Während bei der Migräne in den letzten 20 Jahren große Fortschritte im pathophysiologischen Verständnis und in der Therapie erreicht werden konnten [1], gilt dies nicht im selben Umfang für die selteneren Kopfschmerzsyndrome. Zu diesen gehört die neu definierte Gruppe der trigemino-autonomen Kopfschmerzen (TAK) [2]. Alle Kopfschmerzsyndrome dieser Gruppe haben 2 Dinge gemeinsam: die meist kurz dauernden Schmerzattacken und die fakultativ vorhandenen autonomen Begleitsymptome [3]. Im Folgenden sollen der Cluster-Kopfschmerz (CK), die paroxysmale Hemikranie (CPH), und das SUNCT-Syndrom („short-lasting unilateral neuralgiform headache with conjunctival injection and tearing“) beschrieben werden. Differenzialdiagnostisch abgegrenzt hiervon werden speziell die Hemicrania continua (HC), die primär stechenden Kopfschmerzen („idiopathic stabbing headache“) und der Hypnic Headache, die aufgrund ihrer immer wieder diskutierten Nähe zu den TAK in der vorliegenden Zusammenfassung jedoch gesondert beschrieben werden. Diese Leitlinien stellen eine Erweiterung und Aktualisierung früherer Leitlinien der DMKG zu Cluster-Kopfschmerzen [4] dar.

Die Therapieempfehlungen orientieren sich formal an den Kriterien der „evidence-based medicine“. Die Kategorien der Evidenz wurden von der Arzneimittelkommission der Deutschen Ärztekammer übernommen. Sie sind wie folgt definiert:

↑↑ Aussage zur Wirksamkeit wird gestützt durch mehrere adäquate, valide klinische Studien (z. B. randomisierte klinische Studien) bzw. durch eine oder mehrere valide Metaanalysen oder systematische Reviews. Positive Aussage gut belegt.

Aussage zur Wirksamkeit wird gestützt durch zumindest eine adäqate, valide klinische Studie (z. B. randomisierte klinische Studie). Positive Aussage belegt.

Negative Aussage zur Wirksamkeit wird gestützt durch eine oder mehrere adäquate, valide klinische Studien (z. B. randomisierte klinische Studie), durch eine oder mehrere Metaanalysen bzw. systematische Reviews. Negative Aussage gut belegt.

←→ Es liegen keine sicheren Studienergebnisse vor, die eine günstige oder ungünstige Wirkung belegen. Dies kann bedingt sein durch das Fehlen adäquater Studien, aber auch durch das Vorliegen mehrerer, aber widersprüchlicher Studienergebnisse.

Definition und Klinik

In der 2003 überarbeiteten Klassifikation der IHS (International Headache Society) wird eine neu definierte Gruppe, die sog. trigemino-autonomen Kopfschmerzen (TAK) zusammengefasst [2]. Alle Kopfschmerzsyndrome dieser Gruppe haben 2 Dinge gemeinsam: die meist kurz dauernden Schmerzattacken und die obligat vorhandenen autonomen Begleitsymptome [3]. Die autonomen Begleitsymptome wie Lakrimation, konjunktivale Injektion, Rhinorrhö, nasale Kongestion und Lidschwellung treten streng ipsilateral zum Schmerz auf [5] und fehlen in nur 3% der Fälle.

Nach dem aktuellen Wissensstand gehören zu den trigemino autonomen Kopfschmerzen [2, 6]:

  • der episodische und chronische Cluster-Kopfschmerz (CK),

  • die episodische und chronische paroxysmale Hemikranie (CPH),

  • das SUNCT-Syndrom („short-lasting unilateral neuralgiform headache with conjunctival injection and tearing“).

Nach der neuen IHS-Klassifikation nicht zu den trigemino-autonomen Kopfschmerzformen gehörend, aber mit ihnen in vielen klinischen Merkmalen überlappend sind [7]:

  • die Hemicrania continua (HC),

  • der hypnische Kopfschmerz,

  • die idiopathisch stechenden Kopfschmerzen.

Sie unterscheiden sich in Dauer, Frequenz, Rhythmik und Intensität der Schmerzattacken, autonome Begleitsymptome treten mehr oder weniger stark ausgeprägt auf [3]. Die pathophysiolgischen Zusammenhänge werden derzeit intensiv untersucht [8, 9, 10]. Eine besondere Untergruppe der trigemino-autonomen Kopfschmerzen spricht fast ausschließlich auf Indometacin an. Zu dieser Gruppe gehören die chronisch paroxysmale Hemikranie, die episodische paroxysmale Hemikranie, die Hemicrania continua und die primär stechenden Kopfschmerzen. Es sind dies die einzigen Kopfschmerzsyndrome, bei denen auch in den IHS-Kriterien eine Wirkung von Indometacin beschrieben wurde [2].

Im Folgenden wird auf die klinische Symptomatik, Epidemiologie, Pathophysiologie und die Therapie der einzelnen Syndrome eingegangen.

Episodischer und chronischer Cluster-Kopfschmerz (IHS 3.1)

Klinisches Bild

Synonyma des Cluster-Kopfschmerzes (CK) sind Erythroposopalgie, Histaminkopfschmerz oder Bing-Horton-Kopfschmerz. Von allen primären Kopfschmerzen ist der Cluster-Kopfschmerz am einfachsten zu diagnostizieren. Trotzdem erfolgen die Diagnosestellung meist viel zu spät und die Therapie oft halbherzig. Das Wort Cluster kommt aus dem Englischen (Haufen) und beschreibt eine der eindrucksvollsten Eigenschaften dieses Syndroms: Bei der überwiegend vorkommenden episodischen Form des CK (80%) werden symptomatische Perioden (7 Tage bis 1 Jahr, meist 4–12 Wochen) von symptomfreien Zeitspannen unterschiedlicher Länge (mindestens 2 Wochen, meist wenige Monate) unterbrochen. Während der aktiven Phase treten kurze, gruppenartig gehäufte Attacken (1- bis 8-mal täglich) auf, welche durch Triggerfaktoren wie Alkohol, Nitroglyzerin, Histamin oder Stress auslösbar sind. In der individuell unterschiedlich langen inaktiven Phase besteht eine komplette Beschwerdefreiheit ohne Triggerbarkeit einzelner Attacken.

