Hintergrund und Fragestellung

Die epidurale Rückenmarkstimulation („spinal cord stimulation“, SCS) wird seit über 30 Jahren bei einer Reihe von definierten Krankheitsbildern, z. B. radikulären Schmerzen der oberen und unteren Extremitäten, CRPS I und II, Vaskulopathien etc., zur Schmerzreduktion eingesetzt [8, 14, 19]. Die neurophysiologische Wirkungsweise der Hinterstrangstimulation auf spinaler Ebene mit Anstieg von lokalen Neurotransmittern, z. B. GABA, Serotonin, Glycin etc., ist weitgehend geklärt [1, 14, 15, 18, 19]. Obwohl supraspinale Mechanismen postuliert wurden, sind die Effekte der SCS bei der zerebralen Schmerzverarbeitung bislang noch unbekannt [3, 14, 19]. In dieser prospektiven Studie sollte überprüft werden, ob sich die BOLD- (blood-oxygenation-level-dependent-)Aktivität in den aus der Literatur [2, 3, 5] bekannten schmerzassoziierten Hirngebieten bei fMRT-Verlaufsuntersuchungen vor und nach einstündiger therapeutischer SCS mit Schmerzreduktion ändern.

Studiendesign und Untersuchungsmethoden

Sicherheitsstudie

Die Messung von Patienten mit implantierten Schrittmachern im MR-Scanner wird derzeit kontrovers diskutiert, und elektronische Implantate stellen bislang eine Kontraindikation für diese Untersuchungsmethode dar. Deshalb wurde vor Durchführung der Untersuchungen an Patienten eine Sicherheitsstudie zum Nachweis der Unbedenklichkeit der Messungen bzgl. des implantierten Elektrodenmaterials (Medtronic Pisces Z Quad, Model 3890–28 cm, Medtronic, Minneapolis MN, USA) und Externalisierungskabels durchgeführt. Ein Sicherheitsrisiko mit Erwärmung der Elektrode und Bildung von Induktionsspannungen bei implantierten Elektroden in einem Phantom im Isocenter des Magnetfeldes konnte unter Berücksichtigung der Lage der Elektrodenverbindungen und Ausleiten des Verbindungskabels aus dem 1,5-Tesla-MR-Scanner ausgeschlossen werden [8]. Der Impulsgeber zur Stimulation wurde außerhalb der MRT-Kabine bedient.

Patienten

Bei 3 Patienten (männlich; 55, 47, 58 Jahre alt) bestand seit 3–12 Jahren ein chronisches Schmerzsyndrom mit Schmerzen im Bereich der Lendenwirbelsäule sowie unilateralen neuropathischen radikulären Schmerzen im Bereich der linken unteren Extremität im Sinne eines Postnukleotomie-Syndroms. Alle Patienten waren wegen eines lumbalen Bandscheibenvorfalls operiert worden. Die operierte Höhe war in 2 Fällen zwischen dem 5. Lendenwirbelkörper und dem 1. Sakralwirbel (LWK5/SWK1) und bei einem Patienten in Höhe LWK 4/5. Bei einem Patienten wurde 6 Jahre nach der Bandscheibenoperation zusätzlich eine Spondylodese von LWK3 bis SWK1 durchgeführt. Bei 2 Patienten entwickelte sich das Schmerzsyndrom im unmittelbaren Anschluss nach der Operation. Der ausstrahlende Schmerz in das Bein war in einer Relation von 70:30 in Bezug zur Lumbago führend. Bei einem Patienten kam es 6 Jahre nach der Bandscheibenoperation zu einer stetigen Verschlechterung der Rücken-Bein-Schmerzen mit schließlich Arbeitsunfähigkeit. Eine kausal zu behandelnde Ursache der Beschwerden im Sinne eines Rezidivbandscheibenvorfalls oder einer Spinalkanalstenose wurde mittels Magnetresonanz- und Computertomographie, in einem Fall durch lumbale Myelographie und Postmyelocomputertomographie ausgeschlossen.

