Dolmetschern durch Vorwärts-Rückwärts-Übersetzung vorgenommen. Zur Erleichterung der internationalen Verständigung behielten wir die Abkürzung „RPS“ für die deutsche Version bei (Abb. 1). Eine vorgegebene Körperregion wird als schmerzhaft ab einer Schmerzintensitätsangabe von „gering“ gewertet. Die Endfassung der Übersetzung wurde 4 Mitgliedern regionaler FMS-Selbsthilfegruppen vorgelegt, um die Verständlichkeit für Laien zu prüfen.

Abb. 1
figure 1

Deutsche Übersetzung der regionalen Schmerzskala

Probanden und Patienten

Allgemeine Bevölkerung

Eine Querschnittsuntersuchung einer repräsentativen Zufallsstichprobe der allgemeinen deutschen Bevölkerung wurde durch ein unabhängiges Institut für Meinungs- und Sozialforschung (USUMA, Berlin) zwischen Mai und Juni 2008 durchgeführt. Einschlusskriterien waren ein Alter ≥14 Jahre und eine ausreichende Fähigkeit, die deutsche Sprache in Schriftform zu verstehen. Probanden <14 Jahren bzw. mit nicht ausreichenden schriftlichen Deutschkenntnissen wurden ausgeschlossen. Alle Teilnehmer wurden über den Studienablauf informiert und unterschrieben eine Einverständniserklärung. Bei Minderjährigen wurde das schriftliche Einverständnis der Eltern eingeholt. Die Teilnehmer wurden informiert, dass verschiedene Fragebögen auszufüllen seien, ohne dass die Personen über den speziellen Fokus der Untersuchung auf chronischen Schmerz informiert wurden. Den Teilnehmern wurde der Fragebogen zum eigenständigen Ausfüllen übergeben und wurde im Beisein (aber ohne Einflussnahme) der Interviewer ausgefüllt. Der Interviewer beantwortete Verständnisfragen der Zielpersonen beim Ausfüllen der Fragebögen. Die Stichprobe der allgemeinen Bevölkerung wurde untersucht, um Daten zur Akzeptanz (Anzahl beantworteter Items) und Prävalenz des FMS in der allgemeinen Bevölkerung (konvergente Validität) zu sammeln (s. Validierungsmethoden und Hypothesen).

Patienten mit FMS

Die Erfassung fand in einer Rheumaambulanz eines Krankenhauses der Schwerpunktversorgung in Püttlingen (September 2008 bis Juni 2009; HvW, SH), einer Ambulanz für Psychosomatische Medizin und Schmerztherapie eines Krankenhauses der Maximalversorgung in Saarbrücken (Juni 2008 bis Juni 2009; WHa) und einer Klinik für integrative Medizin eines Krankenhauses der Schwerpunktversorgung in Essen (Juli bis Dezember 2008; JL) statt. Konsekutive Patienten, die zur Evaluation und/oder Behandlung von CWP sowohl mit als auch ohne vorbestehende FMS-Diagnose in den genannten Kliniken vorstellig wurden, wurden in die Studie eingeschlossen. Patienten mit inaktiven entzündlichen oder metabolischen Erkrankungen, die ein CWP nicht erklären können, wurden eingeschlossen. Patienten mit somatischen Erkrankungen, wie z. B. rheumatisch entzündlichen Erkrankungen, die ein CWP hinreichend erklären, wurden aus der FMS-Gruppe ausgeschlossen. Die Diagnose wurde von erfahrenen Klinikern, die alle mehr als 10 Jahre Erfahrung mit FMS-Patienten hatten (HvW, JL, RA, WH), gestellt. Die Untersucher waren über die mögliche Vordiagnose eines FMS informiert. Die Untersucher waren instruiert worden, eine TPE nach einem Protokoll [25] durchzuführen. Die Fragebögen wurden von den Untersuchern im Rahmen der klinischen Untersuchung in den Kliniken in Essen und Saarbrücken und durch einen Doktoranden in der Klinik in Püttlingen ausgegeben und wieder eingesammelt.

Patienten mit RA

Die Erfassung erfolgte in den Rheumaambulanzen zweier Krankenhäuser der Schwerpunktversorgung in Püttlingen (HvW, SS) und Berlin (RA) bei konsekutiven Patienten, die zur Diagnose und/oder Therapie einer entzündlich rheumatischen Erkrankung überwiesen worden waren. Die Diagnose einer RA war durch laborchemische und radiologische Untersuchung gesichert. Der DAS28-Score [schmerzendes Gelenk (0–28), geschwollenes Gelenk (0–28), BSG (mm/h) und einer VAS subjektive Krankheitsaktivität (0–100)] wurde berechnet. Die errechnete Krankheitsaktivität reicht von 0 (keine Aktivität) bis 10 (maximale Aktivität; [28]). Patienten mit mäßiger Krankheitsaktivität (DAS28 3,2–5,1) und hoher Krankheitsaktivität (DAS28 >5,1) wurden eingeschlossen. Patienten mit inaktivem oder blandem Verlauf (DAS28 <3,2) wurden ausgeschlossen. Die Fragebögen wurden von den Untersuchern im Rahmen der klinischen Untersuchung in den Kliniken in Berlin und durch einen Doktoranden in Püttlingen ausgegeben und wieder eingesammelt. Die Patienten mit RA wurden zur Überprüfung der diskriminativen Validität (s. Validierungsmethoden und Hypothesen) untersucht. Wir schlossen nur Patienten mit mäßiger und hoher Krankheitsaktivität ein, da aktive entzündlich rheumatische Erkrankungen sich durch einen CWP manifestieren können.

