Einleitung

Die Therapie mit einem implantierbaren Kardioverter/Defibrillator (ICD) ist leitlinienkonform das Mittel der Wahl zur Prävention des plötzlichen Herztods bei Hochrisikopatienten und ist einer pharmakologischen Behandlung in der Verhütung des plötzlichen Herztodes sowohl bei einer primär- wie sekundärprophylaktischen Indikationsstellung überlegen [7, 8]. Die Überlebensvorteile der ICD-Therapie können allerdings durch eine Reihe von unerwünschten Nebeneffekten der ICD-Therapie kompromittiert werden. Diskutiert werden schädigende Einflüssen auf die Grunderkrankung (hier insbesondere auf den myokardialen Zellstoffwechsel), aber auch aversive Auswirkungen auf die Lebensqualität und Krankheitsbewältigung in Untergruppen von Patienten [4, 6, 31]. Mit der primarpräventiven Indikationserweiterung der ICD-Implantation [9] ist überdies die Patientenpopulation mit ICDs heterogener geworden und es erhöht sich die absolute Zahl der ICD-Träger, die keinen Überlebensvorteil durch das Gerät erwarten können. Schließlich werden mit zunehmender Etablierung der ICD-Therapie in die Routineversorgung nicht nur Fragen nach dem Leben mit dem ICD, sondern auch Fragen des Sterbens mit dem ICD thematisiert werden müssen [3]. Aus der Perspektive einer begleitenden psychokardiologischen Versorgung dieser Patientengruppe ist daher im Sinne einer subjektiven Technologiefolgenabschätzung die Erfassung der Lebensqualität der ICD-Träger, der psychischen Komorbidität und der Bewältigung therapieinduzierter kritischer Lebensereignisse ein zentraler Baustein in der klinischen Forschung und Versorgung dieser Patienten.

Psychische Komorbidität

Patienten mit einem ICD sind körperlich schwerkranke Menschen, denen der Krankheitsverlauf in der Regel erhebliche psychische Anpassungsleistungen abverlangt. Der Mehrzahl der Patienten gelingt dies ohne erkennbare psychische Defizite. Für eine Minderheit unter den ICD-Trägern ähnelt das Leben aber einem Zustand unter chronischem Disstress. Diese Patienten berichten häufig über wiederkehrende Zustände von Niedergeschlagenheit, Hoffnungslosigkeit und einer pessimistischen Zukunftserwartung. Insbesondere ist die Neigung zum Grübeln ausgeprägt – einer kreisenden Wiederkehr von negativ affektgeladenen Gedankeninhalten und inneren Bildern, die schlecht zu kontrollieren sind und als Versuch interpretiert werden können, eine als unsicher und aversiv erwartete Zukunft zu antizipieren [5].

In vielen Fällen nehmen die (passageren) affektiven Störungen, die Patienten mit ICD im Verlauf der Erkrankung nach der ICD-Implantation erleiden, einen eigenständigen Krankheitswert an. Klinisch zu beobachten sind u. a. Anpassungsstörungen (häufig mit den beschriebenen angstvollen und depressiven Gedankeninhalten) und als besondere Komplikation posttraumatische Belastungsstörungen (PTBS). Intrusive Gedankeninhalte mit einer ständigen Beschäftigung mit der Erkrankung und seinen aversiven Aspekten, von denen sich der Patient innerlich nicht befreien kann, scheinen hier eine zentrale Rolle zu spielen und sind für die chronische Disstress-Erfahrung der Patienten verantwortlich [19].

Des Weiteren werden Störungen des Affekts beobachtet (vornehmlich wiederholte Episoden von mittelschwerer Depression) und ein Spektrum von Angststörungen. Mit einem Anteil von 12,7% für klinisch relevante Angstwerte von 34% der Patienten mit Symptomen einer Panikstörung und von 19,4% mit Agoraphobien/Angststörungen, liegen diese Störungsbilder in einem Prävalenzbereich, der deutlich über den einer Bevölkerungsstichprobe (ca. 5%) liegt. In einer kürzlich publizierten Aktualisierung der Prävalenzdaten psychischer Störungen bei ICD Patienten werden höhere Werte für Angststörungen mit Prävalenzraten von 24–87% verglichen mit depressiven Symptomen mit Prävalenzraten von 24–33% bestätigt [25].

