Das vorliegende Manuskript wurde im Rahmen der medizinischen Dissertation von Wolfgang Strube [26] erstellt.

Die Integration gesundheitsethischer Handlungsweisen in die berufliche Praxis stellt in allen europäischen Ländern einen wachsenden Bestandteil pflegerischer Tätigkeit dar [1, 7, 15, 17]. In allen Bereichen medizinischer Versorgung werden Behandlungsteams zunehmend mit ethischen Herausforderungen und Entscheidungen konfrontiert [13, 18, 23]. Neben der Umsetzung fachlicher Kompetenzen ist der Umgang mit Fragen der Gestaltung der Beziehung zum Patienten ein zentraler Bestandteil der Pflegearbeit. Um diesen gesundheitsethischen Anforderungen gerecht zu werden, benötigen daher Gesundheits- und Krankenpflegende über ihr fachliches Wissen hinaus gesundheitsethische und rechtliche Kenntnisse [7, 17, 29]. Die Ausbildung von Diskursfähigkeit und die Fähigkeit zur Reflexion ethischer Positionen ist daneben ein bedeutsames Ziel der Pflegeausbildung. Der Berufsausbildung zu Gesundheits- und Krankenpflegenden kommt damit die Aufgabe zu, gesundheitsethische Kenntnisse zu vermitteln sowie Urteilsfähigkeit, Diskursfähigkeit und die Fähigkeit zur Reflexion ethischer Positionen zu fördern [4, 16, 23]. So kann die Entwicklung einer gesundheitsethischen Handlungs- und Entscheidungskompetenz ermöglicht werden, die Pflegende dazu befähigt, pflegerisches und gesundheitsethisches Handeln erfolgreich zu verbinden [6, 9, 17, 30]. Wenngleich die Lehrinhalte innerhalb des Faches Gesundheitsethik weitgehend festgelegt sind, unterscheiden sich die verschiedenen Ausbildungsstandorte in Deutschland hinsichtlich ihrer Ausbildungsangebote mitunter voneinander. Dabei sind Unterschiede im quantitativen und zeitlichen Ausmaß sowie in der Art der Lehrveranstaltungen zu konstatieren: Gesundheitsethik wird an einigen Standorten in Form von interaktiven Seminaren oder als langfristiges ausbildungsbegleitendes Curriculum unterrichtet, andernorts allein in Form einer Plenarvorlesung ([17], S. 236). Eine vergleichende Evaluation der unterschiedlichen Unterrichtskonzepte mithilfe empirischer Daten war bislang nicht Gegenstand von Forschungsbemühungen in Deutschland. Die vorliegende Untersuchung ist Teil einer empirischen Panel-Studie, mit der seit Oktober 2010 die Entwicklung ethischer Positionen und gesundheitsethischer Kenntnisse im Verlauf der Ausbildung zu Gesundheits- und Krankenpflegenden und im Medizinstudium untersucht wird. Ziel ist dabei die Sichtbarmachung der Auswirkung verschiedener Curricula auf den gesundheitsethischen Wissensstand der Studienteilnehmenden.