Patienten mit depressiver Störung

Die Erfassung wurde bei konsekutiven Patienten einer Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie in Saarbrücken (Februar bis August 2009; MK, SS, WHo) und einer Abteilung für Psychosomatische Medizin eines Krankenhauses der Schwerpunktversorgung in Saarbrücken (Januar bis Juni 2009; JM) durchgeführt. Die depressive Störung wurde von erfahrenen Psychiatern (WHo) bzw. Psychosomatikern (JM) durch ein psychiatrisches Interview, basierend auf der ICD-10-Diagnose-Checkliste für psychiatrische Störungen [17], gestellt. Patienten mit folgenden Diagnosen nach ICD-10 wurden eingeschlossen: F32.x, F33.x, F34.1, F41.2, F43.2. Patienten mit depressiver Störung bei schizoaffektiver (F25) oder bipolarer Störung (F31) wurden ausgeschlossen. Patienten mit vorbestehender FMS-Diagnose wurden ausgeschlossen. Die Patienten füllten den Fragebogen während des stationären Aufenthaltes aus. Die Fragebögen wurden von 2 Medizinstudenten (MK, SS), die als Famulanten in der Psychiatrischen Klinik tätig waren, und von den behandelnden Ärzten in der Psychosomatischen Klinik ausgegeben und eingesammelt. Die Patienten mit depressiven Störungen wurden zur Überprüfung der diskriminativen Validität (s. Validierungsmethoden und Hypothesen) untersucht, da multilokuläre Schmerzen ein Symptom depressiver Störungen sein können [8].

In allen klinischen Stichproben waren die behandelnden Ärzte und Medizinstudenten angehalten, falls erforderlich, Instruktionen zum Ausfüllen des Fragebogens zu geben, die Fragebögen wieder einzusammeln und die klinischen Daten der Patienten in standardisierte Formulare aufzunehmen.

Alle Teilnehmer gaben ihr informiertes Einverständnis. Die Studie wurde von den regionalen Ethikkommissionen genehmigt.

Fragebögen

Die Teilnehmer wurden gebeten, die RPS und folgende Fragebögen auszufüllen:

Selbst konstruierter soziodemografisch-medizinischer Fragebogen

Mit einem selbst konstruierten soziodemografisch-medizinischen Fragebogen wurden Alter, Geschlecht, Personenstand, Berufsstand und Zeit seit Erstdiagnose FMS bzw. RA sowie bei depressiven Patienten die Inanspruchnahme medizinischer Leistungen wegen Schmerzen und Depression erfragt.

CES-D

Die deutsche Version der CES-D (Center for Epidemiological Studies Depression Scale, Allgemeine Depression Skala, ADS; [15, 29]) erfasst mit 20 Items auf einer 4-Punkt-Likert-Skala (0 [selten] bis 3 [meistens]) emotionale, körperliche und kognitive Symptome einer depressiven Störung. Ein Gesamtscore ≥23 Punkte ist hinweisend auf eine depressive Störung. Normative Daten aus der deutschen Allgemeinbevölkerung sowie von großen Populationen von Patienten mit körperlichen Erkrankungen und seelischen Störungen liegen vor. Um die Geschlechtsunterschiede in der Ausprägung der Depressivität zu berücksichtigen, wurde eine t-Transformation der Rohwerte durchgeführt, wie im Handbuch der ADS [15] beschrieben.

Giessener Beschwerdebogen

Mit dem Giessener Beschwerdebogen (GBB-24; [1]) wird das Ausmaß körperlicher Symptombelastung erfasst. Mit 24 Items auf einer 5-Punkt-Likert-Skala (0 = keine Beeinträchtigung bis 4 = sehr starke Beeinträchtigung) können körperliche Symptome in 4 Subskalen (Müdigkeit, Dyspepsie, Gliederschmerzen, kardiorespiratorische Symptome) und einem Gesamtscore erfasst werden. Innerhalb der Subskalen reichen die Werte von 0 bis 24 und die des Gesamtscores von 0 bis 96. Daten einer repräsentativen Stichprobe der deutschen Allgemeinbevölkerung sowie von Stichproben von Patienten mit körperlichen Erkrankungen und seelischen Störungen liegen vor. Um Geschlechts- und Altersunterschiede zu berücksichtigen, wurde eine t-Transformation der Rohwerte durchgeführt, wie im Handbuch für den GBB-24 [1] beschrieben.