Bei allen Patienten konnte mit Hilfe der Quantitativ Sensorischen Testung ein radikuläres Defizit mit taktiler Hypästhesie und Thermhypästhesie im S1- bzw. L5-Dermatom der betroffenen Seite nachgewiesen werden. Eine taktile oder mechanische Allodynie fand sich nicht. Ein höhergradiges motorisches Defizit mit Paresen war nicht vorhanden, allerdings zeigte sich bei 2 Patienten ein erloschener Achillessehnenreflex auf der betroffenen Seite.

Alle Patienten waren interdisziplinär in einem Schmerzzentrum erfolglos medikamentös entsprechend dem Stufenschema der WHO und mit Koanalgetika sowie physikalischen und psychotherapeutischen Maßnahmen therapiert worden.

Die Schmerzstärke wurde mit Hilfe der Visuellen Analogskala (VAS) dokumentiert und variierte vor der Intervention zwischen 4 und 8.

Das Studiendesign und der Ablauf der Patientenuntersuchungen wurden von der lokalen Ethikkommission geprüft und bewilligt. Alle Patienten erhielten vor der Untersuchung ausführliche schriftliche und mündliche Informationen über den Studien- und fMRT-Ablauf und ein schriftliches Einverständnis wurde eingeholt.

Untersuchungsdesign

Nach Implantation der epiduralen Stimulationselektroden in Lokalanästhesie erfolgte eine einwöchige Testphase mit externalisiertem Impulsgeber zur Überprüfung der Wirksamkeit. Zwei funktionelle magnetresonanztomographische Messungen (1,5-Tesla-Symphony, Fa. Siemens, Erlangen) wurden im Blockdesign mit standardisierten Paradigmen durchgeführt. Die Anwendung der Hinterstrangstimulation führt zu einer Aktivierung von somatosensiblen diskriminativen Leitungsbahnen mit Weiterleitung der elektrischen Erregung bis in kortikale Strukturen. Dies ist sowohl durch eine unterschwellige, d. h. klinisch und therapeutisch nicht wirksame SCS, als auch durch überschwellige Stimulationsintensitäten mit Evozierung von Kribbelparästhesien möglich. Am Tag der fMRT-Untersuchungen wurde keine Teststimulation durchgeführt. Daher bestand bei den Patienten vor der 1. Messung ein deutliches Schmerzempfinden mit hohen VAS-Werten.

Anschließend an die 1. fMRT wurde eine 60-minütige therapeutische SCS-Stimulation durchgeführt, sodass zum Zeitpunkt der 2. fMRT eine Vorstimulation mit subjektiver Schmerzreduktion bestand, die mit der VAS-Skala dokumentiert wurde. Beide fMRT-Messungen verliefen standardisiert mit den gleichen Stimulationsparametern im Blockdesign. Jede Messung beinhaltete 6 Kontrollphasen (keine Stimulation), die mit 5 Stimulationsphasen (überschwellige SCS) gleicher Dauer (jeweils 30 s) alternierten (Abb. 1 und 2). Bei allen überschwelligen Stimulationen wurden von den Patienten identische, unilateral angenehme Kribbelparästhesien im Schmerzareal empfunden. Eine Schmerzhaftigkeit der Stimulation wurde verneint.