Methoden

Für die Untersuchung der Fragestellung wurde in Zusammenarbeit mit dem Institut für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie der Ludwig-Maximilians-Universität München ein Fragebogen zur Durchführung mehrerer Querschnittsuntersuchungen entwickelt und eine Panel-Studie als Studiendesign festgelegt. Dieses Studiendesign ist im besonderen Maße dazu geeignet, erste empirische Daten zu sammeln und hierdurch neue Hypothesen zu generieren. In Intervallen von jeweils einem Jahr sollten Datenerhebungen durchgeführt werden. Für die Untersuchung konnten zwei Kooperationspartner gewonnen werden; die Charité Gesundheitsakademie in Berlin und die Berufsfachschulen für Krankenpflege und Kinderkrankenpflege in Fürth. An diesen zwei Ausbildungsstandorten wurden von August 2010 bis März 2011 erste Daten von Auszubildenden im Bereich Gesundheits- und Krankenpflege (nBerlin = 176; nFürth = 96) erhoben. Die Datenerhebung wurde mittels eines strukturierten Fragebogens durchgeführt, der auf validierten Messinstrumenten, die in vergleichbaren Befragungsstudien verwendet wurden, basierte [11, 12, 14, 19, 22, 23, 27]. Alle Frageitems wurden von den Studienteilnehmenden anhand einer 5-stufigen Likert-Skala zustimmend oder ablehnend bewertet. Der Fragebogen gliederte sich in drei Teilabschnitte. Der erste Abschnitt beschäftigte sich mit den ethischen Positionen der Studienteilnehmenden hinsichtlich bestimmter gesundheitsethischer Themenbereiche. Im Einzelnen waren dies: Patientenselbstbestimmung, Aufklärung und Einwilligung, Beziehungen zwischen Patienten, Ärzten, Pflegenden und Angehörigen sowie interdisziplinäre Entscheidungsfindung und Sterbebegleitung und Sterbehilfe. Als theoretische Basis für die Ausarbeitung der Frageninhalte wurden zusätzlich Veröffentlichungen und Richtlinien zu den jeweiligen Themenkomplexen herangezogen [13, 7, 8, 17, 20, 21, 28]. Der zweite Teil des Fragebogens prüfte das Ausmaß gesundheitsethischer Kenntnisse in den genannten Bereichen. Abschließend wurden biometrische Daten zur eigenen Person und Biographie erhoben. Die Befragung richtete sich an Auszubildende im 1., 2. und 3. Ausbildungsjahr; die im Fragebogen repräsentierten Themenkomplexe sind Bestandteil der Ausbildung an beiden Standorten. Die Teilnahme an der Befragung wurde allen Auszubildenden freigestellt. Alle statistischen Analysen erfolgten mit der Statistik-Software SPSS (Version 18.0). Es wurden vorwiegend deskriptive statistische Methoden verwendet (Mittelwert, Median, Interquartilabstand) und Zusammenhänge zwischen einzelnen Variablen mittels t-Tests (t) sowie Korrelationskoeffizienten nach Spearman (rs) evaluiert. Zur Berechnung statistisch signifikanter Unterschiede wurde ein Signifikanzniveau von p < 0,05 festgelegt. Da es sich bei der vorliegenden Untersuchung um die erste Querschnittserhebung der Studie handelt, wurden alle Ergebnisse allein zur Abschätzung von Trends und zur Generierung von Hypothesen herangezogen.

Ergebnisse

Anmerkung

Um eine einfachere Darstellung der Ergebnisse zu ermöglichen, sind im Folgenden die Daten der Studienteilnehmenden durch Buchstaben gekennzeichnet: „B“ steht für Daten aus Berlin, „F“ für Daten aus Fürth. Mit „µ“ sind im Folgenden die Mittelwerte und mit „M“ die Mediane bezeichnet.

Der Gesamtrücklauf betrug in Berlin 87 % (nB = 174) und in Fürth 96 % (nF = 96). Die Anzahl der Teilnehmenden war an beiden Standorten im ersten Ausbildungsjahr (nB = 69, 39,7 %; nF = 43, 44,8 %) und im zweiten Ausbildungsjahr (nB = 79, 45,4 %; nF = 31, 32,3 %) ausgeglichen und nahm im dritten Ausbildungsjahr ab (nB = 26, 14,9 %; nF = 22, 22,9 %). Die Auszubildenden am Standort Fürth hatten vor der Befragung im 1. Ausbildungsjahr 10 h, im 2. Jahr 30 h und im 3. Jahr 46 h Unterricht in Gesundheitsethik erhalten. In Berlin waren es im 1. Ausbildungsjahr 22,5 h, im 2. Jahr 45 h und im 3. Jahr 52,5 h Unterricht. An beiden Standorten war die klinisch ethische Fallarbeit zusätzlich zu Vorlesungsveranstaltungen und Seminaren Bestandteil der Ausbildung. Die weiteren erfassten biometrischen Kenndaten gibt die unten stehende tabellarische Übersicht wieder (Tab. 1):

Tab. 1: Biometrische Kenndaten und Ausmaß an Ethikunterricht vor der Befragung. Die einzelnen Jahrgangsgruppen unterschieden sich im Vergleich zur Gesamtkohorte nicht wesentlich hinsichtlich der Verteilung der biometrischen Variablen. Auf eine Darstellung der einzelnen Jahrgangsgruppen wird daher verzichtet