Fragebogen zum Gesundheitszustand PHQ

Der Fragebogen zum Gesundheitszustand PHQ (Patient Health Questionnaire) ist die Fragebogenversion des Primary Care Evaluation of Mental Disorders Instruments (PRIME-MD), ein Screeninginstrument für häufige seelische Störungen. Der PHQ 15 umfasst 13 körperliche Symptome des PHQ. Die Ausprägung der Symptome reicht von nicht beeinträchtigt (0), wenig beeinträchtigt (1) bis stark beeinträchtigt (2). PHQ-15-Werte von 5, 10 und 15 stellen Cut-off-Werte für geringe, mittlere und hohe körperliche Symptombelastungen dar. Die Validität des PHQ 15 als Screeninginstrument für Somatisierung und zur Monitorisierung von körperlicher Symptomintensität wurde sowohl innerhalb der allgemeinärztlichen Praxis als auch in zahlreichen klinischen Studien nachgewiesen [21]. Der PHQ 9 ist das Depressionsmodul des PHQ. Die Ausprägung depressiver Symptome nach den Kriterien des Diagnostic and Statistical Manual for Psychiatric Diseases (DSM IV) werden wie folgt erfasst: überhaupt nicht (0), an einzelnen Tagen (1), an mehr als der Hälfte der Tage (2), beinahe jeden Tag (3). Die PHQ-9-Werte von 0 bis 4 sind hinweisend für fehlende Depressivität, Werte von 5 bis 9 für geringe Depressivität, 10 bis 14 für mittlere Depressivität, 15 bis 19 für mäßig schwere und 20 bis 27 für schwere Depressivität [20]. Wir benutzten die validierte deutsche Version des Gesundheitsfragebogens für Patienten [9].

Validierungsmethoden und Hypothesen

Zur Validierung der RPS wurden folgende Methoden und Hypothesen benutzt:

Akzeptanz

Die Akzeptanz wurde über die Anzahl beantworteter Items sämtlicher Stichproben erfasst.

Test-Retest-Reliabilität

Die Test-Retest-Reliabilität wurde bei 43 konsekutiven Patienten der Schmerzambulanz, welche die RPS innerhalb von durchschnittlich 8 (Spannweite 6–12) Wochen ein zweites Mal ausfüllen sollten, erfasst. Die Patienten erhielten die RPS per Post zusammen mit dem Termin ihres Ambulanzbesuchs und der Bitte, die RPS innerhalb der nächsten beiden Tage auszufüllen. Die Patienten füllten die RPS am Ende des Ambulanzbesuches zum zweiten Mal aus.

Augenscheinvalidität

Die Augenscheinvalidität wurde durch die frei erfassten Rückmeldungen von 4 Mitgliedern lokaler FMS-Selbsthilfegruppen und jeweils 2 Rheumatologen, Schmerztherapeuten und Psychiatern, von denen jeder in die Studie involviert war, erfasst.

Konvergente Validität

Die konvergente Validität wurde auf 3 Arten bestimmt: Wir bestimmten die Konkordanzrate und κ der Survey- und der ACR-Kriterien für die Diagnose des FMS in den klinischen Stichproben. Die Konkordanzrate gibt die prozentuale Übereinstimmung zwischen den beiden Diagnosekriterien an. κ ist ein zufallsadjustiertes Maß der Übereinstimmung. Werte können von –1,0 bis 1,0 reichen. Ein Wert von –1,0 zeigt eine perfekte zufallsadjustierte Nichtübereinstimmung, ein Wert von 0 eine zufällige Übereinstimmung und ein Wert von 1,0 eine perfekte Übereinstimmung zwischen den beiden Diagnosekriterien an [3]. Basierend auf den Untersuchungen von Katz et al. [18] erwarteten wir eine Konkordanzrate von wenigstens 70%. Zweitens erwarteten wir, dass die Prävalenzrate des FMS nach den Survey-Kriterien in der deutschen Allgemeinbevölkerung mit der Prävalenzrate von Studien übereinstimmt, welche die ACR-Kriterien benutzten [2]. Drittens nahmen wir an, dass die Anzahl der Schmerzorte und der Müdigkeitswert der RPS Maße von Distress sind [34, 36]. Deshalb korrelierten wir die Anzahl der Schmerzorte (0–19) und den Müdigkeitswert (VAS 0–10) der RPS mit Messgrößen des seelischen Distress (Depressivität, gemessen mit ADS und PHQ 9) und des somatischen Distress (körperliche Symptome, gemessen mit GBB24 und PHQ 15). Korrelationen von r >0,9 werden als perfekte, 0,7 <r ≤0,9 als hohe, 0,5 <r ≤0,7 als mäßige und 0,3 <r ≤0,5 als schwache Korrelation klassifiziert [3]. Basierend auf den Arbeiten von Wolfe [36], erwarteten wir schwache bis mäßige Korrelationen.

Diskriminative Validität

Wir evaluierten die diskriminative Validität der RPS durch Vergleiche der Anzahl der Schmerzorte und der Müdigkeitswerte der FMS-Patienten mit denen der Patienten mit RA und der Patienten mit depressiver Störung. Wir erwarteten, dass FMS-Patienten mehr Schmerzorte und höhere Müdigkeitswerte angeben als Patienten mit RA und depressiver Störung.