Abb. 1
figure 1

Darstellung des standardisierten Blockdesigns der fMRT-Messung: alternierend werden 6 Zyklen ohne mit 5 Zyklen überschwelliger Stimulation durchgeführt. Die Zeitdauer beträgt für alle Zyklen 30 s

Abb. 2
figure 2

Darstellung der Untersuchungshypothese. Zwischen 2 fMRT-Messungen wird eine 60-minütige, therapeutische Stimulationsphase durchgeführt. Die erwartete Schmerzminderung (VAS-Reduktion) ist im zeitlichen Verlauf dargestellt

Alle fMRT-Messungen erfolgten in Rückenlage mit einer Schaumfixation des Kopfes in der Sende-Empfangs-Spule zur Reduktion von Bewegungsartefakten. Die SCS-Elektrode wurde über einen außerhalb des Körpers befindlichen Steckkontakt an das Stimulationskabel angeschlossen, das nach Empfehlungen der Sicherheitsstudie entlang der Z-Achse des Scanners über eine Kabelschleuse bis in den Kontrollraum verlegt und dort mit dem Impulsgeber verbunden wurde. Zur Messung der SCS-assoziierten Hirnaktivierung wurde die fMRT in Blood-oxygenation-level-dependent- (BOLD-) Technik mit einer Gradientenecho-Planar-Imaging-Sequenz (GR-EPI, TR 3 s, TE 65 ms, FOV 256×256 mm, Matrix 128×128 Voxel, flip angle 90°) über das gesamte Hirnvolumen (22 kontinuierliche axiale Schichten, Schichtdicke 5 mm, Schichtabstand 1 mm) durchgeführt. Zur Überlagerung der funktionellen auf anatomische Bilddaten wurde zusätzlich ein T1-gewichteter 3D-Datensatz (RF-spoiled FLASH-Sequenz, TR 30 ms, TE 4,4 ms, 120 sagittale Schichtführung, Schichtdicke 1,5 mm) in identischer Kopfposition akquiriert.

Datenauswertung

Die Auswertung der fMRT-Daten und die Überlagerung der funktionellen Bilder auf den anatomischen 3D-Datensatz erfolgten mit der kommerziellen Software, BrainVoyager QX® (BrainInnovation B.V., Maastricht, Niederlande). Alle funktionellen Daten wurden standardisiert vorverarbeitet. Hierbei wurden lineare Trends, hochfrequente Fluktuationen und Bewegungsartefakte korrigiert. Zur Berechnung der Aktivierungen wurde eine für die physiologische hämodynamische Latenz korrigierte Referenzfunktion (hrf) verwendet. Die Analyse der funktionellen Aktivierungsmuster erfolgte für jeden Datensatz getrennt nach einem standardisierten, hierarchischen Auswertungsschema durch kontinuierliches Absenken der Korrelationsschwelle.

Zunächst wurde der Schwellwert so hoch gewählt, dass keine funktionellen Aktivierungen mehr angezeigt wurden. Mit sinkendem Schwellwert wurde zuerst der Cluster in der gesamten Aktivierungskarte sichtbar, dessen BOLD-Signal die beste Korrelation zur hrf aufwies. Wegen der gut definierten und relativ geringen Größe der Cluster (36 Voxel) konnten die anatomischen Korrelate des Aktivierungsschwerpunkts , die euklidischen Koordinaten und die BOLD-Signalcharakteristik genau bestimmt werden. Mit weiterer Reduktion der Korrelationsschwelle wurden funktionelle Aktivierungen in anderen Arealen angezeigt, die jeweils schlechter als die bereits dargestellten Areale korrelierten. Hieraus ergab sich eine hierarchische Ordnung aller funktionellen Aktivierungen für die jeweilige fMRT-Messung nach der Güte der Korrelation der gemessenen BOLD-Signale. Um schwache Aktivierungen definiert gegen Rauschen abzugrenzen, wurde als unterer Schwellwert mindestens eine Korrelation von r >0,25 bei einem Signifikanzniveau von p <0,01 (korrigierter Wert, Bonferroni-Korrektur) gefordert. Änderungen der relativen BOLD-Signalstärke von dS >6% sind bei 1,5 Tesla physiologisch kaum zu erwarten und wären dann als Artefakte gewertet worden. So hohe BOLD-Signaländerungen wurden aber in keinem Datensatz gefunden. Das anatomische Korrelat der verschiedenen Schwerpunkte der BOLD-Cluster wurde in der axialen, koronaren und sagittalen Ebene bestimmt.