Ethische Positionen

Anmerkung

In der folgenden Ergebnisdarstellung sind Werte von 1 bis 5 angegeben, die den Werten der verwendeten Ratingskala von „stimme voll zu“ ( = 1) bis „stimme gar nicht zu“ ( = 5) entsprechen. Das Ankreuzen der Mitte der Bewertungsskala ( = 3) wurde als „unentschieden“ gewertet. Zudem gab es die Antwortkategorie „weiß nicht“ ( = 0), die als Leer- oder Verweigerungsantwort zur Bewertung gestellt wurde.

Patientenselbstbestimmung

Die Studienteilnehmenden an beiden Standorten (Fürth und Berlin) bewerteten in allen drei Jahrgangsstufen insgesamt alle Frageitems zustimmend, die die Wahrung der Patientenselbstbestimmung thematisierten (Item 1–4). Dagegen wurden alle Frageitems, die eine entsprechende Gegenposition einnahmen, abgelehnt (Item 5–8). Die Mehrheit der Befragten an beiden Standorten lehnte es zudem ab, Patienten bei deren Therapieentscheidungsprozessen zu beeinflussen (Item 9) und bewertete auch das Vorenthalten medizinischer Informationen ablehnend (Item 10). Eine Einschränkung dieser Befürwortung einer allgemeinen Wahrung der Patientenselbstbestimmung fand sich an beiden Standorten jeweils für die Bewertungen von zwei Frageitems, die die Entscheidungskompetenz der Patienten betrafen (Item 11–12): Die Mehrheit der Teilnehmenden im 2. und 3. Ausbildungsjahr stimmte den beiden Aussagen zu, dass Patienten eine geringe Therapieentscheidungs-Kompetenz haben. Die Teilnehmenden im 1. Jahr waren diesbezüglich unentschieden.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Studienteilnehmenden generell einen wertschätzenden Umgang mit der Patientenselbstbestimmung befürworten. Zugleich schätzen sie die Fähigkeit von Patienten, medizinisch richtige Therapieentscheidungen zu treffen, als gering ein (Tab. 2).

Tab. 2: Übersicht über die in den jeweiligen Frageitems erhobenen Daten bei den Studienteilnehmenden

Präferenzen in der Interaktion zwischen Patienten und Pflegenden

Den Studienteilnehmenden wurden drei Modelle der Patienteninteraktion zur Bewertung gestellt: (Item 13) das informative Modell, in dem den Mitgliedern des Behandlungsteams die Rolle eines Dienstleisters zukommt, (Item 14) das partizipative Modell, in dem Patient und Pflege gleichberechtigt zu einer gemeinsamen Therapieentscheidung gelangen und (Item 15) das paternalistische Modell, in dem das Behandlungsteam alle Entscheidungen für die Patienten trifft. Die Studienteilnehmenden am Standort Fürth bevorzugten das partizipative Modell. Die beiden anderen Interaktionsmodelle wurden uneinheitlich bewertet. Die Mehrzahl der Teilnehmenden am Standort Berlin bevorzugte ebenfalls das partizipative Interaktionsmodell. Im 1. und 2. Ausbildungsjahr bewerteten die Teilnehmenden am Standort Berlin die anderen beiden Modelle ebenfalls uneinheitlich. Dagegen wurden im 3. Ausbildungsjahr am Standort Berlin beide Interaktionsmodelle und vor allem das paternalistische Modell abgelehnt (Tab. 2). Über die deskriptive statistische Datenanalyse hinaus wurden die Antworten der Studienteilnehmenden auf acht zusätzliche Frageitems, die implizit das paternalistische und das partizipative Interaktionsmodell thematisierten, analysiert und die Ergebnisse in einen Summenscore mit der Zahlenwertspanne [− 16; + 16] übertragen. Basierend auf den Ergebnissen wurden drei Gruppen voneinander unterschieden: I) Teilnehmende, die eine paternalistische Patienteninteraktion bevorzugten (Score-Werte: [− 16; − 8[), II) Teilnehmende, die keine eindeutige Antworttendenz zeigten (Score-werte: [−8; + 8]) und III) Teilnehmende, die sich für ein partizipatives Interaktionsmodell aussprachen (Score-Werte: ]+ 8;  + 16]). An beiden Standorten zeigte die Mehrzahl der Studienteilnehmenden im 1. Ausbildungsjahr keine eindeutige Präferenz. Ab dem 2. Ausbildungsjahr zeichnete sich am Standort Berlin der Trend hin zu einer Befürwortung des partizipativen Interaktionsmodells ab; in Fürth veränderte sich die Verteilung dagegen kaum. Im 3. Ausbildungsjahr überwog am Standort Berlin der Anteil der Teilnehmenden in Gruppe (III), am Standort Fürth war die Anzahl der Gruppenzugehörigen in Gruppe (II) und (III) gleich groß (Tab. 2). Die Ergebnisse der Analyse sind in Abb. 1 zusammengefasst.