Statistische Analysen

Bis zu 25% unbeantworteter Items im CES-D, GBB24, PHQ-9 und PHQ-15 wurden durch den individuellen Median ersetzt. Fehlten mehr als 25% der Items, wurde der Fragebogen von der Analyse ausgeschlossen. Wenn bei der RPS ein Item der Schmerzorte nicht beantwortet war, wurde „0“ kodiert. Wenn die Müdigkeitsskala nicht beantwortet war, wurde der Fragebogen dieses Patienten von der Analyse ausgeschlossen.

Als Maß für die Test-Retest-Reliabilität wurden Intraklassenkoeffizienten (ICC) der Zahl der Schmerzorte, des Müdigkeitswertes und der FMS-Diagnose nach Survey-Kriterien zu beiden Messzeitpunkten errechnet. Die Konkordanz zwischen der Diagnose nach ACR- und Survey-Kriterien wurde durch den Prozentsatz der positiven und negativen Übereinstimmungen bei der Anwendung beider Diagnosekriterien bestimmt. Weiterhin bestimmten wir die Sensitivität, Spezifität und den prädiktiven Wert der Diagnose nach Survey-Kriterien in Bezug auf die Diagnose nach den ACR-Kriterien.

Gruppenvergleiche kontinuierlicher Variablen erfolgten mit nichtparametrischen Tests. Der χ2-Test wurde für kategoriale Variablen verwandt. Spearman-Korrelationen wurden für kontinuierliche Variablen verwandt. Alle Tests wurden zweiseitig mit einem α-Wert von 0,05 durchgeführt. Alle Berechnungen wurden mit dem Statistikprogramm SPSS (Version 17.0) durchgeführt.

Ergebnisse

Studienteilnehmer

Allgemeine Bevölkerung

Die anfängliche Stichprobe bestand aus 4064 Personen, von denen 1540 (37,9%) nicht in die Studie eingeschlossen werden konnten. Die Gründe für die Nichtteilnahme waren wie folgt: Haushalt trotz dreimaligem Besuch nicht angetroffen (7,3%); Haushalt verweigert Auskunft (15,8%); Zielperson trotz dreimaligem Besuch nicht angetroffen (0,4%); Zielperson verreist oder im Urlaub (4,1%); Zielperson krank bzw. nicht in der Lage, dem Inhalt zu folgen (1,2%); Zielperson verweigert Interview (7,9%); Selbstausfüllen verweigert (1,1%). In Auswertung kamen 2524 Personen, 52,3% waren Frauen. Das Durchschnittsalter war 48,9 Jahre. Die Stichprobe unterschied sich bezüglich Alters- und Geschlechtsverteilung nicht von einer Stichprobe der allgemeinen deutschen Bevölkerung des Jahres 2007 durch das statistische Bundesamt (51% Frauen, Durchschnittsalter 49 Jahre). Mit Ausnahme der (Fach-)Hochschulreife (24,9% statistisches Bundesamt, 15,8% vorliegende Stichprobe) ergaben sich keine Unterschiede bezüglich des Bildungsabschlusses [12].

Die Prävalenz der FMS gemäß den Survey-Kriterien in der Stichprobe der allgemeinen Bevölkerung war 3,8% (95%-KI 3,7–3,9%), davon 52 (54%) Frauen (Tab. 1).

Tab. 1 Soziodemografische und klinische Kennwerte der klinischen Stichproben und der allgemeinen Bevölkerung

Klinische Stichproben der FMS-Patienten

Von den angesprochenen 224 Patienten konnten 216 in die Auswertung eingeschlossen werden. Acht Patienten mit FMS aus der Abteilung für integrative Medizin mussten ausgeschlossen werden, da entweder die TPE oder die RPS nicht vorlagen. Zwei Patienten der Abteilung für Schmerztherapie mit der Vordiagnose eines FMS erfüllten weder die ACR- noch die Survey-Kriterien des FMS; 76 FMS-Patienten waren aus der Ambulanz für Psychosomatische Medizin und Schmerztherapie Saarbrücken, 84 aus der Klinik für Integrative Medizin Essen und 54 aus der Rheumaambulanz der Klinik Püttlingen; 93% der in die Studie eingeschlossenen Patienten waren Frauen (Tab. 1).

Klinische Stichproben der RA-Patienten

Alle angesprochenen 53 Patienten (79% Frauen) nahmen an der Studie teil; 33 RA-Patienten waren aus der Rheumaambulanz der Klinik Püttlingen und 20 aus der Rheumaambulanz der Klinik Innere Medizin II der Schlossparkklinik Berlin. Alle RA-Patienten standen unter krankheitsmodifizierender antirheumatischer Medikation. Eine mäßige Krankheitsaktivität hatten 54,5% der Patienten mit RA, 45,5% hatten eine hohe Krankheitsaktivität.