Ergebnisse

Klinisch

Die Anlage der epiduralen Stäbchenelektroden (Modell Pisces Z Quad, 3890–28 cm, Medtronic, Minneapolis, USA) wurde in Lokalanästhesie und Seitenlage des Patienten unter Zuhilfenahme einer Röntgendurchleuchtung durchgeführt. Intraoperativ sowie am 1. postoperativen Tag wurde die Lage der Elektroden mittels konventionellem a.p.- und seitlichem Röntgen dokumentiert. Die Lage der Elektrodenspitze projizierte sich etwa auf Höhe des 10. Brustwirbelkörpers. Bei allen Patienten konnte eine ausreichende Abdeckung des Schmerzareals an der unteren Extremität mittels der evozierten Kribbelparästhesien der SCS erreicht werden. In keinem Fall wurden die stimulationsbedingten Parästhesien als unangenehm oder schmerzhaft empfunden. Die verwendeten Stimulationsparameter waren 210 μs Impulsbreite und eine Stimulationsfrequenz von 70 Hz. Die Impulsintensität war mit 2–5 Volt überschwellig und die Patienten berichteten über Kribbelparästhesien im Schmerzareal. Zur unterschwelligen Stimulation wurde die Impulsintensität halbiert; daraufhin wurde von den Patienten kein klinischer Effekt im Sinne von Parästhesien oder einer Schmerzreduktion angegeben. Betont werden muss hier nochmals, dass die SCS nicht zu einer Veränderung der Sensitivität bei akuter Schmerzreizung führt und nur die überschwellige Dauerstimulation einen schmerzlindernden Effekt hervorruft [9, 19].

Die Testphase mit externalisierten Verbindungskabeln wurde am 1. postoperativen Tag begonnen und der Effekt auf die Schmerzreduktion anhand der VAS vom Pflegepersonal dokumentiert. Die Schmerzlinderung äußerte sich bei allen 3 Patienten in einer VAS-Reduktion um >50% und lag unter therapeutischer Stimulation bei 0–4 auf der VAS. Mit Hilfe der verschiedenen Elektrodenkombinationen der vierpoligen Elektrode wurde die beste Stimulationswirkung erfasst. Eine Placebostimulation oder Doppelblinduntersuchung konnte aufgrund der überschwelligen Stimulationsweise mit angenehmen Kribbelparästhesien nicht durchgeführt werden.

Bei allen Patienten wurde die Testphase positiv abgeschlossen, d. h. es kam zu einer subjektiven Schmerzreduktion durch die SCS mit einer VAS-Reduktion von ≥50%. Die jeweiligen VAS-Werte vor der 1. und 2. fMRT-Messung sind in Tabelle 1 wiedergegeben. In einer 2. Operation wurde den Patienten der Impulsgeber (Modell Itrel 3 oder Synergy, Medtronic, Minneapolis MN, USA) abdominell subkutan implantiert.

Tabelle 1 Darstellung des Patientenkollektivs mit Angabe der VAS vor der 1. und 2. fMRT-Untersuchung