Bei der selteneren chronischen Verlaufsform (<20% aller Cluster-Kopfschmerzsyndrome) lassen sich keine aktiven oder inaktiven Phasen mehr abgrenzen. Cluster-Attacken treten hier nahezu täglich auf, Beschwerdefreiheit besteht durchgehend allenfalls weniger als 2 Wochen [2]. In bis zu 12% kann eine primär episodische in eine chronische Verlaufsform übergehen [11, 12]. Weiterhin sind primär chronische Verlaufsformen in 15% beschrieben [11, 12, 13]. Ein später Beginn, männliches Geschlecht und eine episodische Verlaufsform über mehr als 20 Jahre zeigen eine schlechte Prognose an [14].

Die Kopfschmerzen sind streng einseitig (78%) und nur sehr selten wechselnd (12%). Klassischerweise sind sie frontoorbital lokalisiert und strahlen gelegentlich zu Stirn, Kiefer, Rachen, Ohr, Nacken oder Schulter aus. Der Schmerzcharakter wird von Patienten häufig als wie ein „glühend heißes Messer im Auge“ oder wie ein „brennender Dorn in der Schläfe“ heftigster Intensität (VAS bis 10) beschrieben. Einzelne Attacken dauern zwischen 30 und 120 min und treten häufig 1–2 h nach dem Einschlafen oder in den frühen Morgenstunden auf. Im Gegensatz zur Migräne empfinden Patienten mit Cluster-Kopfschmerzen während der Schmerzattacken einen ausgeprägten Bewegungsdrang („pacing around“) oder schaukeln mit dem Oberkörper („rocking“). Ein Teil der Patienten berichtet innerhalb der Episode über einen zwischen den Attacken persistierenden leichten Hintergrundschmerz. Darüber hinaus wurde in der Literatur über Patienten mit einer visuellen Aura vor den Attacken berichtet [15, 16]. Der Schmerz ist obligat von autonomen Symptomen wie Lakrimation, Chemosis, Rhinorrhö, einem inkompletten Horner-Syndrom mit Miosis und Ptosis, konjunktivaler Injektion und Gesichts- oder Stirnschwitzen begleitet. Ausdrücklich hervorgehoben wurde in einer Anmerkung zur Klassifikation, dass während eines Teils (aber weniger als der Hälfte) des Zeitverlaufes des Cluster-Kopfschmerzes die Attacken weniger schwer sein und/oder kürzer oder länger andauern können. Eine tabellarische Übersicht der IHS-Kriterien für den Cluster-Kopfschmerz findet sich in Tabelle 1.

Tabelle 1 IHS-Kriterien für den Cluster-Kopfschmerz [2]

Epidemiologie

Die Prävalenz des Cluster-Kopfschmerzes liegt zwischen 0,1 und 0,9% [17]. Das Verhältnis von Männer zu Frauen liegt bei 3:1 [18]. Vererbungsfaktoren sind bislang nicht bekannt, es wird jedoch eine familiäre Belastung von ca. 2–7% angenommen [19].

Der Kopfschmerz beginnt im Mittel mit 28–30 Jahren, kann aber in jedem Lebensalter beginnen. Im Regelfall leiden bis zu 80% der Patienten nach 15 Jahren noch immer an Cluster-Episoden. Allerdings remittiert der Schmerz bei einigen Patienten in höherem Alter [10]. In bis zu 12% geht eine primär episodische in eine chronische Verlaufsform über, seltener ist dies auch vice versa beschrieben [5, 12].

Ätiologie und Pathogenese

Die genauen pathophysiologischen Zusammenhänge sind derzeit noch unklar. Trotzdem sind inzwischen einige Teile des Puzzles bekannt: Für die typische Klinik der TAKs mit Kopfschmerzen und autonomen Begleitsymptomen wird die Aktivierung des kaudalen nozizeptiven trigeminalen Kernkomplexes im Hirnstamm verantwortlich gemacht [20], welcher über einen trigemino-autonomen Reflexbogen [21] die parasympathischen oberen salivatorischen Kerngebiet stimuliert. Dies bewirkt eine Erhöhung der regionalen intra- und evtl. extrakraniellen zerebralen Durchblutung durch Änderung des Gefäßtonus, eine Steigerung der Tränensekretion, Rhinorrhö und das meist inkomplette Horner-Syndrom mit Miosis und Ptosis [3]. Welche Faktoren im Einzelnen zur Stimulation des trigeminalen Systems führen und diese Kaskade auslösen, ist nicht bekannt.

Neben der zirkadianen Verteilung der Schmerzattacken [5, 22] gilt als weiterer Hinweis auf das Vorliegen einer biologischen Rhythmusstörung die gehäufte Frequenz von Cluste-Episoden im Frühjahr und Herbst [5, 22] sowie Störungen der zirkadianen Ausschüttung vieler Hormone einschließlich Melatonin [23, 24, 25].

Hierzu passend zeigte die funktionelle Bildgebung mittels PET eine spezifische Aktivierung des Hypothalamus während der Cluster-Kopfschmerzattacke [26, 27]. Neuere morphometrische Untersuchungen konnten im selben Areal eine strukturelle Veränderung nachweisen [28]. Es ist anzunehmen, dass diese zentralen Areale in den Schmerzprozess eher in Form eines Auslösers oder Triggers eingreifen, als schlicht eine Schmerzreaktion auf einen trigeminal nozizeptiven Impuls zu sein. In einer PET-Studie während des Cluster-Kopfschmerzes im Vergleich zur Ruhebedingung wurde allerdings auch eine Mehranreicherung des Tracers in den großen basisnahen Gefäßen beobachtet. Dies ist auf eine Vasodilatation dieser Gefäße während der Schmerzattacke zurückzuführen und repräsentiert einen (schmerzgetriggerten) neural vermittelten gefäßerweiternden Mechanismus im Menschen [21]. Diese Beobachtung wurde auch in einer Studie zum experimentellen trigeminalen Schmerz gemacht und legt nahe, dass die Dilatation dieser Gefäße nicht typisch für eine bestimmte Kopfschmerzform ist, sondern durch einen trigeminoparasympathischen Reflex vermittelt wird [29, 30].