Über Prädiktoren von Angst- und anderen psychischen komorbiden Störungsbildern bei ICD Patienten ist noch wenig bekannt. Neben therapiespezifischen Konditionen (s. unten) scheint jüngeres Alter, weibliches Geschlecht [36] und eine somatische Komorbidität als Prädiktoren in Frage zu kommen [22, 34]. Auch ein sog. Persönlichkeitstyp Typ D, der durch Rückzug und soziale Inhibition bei gleichzeitig vorhandener negative Affektivität und Depressivität gekennzeichnet ist, kommt als Prädiktor in Frage [30].

Psychische Störungen von Krankheitswert beeinflussen den primären Krankheitsverlauf. Whang et al [40] konnten in der „Triggers of Ventricular Arrhythmias“- (TOVA-)Studie – einer Nachverfolgungsstudie mit 645 eingeschlossenen ICD-Patienten zeigen, dass erhöhte Depressionswerte mit einem relativen Risiko von 3,2 (95% Konfidenzintervall 1,1–9,9) mit einer früheren Zeit bis zum Auftreten eines ersten regelkonformen Schocks assoziiert waren. In der Gruppe der Patienten im Zustand nach Infarkt war dieser Effekt noch deutlicher ausgeprägt [40]. In einer prospektiven Nachverfolgungsstudie mit 391 eingeschlossenen ICD-Patienten mit primärer und sekundärer Indikationsstellung aus den Niederlanden zeigte sich, dass ein Cluster von Angst und Type-D-Persönlichkeitseigenschaften im multivariabel adjustierten Modell signifikant das Auftreten von ventrikulären Arrhythmien vorhersagen konnte [38]. Eine Untersuchung aus der „Living with an implantable cardioverter defibrillator“- (LICAD-)Studie konnte zeigen, dass ICD-Patienten mit Symptomen einer PTBS gegenüber unbelasteten Kontrollpatienten in einer mehrjährigen Nachverfolgungszeit ein multivariat adjustiertes dreifach erhöhtes Mortalitätsrisiko aufwiesen [19].

Zu den psychobiologischen Mechanismen, die für die schädigenden Einflüsse der negativen Affektivität auf ein erhöhtes arrhythmisches Risiko verantwortlich sind, zählt nach heutigem Stand in erster Linie eine Verlagerung der autonomen Regulation in Richtung einer sympathikotonen Dominanz und Reduktion der parasympathikotonen Gegenregulation [10, 21].

Krankheitsbezogene Lebensqualität (QoL)

Instrumente zur krankheitsbezogenen Lebensqualität (QoL) wurden erstmals in zwei Kollektiven mit einer sekundärpräventiven Indikation eingesetzt, um in großen randomisierten Studien QoL-Unterschiede der ICD-Therapie im Vergleich zu einer pharmakologischen antiarrhythmischen Therapie mit Amiodaron zu messen: In der „Antiarrhythmics Versus Implantable Defibrillators (AVID)“-Studie [33] konnte eine allgemeine Verbesserung der Lebensqualität im Einjahresverlauf gleichermaßen in beiden Therapiearmen beobachtet werden. Das Erleben von einem oder mehreren ICD-Schocks war allerdings mit einer signifikanten Verschlechterung der Lebensqualität verbunden. Die „Canadian Implantable Defibrillator“- (CIDS-)Studie [15] konnte dagegen eine signifikante Überlegenheit in der QoL der ICD-Therapie gegenüber der Amiodaron-Therapie belegen. Allerdings zeigte sich auch hier, dass zwischenzeitlich eingetretene Schocks (hier bei einer Grenze von 5 Schocks) die QoL deutlich beeinträchtigten.

In Auswertung der QoL-Daten der primärprophlaktischen MADIT-II Studie kommen Noyes et al. [28] zu dem Ergebnis, dass der Zugewinn an Qualitätsadjustierten Lebensjahren (QALYs) durch verbessertes Überleben durch den Verlust an QoL bedingt durch die Krankheitsprogression sowie durch Schockauslösungen „weggeschwemmt“ wird. In der „Defibrillators in Nonischemic Cardiomyopathy (DEFINITE)“-Studie [29], in der 458 Patienten mit nichtischämischen Kardiomyopathien und einer EF von ≥35% eingeschlossen worden waren, hatte die ICD-Therapie keinen messbaren Einfluss auf die QoL. Allerdings war auch hier die Schockerfahrung von 5 Schocks ein kritischer Grenzwert für eine messbare Verschlechterung der Lebensqualität. Mit einer primären Indikationsstellung wurde die Lebensqualität der ICD-Therapie in der „Coronary Artery Bypass Graft (CABG)-Patch“-Studie untersucht [27]. Nach 6 Monaten wies die ICD-Gruppe schlechtere Werte in der allgemeinen Befindlichkeit als die Kontrollgruppe auf. Zudem führten ICD-Schockerfahrungen zu einer weiteren Verschlechterung der Lebensqualitätsmaße. Ebenfalls in einer primärpräventiven Untersuchungspopulation untersuchten Mark et al. [23] die Lebensqualität in einer randomisierten Therapiestudie (SCD-HeFT) von 2.221 eingeschlossenen Patienten mit mäßig symptomatischer Herzinsuffizienz gegenüber einer Amiodaron-Kontrollgruppe. Die QoL verbesserte sich in 3- und 12-Monatsverlauf sowie gegenüber der Kontrollgruppe. Nach 30 Monaten waren keine Unterschiede mehr erkennbar. Allerdings führte auch hier eine ICD-Schockerfahrung zu einer etwa einen Monat andauernden Verschlechterung der Lebensqualität in allen gemessenen QoL-Domänen [23, 28] (Übersicht in Tab. 1).