fMRT

Die Ergebnisse der fMRT-Messungen sind Tabelle 2 zu entnehmen. Eine SCS mit überschwelliger Stimulationsintensität führte in 5 von 6 Messungen zu einer Aktivierung des ipsi- und/oder kontralateralen SI-Areals. Bei einer probatorisch durchgeführten unterschwelligen Stimulation ohne Evozierung klinischer Parästhesien und einer für den Patienten identischen Untersuchung konnte ebenso eine Aktivierung in SI nachgewiesen werden, diese war jedoch im Vergleich zur überschwelligen Stimulationsintensität deutlich geringer. In der 1. fMRT konnte eine Aktivierung in SI bei 2 der 3 Patienten bilateral dargestellt werden. Eine Aktivitätsminderung in SI durch die SCS-bedingte Schmerzreduktion konnte im 2. fMRT nicht nachgewiesen werden. In Bezug auf die Darstellung von SII zeigte sich in der 1. fMRT nur bei einem Patienten kontralateral zur Schmerzseite eine Aktivierung. Bei der 2. fMRT stellte sich bei diesem Patienten SII bilateral dar (Patient 1), bei einem weiteren Patienten nur kontralateral zur Schmerzseite (Patient 2). In der Ausgangsmessung wurde mit der fMRT bei klinisch erhöhtem Schmerzempfinden (VAS-Werte zwischen 6–8, Tabelle 1) im linken Thalamus, beidseits in der Insel, im Gyrus cinguli, primären und sekundären somatosensiblen Kortex sowie in präfrontalen Hirnregionen eine SCS-assoziierte BOLD-Aktivierung gemessen. Die linke Hemisphäre, ipsilateral zur Stimulationselektrode, wurde dabei im Vergleich zur Gegenseite stärker aktiviert. Nach einstündiger therapeutischer SCS kam es in der Wiederholungsmessung zu einer Reduktion der beiden Messparameter „r“ (maximale Korrelation der gemessenen BOLD-Signale zur hämodynamischen Referenz) und „dS“ (maximale relative BOLD-Signaländerung in %) im Bereich der ipsilateralen Insel (2 von 3 Patienten), Cingulum beidseits, Thalamus und präfrontalen Kortex kontralateral (alle Patienten) im Vergleich zur Ausgangsmessung. Eine Reduktion der Aktivierung im 2. fMRT wurde für SI nur bei einem Patienten (Patient 3), für SII bei keinem Patienten festgestellt.

Tabelle 2 Darstellung der fMRT-Messwerte der 3 Patienten in Bezug auf die untersuchten Areale Gyrus cinguli, Insel, Thalamus, SI und SII sowie präfrontaler Kortex

Dieser Abfall der funktionellen Aktivierung wurde durch eine Reduktion des Schmerzempfindens auf VAS-Werte von 3–5 begleitet. Untersuchungs- oder stimulationsbedingte Nebenwirkungen oder Komplikationen während der fMRT wurden nicht beobachtet. Der Verlauf der BOLD-Signalcharakteristik zwischen Ausgangs- und Wiederholungsmessung nach einstündiger SCS ist in Abb. 3 beispielhaft (Patient 3) dargestellt.

Abb. 3
figure 3

Darstellung der Hirnaktivierung bei aktiver SCS (Patient 3) im Gyrus cinguli, Thalamus, präfrontalen Kortex (kontralateral zur Schmerz- und Stimulationsseite) und SI (ipsilateral zur Schmerz- und Stimulationsseite). Auf der linken Seite die 1. fMRT-Messung bei erhöhtem Schmerzempfinden (VAS 6), rechts beim 2. fMRT nach einstündiger Vorstimulation mit Reduktion des Schmerzempfindens (VAS 4; statistischer Threshold p <0,01)