Abb. 1
figure 1

Darstellung der Präferenzen der Patienteninteraktion. Gruppe I  Befürwortung paternalistisches Interaktionsmodell, Gruppe II keine eindeutige Antworttendenz, Gruppe III  Befürwortung partizipatives Interaktionsmodell

In der Zusammenschau zeigte sich an beiden Standorten im Querschnitt der Jahrgangsstufen ein Trend zu einer im Verlauf wachsenden Befürwortung des partizipativen Interaktionsmodells. In Berlin war dieser Trend deutlicher ausgeprägt als in Fürth.

Sterbebegleitung und Sterbehilfe

Die Studienteilnehmenden konnten zu 11 Frageitems, die sich mit dem Themenkomplex Sterbebegleitung beschäftigten, Stellung beziehen. Die Studienteilnehmenden des 1. Ausbildungsjahres an beiden Standorten stimmten der Durchführung von passiver Sterbehilfe zu (Item 16–20) und lehnten widersprechende Frageitems ab (Item 21). Gegenüber den Items, die eine Befürwortung von aktiver Sterbehilfe thematisierten, vertraten die Befragten insgesamt eine uneindeutige Position (Item 22, 23) und hielten einen assistierten Suizid im Einzelfall für ethisch gerechtfertigt (Item 24). Im 2. Ausbildungsjahr zeigten sich sehr ähnliche Ergebnisse für die Zustimmung im Falle von passiver Sterbehilfe und die Ablehnung entgegengerichteter Positionen. Die Durchführung von aktiver Sterbehilfe wurde in Fürth für alle Items abgelehnt, in Berlin wurde eine zustimmende Position vertreten. Im 3. Ausbildungsjahr zeigte sich ebenfalls Zustimmung für die Durchführung passiver Sterbehilfe sowie Ablehnung von Gegenpositionen. In Bezug auf die Durchführung aktiver Sterbehilfe bezogen die Teilnehmenden in Fürth keine einheitliche Position und stimmten ebenfalls der Durchführung der Tötung auf Verlangen in Ausnahmefällen zu. Dagegen lehnten die Teilnehmenden in Berlin die Durchführung jeglicher Form von aktiver Sterbehilfe ab. Zusätzlich zur Bewertung von Frageitems konnten die Studienteilnehmenden Angaben darüber machen, ob sie vor der Befragung bereits mit diesen Bereichen in ihrer bisherigen praktischen Tätigkeit konfrontiert wurden. In Berlin hatten im 1. Jahr 51 %, im 2. Jahr 68 % und im 3. Jahr 58 % nach eigenen Angaben bereits Praxiserfahrung im Bereich Sterbebegleitung gesammelt. In Fürth waren es im 1. Jahr 51 %, im 2. Jahr 68 % und im 3. Jahr 86 %. Im Vergleich der Studienteilnehmenden untereinander zeigte sich ein statistisch signifikanter Unterschied für die Teilnehmenden, die bereits praktische Erfahrung mit Sterbebegleitung gemacht hatten. Diese vertraten insgesamt häufiger zustimmende Positionen bezüglich der Durchführung von Sterbebegleitung und passiver Sterbehilfe (Fürth p1. Jahr = 0,028, rs = 0,29; p2. Jahr = 0,043, rs = 0,21; p3. Jahr = 0,0012, rs = 0,43;. Berlin p1. Jahr = 0,039, rs = 0,27; p2. Jahr = 0,002, rs = 0,41; p3. Jahr = 0,061, rs = 0,15).