In Zusammenschau dieser klinischen und experimentellen Parameter wird eine zentrale Dysregulation im Hypothalamus als das letztlich auslösende pathophysiologische Substrat des Cluster-Kopfschmerzes diskutiert [8, 31].

Diagnostik

Die Diagnose eines aus zum Formenkreis der TAKs gehörenden Kopfschmerzes beruht wie auch bei der Migräne oder dem Spannungskopfschmerz auf einer ausführlichen Anamnese und einer klinisch-neurologischen Untersuchung. Elektrophysiologische, laborchemische und Liquoruntersuchungen helfen diagnostisch meist nicht weiter. Bei der Erstdiagnose oder bei begleitenden neurologischen Ausfallserscheinungen sollte jedoch zum einen ein kranielles Computertomogramm der Schädelbasis (Knochenfenster) und eine zerebrale Kernspintomographie mit Darstellung des kraniozervikalen Überganges durchgeführt werden [9] (Tabelle 2), da gerade beim Cluster-Kopfschmerz im höheren Lebensalter nicht selten symptomatische Ursachen vorliegen. In der Literatur werden diesbezüglich interessanterweise vor allem mittelliniennahe intrakranielle Raumforderungen genannt [32] (die frontal wie auch okzipital oder sogar im Kleinhirn liegen können). Zu diesen gehören u. a. Tumore, arteriovenöse Malformationen, aber auch Hirninfarkte oder entzündliche Plaques.

Tabelle 2 Diagnostik des Cluster-Kopfschmerzes [9]

Differenzialdiagnose

Differenzialdiagnostisch sind vom Cluster-Kopfschmerz andere primäre Kopfschmerz- und Gesichtsschmerzsyndrome wie Migräne, Trigeminusneuralgie, atypischer Gesichtsschmerz, zervikogener Kopfschmerz und chronisch paroxysmale Hemikranie abzugrenzen. Die sehr ähnliche chronisch paroxysmale Hemikranie ist durch eine höhere Attackenfrequenz (bis zu 30 Attacken pro 24 h), eine kürzere Attackendauer (5–30 min) und das fast obligate Ansprechen auf Indometacin gekennzeichnet. Betroffen sind vor allem jüngere Frauen.

Cluster-Tic-Syndrom

Es sind einige Patienten beschrieben worden, die sowohl Symptome eines Cluster-Kopfschmerzes als auch die einer Trigeminusneuralgie aufwiesen [33, 34, 35]. Diese Patienten erhalten beide Diagnosen. Die Wichtigkeit dieser Beobachtung liegt darin, dass beide Erkrankungen separat behandelt werden müssen, um Schmerzfreiheit zu erreichen.

Cluster und Migräne

Neben der Tatsache, dass ein CK und eine Migräne parallel bestehen können [16], wird diskutiert, ob die sog. Cluster-Migräne eine Sonderform mit fließendem Übergang dieser beiden Kopfschmerzformen ist. Unterschieden werden hier CK-Attacken, die mit der Anfallsfrequenz einer Migräne auftreten (z. B. 1–2/Woche), bzw. Migräneattacken, die die typischen Begleitsymptome einer Cluster-Kopfschmerz-Attacke aufweisen wie ipsilaterale Miosis, orbitale Schwellung und Lakrimation, evtl. sogar ein zyklisches Verhalten zeigen. Die Therapie richtet sich nach der jeweils vorherrschenden Komponente. Im Zweifelsfall führt eine probatorische Therapie zur Klärung: Betablocker sind ohne Einfluss auf den Cluster-Kopfschmerz, Verapamil wirkt nicht bei Migräne.

Therapie

Angesichts des Fehlens eines allgemein anerkannten pathophysiologischen Konzeptes stützt sich die Therapie des Cluster-Kopfschmerzes vor allem auf empirische Daten [10, 36]. Prinzipiell wird zwischen der Therapie der Einzelattacke (Tabelle 3) und der Prophylaxe (Tabelle 4) [4, 9, 37] unterschieden. Wichtig ist herauszustreichen, dass der Placeboeffekt bei Cluster-Kopfschmerzpatienten nicht geringer ist als bei Migränepatienten [38].

Tabelle 3. Attackenmedikation des Cluster-Kopfschmerzes
Tabelle 4 Prophylaktische Medikation des Cluster-Kopfschmerzes

Attackenkupierung

Sauerstoff

Die Inhalation von >8 l 100% Sauerstoff/min (in Einzelfällen mehr als 10 l/min) bis zu einer Dauer von 20 min in sitzender, vornüber gebeugter Haltung stellt eine nebenwirkungsfreie und bei frühzeitiger Anwendung effiziente Attackenkupierung da [39]. Insbesondere bestehen keine Kontraindikationen seitens des kardiovaskulären Systems, sodass diese Therapie auch eingesetzt werden kann, wenn Ergotamin oder Triptane kontraindiziert sind. Üblicherweise ist eine Mund- oder Gesichtsmaske nötig, eine sog. Nasensonde ist meist nicht ausreichend. Es können (auch tragbare) Sauerstoffgeräte nach Kostenzusage verordnet und über Sanitätsfachhandlungen bezogen werden. (Ein Attest und eine Verordnung sind als Muster unter http://www.dmkg.de zum Herunterladen oder Ausdrucken verfügbar.) Wenn nicht bekannt ist, ob Sauerstoff hilft, ist es empfehlenswert, dies vor Verschreibung von Sauerstoff zu testen. Hierzu werden Patienten für 1 oder 2 Tage stationär aufgenommen. Die Erfolgsquote scheint vom Cluster-Kopfschmerztyp und vom Alter abhängig zu sein und liegt bei etwa 60% [40, 41]. Die Therapie mit hyperbarem Sauerstoff hat keinen präventiven Effekt auf Cluster-Kopfschmerzen [42].

Lidocain

Nasale Instillation ins zum Kopfschmerz ipsilaterale Nasenloch von 1 ml 4%iger Lidocain-Lösung bei um 45° rekliniertem und um ca. 30–40° zur betroffenen Seite rotiertem Kopf führt bei etwa 25–30% der Patienten ebenfalls innerhalb weniger Minuten zu einer Attackenkupierung [43, 44, 45]. Zusammenfassend ist jedoch zu verzeichnen, dass im Schnitt die topische Anwendung von Lokalanästhetika wie auch die von Sauerstoff nur einem Teil der Patienten und auch nicht immer hilft. Trotzdem sollte jeder Cluster-Kopfschmerzpatient einmal im Leben diese Therapien ausprobiert haben, da bei Wirksamkeit systemische Nebenwirkungen vermieden werden. Dies ist umso wichtiger, als die Attackenfrequenz 8–12 Attacken pro 24 h umfassen kann.