Klinische Stichproben mit depressiven Patienten

Es konnten 60 von 74 angesprochenen Patienten mit den Diagnosen F32.x, F33.x, F34.1, F41.2, F43.2 in die Studie eingeschlossen werden. Eine Patientin aus der psychiatrischen Klinik, die ein vordiagnostiziertes FMS angab, wurde ausgeschlossen. Vier Patienten aus der psychosomatischen Abteilung und 9 aus der psychiatrischen Abteilung weigerten sich, an der Studie teilzunehmen. Fünfzig Patienten mit depressiven Störungen waren aus der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der SHG-Kliniken Saarbrücken und 10 Patienten aus der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie der CTS Klinik Saarbrücken. Patienten, die es ablehnten, an der Studie teilzunehmen, unterschieden sich in Geschlecht und Alter nicht von den Patienten, die daran teilnahmen; 10% der Patienten mit depressiver Störung waren kodiert nach ICD-10 mit F 41.2; 41,7% mit F32.x; 46,7% mit F33.x und 1,7% mit F34.1; 79% der Patienten waren Frauen (Tab. 1).

Vergleich der FMS-Stichproben

Ein statistischer Vergleich wurde nur zwischen den FMS-Patienten der klinischen Einrichtungen und den FMS-Probanden der allgemeinen Bevölkerung durchgeführt. Die Probanden mit FMS der allgemeinen Bevölkerung waren älter (z=−16,4, p<0,001), häufiger männlichen Geschlechts (χ2=31, p<0,001) und lebten öfter alleine (χ2=71, p<0,001) als FMS-Patienten der klinischen Stichprobe. Die Probanden mit FMS der allgemeinen Bevölkerung gaben weniger Schmerzorte (z=−6,2, p<0,001), geringere Müdigkeit (z=−3,0, p=0,002) sowie geringere körperliche (z=−3,8, p=0,001) und seelische Symptombelastung (z=−6,0, p<0,001) an als FMS-Patienten der klinischen Einrichtungen (Tab. 1).

Validierung

Akzeptanz

Alle Items der RPS beantworteten 306/326 (93,8%) der Patienten aus den klinischen Stichproben und 2472/2524 (97,9%) der Probanden aus der Bevölkerungsstichprobe; 99,5% der Items der RPS wurden von den klinischen Stichproben und 97,9% der Items von der Allgemeinbevölkerungsstichprobe beantwortet.

Test-Retest-Reliabilität

Die Konkordanz eines regionalen Schmerzscores von ≥8 aus 2 Messungen innerhalb von durchschnittlich 8,2 (Spannweite 4–12) Wochen bei 43 Patienten war 100%, und die eines Müdigkeitswertes von ≥6 war 97,5%. Der durchschnittliche Unterschied zwischen den beiden Messungen des regionalen Schmerzscores lag bei −0,20±2,7 (Spannweite −6, 8) und der des Müdigkeitswertes bei –0,03±1,4 (Spannweite −6, 2). Der ICC des regionalen Schmerzscores war 0,74 (F=1,3), des Müdigkeitswertes 0,75 (F=0,2) und der FMS-Diagnose nach Survey-Kriterien 0,78 (F=2,0).

Augenscheinvalidität

Ärzte kritisierten die folgenden Punkte: Die Schmerzdauer von 7 Tagen, die mit der RPS erfasst wird, ist kürzer als die Schmerzdauer, die verlangt wird, um ein CWP (3 Monate) nach ACR-Kriterien [33] oder epidemiologischen Kriterien [2] diagnostizieren zu können. Nicht alle Kombinationen von mindestens 8 Schmerzorten erfüllen die Kriterien eines CWP nach den ACR- bzw. epidemiologischen Kriterien (Schmerzen >3 Monate im Rücken und allen 4 Extremitäten). Patienten kritisierten, dass einige artikuläre Schmerzorte (Ellbogen, Knie, Handgelenk, Sprunggelenk, Gelenke der Hand und Gelenke des Fußes) nicht aufgeführt waren. Falls der Patient z. B. Schmerzen im Kniegelenk verspürte, war er unsicher, ob er es bei einem der wählbaren Schmerzorte wie Oberschenkel oder Unterschenkel ankreuzen sollte oder nicht.

Konvergente Validität

ACR- und Survey-positiv waren 181 (83,8%) der FMS-Patienten, 22 (10,2%) waren nur ACR-positiv, 11 (5,1%) waren nur Survey-positiv, und 2 (0,9%) Patienten waren ACR- und Survey-negativ. Alle Survey-negativen Fälle waren auf den Müdigkeitswert <6 zurückzuführen. Alle ACR-negativen Fälle waren auf einen Tender-Point-Count von <11 zurückzuführen.

Die Konkordanzrate zwischen ACR- und Survey-Kriterien war 84,7% (±1,1). Die Sensitivität der Survey-Diagnose für die ACR-Diagnose war 89,2%, die Spezifität 15,4% und der prädiktive Wert 94,2%. Der κ-Koeffizient war 0,03 (95%-KI –0,11, 0,18). Die niedrigen Werte der Spezifität und des κ-Koeffizienten sind durch die geringe Zahl ACR- und Survey-negativer FMS-Patienten (N=2) bedingt.