Zusammenfassend zeigte sich in allen Ausbildungsjahren eine Befürwortung für die Durchführung passiver Sterbehilfe. Bezüglich der ethischen Rechtfertigung von Maßnahmen aktiver Sterbehilfe zeigte sich keine einheitliche Position.

Gesundheitsethische Kenntnisse

In 2 unabhängigen Frageitems konnten die Studienteilnehmenden Angaben zu ihrem Wissensstand in den im Fragebogen thematisierten Bereichen Sterbehilfe und Patientenselbstbestimmung machen (subjektive Kenntnisse, Item 25, 26). Zusätzlich wurde anhand 6 geschlossener Frageitems der aktuelle Wissensstand der Befragten in diesen beiden Themenbereichen sichtbar gemacht (objektiver Wissensstand). Die Befragten konnten hierbei jeweils nur mit richtig oder falsch antworten. Für die Darstellung der Ergebnisse wurde erneut ein Summenscore gebildet mit einer Zahlenwertspanne von − 30 bis + 30. Die Studienteilnehmenden in Fürth bewerteten Aussagen zum jeweiligen Kenntnisstand im 1. und 2. Ausbildungsjahr für beide Themenkomplexe ablehnend. Im 3. Ausbildungsjahr wurden die Kenntnisse besser bewertet (Tab. 2). Die Selbsteinschätzung der Befragten entsprach dabei dem tatsächlichen Wissensstand in den jeweiligen Themenbereichen: Im 1. Ausbildungsjahr lag der Wert des Summenscores im Durchschnitt bei [−5] Punkten, im 2. Jahr waren es [+5] Punkte und im 3. Jahr [+12,5] Punkte. In Berlin schätzten die Studienteilnehmenden den eigenen Kenntnisstand im 1. und 2. Ausbildungsjahr vergleichsweise höher ein und auch im 3. Ausbildungsjahr gaben die Teilnehmenden an, einen hohen Kenntnisstand in beiden Themenbereichen zu besitzen (Tab. 2). Die Einschätzung der eigenen Kenntnisse entsprach dabei ebenfalls den tatsächlich vorhandenen Kenntnissen in beiden Bereichen. Die Studienteilnehmenden des 1. Ausbildungsjahres in Berlin wiesen Scorewerte von [0] auf, im 2. Jahr waren es [+ 10] Punkte und im 3. Jahr [+ 20] Punkte. Die subjektive Einschätzung der eigenen Kenntnisse sowie des objektiven Wissensstands stellte sich in der weiterführenden Datenanalyse als Einflussfaktor auf das Antwortverhalten der Studienteilnehmenden heraus. Hierfür wurden je vier Gruppen von Studienteilnehmenden für jedes Ausbildungsjahr gebildet: I) Teilnehmende mit einem geringen a) subjektiven und b) objektiven Wissensstand (a: Skalenwerte 4 und 5; b: Anzahl korrekter Antworten unterhalb des Q-25 Quantils) und II) mit einem hohen c) subjektiven und d) objektiven Wissensstand (c: Skalenwerte 1 und 2; d: Anzahl korrekter Antworten oberhalb des Q-75 Quantils). Statistisch signifikante Unterschiede zeigten sich im 2. und 3. Ausbildungsjahr. Bei höherem subjektiven Kenntnisstand nahmen die Studienteilnehmenden im 2. Ausbildungsjahr in Berlin bei 39,3 % (n 11/ nges28; pBerlin = 0,039) und in Fürth bei 46,4 % der Frageitems (n 13/ nges28; pFürth = 0,041) sowie im 3. Ausbildungsjahr in Berlin bei 71,4 % (n 20/ nges28; pBerlin = 0,016) und in Fürth bei 64,3 % der Frageitems (n 18/ nges28; pFürth = 0,027) vermehrt eindeutige, also zustimmende oder ablehnende, Bewertungen vor. In Berlin bezogen die Teilnehmenden zudem in 51,6 % der Fälle (n 15/ nges28; pBerlin = 0,018) im 3. Ausbildungsjahr signifikant häufiger extreme Positionen. Die beobachteten Antworten der Teilnehmenden, die einen geringen subjektiven Wissensstand hatten, lagen dem entgegen in einem Antwortspektrum, das keine eindeutigen Ergebnisse zeigte (Skalenwert = 3).