Sumatriptan

Der Serotoninagonist Sumatriptan führt in einer Dosis von 6 mg subkutan appliziert bei etwa 75% der Patienten innerhalb von 5–20 min zur Beschwerdefreiheit 46, 47, 48] und ist, wenn die Kontraindikationen beachtet werden, sehr sicher [49, 50]. Darüber hinaus sind Sumatriptan (Imigran® s.c.) in der Akutbehandlung und Lithium (Quilonum®) für die präventive Behandlung in Deutschland die einzigen für die Indikation Cluster-Kopfschmerz zugelassenen Substanzen. Nach Erfahrung der Autoren wirken bei vielen Patienten schon 3 mg Sumatriptan s.c. In einer einzelnen Studie ist eine Wirksamkeit auch für Sumatriptan-Nasenspray beschrieben [51]. Inzwischen gibt es eine ganze Familie an „Triptanen“, die theoretisch alle bei Cluster-Kopfschmerzattacken helfen könnten. Für Zolmitriptan wurde dies gezeigt [52, 53]. Möglicherweise sind Nasensprays den Tabletten überlegen. Im klinischen Alltag ist Sumatriptan 6 mg s.c. jedoch Mittel der 1. Wahl in der akuten Attacke. Der Grund liegt in der schnellen Bioverfügbarkeit der parenteral zugeführten Medikation. Da die eigentliche Attacke nur 30–120 min dauert, ist eine oral zugeführte Medikation nicht indiziert.

Ergotamin

Aufgrund des rasch nachweisbaren Plasma-Ergotaminspiegels wurde früher Ergotamin als Aerosol-Spray empfohlen [54]. Hierbei wird zu Attackenbeginn insgesamt 2- bis 3-mal je 1 Aerosolstoß (à 0,35 mg) bei gleichzeitiger tiefer Inhalation verwendet. Hierunter sind etwa 75% der Patienten innerhalb von 30 min schmerzfrei. Dieser Ergotamin Medihaler wurde in Deutschland vom Markt genommen und ist nur über die internationale Apotheke (Österreich & Schweiz) zu beziehen. Ergotamin-Suppositorien haben einen zu langsamen Wirkungseintritt. Sie wirken aber in der Kurzprophylaxe (d. h. 1 oder 2 mg für kurze Zeit eingesetzt, bis eine andere prophylaktische Therapie greift), abends eingesetzt, für Patienten die vor allem unter nächtlichen Attacken leiden. Zur intramuskulären Anwendung von Ergotaminen liegen nur offene Studien vor. Dihydroergotamin (auch nur über die internationale Apotheke, belgisches Präparat) kann als i.m.-Injektion in der Dosierung von 1 mg eine rasche Kupierung der Attacke herbeiführen, ist aber häufig von Übelkeit begleitet.

Prioritäten der Akutbehandlung

Mittel der 1. Wahl ist Sumatriptan als s.c.-Injektion. Zusammenfassend hilft die topische Anwendung von Lokalanästhetika wie auch die von Sauerstoff nur einem Teil der Patienten und auch nicht konstant. Trotzdem sollte jeder Cluster-Kopfschmerzpatient einmal im Leben diese Therapien ausprobiert haben, da bei Wirksamkeit systemische Nebenwirkungen vermieden werden. Dies ist umso wichtiger, als die Attackenfrequenz bis zu 12 Attacken pro 24 h umfassen kann. Handlicher für den Patienten ist ein Ergotamin-Aerosol, dieses ist aber nur über die internationale Apotheke zu erlangen.

Prophylaxe

Verapamil

Verapamil ist in der Dosierung von 3- bis 4-mal täglich 80 mg das Mittel der 1. Wahl bei episodischem und chronischem Cluster-Kopfschmerz [31, 37]. In Abhängigkeit vom Therapieerfolg muss manchmal von erfahrenen Spezialisten unter kardialer Kontrolle auch höher (>720 mg) dosiert werden [37, 55]. Ein EKG und Blutbildkontrollen vor Therapiebeginn müssen veranlasst werden. Aufdosiert wird in 80 mg Schritten alle 3–4 Tage. Ab 480 mg Tagesdosis sind alle 160 mg EKG-Kontrollen und ggf. ein Herzecho zu veranlassen, bevor erneut in 80-mg-Schritten erhöht wird. Verapamil eignet sich aufgrund seiner relativ guten Verträglichkeit als Dauertherapie. Wegen der eventuellen Notwendigkeit, sehr hohe Dosen zu erreichen, wird die Wirkung durchschnittlich erst nach 14–21 Tagen erzielt, nur bei manchen Patienten früher. Somit eignet sich diese Substanz nicht bei Patienten mit episodischem Cluster-Kopfschmerz und aktiven Phasen unter 3 Monaten. In diesem Falle wären Cortison oder Methysergid aufgrund des raschen Wirkungseintrittes vorzuziehen. Wenn man sich entschließt, Verapamil einzusetzen, kann zur Überbrückung der Zeit bis zum Wirkungseintritt Prednison bei häufigen Attacken (s. unten) oder Ergotamintartrat (2 mg oral oder supp.) bei vorwiegend nachts auftretenden Attacken (s. oben) eingesetzt werden. Sehr selten wird Ergotamin auch als Dauermedikation (1–2 Monate beim episodischen Cluster und kurzen „bouts“) eingesetzt.