Die Prävalenz der FMS gemäß den Survey-Kriterien in unserer Stichprobe der allgemeinen Bevölkerung war 3,8% (95%-KI 3,7–3,9%) mit einer gleichmäßigen Verteilung von Frauen zu Männern von 1,1:1 [12]. Die Prävalenz des FMS in einer Stichprobe von 1002 Personen der deutschen Allgemeinbevölkerung über 15 Jahre war 3,2% (95%-Kl 2,1–4,3) mit einer Geschlechterverteilung Frauen zu Männern von 1,6:1. Die Prävalenzrate wurde, basierend auf dem Prozentsatz von Patienten rheumatologischer Praxen (N=194), die das 4-Schmerz und das 2-Müdigkeitskeitskriterium des London Fibromyalgia Epidemiological Study Screening Questionnaire LFESSQ-6 und die ACR-Kriterien des FMS nach TPE durch den Rheumatologen erfüllten, geschätzt [2].

Die Korrelationen zwischen Regionalem Schmerzscore, Müdigkeitswert und Depressivität waren bei den FMS-Patienten der klinischen und der Bevölkerungsstichprobe schwach ausgeprägt. Die Korrelationen zwischen regionalem Schmerzscore, Müdigkeitswert und körperlicher Symptombelastung waren in den klinischen FMS-Stichproben schwach ausgeprägt und mäßig ausgeprägt bei den FMS-Personen der allgemeinen Bevölkerung (Tab. 2).

Tab. 2 Korrelationen (Spearman) des regionalen Schmerz- und Müdigkeitsscores der RPS mit den Scores körperlicher und seelischer Symptombelastung der Validierungsinstrumente

Diskriminative Validität

Die regionalen Schmerzscores aller Patienten mit FMS (15,1±3,2), der Patienten mit RA (10,0±4,8) und der Patienten mit depressiver Störung (7,2±1) waren unterschiedlich (F=97,7, p<0,0001). Patienten mit FMS gaben mehr Schmerzorte an als Patienten mit RA und als Patienten mit depressiver Störung (p=0,05).

Die Müdigkeitswerte aller Patienten mit FMS (7,9±1,8), der Patienten mit RA (6,9±3,1) und der Patienten mit depressiver Störung (6,9±3,1) waren unterschiedlich (F=5,9; p=0,003). Patienten mit FMS hatten höhere Müdigkeitswerte verglichen mit den RA-Patienten und den Patienten mit depressiver Störung (p=0,05). Auch nach Altersadjustierung blieben die Unterschiede signifikant (Regionaler Schmerzscore F=66,9, p<0,001; Müdigkeitswert F=4,0, p=0,008).

Die Verteilungskurve des Regionalen Schmerzscores ist in Abb. 2 veranschaulicht: 192 (88,9%) der FMS-Patienten, 24 (45,3%; 52,4% der Frauen und 18,2% der Männer) der Patienten mit RA und 23 (38,3%; 36,1% der Frauen und der 35,7% Männer) der Patienten mit depressiver Störung erfüllten die Survey-Kriterien eines FMS. Einige der Patienten mit depressiver Störung gaben jedoch weder Schmerzen noch Müdigkeit, einige der Patienten mit RA trotz hoher Entzündungsaktivität keine Müdigkeit an.

RA-Patienten mit mäßigen und hohen DAS28-Scores unterschieden sich nicht in der Häufigkeit des Auftretens eines FMS nach Survey-Kriterien (38,8 vs. 40,0%; χ2=0,004; p=0,9). Es gab keine signifikanten Unterschiede des DAS28-Scores zwischen RA-Patienten mit zusätzlicher FMS-Diagnose (nach Survey-Kriterien; 5,1±1,0) und RA-Patienten ohne zusätzliche FMS-Diagnose (nach Survey-Kriterien; 5,1±0,8; z=−0,1; p=0,9).

Patienten mit depressiver Störung und zusätzlicher FMS-Diagnose nach Survey-Kriterien gaben öfter an, aufgrund muskuloskelettaler Schmerzen von ihrem Hausarzt behandelt worden zu sein, als Patienten mit depressiver Störung ohne zusätzliche FMS-Diagnose nach Survey-Kriterien (81,8 vs. 37,8%; χ2=10,8; p=0,001).

Abb. 2
figure 2

Verteilung des regionalen Schmerzscores von Patienten mit a Fibromyalgiesyndrom, b rheumatoider Arthritis und c depressiven Störungen

Diskussion

Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse

Die deutsche Version der RPS wurde in klinischen Stichproben von Patienten mit FMS, mit rheumatoider Arthritis und mit depressiver Störung validiert. Akzeptanz, Test-Retest-Reliabilität und konvergente Validität waren gut. Die Augenscheinvalidität und die diskriminative Validität waren eingeschränkt. Die Akzeptanz und konvergente Validität der RPS im Rahmen einer epidemiologischen bevölkerungsbasierten Studie waren gut.