Diskussion

Bei der 1. fMRT mit Schmerzen und hoher VAS erzeugte die Rückenmarkstimulation eine Aktivierung in schmerzverarbeitenden und somatosensiblen zentralen Strukturen, nämlich im Gyrus cinguli, in der Insel, im Thalamus, Gyrus postcentralis und teilweise auch in SII. Nach therapeutischer Schmerzreduktion durch eine einstündige SCS (Reduktion des Schmerzempfindens auf der VAS) fand sich gleichsinnig hierzu eine Reduktion der BOLD-Aktivierung in der 2. fMRT-Messung, nämlich im kontralateralen Thalamus, im Gyrus cinguli (2 von 3 Patienten), im präfrontalen Kortex, in der ipsilateralen Insel, bei einem Patienten auch im primären somatosensiblen Kortex. Diese Änderung der BOLD-Aktivierung in Hirngebieten, die bekanntermaßen an der Verarbeitung akuter Schmerzreize beteiligt sind, wahrscheinlich induziert durch die therapeutische SCS, kann daher als Hinweis auf die Beteiligung dieser Areale auch bei der zentralen Verarbeitung chronischer Schmerzen interpretiert werden. Diesen Arealen könnte daher neben einer aktivierenden Rolle bei Akutschmerzen möglicherweise auch eine integrierende (hemmende und/oder erregende) Rolle bei der Verarbeitung chronischer Schmerzen zukommen. Die Aktivierung in SI (und SII) spiegelt den mit der SCS einhergehenden somatosensiblen Input wieder, der klinisch auch mit Kribbelparästhesien imponiert [2, 5, 6]. Ob und wie die somatosensible und schmerzassoziierte Hirnaktivierung funktionell bei der Verarbeitung chronischer Schmerzreize zusammenhängen, konnte in dieser Studie nicht geklärt werden. Die Reproduzierbarkeit bei der Anwendung eines seriellen Stimulationsparadigmas im Blockdesign konnte durch Ibinson et al. [10] mittels schmerzhafter elektrischer Medianusstimulation dargestellt werden. Durch eine Ruheperiode von 4 min zwischen 2 Messungen konnte ein Gewöhnungseffekt vermieden und eine ausreichende Signalreproduktion beobachtet werden.

In Übereinstimmung mit den Ergebnissen anderer Studien wird eine Beteiligung sowohl bei der somatosensorischen Rezeption als auch der Schmerzverarbeitung postuliert [2, 4, 6], da die Aktivierungskoinzidenz bei SCS eindeutig ist. Die Bedeutung von SI und SII bei der Wahrnehmung und Verarbeitung, sowohl bei sensiblen Empfindungen und Schmerzen, wurde durch den Vergleich schmerzhafter und nichtschmerzhafter Reize und ihre zeitliche Abfolge durch Chen et al. [2] dargelegt. Eine Aktivierung durch schmerzhafte Reize (Hitze) erfolgte sowohl in SI als auch in SII später als die Aktivierung durch mechanische nichtschmerzhafte Reize. Das Blockdesign in der vorliegenden Studie war jedoch nicht geeignet, um eine zeitliche Trennung von SCS-assoziierter SI-, SII- und schmerzassoziierter Aktivierung zu unterscheiden.

Eine Aktivierung schmerzverarbeitender Areale (Gyrus cinguli, Insel) bei rein somatosensibler, nichtschmerzhafter Stimulation, ist nicht zu erwarten [3, 4, 5]. Bislang ist nur eine Publikationen zur funktionellen Bildgebung und SCS veröffentlicht [11]. Kiriakopoulis et al. [11] berichteten 1997 über 3 Patienten mit chronisch neuropathischen Schmerzen der unteren Extremität und erfolgreicher SCS. Bei diesen Patienten wurde ein fMRT mit überschwelliger vs. ausgeschalteter Stimulation durchgeführt. Es konnte eine Aktivierung in SI, SII (2 Patienten kontralateral, ein Patient beidseitig) und einmal im Gyrus cinguli beidseitig beobachtet werden. Allerdings wurden in dieser Arbeit keine Angaben über die Schmerzintensität oder die Dauer der Vorstimulation vor der fMRT-Messung gemacht. Eine 2. fMRT-Messung zur Dokumentation von Änderungen im Verlauf erfolgte nicht. Im Vergleich der Ergebnisse mit der vorliegenden Untersuchung können nur die Aktivierungen im Gyrus cinguli bei einem Teil der Patienten reproduziert werden. Die Aktivierungen in SI und SII können bei fehlenden Angaben zu Stimulationsintensität und teilweise beidseitig empfundenen evozierten Parästhesien ein direktes kortikales Korrelat der Hinterstrangstimulation sein.