Kortikosteroide

Kortikosteroide werden meist nur noch additiv, z. B. im Sinne einer überbrückenden Therapie bei langsamem Wirkungseintritt von Verapamil, eingesetzt [56, 57]. Es gibt aber auch Patienten, die ausschließlich unter Kortison schmerzfrei werden und dies sogar als Dauermedikation einsetzen müssen. Empfohlen wird folgendes Dosierungsschema: Prednison, beginnend mit der morgendlichen Einzelgabe zwischen 60 mg und 100 mg für 5 Tage und dann alle 4–5 Tage um 10 mg abdosieren. Nach Erfahrung der Autoren sind Dosen bis 500 mg i.v. in der Initialphase schneller erfolgreich. Beim Unterschreiten einer Schwellendodis von 10–20 mg (individuell auch höher) kann es zu erneuten CK-Attacken kommen, in diesem Fall muss die Dosis wieder erhöht werden. Eine Wirkung ist etwa bei 70–80% der Patienten zu erwarten, kontrollierte Studien zum Einsatz von Kortikosteroiden bei Cluster-Kopfschmerzen gibt es nicht. Prednison sollte nicht als Dauertherapie eingesetzt werden.

Lithiumkarbonat

Lithiumkarbonat wird in Dosen zwischen 600 und 1500 mg eingesetzt. Es ist die einzige in Deutschland für diese Indikation (Prophylaxe der Cluster-Kopfschmerzen) zugelassene Substanz (Quilonum®). Der Plasmaspiegel von 1,2 mmol/l sollte nicht überschritten werden, ein Serumspiegel von mindestens 0,4 mmol/l scheint für eine effektive Therapie nötig zu sein, ideal sind 0,6–0,8 mmol/l. Der Wirkungseintritt erfolgt innerhalb 1 Woche [58]. Vor Therapiebeginn muss eine Überprüfung der Elektrolyte, der Nierenwerte, der Schilddrüsenfunktion und des EKG erfolgen. Hauptproblem sind die häufig beobachteten Nebenwirkungen. Der weithin übliche Einsatz von Lithium stützt sich auf relativ alte und kleine Studien. Kürzlich konnte in einer sehr sorgsam durchgeführten Studie beim episodischen Cluster-Kopfschmerz nur eine dem Placeboeffekt vergleichbare Wirksamkeit von Lithium gezeigt werden [59]. Dies in Verbindung mit der Nebenwirkungsträchtigkeit führt dazu, dass Lithium bevorzugt bei chronischen Cluster-Patienten eingesetzt werden sollte, bei denen die anderen Therapieformen versagt haben oder ungenügend sind.

Pizotifen

Pizotifen in einer Dosierung von 1,5–3 mg/Tag wird versuchsweise bei Versagen einer konventionellen Therapie empfohlen [60]. Nach Erfahrungen der Autoren ist kein durchschlagender Erfolg zu erwarten. Pizotifen ist in Deutschland nicht mehr für die Indikation Kopfschmerz zugelassen.

Valproinsäure

In nur wenigen, meist offenen Studien wurde Valproinsäure eingesetzt. Die Ergebnisse waren heterogen [61, 62, 63]. Nach Erfahrungen der Autoren kann dieser Therapieversuch bei Wirkungslosigkeit der anderen Optionen im Einzelfall unternommen werden. Valproinsäure wird initial mit 5–10 mg/kg Körpergewicht begonnen und sukzessive bis 20 mg/kg Körpergewicht gesteigert. Der Wirkungseintritt kann bis zu 4 Wochen brauchen.

Methysergid

Methysergid war in der retardierten Form in Deutschland bislang beim episodischen Cluster-Kopfschmerz Mittel der 2. Wahl. Allerdings ist Methysergid nur noch in der nicht retardierten Form über die internationale Apotheke zu beziehen. Die Dosierung beginnt mit 1 mg/Tag und sukzessiver Aufdosierung bis auf 9 mg/Tag in 2–3 Einzeldosen pro Tag [56, 57, 64, 65, 66]. Die Wirkung wird durchschnittlich nach 3–7 Tagen erzielt. Wegen der Gefahr retroperitonealer und pulmonaler Fibrosen (Inzidenz etwa 1:20.000) sollte es nicht länger als 3 Monate gegeben werden [67]. Beim episodischen Cluster-Kopfschmerz ist jedoch diese Gefahr wegen des begrenzten Einnahmezeitraumes kaum gegeben. Grundsätzlich gilt, dass Methysergid wegen des raschen Wirkungseintrittes und der nur begrenzten zeitlichen Einsatzmöglichkeit vorwiegend Patienten zugute kommen sollte, die unter kurz dauernden episodischem Cluster-Kopfschmerz leiden (in der Regel <als 3 Monate pro aktiver Phase). Bei längeren aktiven Phasen oder nur kurzen Remissionsphasen kommt bevorzugt Verapamil in Frage.

Topiramat

Topiramat hat in einigen offenen Fallstudien eine signifikant besseren Erfolg als Placebo gezeigt [68, 69, 70]. Große und valide Studien fehlen bislang. Nach Erfahrungen der Autoren sind recht gute Ergebnisse zu erwarten, falls das Medikament vertragen wird (häufigste Nebenwirkung sind kognitive Defizite). Die Nebenwirkungsrate kann durch eine langsame Aufdosierung (25 mg/Woche) deutlich verringert werden.

Operativ

Erst nach Versagen aller medikamentöser Maßnahmen und sicherem Ausschluss eines symptomatischen CK sind in absoluten Ausnahmefällen operative Verfahren zu erwägen. Der Grund liegt darin, dass sie offenbar nicht immer und nicht dauerhaft eine Besserung der Symptomatik bewirken, jedoch die Gefahr einer zusätzlich und dann iatrogen hervorgerufenen Neuralgie des N. trigeminus oder einer Anaesthesia dolorosa bergen. In wenigen Einzelfallstudien wurde ein Effekt durch die Applikation von Glyzerol oder Lokalanästhetika in die Cisterna trigeminalis bzw. des Ganglion Gasseri [71], durch Hochfrequenz-Rhizotomien des Ganglion Gasseri [72], vaskuläre Dekompressionen [73], Radiation der Eintrittszone des N. trigeminus [74] oder Resektionen des N. petrosus superficialis major [75] oder des Ganglion sphenopalatinum [76] beschrieben. Es existieren jedoch auch diverse Fallstudien mit negativem oder sogar verschlechtertem Ausgang [77, 78, 79]. In einigen (wenigen) Fällen ist die unspezifische Blockade des N. occipitalis major erfolgreich [80] und daher auf jeden Fall vor einer operativen Therapie zu versuchen. Eine sehr neue und Erfolg versprechende Methode ist die Applikation eines permanenten Okzpitalisstimulators bei chronischen Kopfschmerzen, dies könnte auch beim Cluster-Kopfschmerz Erfolg versprechend sein [81].