Vergleich der psychometrischen Kennwerte der RPS mit anderen Studien

Der durchschnittliche Unterschied zwischen den beiden Messungen des regionalen Schmerzscores in unserer Studie war mit einem Wert von 0,20 höher als der der Studie von Wolfe [35], bei der sich nach 6 Monaten und 9582 Patienten ein durchschnittlicher Unterschied von 0,10 zeigte. Die Konkordanz der Survey- und der ACR-Kriterien war mit 84,7% in unserer Studie höher als die der Studie von Katz et al. [18] mit 72,3%. Die Korrelation des Müdigkeitswertes der RPS mit anderen Maßen von körperlicher und seelischer Symptombelastung war wie in der Studie von Wolfe [35] gering bis mäßig. Müdigkeit kann daher als ein Marker oder als „Sedimentationsrate“ von körperlicher und seelischer Symptombelastung angesehen werden.

Diskussion der eingeschränkten Augenscheinvalidität und eingeschränkten diskriminativen Validität der RPS

Die in der vorliegenden Studie wie auch in der Studie von Wolfe [36] gefundenen hohen Retest-Scores entkräften teilweise die Kritik der Ärzte, dass das 7-Tage-Zeitintervall der RPS nicht das anerkannte Kriterium für CWP von 3 Monaten erfüllt. Es muss jedoch berücksichtigt werden, dass die Test-Retest-Reliabilität bei Patienten bestimmt wurde, die aufgrund chronischer Schmerzen in die jeweiligen Zentren überwiesen worden waren. Eine Änderung des Zeitintervalls der RPS von 7 Tagen in 3 Monate ist für epidemiologische Studien notwendig.

Ein anderes Problem der Augenscheinvalidität der RPS war, dass nicht alle Kombinationen von 8 Schmerzorten in der RPS die Kriterien des CWP nach den ACR-Kriterien oder epidemiologischen Kriterien erfüllten. Wolfe [36] schloss bei der Entwicklung der RPS die nichtartikulären Schmerzorte Unterkiefer und Abdomen in die RPS ein und schloss artikuläre Schmerzorte wie Knie und Ellbogen aus statistischen Gründen aus. Alle FMS-Personen der klinischen als auch Bevölkerungsstichprobe, welche die Survey-Kriterien erfüllten, zeigten auch eine Kombination von Schmerzorten, die den Kriterien für CWP nach epidemiologischen Kriterien entsprachen (Details nicht gezeigt). Eine Revision der in der RPS enthaltenen Instruktionen bezüglich Schmerzen in Knie oder Ellbogen ist notwendig, um potenzielle Missverständnisse auf Patientenseite zu verhindern.

Die Rate der RA-Patienten, welche die Survey-Kriterien eines FMS erfüllten, war mit 45% höher als die von anderen Studien [36, 37] angegebenen 13–20%. Das mag darauf zurückzuführen sein, dass wir RA-Patienten mit niedriger oder fehlender Krankheitsaktivität ausgeschlossen haben. Die Verwendung des DAS28-Scores zur Bestimmung der Aktivität der RA ist bei komorbidem FMS problematisch, da die Patienten bei der Einschätzung der subjektiven Krankheitsaktivität auch FMS-Symptome berücksichtigen. Daher kann die RA-Aktivität überschätzt werden [4].

Die hohe Rate von Patienten mit RA plus FMS unserer Studie zeigt ein Problem der Verwendung der ACR-Klassifikationskriterien des FMS für dessen klinische Diagnose auf: Die ACR-Klassifikationskriterien des FMS verlangen nicht den Ausschluss einer rheumatischen Erkrankung als hinreichende Ursache für CWP und Druckschmerzhaftigkeit [33]. Zur Diagnose anderer funktioneller somatischer Syndrome wie dem Reizdarmsyndrom, der Reizblase oder dem Spannungskopfschmerz wird der Ausschluss einer strukturellen Organschädigung oder biochemischen Alteration, welche die Symptomatik hinreichend erklären, verlangt [16, 23]. Wenn dieses Ausschlusskriterium nicht berücksichtigt wird, resultiert ein hoher Prozentsatz von Patienten mit der Diagnose einer entzündlichen Erkrankung und eines komorbiden funktionellen somatischen Syndroms wie in der vorliegenden Studie. Im Einzelfall lässt sich nach Ansicht der Autoren bei Patienten mit RA durch klinische Untersuchung und Ultraschall überprüfen, ob die Anzahl der angegebenen Schmerzlokalisationen durch entzündete Gelenke erklärt werden kann oder nicht. Nur wenn die angegebenen Schmerzlokalisationen durch entzündete Gelenke nicht ausreichend erklärt werden können, sollte die Diagnose eines FMS gestellt werden. Das Problem der Abgrenzung entzündliche Erkrankung/funktionelles somatisches Syndrom ist auch in der Gastroenterologie bekannt: Trotz gering aktiver oder in endoskopischer Remission befindlicher chronisch entzündlicher Darmerkrankung oder antikörpernegativer glutensensitiver Enteropathie (Zöliakie) unter glutenfreier Diät geben 20–40% der Patienten persistierende Beschwerden an, die als Reizdarmsyndrom diagnostiziert werden können [6, 10].