Tab. 1 Messung der Lebensqualität bei ICD-Patienten in randomisierten kontrollierten Therapiestudien

Alles, was die Schockfrequenz reduziert, hilft die Lebensqualität der betroffenen Patienten aufrechtzuerhalten oder zu steigern. Hierzu zählt die Fähigkeit des ICDs zu antitachykarder Frequenzstimulation (ATP). Wathen et al. [39] konnten bei einer Teilstichprobe des PainFREE Rx II Trials zeigen, dass die ATP-Gruppe gegenüber der Schockarmgruppe eine statistisch signifikante Verbesserung in zentralen SF-36-Skalen nach einer 12-monatigen Nachverfolgungszeit aufwiesen.

Schockerfahrungen

Die therapeutische Überlebensfunktion des Gerätes ist mit einem in der Regel bewusst erlebten, gleichzeitig völlig unerwarteten und unvorbereiteten intrakardialem Schockerleben verknüpft. Mit einer solchen Schockauslösung haben im ersten Jahr nach Implantation 30 bis 50% der ICD-Träger mit sekundärpräventiver Indikation zu rechnen. Die durchschnittliche Schockapplikationshäufigkeit pro Jahr (bei eher regulärem Verlauf) beträgt ca. 2,5 Schocks [1] – keineswegs seltene Gerätefehlfunktionen und Komplikationen wie Sondenbrüche und Fehlinterpretationen nicht mitgerechnet [11, 18].

Die interozeptive Perzeption einer kardialen Nozizeption durch einen homogenen ICD-Schock zeigt eine extreme individuelle Varianz, die wiederum die Bewältigung des Ereignisses mit beeinflusst. Das Spektrum reicht von der Schmerzbewertung als unerträglich bis überhaupt nicht bemerkt [2]. Die Gründe für diese Varianz sind bislang nicht vollständig aufgeklärt. Bislang bekannte Faktoren einer Schmerzsensibilisierung sind das frühere Erleben eines ICD-Schocks, das Auftreten einer Post-Schock-Angst und eine zentralnervös induzierte neurophysiologische Erregbarkeit [21] was für die Bedeutung von zentralnervöse neuronalen Netzwerken („gates“) spricht.

Eine Befragung von 227 ICD-Patienten (aus der LICAD-Studie) über das „Bedrohungsszenario“, das eine potenzielle Schockauslösung für die Patienten bedeutet, ergab, dass die Schmerzkomponente entgegen der Erwartung keineswegs im Vordergrund der Wahrnehmung durch die Betroffenen steht, sondern der unerwartete, erschreckende und unbeeinflussbare Charakter des Geschehens (Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Bedrohungsszenarien der Schockapplikation, getrennt nach Männern und Frauen (in %), p-Wert für Unterschied in % nach Männern (n=161) und Frauen (n=80). Unveröffentlichte Daten aus der LICAD-Studie

Die Schockabgabe des Implantats erfordert, mit dem Erleben einer aversiven Stimulation im Inneren des eigenen Körpers fertig zu werden. Überraschenderweise scheinen aber die ersten, noch vereinzelten Schockabgaben die Akzeptanz des Gerätes eher weiter zu steigern. Die Patienten erleben die Abhängigkeit vom Implantat noch als lebensrettend und bilanzieren vermutlich unbewusst das aversive Erleben einer intrakardialen Schockabgabe gegenüber der Überlebenschance als positiv.