Neuerdings wird, basierend auf PET und morphometrischen (VBM) Arbeiten, in therapierefraktären Fällen eine Tiefenhirnstimulation des posterioren, inferioren Hypothalamus diskutiert. Erste hoffnungsvolle Erfahrungen liegen vor [82, 83].

Prioritäten der propylaktischen Behandlung

Zusammenfassend sollten Patienten mit chronischen und relativ lang dauernden episodischen Cluster-Kopfschmerzphasen primär mit Verapamil behandelt werden. Aufgrund des langsamen Wirkungseintrittes können zur Überbrückung vorübergehend Prednison oder Ergotamin zum Einsatz kommen. Bei relativ kurz dauernden Cluster-Episoden (<2 Monate) ist Methysergid oder Prednisolon Mittel der 1. Wahl. Bei Unverträglichkeit/fehlender Wirkung einer Substanz kommt alternativ die jeweils andere Substanz in Frage. Grundsätzlich gilt, dass bei Versagen der Einzelsubstanzen Kombinationen versucht werden sollten und dass dann auch Valproinsäure und Lithium zum Einsatz kommen. Kortikosteroide finden meist nur kurzfristig und als Kombinationstherapie Verwendung.

Off-Label-Problematik

In zunehmendem Maße haben niedergelassene Ärzte, aber auch Spezialambulanzen Regressforderungen wegen indikationsüberschreitender Verschreibung zu befürchten. Dies gilt insbesondere für die Behandlung primärer Kopfschmerzerkrankungen. Für die Behandlung von Kopfschmerzen bei Kindern sind in Deutschland nur Akutmedikamente zugelassen. Für den Cluster-Kopfschmerz sind nur Sumatriptan in der parenteralen (Subkutan-Spritze) Applikationsform und Lithium (hier nur Quilonum®) zugelassen. Eine der wichtigsten Medikationen, retardiertes Methysergid, ist im Laufe der Löschlisten des BfArM ganz vom Markt genommen worden. Für die anderen trigemino-autonomen Kopfschmerzformen ist in Deutschland kein Medikament zugelassen. In Zukunft werden unter http://www.dmkg.de neben den evidenzbasierten Leitlinien auch valide Publikationslisten für die einzelnen Indikationen publiziert werden, um gerade niedergelassenen Kollegen Argumentationshilfen an die Hand geben zu können.

Episodische und chronische paroxysmale Hemikranie (CPH) (IHS 3.2)

Klinik

Das plötzliche Auftreten von attackenartigen Schmerzepisoden (parosxysmal), der Schmerzcharakter (messerstichartig-schneidend oder pulsierend), die Intensität (vernichtend) und die Lokalisation (frontoorbital oder hemikraniell) sind bei der chronisch paroxysmalen Hemikranie dem Cluster-Kopfschmerz sehr ähnlich [84] (Tabelle 5). Ebenso lassen sich einzelne Schmerzepisoden nicht selten durch Triggerfaktoren wie Alkohol auslösen und werden von Lakrimation oder Injektion der Konjunktiva begleitet [85].

Tabelle 5 Wichtige Charakteristika trigemino-autonomer Kopfschmerzen

Wichtige Unterschiede zum Cluster-Kopfschmerz sind dagegen die kürzere Dauer einzelner Attacken (2–45 min) und die höhere Häufigkeit (5–40, durchschnittlich 10 Attacken täglich). Darüber hinaus sind die autonomen Begleitsymptome oftmals weniger stark ausgeprägt. Ebenso berichten einige Patienten über die Auslösbarkeit der Schmerzepisoden durch Kopfwendung oder Druck auf die Segmente C2/C3.

Die für den Cluster-Pienten so typische Unterteilung in aktive und inaktive Phasen findet sich auch bei der paroxysmalen Hemikranie [2]. Ein letztes, aber entscheidendes Unterscheidungsmerkmal zum Cluster-Kopfschmerz ist die Behandelbarkeit mit Indometacin [86]. Das sichere Ansprechen der Patienten auf diese Substanz ist diagnostisch wegweisend für die CPH oder die Hemicrania continua [87]. Bereits nach 1 Woche (oft innerhalb von 3 Tagen) ist unter der Medikation mit einem deutlichen Rückgang der Beschwerden zu rechnen.

Epidemiologie

Die erste Beschreibung dieses Syndroms findet sich 1976 [88]. Die Prävalenz ist sehr niedrig. Man schätzt den relativen Anteil der Patienten mit einer CPH an allen trigemino-autonomen Kopfschmerzpatienten mit etwa 3–6%. Ähnlich dem Cluster-Kopfschmerz beginnt die Erkrankung zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr. Auffallend ist jedoch die umgekehrte Geschlechterverteilung. Frauen überwiegen im Verhältnis zu Männern von 3:1.

Therapie

Indometacin (z. B. Indometacin AL50®): 3-mal 50 mg täglich, ggf. erhöhen auf 200 mg, evtl. unter Magenschutz.

Indometacin wird auf 3 Tagesdosen, nach den Mahlzeiten eingenommen, verteilt. Selten benötigen einige Patienten höhere Dosierungen bis zu 300 mg/Tag (wegen der kurzen Halbwertszeit von 4 h häufig und kleinere Dosen einsetzen). Magenempfindliche Patienten sollten insbesondere aufgrund der häufig erforderlichen Dauertherapie einen Magenschutz mit Protonenpumpenhemmern kombinieren. Für gewöhnlich wird nach Sistieren der Schmerzen die Dosis reduziert, bis es zu einem Wiederauftreten der Schmerzen kommt, so kann eine sog. Erhaltungsdosis gefunden werden. Alternativ können andere NSAIDs, z. B. Naproxen oder Diclofenac [89] versucht werden, In der Literatur existieren darüber hinaus Berichte über die vereinzelte Wirkung von Verapamil [90] und Acetazolamid [91]. Als Alternative kann Celecoxib oder Rofecoxib versucht werden

„Short lasting uniform neuralgiform headache with conjunctival injection and tearing“ (SUNCT; IHS 3.3)

Klinik

Die Bezeichnung dieses Kopfschmerzsyndroms beschreibt bereits die wesentlichen klinischen Charakteristika [92]. Patienten mit der Diagnose eines SUNCT klagen über extrem kurz dauernde (15 s bis 2 min), einschießende Attacken neuralgiformen Schmerzcharakters heftigster und nicht selten vernichtender Intensität [93]. Die Attacken treten durchschnittlich bis zu 60-mal täglich auf (gelegentlich sogar bis zu 200-mal täglich) und sind streng einseitig periorbital. Wie alle TAKs geht das SUNCT mit autonomen Begleitsymptomen einher, jedoch beschränken sie sich im Allgemeinen auf die konjunktivale Injektion und die obligtorisch ausgeprägte Lakrimation [84]. Auch beim SUNCT-Syndrom gibt es eine episodische und eine chronische Verlaufsform.