Wir fanden eine Prävalenz des FMS nach Survey-Kriterien von 38% bei Patienten mit depressiver Störung. Uns ist nur eine Studie bekannt, in der die Häufigkeit des FMS bei Patienten mit depressiver Störung untersucht wurde. In einer israelischen Studie wurde eine Prävalenz des FMS nach ACR-Kriterien von 26% bei weiblichen und von 2% bei männlichen Patienten mit Major Depression festgestellt [32]. Zur Häufigkeit von depressiven Störungen beim FMS liegen zahlreiche Studien vor. In Abhängigkeit von der Versorgungsstufe, in der die Studie durchgeführt wurde, und den verwendeten Diagnosekriterien liegt diese bei 30–80% [7]. Da jedoch nicht alle Patienten mit FMS eine vermehrte Depressivität angeben [25] und auch neuroendokrinologische Unterschiede zwischen Patienten mit Major Depression und FMS beschrieben sind [27], ist es nicht gerechtfertigt, FMS und depressive Störungen gleichzusetzen. Das FMS wie auch depressive Störungen sind jedoch keine homogenen Krankheitsbilder. Die Unterscheidung einer Subgruppe von Patienten mit depressiver Störung inklusive fibromyalgieformer Beschwerden bzw. eines FMS-Subtyps der somatisierten Depression kann diskutiert werden [24]. Zusammengefasst ist die insuffiziente diskriminative Validität der RPS durch die Überlappung des FMS mit entzündlich rheumatischen Erkrankungen und depressiven Störungen bedingt.

Einschränkungen der Studie

Da die Studie unter den Bedingungen der klinischen Routineversorgung durchgeführt wurde, gab es Unterschiede zwischen den Studienzentren in den Zeitpunkten der Verteilung und des Einsammelns der Fragebögen sowie zwischen den darin involvierten Personen (Behandler, medizinische Doktoranden). Die Kliniker waren bei der FMS-Diagnostik gegenüber der Vordiagnose eines FMS nicht verblindet.

Das Spektrum der in der Studie vertretenen medizinischen Disziplinen war unvollständig, da Allgemeinmediziner und Orthopäden nicht involviert waren. Im Unterschied zur Studie von Katz et al. [18] nahmen jedoch mehrere Untersucher unterschiedlicher Disziplinen an der Studie teil. Das Studienprotokoll bezog Kliniker ohne spezielle Fachkenntnis des FMS nicht mit ein, deshalb sind keine Rückschlüsse auf die Konkordanz der Diagnosekriterien bei diesen Ärzten möglich.

Die Augenscheinvalidität wurde nicht standardisiert bewertet.

Die Probanden der allgemeinen Bevölkerungsstichprobe, welche die Survey-Kriterien des FMS erfüllten, wurden keiner klinischen Untersuchung unterzogen, um mögliche körperliche Erkrankungen als Ursache der Schmerzen in mehreren Körperregionen auszuschließen.

Schlussfolgerung

Aufgrund der mangelnden Akzeptanz, Reliabilität und Validität der ACR-Klassifikationskriterien zur klinischen Diagnose des FMS besteht Bedarf, alternative diagnostische Kriterien zu entwickeln [35]. Derzeit gibt es keinen Goldstandard für die klinische Diagnose des FMS [8]. Die Kernsymptome des FMS, Schmerzen in mehreren Körperregionen und ausgeprägte Müdigkeit als Marker für hohe körperliche und seelische Symptombelastung [11], werden mit der RPS valide erfasst. Die 19 Schmerzlokalisationen der RPS sind als Widespread-Pain-Index und Müdigkeit als Teil der Symptomschwereskala Bestandteil der neuen vorläufigen ACR-Kriterien für die klinische Diagnose des FMS [38]. Es bleibt abzuwarten, ob die Survey bzw. neuen vorläufigen diagnostischen Kriterien des ACR von Rheumatologen und Nicht-Rheumatologen besser angenommen werden als die ACR-Klassifikationskriterien.

Fazit für die Praxis

Die Regionale Schmerzskala kann als Sreeninginstrument für das Vorliegen eines FMS bei Patienten mit chronischen Schmerzen eingesetzt werden Zur klinischen Diagnose des FMS wird in der deutschen Leitlinie zum FMS der Ausschluss von somatischen Erkrankungen, die hinreichend das Vorhandensein von multiplen Schmerzorten und vermehrter Müdigkeit erklären, durch klinische und ggf. technische Untersuchungen gefordert [12]. Ein FMS kann daher nicht ausschließlich anhand der Regionalen Schmerzskala diagnostiziert werden. Zum Screening auf das Vorliegen eines möglichen FMS in epidemiologischen Studien ist die Änderung des Zeitintervalls der Regionalen Schmerzskala von 7 Tagen in 3 Monate notwendig.