Diskussion

Bevor die Ergebnisse abschließend vor dem Hintergrund der eingangs dargestellten Studienziele diskutiert werden, soll zunächst erörtert werden, welchen Limitationen die Beobachtungen der Autoren unterliegen. Da es sich um Daten aus einer Querschnittsuntersuchung handelt, können die Vergleiche zwischen den einzelnen Ausbildungsjahren allein zur Ablesung von Trends herangezogen werden. Wünschenswert ist daher im Rahmen der geplanten Längsschnitterhebungen, die hier gefundenen Trends weiter zu untersuchen. Die Teilnehmerzahlen an beiden Standorten unterscheiden sich zudem voneinander. Es liegen jedoch an beiden Standorten hohe Rücklaufzahlen vor, die auf eine repräsentative Stichprobe rückschließen lassen. Mit dem vorliegenden Messinstrument zur Evaluation der gesundheitsethischen Positionen wurde zudem ausschließlich die Perspektive von Pflegeauszubildenden erfasst. Für eine umfassende Untersuchung wären ergänzende Beobachtungsverfahren notwendig, die eine Perspektive der beruflich bereits tätigen Pflege mit einbeziehen und unterschiedliche Ausbildungsformen evaluieren. Eine nicht unbedeutende Limitation für die Betrachtung der Ergebnisse ergibt sich ferner aus den Unterschieden innerhalb der Ausbildungscurricula in Deutschland, die durch die vergleichende Evaluation von nur zwei Studienstandorten nicht repräsentativ erfasst werden können. Hier sei auf Vorarbeiten verwiesen, die eine vergleichende Betrachtung von Ausbildungscurricula in Deutschland vorgelegt haben, um eine Einordnung der hier dargestellten Ergebnisse in den Fachdiskurs zu ermöglichen ([17], S. 232–239). Aufgrund der verwendeten Methode einer einmaligen Querschnittsuntersuchung mittels eines Fragebogens, kann zudem aus methodologischen Gründen keine Aussage über die Performanz der Studienteilnehmenden getroffen werden. Hierfür würde es andere Messzeitpunkte und Messinstrumente erfordern, zum Beispiel in Form von Interviews. Auch müsste eine Fremdbegutachtung eventuell in die Bewertung der Performanz der Studienteilnehmenden einbezogen werden. Hieraus ergeben sich mögliche Einschränkungen für die beobachteten Ergebnisse, die sich nicht präzise abschätzen lassen. Die gewonnenen Ergebnisse sind als valide Indikatoren von Trends für die oben genannten Zielparameter der Studie zu werten [14, 19, 27]. Ferner ist es im Rahmen einer empirischen Arbeit nicht möglich, derzeitige pädagogische und gesundheitsethische Entwicklungen gleichermaßen im Zusammenhang mit den hier gemachten Beobachtungen zu diskutieren. Dieser Umstand rührt daher, dass es sich um erste empirische Befunde in einem jungen Forschungsfeld handelt, in dem bislang vieles auf empirisch nicht gestützten Vermutungen beruht. Vor diesem Hintergrund ist eine umfassende vergleichende Betrachtung derzeit Gegenstand weiterer theoretisch fundierter Arbeiten.

Aus den vorgenommenen statistischen Vergleichen lassen sich folgende drei wesentliche Ergebnisse festhalten:

  1. 1.