Der Unterschied zum Cluster-Kopfschmerz ist die wesentlich höhere Attackenfrequenz, die kürzere Dauer einzelner Schmerzattacken und der neuralgiforme Charakter der Schmerzen. Bei der klassischen Trigeminusneuralgie, die differenzialdiagnostisch ausgeschlossen werden muss, ist die Attackenfrequenz der ebenfalls elektrisierend einschießenden Schmerzepisoden in der Regel noch höher (bis zu mehreren 100-mal täglich), und es fehlen die autonomen Begleitsymptome und die Triggerung durch Kauen, Sprechen oder Kälte. Im Gegensatz zum SUNCT-Syndrom betrifft die Trigeminuasneuralgie bevorzugt den 2. und 3. trigeminalen Ast allein oder in Kombination.

Epidemiologie

Daten zur Prävalenz und zur geschlechtlichen Verteilung für dieses Syndrom zu erheben gestaltet sich bei der niedrigen Fallzahl von Patienten als äußerst schwierig. Es handelt sich um eine extrem seltene Kopfschmerzerkrankung. Das Verhältnis Frauen zu Männern wird mit 1:17 geschätzt [92].

Therapie

Derzeit ist eine wirksame Therapie nicht bekannt. Die bei der CPH oder HC erfolgreich angewandte Substanz Indometacin ist nicht wirksam. Studien zur Behandelbarkeit existieren nicht, lediglich einzelne Fallberichte in der Literatur berichten vereinzelte Erfolge durch die Gabe von Lamotrigen [37], Gabapentin [94, 95] und Topiramat [96], z. T. in Kombination. In letzter Zeit häufen sich Einzelfallbeschreibungen zur Wirksamkeit von Lamotrigen [37, 97, 98], sodass ein Therapieversuch mit dieser Substanz viel versprechend erscheint. Operative Verfahren sind berichtet worden, ohne dass eine abschließende Beurteilung möglich ist [99].

Hemicrania continua (HC; IHS 4.7)

Klinik

Die Hemicrania continua wird nach der neuen Klassifikation in der Gruppe 4 : „andere primäre Kopfschmerzen“ geführt. Jedoch besitzt sie viele Gemeinsamkeiten mit der Gruppe 3: „Trigemino-autonome Kopfschmerzen“.

Im Gegensatz zum Cluster-Kopfschmerz klagen Patienten mit einer Hemicrania continua über einen kontinuierlich vorhandenen Schmerz, auf den einzelne Schmerzattacken unterschiedlicher Länge aufgepropft sind [84], die dann häufig mit autonomen Begleitsymptomen einhergehen. Etwa 50% der Patienten beschreiben eine Zunahme der Schmerzen nachts. Darüber hinaus ist die Intensität in der Regel etwas milder und die autonome Mitbeteiligung schwächer ausgeprägt. Über 50% der Patienten mit einer HC leiden von Beginn an unter einem chronischen Verlauf. Nur wenige (<15%) erfahren einen episodischen Verlauf mit alternierenden aktiven und inaktiven Phasen.

Ebenso wie bei der CPH ist ein Indometacin-Versuch das entscheidende diagnostische Kriterium und zugleich die einzig sicher wirksame Therapie [100]. In der Anamnese ist hier wie bei anderen Dauerkopfschmerzen eine genaue Analgetikaanamnese notwendig, da die Klinik nicht selten durch einen Analgetikamissbrauch verschleiert werden kann.

Epidemiologie

Das Syndrom wurde erstmals 1984 beschrieben [5]. Die Prävalenz ist unbekannt, die Erkrankung wird jedoch wahrscheinlich unterdiagnostiziert. Im Gegensatz zum Cluster-Kopfschmerz überwiegen wie auch bei der CPH die Frauen gegenüber den Männern mit 2:1. Die Erkrankung beginnt in der Regel im 3. Lebensjahrzehnt. Es wurden jedoch auch Fälle beobachtet, in denen die Erkrankung schon ab einem Alter von 11 Jahren oder erst mit 58 Jahren ihren Beginn nahm.

Therapie

Indometacin (Indometacin AL50®) : 3-mal 50 mg täglich, ggf. erhöhen auf 200 mg, evtl. unter Magenschutz.

Auch diese Kopfschmerzen sind wie die paroxysmalen Hemikranien Indometacin-sensibel. Das Ansprechen auf Indometacin ist spezifisch (auch in den IHS-Kriterien genannt) und meist prompt innerhalb 30 min bis zu 48 h. Die Therapie sollte mit 75 mg Indometacin, auf 3 Tagesdosen verteilt, begonnen werden und bei Nichtansprechen jeden 3. Tag bis auf maximal 200 mg/Tag erhöht werden [87].

In der Literatur existieren darüber hinaus Einzelfallberichte über die positive Wirksamkeit von Naproxen, Coffein oder Kortikoiden.

„Hypnic headache“ (Primär schlafgebundener Kopfschmerz; IHS 4.5)

Klinik

Wie bereits erwähnt, gehört auch der hypnische Kopfschmerz in strengerem Sinne nicht zu den trigemino-autonomen Kopfschmerzen, denn er weist nicht die typischen autonomen Begleitsymptome auf [2]. Jedoch berichten Patienten, die unter dieser Art von Kopfschmerzen leiden, Symptome, die eine gewisse klinische Überlappung mit den TAKs zeigen, weswegen er phänomenologisch gerne in diesem Zusammenhang genannt wird und eine genaue differenzialdiagnostische Abklärung zu den klassischen trigemino-autonomen Kopfschmerzerkrankungen erforderlich ist.

