Trotz der großen Bedeutung für die Patienten wurde der Akutschmerztherapie über lange Jahre kaum Beachtung geschenkt. Dies verwundert, stellt doch die Therapie akuter perioperativer und posttraumatischer Schmerzen eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten, den Arzt, die Pflege, den Krankenhausträger und die Kassen dar. Die Gründe sind vielfältig und haben nichts mit dem Mangel an geeigneten Techniken oder unzureichend wirksamen Analgetika zu tun. Analysen zeigen vielmehr, dass hierfür primär fehlende Organisationsstrukturen, unklare Verantwortlichkeiten und eine mangelhafte Kenntnis geeigneter Schmerztherapeutischer Konzepte verantwortlich sind.

Die Notwendigkeit zum Handeln wurde zuerst von den Vertretern der Berufsverbände der Anästhesisten und Chirurgen im Jahre 1992 erkannt. In der Vereinbarung zwischen den Berufsverbänden den Chirurgen (BDC) und den Anästhesisten (BDA; [1]) wurden neben anderen Themen die fachlichen Zuständigkeiten klar geregelt und verschiedene Organisationsmodelle vorgeschlagen, die klinikspezifisch umgesetzt werden sollten. Ernüchterung trat ein, nachdem eine repräsentative Umfrage im Jahre 1997 feststellte, dass an den meisten Klinken Deutschlands keine ausreichenden Organisationsstrukturen und Schmerzkonzepte existieren [2].

Mit dem Ziel, die Vereinbarungen in klinisch-praktische Empfehlungen umzusetzen und dadurch die schmerztherapeutische Versorgung der Patientenroutinebedingungen nachhaltig zu verbessern, wurden im Auftrag der wissenschaftlichen Fachgesellschaften (Deutsche Gesellschaft für Chirurgie [DGCh] und Deutsche Gesellschaft für Anästhesie und Intensivmedizin [DGAI]) sowie der Berufsverbände unter Leitung der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung Schmerztherapie (DIVS) Empfehlungen zur Behandlung akuter perioperativer und posttraumatischer Schmerzen publiziert [3].

Nachfolgend wurde innerhalb der Deutschen Gesellschaft zum Studium des Schmerzes (DGSS) im Oktober 1998 ein „Arbeitskreis Akutschmerz“ gegründet, der sich der Aus- und Weiterbildung, der Umsetzung der Empfehlungen in klinikspezifische Manuale zur Schmerztherapie und die Öffentlichkeitsarbeit zur Aufgabe gemacht hat. Der Arbeitskreis hat zur Beseitigung der Ausbildungsdefizite ein 20-stündiges „Curriculum Akutschmerz“ entwickelt, das 1999 auf dem ersten Symposium „Akuter Schmerz im chirurgischen Alltag – Wissenschaft und Praxis“ in Köln erstmals durchgeführt wurde. Darüber hinaus ist ein kursbegleitendes Buch entstanden [4].

Dieses Heft „Der Schmerz“ enthält das Programm und die Abstracts des nun schon 5. Symposiums „Akuter Schmerz im chirurgischen Alltag“. Seit den Anfängen ist viel passiert:

Die Empfehlungen waren Grundlage für die Erstellung der S3-Leitlinie „Akuter perioperativer und posttraumatischer Schmerz“ der AWMF; der Pflegeexpertenstandard wurde erarbeitet und publiziert; zur besseren Einbindung der operativen Disziplinen wurde neben dem fortbestehenden Arbeitskreis AK Akutschmerz der DGSS im Jahre 2003 die Chirurgische Arbeitsgemeinschaft Akutschmerz (CAAS) der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie gegründet; 2005 wurde die Special Interest Group on Acute Pain (SIG AP) der IASP mit 30 Ländern auf dem Weltkongress in Sydney aus der Taufe gehoben. Erstmals bietet in diesem Jahr das V. Symposium Akutschmerz auch die Plattform für den ersten internationalen Kongress der SIG AP.

Nach 3-jähriger Arbeit liegen nun seit Mai 2007 die nach den Kriterien der evidenzbasierten Medizin weiterentwickelten S3-Leitlinien Akutschmerztherapie vor, die gemeinsam mit 20 beteiligten Fachgesellschaften unter Federführung der DIVS entstanden sind (http://www.leitlinien.net; Nr.0041/001 AWMF). Zur Umsetzung der Leitlinie haben sich 2 Initiativen, „Initiative Schmerzfreie Klinik“ der CAAS in Kooperation mit dem TÜV-Rheinland und „Das Schmerzfreie Krankenhaus“ der DGSS gegründet, mit denen über die Verbesserung der Struktur- und Prozessqualität die schmerztherapeutische Versorgung der Patienten verbessert werden sollen.

Zertifikate wurden entwickelt, und die Ergebnisqualität kann über ein von den Fachgesellschaften empfohlenes Register Benchmarking-Tool „QUIPS – Qualitätsverbesserung in der postoperativen Schmerztherapie“ (http://www.Quips-projekt.de/) überprüft werden. Zur weiteren Entwicklung und Abstimmung aller beteiligten Disziplinen wurde 2005 ein „Gemeinsamer Arbeitskreis Perioperative Schmerztherapie“ (GAPS) ins Leben gerufen, der von den wissenschaftliche Fachgesellschaften der Chirurgen und Anästhesisten sowie den Berufsverbänden getragen wird.

Akutschmerztherapie im Aufwind!? Diese Frage kann mit einem eindeutigen Ja beantwortet werden! Die oben genannten Entwicklungen haben schon jetzt zu guten Ergebnissen und Zertifizierungen von Kliniken mit hervorragender Schmerztherapie geführt, die operativen Disziplinen haben nicht zuletzt wegen der „Fast-track“-Erfolge und der Entwicklung der minimalinvasiven Verfahren die Bedeutung der Akutschmerztherapie erkannt, und die Patienten fordern über das gestiegene öffentliche Interesse die Krankenhausträger zunehmend zum Handeln. Kliniken mit guter Schmerztherapie werben hiermit in ihren Qualitätsberichten und Internetdarstellungen.

Die Zukunft hat bereits begonnen – allen, die dies noch nicht gemerkt haben, sei der Besuch des V. Symposiums Akuter Schmerz im Chirurgischen Alltag in Köln am 30. November/1. Dezember 2007 empfohlen.

E.A.M. Neugebau