Die Applikation von fünf und mehr intrakardialen Schocks des ICD hat sich aber als ein bedeutsamer Grenzwert in der psychischen Belastbarkeit der Patienten erwiesen. Mit der Applikation von =5 Schocks steigt die psychische Morbidität der Patienten deutlich an [15]. Die Gründe, warum eine akkumulierte intrakardiale Applikation von >5 Schocks ein kritischer Schwellenwert für das Risiko ist, eine andauernde psychische Anpassungsstörung zu entwickeln, sind bislang nicht ausreichend verstanden worden – denkbar ist als Grundlage der psychischen Alteration eine andauernd erhöhte Bereitschaft des autonomen Nervensystems zu überschießenden Reaktionen („sustained sympathetic arousability“).

Leider werden die Patienten auch mit Clustern oder in Einzelfällen sogar mit Stürmen von ICD-Interventionen konfrontiert. Diese Patienten erleben extrem schmerzhafte interozeptive Stimuli – das Gefühl von Sicherheit, mit dem sie die damit verbundenen unkonditionierten Schreckreize bislang weitgehend kompensieren konnten, bricht zusammen und macht dem Einbruch dysfunktionaler, katastrophierender Gedanken Platz, die die Patienten zusätzlich in eine extrem leidvolle Situation bringen und den Charakter einer posttraumatischen Belastungsstörung [14] annehmen können. Ein bei extremen Stresssituationen typischer Anstieg proinflammatorischer Marker konnte kürzlich auch als Folge von elektrischen ICD-Stürmen gesichert werden [37]. Nicht selten stellt sich bei diesen Patienten nachfolgend der Wunsch nach Explantation des Gerätes ein. Beispielhaft stellen Maryniak et al. [24] den Fall eines 52-jährigen Patienten vor, der in einem elektrischen Sturm 39 Schockentladungen erleiden musste und berichtete, dass er während dieser Zeit nicht wusste, wovor er mehr Angst haben sollte, durch das Gerät getötet zu werden oder dass das Gerät ihn nicht sterben ließ, als seine Zeit gekommen war.

Partner und Angehörige

Partner und nahe Angehörige von ICD-Patienten stehen den patientenseitigen Anforderungen und Belastungen der ICD-Technologie oft hilflos gegenüber, insbesondere wenn sie der unteren Sozialschicht angehören und in höherem Lebensalter sind. Forschungsergebnisse hierzu sind aber noch spärlich und basieren häufig auf Daten, die entweder mit generischen Lebensqualitätsinstrumenten erhoben worden sind, die ungeeignet sind, psychopathologische Zustände bei Patienten valide zu erfassen oder verzichten auf eine Typisierung der Betroffenen nach soziodemographischen und anderen Faktoren. Sowell et al. [36] ermittelten, dass Ehepartner initial eine ausgeprägtere Schockangst aufwiesen als die Patienten. In der Untersuchung von Jenkins et al. [16] nahmen zwar die Ängste, die die Themen Tod, wieder auftretende Rhythmusstörungen und deren Einfluss auf die Lebensqualität berührten, in einem 12-monatigen Beobachtungsfenster bei Patienten wie Angehörigen graduell ab, Sorgen und Unsicherheiten über die ICD-Technik blieben aber insbesondere bei den Angehörigen auf gleichem Niveau bestehen.

Methodisch auf hohem Niveau rangiert die kürzlich publizierte Arbeit von Pedersen et al. [30], die 196 ICD-Patienten und ihre Partner am Tag vor der ICD-Implantation und nach einer sechsmonatigen Folgezeit befragten. Die Autoren bestätigten signifikant höhere Angstwerte bei den Partnern der ICD-Patienten, die in beiden Gruppen im Laufe der 6 Monate abnahmen – der Unterschied zwischen Partnern und Patienten blieb aber konstant. Bemerkenswert ist, dass das erhöhte Angstniveau signifikant auch nach Kontrolle einer Vielzahl von möglichen Einflussfaktoren erhalten blieb (Alter, Berufstätigkeit, Bildungsniveau, Rauchen, Einnahme einer psychotrophen Medikation, Typ-D-Persönlichkeit).

Die Einbeziehung von Partnern in die Betreuung von ICD-Patienten ist im gegenwärtigen Klinikalltag eher ein Zufallsprodukt und wird nicht systematisch und zielorientiert betrieben. Neben den genannten Daten zur chronischen Stressbelastung von Angehörigen sprechen für eine verbesserte Strategie zur Einbeziehung von Angehörigen auch die besondere Rolle, die für die Mitarbeit des Patienten im Krankheitsverlauf spielen und die sich möglicherweise in einer verbesserten Prognose widerspiegelt [32].