Den TAKs ähnlich ist das attackenartige Auftreten der Schmerzen, die oftmals auch einen der CPH oder der HC ähnlichen Schmerzcharakter besitzen, außerdem die zirkadianen Eigenschaften dieses Kopfschmerzes in Form von streng nächtlichem Auftreten der Attacken, oftmals zu einer bestimmten Uhrzeit oder aus den REM-Schlafphasen heraus [101, 102]. Unterschiedlich ist dagegen das bereits erwähnte Fehlen autonomer Symptome, die mittlere Intensität und die häufig bifrontale Lokalisation der Schmerzen. Die Dauer der Episoden liegt bei 30–120 min [101]. Auch das sichere Ansprechen auf Indometacin findet sich beim hypnischen Kopfschmerz nicht. Aus all diesen Gründen wird der hypnische Kopfschmerz in der neuen IHS-Klassifikation [2] unter der Gruppe 4: „andere primäre Kopfschmerzen“ geführt.

Epidemiologie

Eine erste Beschreibung dieses Syndroms erfolgte 1988. Das Verhältnis Frauen zu Männern schätzt man auf 1,8:1. Auffallend ist, dass im Gegensatz zu den meisten TAKs, bei denen die Inzidenz vor allem zwischen dem 30. und 40. Lebensjahr am größten ist, beim hypnischen Kopfschmerz vor allem ältere Menschen betroffen sind (40–70 Jahre). Inwieweit verminderter Sauerstoffpartialdruck eine Rolle in der Pathophysiologie spielt, ist nicht geklärt. Insgesamt ist diese Kopfschmerzform zu selten, um bislang Patienten in größeren kontrollierten Studien zu untersuchen.

Therapie

Als wirksam und hoch spezifisch hat sich das Trinken von Kaffee erwiesen [103]. Medikamentös ist die Gabe von Lithium oder Verapamil Mittel der 1. Wahl. Kontrollierte Studien existieren nicht. Indometacin ist nur bei 20–30% der Patienten wirksam.

  • Kaffee: in der akuten Schmerzattacke 1 oder 2 Tassen in der Regel ausreichend, evtl. prophylaktischer Effekt spät abends vor dem Zubettgehen.

  • Lithium in retardierter Form zur Nacht.

Therapie der 2. Wahl:

  • Verapamil (Isoptin®): häufig bereits 40–80 mg als Einmaldosis hilfreich, sonst bis 3-mal 80 mg täglich,

  • Indomethacin 50–150 mg/Tag.

Primär stechende Kopfschmerzen (IHS 4.1)

Klinik

Ebenfalls abzugrenzen von den trigemino-autonomen Kopfschmerzen, jedoch differenzialdiagnostisch wichtig sind die primär stechenden Kopfschmerzen („idiopathic stabbing headaches“). Bei dieser eigenständigen Gruppe, die früher auch „flüchtig stechender Kopfschmerz“ genannt wurde, handelt es sich um paroxysmal auftretende, nur wenige Sekundenbruchteile bis Sekunden andauernde Schmerzattacken, die einzeln oder in Serien auftreten und umschriebene Areale am Kopf betreffen, häufig nicht größer als eine Cent- oder 2-Euro-Münze. Vorzugsweise liegen sie im Versorgungsgebiet des 1. Trigeminusastes (frontal, orbital, parietal, temporal). Der Schmerzcharakter wird als stechend („stabbing“) und mit Bezug zur Intensität als leicht bis mittelgradig beschrieben. Er tritt 1-mal/Jahr bis 100-mal/Tag auf und wiederholt sich in unregelmäßigen Zeitabständen. Einzelne Schmerzattacken dauern Sekunden bis wenige Minuten. Gehäuft treten diese Schmerzen bei Patienten mit einem zugrunde liegenden primären Kopfschmerzsyndrom wie der Migräne, dem Cluster-Kopfschmerz und Spannungskopfschmerzen spontan auf oder sind triggerbar (kaltes Eis/Getränke). Unter diese Kopfschmerzform werden das häufige „Jabs and Jolts Syndrom“ (randomisiert auftretende, räumlich eng begrenzte, stechende Kopfschmerzen), die „Icepick-like pains“ (auch auslösbar durch Kälte) und die „Ophthalmodynie“ (Sekunden andauernde, lanzierende Schmerzen im Augenwinkel) subsummiert. Definitionsgemäß treten die Schmerzen ohne fassbare organische Grunderkrankung spontan auf. Autonome Begleitsymptome fehlen meist. Aufgrund der neuralgiformen Schmerzkomponente ist es nahe liegend, pathophysiologisch von paroxysmalen neuronalen Entladungen auszugehen. Die Ätiologie dieser Entladungen ist jedoch nicht klar. Bei hoher und beeinträchtigender Attackenzahl kann bei allen primär stechenden Kopfschmerzen Indometacin mit zum Teil ausgezeichnetem Erfolg eingesetzt werden.

Epidmiologie

Der Kopfschmerz wird häufig bei Patienten mit einem schon präexistenten Kopfschmerz wie Migräne, Spannungskopfschmerz oder Cluster diagnostiziert. Hier liegt die Prävalenz bei ca. 2%, wobei eine neuere Studie sogar von bis zu 35% ausgeht [104, 105]. Da jedoch das alleinige Auftreten idiopathisch stechender Kopfschmerzen in der Regel keinen größeren Leidensdruck verursacht, dürfte die wirkliche Prävalenz weit höher liegen. Das Geschlechterverhältnis ist in etwa ausgeglichen. Betroffen sind Menschen jeden Alters.

Therapie

In der Regel ist dieser Art von Kopfschmerz nicht behandlungsbedürftig. Bei hoher Attackenfrequenz und starker Intensität der Schmerzen mit Beeinträchtigung im beruflichen oder privaten Leben ist die Gabe von Indometacin (Indometacin AL50®) indiziert. Meist sind 2-mal 25 mg bis 2-mal 50 mg täglich ausreichend, evtl. Magenschutz. Geklärt werden muss noch, ob möglicherweise Melantonin eine wirksame Alternative darstellt [106].