Einige wenige Arbeiten stellen den Nutzen von fMRT und PET bei Neuromodulation durch Tiefenhirnstimulation (DBS) im somatosensorischen Thalamus dar [12, 16, 17, 19]. Rezai et al. [17] fanden DBS-assoziierte Aktivierungen im ipsilateralen Thalamus, der Insel und in SI und SII beidseitig. Mit Hilfe von PET-Untersuchungen bei einem Patienten mit chronisch neuropathischem Gesichtsschmerz zeigten Kupers et al. [12] unter aktiver DBS ipsilaterale Aktivierungen im Thalamus und der Insel. Sowohl Rezai et al. als auch Kupers et al. fanden keine Aktivierung im Bereich des Gyrus cinguli.

Soweit die unterschiedlichen Methoden und Patientengruppen vergleichbar erscheinen, konnten auch mit der vorliegenden fMRT-Studie bei 3 Patienten assoziierte Aktivierungen z. T. im Gyrus cinguli, Thalamus, Insel, präfrontalen Kortex, SI und SII dargestellt werden. Auch bei der DBS im somatosensorischen Thalamus kann es bei unter- oder auch überschwelliger Stimulation zu einer Aktivierung in SI und SII kommen. Sowohl bei der SCS als auch bei der DBS ist aber nicht von einem akuten klinischen und therapeutischen Effekt der Stimulation auf die Schmerzreduktion auszugehen, sodass ohne die Durchführung longitudinaler Verlaufsmessungen die Aussagekraft eingeschränkt bleiben muss. Aus diesem Grunde führten wir in der vorliegenden Studie eine 2. fMRT-Messung durch, um eine Wiederholungsmessung nach therapeutischer Neuromodulation mit identischen Parametern zur Vergleichsbeurteilung vorzulegen. Hier konnte ein niedrigerer Aktivierungslevel im kontralateralen Thalamus, Gyrus cinguli (2 von 3 Patienten), präfrontalen Kortex, im Bereich der ipsilateralen Insel und teilweise auch in SI im 2. fMRT nachgewiesen werden.

Die vorliegenden ersten Ergebnisse von fMRT-Messungen bei aktiver SCS und Patienten mit chronisch neuropathischen Schmerzen zeigen, dass die Darstellung SCS-assoziierter Hirnaktivierung unter verschiedenen therapeutischen Bedingungen möglich ist. Weitere Untersuchungen an einer größeren Patientengruppe müssen zeigen, inwieweit die beschriebene Methode geeignet ist, SCS-assoziierte Hirnaktivierung zuverlässig zu messen und ob die SCS-abhängige fMRT Rückschlüsse auf das therapeutische Ansprechen erlaubt. Die Darstellung von BOLD-Aktivierung in schmerzverarbeitenden Hirngebieten ist mit der fMRT gefahrlos möglich. Hieraus könnten sich neue diagnostische Möglichkeiten zur objektiven Beurteilung von SCS-Wirkungen ergeben.

Fazit für die Praxis

Die epidurale Rückenmarkstimulation ist eine Behandlungsalternative bei chronischen, medikamentös nicht ausreichend behandelbaren, radikulären Schmerzen. Die SCS kann gefahrlos zur Stimulation in der fMRT bei 1,5 Tesla verwendet werden und ermöglicht damit die Untersuchung SCS-assoziierter Hirnaktivierung in somatosensiblen und schmerzverarbeitenden Hirngebieten. Nach vorläufigen Ergebnissen bei 3 Patienten scheint die Messung des therapeutischen Effekts der SCS auf die Hirnaktivierung mit der fMRT möglich: Mit 2 aufeinander folgenden fMRT-Untersuchungen bei verschiedenen Schmerzintensitäten konnte eine unmittelbare Beeinflussung der Aktivierung im Gyrus cinguli, Thalamus und präfrontalen Kortex durch eine therapeutische Rückenmarkstimulation nachgewiesen werden.