    Der Grad gesundheitsethischer Kenntnisse stellt einen wichtigen Einflussfaktor auf die Positionen gegenüber gesundheitsethischen Problemen dar. Ein hoher Kenntnisstand bei den Studienteilnehmenden geht mit eindeutigen Bewertungen einher. Dies legt den Zusammenhang eines geringen Kenntnisstandes mit der Vermeidung einer Stellungnahme nicht allein im abstrakten Setting der Befragung, sondern auch im praktischen Umgang mit gesundheitsethischen Fragestellungen nahe. Diese Interpretation wird gestützt durch vergleichbare Untersuchungen, die diesen Zusammenhang belegen [25]. In diesem Zusammenhang wird ersichtlich, dass die Vermittlung gesundheitsethischen Wissens von erheblicher Bedeutung für die Ausbildung einer ethischen Kompetenz ist [46, 17, 23]. Hierbei sei jedoch darauf hingewiesen, dass für den Erwerb von Kompetenzen eine reine Wissensvermittlung nicht ausreichen kann.

  2. 2.

    An den Ergebnissen im Themenbereich Sterbebegleitung zeigt sich, dass eine praxisorientierte Auseinandersetzung mit dem Themenbereich Sterbehilfe zu einer Verbesserung der Fähigkeit von Berufseinsteigern führt, einzuschätzen, wann lebenserhaltende Maßnahmen vor dem Hintergrund der medizinischen Prognose indiziert sind und wann nicht. Dieses Ergebnis ist dahingehend zu interpretieren, dass – neben der Vermittlung von Wissen in diesem Bereich – die Vermittlung praktischer Erfahrungswerte der Gesundheitsethik notwendig ist, um den adäquaten Umgang mit Fragestellungen am Lebensende zu ermöglichen ([17], S. 28–31).

  3. 3.

    Für die befragten Pflegeauszubildenden an beiden Standorten zeigte sich im Querschnitt der Jahrgangsstufen ein allgemeiner Trend hin zu einer Befürwortung des partizipativen Interaktionsmodells sowie zu einer Förderung der Patientenselbstbestimmung. Zugleich schätzen die Studienteilnehmenden die Fähigkeiten von Patienten, kompetente Therapieentscheidungen zu treffen, als gering ein. Andere Studien bestätigen diese Annahme der Studienteilnehmenden [10, 24]. In diesem Zusammenhang weisen deren Autoren zudem darauf hin, dass Patienten erst im Austausch mit den Mitgliedern des Behandlungsteams initiale Schwierigkeiten bezüglich des eigenen Krankheitsverständnisses bewältigen und die Konsequenzen eigener therapeutischer Vorstellungen und Entscheidungen überschauen können. Die Bedeutung dieser möglichen Entwicklung wird ersichtlich, wenn die längerfristigen Auswirkungen der Interaktion auf den Gesundheitszustand der Betroffen beachtet werden. Es ist naheliegend, dass ein hohes Maß an Informiertheit über die Grunderkrankung sowie eine aktive Teilnahme an der Therapieentscheidung zu einer Verbesserung des Gesundheitszustandes von Patienten führen. Das Ergebnis unserer Studie wirft daher die Frage auf, inwieweit die Möglichkeiten einer die Selbstbestimmung fördernden Interaktion mit Patienten bislang in ausreichender Form Gegenstand des Unterrichts in Gesundheitsethik sind. Eine Klärung dieser Fragestellung bleibt derzeit Gegenstand weiterer Forschung.

Zusammenfassung

Die gewonnenen Erkenntnisse können dazu dienen, eine praxisrelevante und wissenschaftlich fundierte Wissensvermittlung zu gewährleisten. Die Ausbildung im Bereich Gesundheitsethik besitzt ein großes Potential, Kenntnisse zu vermitteln und so eine ethische Kompetenzentwicklung maßgeblich positiv zu beeinflussen. Daneben bedarf es jedoch auch praktischer Erfahrung mit Fragestellungen der Gesundheitsethik, um die situationsentsprechende Anwendung erworbenen Wissens in der klinischen Praxis zu gewährleisten. Zudem kann durch eine Intensivierung der Interaktion mit Patienten deren Partizipation am Therapieprozess und damit deren Selbstbestimmung gewahrt und befördert werden. Vor diesem Hintergrund ist – neben der Vermittlung gesundheitsethischer Kenntnisse – für die verstärkte Implementierung einer praxisnahen Auseinandersetzung mit klinisch-ethischen Fragestellungen in die Ausbildung von Pflegeauszubildenden zu plädieren.