Sterben mit dem ICD

Über lange Jahre war Überleben und nicht Sterben der zentrale Fokus in der Bewertung der sekundären Technologiefolgen der ICD-Therapie. Dies änderte sich mit einem ersten Fallbericht über den Tod einer 59-jährigen Lungenkarzinompatientin und ICD-Trägerin, die kurze Zeit vor ihrem Tod repetitive Schockabgaben (vermutlich wegen fehlinterpretierter Vorhofflimmerepisoden) ihres ICD-Gerätes erleben musste. Dem Bericht ist zu entnehmen, dass dies eine extrem schmerzhafte und traumatisierende Erfahrung sowohl für die sterbende Patientin, die Angehörigen, als auch Ärzte und Pflegepersonal war. Dieser Bericht gleicht einem Hilferuf, der die Aufmerksamkeit auf dieses Thema lenkte [26]. Am Lebensende eines ICD-Trägers kann es geboten erscheinen, das Gerät zu deaktivieren. Repetitive Schockauslösungen im präfinalen Stadium einer letalen Erkrankung sind nicht unwahrscheinlich. Goldstein et al. [12] untersuchten die Umstände des Sterbens bei 100 (74%) von 136 verfügbaren Patienten. Sie fanden, dass nur in 27% der Fälle die betreuenden Ärzte die Deaktivierung des Gerätes mit den Patienten diskutiert hatten und dies auch erst in einem sehr späten Stadium des Krankheitsverlaufs.

In einer weiteren Arbeit untersuchten die gleichen Autoren [14] in einer qualitativen Analyse die Vorbehalte der Ärzte, die zwar grundsätzlich die Idee, die Umstände des Sterbens mit den Patienten zu diskutieren befürworten, für sich aber keinen geeigneten Modus sahen, sich nicht fähig und ausgebildet fühlten und auch Zeitprobleme anführten, mit den Patienten ein solches Gespräch zu führen. Viele Ärzte hatten auch das unbestimmte Gefühl, sie würden mit der Deaktivierung ihren Patienten töten. Interessanterweise erlebten Patienten wiederum die ICD-Deaktivierung „wie eine Art Suizid“. Kein Patient hatte vor der Befragung dieses Thema diskutiert, die Wenigsten wussten von einer solchen Gerätefunktion und alle wünschten sich letztlich eine Entscheidung durch den Arzt [13]. Sherazi et al. [35] führte ein Befragung von Ärzten durch, die ICD-Patienten betreuten, und fand, dass rund die Hälfte der Befragten unsicher über die Legalität einer Gerätedeaktivierung waren. Deutliche Wissenslücken ergab auch ein Survey unter 558 Ärzten, von denen insbesondere Gerontologen und Allgemeininternisten bezweifelten, dass die ICD-Schocks schmerzhaft sein können [17].

Fazit für die klinische Praxis

Überraschenderweise haben diese Gesichtspunkt in den internationalen Leitlinien bislang keinen Eingang gefunden, obgleich anerkannt ist, dass die ethischen Prinzipien der Autonomie, des Wohltuens („do good and avoid evil“) und Schadensvermeidung („do no harm“) betont werden [8]. Ausführliche Empfehlungen für die Umsetzung in die klinische Praxis findet sich gegenwärtig nur in dem Positionspapier der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK) zur Bedeutung psychosozialer Faktoren in der Kardiologie [20]. Hier wird betont, dass das Ausmaß an affektiven Störungen, die Patienten mit ICD im Verlauf der Erkrankung vor und nach der ICD-Implantation erleiden, klinisch bedeutsam ist. Für ICD-Patienten betreuende Kardiologen sollte es obligat sein, die spezifischen psychosozialen Aspekte der ICD-Technologie zu kennen; diese Aspekte in die Patientenführung und -betreuung zu integrieren (insbesondere im Erstgespräch und nachfolgenden Routineuntersuchungen) sowie die Fähigkeiten zu besitzen, krankheitswertige negative Affekte und Krisen bei ICD-Patienten zu erkennen und ansprechen zu können. Bei schwerwiegenden persistierenden komorbiden Angststörungen sollten Psychotherapeuten (bevorzugt mit verhaltenstherapeutischer Ausbildung) hinzugezogen werden – allerdings ist die Evidenz für eine Empfehlung spezifischer Psychotherapieverfahren bei ICD-Patienten gegenwärtig nicht hoch [20].