Bei der Behandlung des Still-Syndroms zeichnet sich derzeit ein Paradigmenwechsel hin zu einer möglichst frühzeitigen Diagnosestellung und einem frühen Therapiebeginn ab. Wird das „Window of Opportunity“ genutzt, kann bei vielen Patenten eine langfristige Remission erreicht werden. Dennoch ist der Übergang in eine Verlaufsform mit destruierender Arthritis gefürchtet. Die genaue Definition relevanter Untergruppen und die Einführung maßgeschneiderter Behandlungsstrategien sind die wichtigsten und dringlichsten Herausforderungen für die translationale Forschung.

Unter dem Oberbegriff des Still-Syndroms werden seltene Erkrankungen zusammengefasst, die von der im Kindesalter vorkommenden systemischen juvenilen idiopathischen Arthritis (SJIA) bis zur „adult-onset Still’s disease“ (AOSD) im Erwachsenenalter reichen. Pathogenetisch gelten SJIA und AOSD besonders in der Initialphase als autoinflammatorische Erkrankungen. Fortschritte im Verständnis der Pathogenese haben gezeigt, dass der angeborenen Immunität besonders in der Anfangsphase eine Schlüsselrolle zukommt. SJIA und AOSD zeigen eine vergleichbare Epidemiologie und weisen ein ähnliches klinisches Bild auf [19]. Weniger als 10 % der chronischen idiopathischen Arthritisfälle im Kindesalter können als SJIA klassifiziert werden. Obwohl die SJIA gemäß der International League Against Rheumatism (ILAR) als einer von 7 JIA(juvenile idiopathische Arthritis)-Subtypen eingestuft wird, weisen aktuelle Studien darauf hin, dass sie sich grundlegend von anderen Formen der JIA unterscheidet [20].

Das Still-Syndrom birgt für die betroffenen Patienten eine große Krankheitslast. Komplikationen treten sowohl krankheits- als auch therapiebedingt auf. Nach wie vor werden die Patienten häufig mit hohen Glukokortikoiddosen behandelt. Es besteht Konsens über das Ziel, früh nach Beginn der Behandlung eine glukokortikoidfreie Remission zu erreichen [9]. Heute steht mit der Blockade proinflammatorischer Schlüsselzytokine eine effektive zielgerichtete und zugelassene Therapie zur Verfügung (Tab. 1). Die Tatsache, dass Patienten teilweise zu spät oder überhaupt nicht unter Einbeziehung aktueller Therapieoptionen behandelt werden, beruht auch auf einer diagnostischen Unsicherheit. So wird die SJIA weiterhin oft als Ausschlussdiagnose gesehen. Auch die AOSD ist bei Präsentation mit Fieber unklarer Genese nicht einfach zu diagnostizieren. Die Diagnostik bei Fieber unklarer Genese stellt in jedem Alter eine Herausforderung dar [11, 26].

Tab. 1 Zugelassene Medikamente zur Therapie des Still-Syndroms

Klassische klinische Trias: Fieber, Exanthem, Gelenkschmerzen

Die charakteristischen Symptome der Erkrankung umfassen intermittierendes Fieber mit begleitenden täglichen Fieberspitzen, Arthromyalgien sowie lachsfarbenen, flüchtigen Hautausschlag (Still-Exanthem). Darüber hinaus sind Hepatosplenomegalie, Lymphadenopathie und/oder Serositis klinische Merkmale der Krankheit. Während der systemischen Entzündungsphase kann das Still-Syndrom durch das Makrophagenaktivierungssyndrom (MAS) verkompliziert werden. Dabei handelt es sich um eine schwere hyperinflammatorische Erkrankung, die durch einen „Zytokinsturm“ zu einem Multiorganversagen mit erheblicher Mortalität führen kann. Bemerkenswerterweise fehlt allerdings die Gelenkentzündung am Anfang der Erkrankung häufig, was gerade im Kindesalter die Einordnung in das ILAR-Klassifikationsschema erschwert und die Diagnosestellung verzögern kann.

Während der systemischen Entzündungsphase kann das Still-Syndrom durch ein MAS verkompliziert werden

Demgegenüber gilt für die AOSD, basierend auf den Yamaguchi-Kriterien, dass die Diagnose auch ohne Arthritis gestellt werden kann. Gerade bei AOSD sind zusätzlich Halsschmerzen als relativ häufig auftretendes Zusatzsymptom bekannt, weshalb nicht selten zunächst an eine bakterielle oder virale Infektion als Ursache gedacht wird. Bei den Laborbefunden sind zumeist erhöhte BSG (Blutkörperchensenkungsgeschwindigkeit) und CRP (C-reaktives Protein) sowie hohe Ferritinwerte und ausgeprägt erhöhte Werte von S100-Proteinen auffällig.

Autoimmunphänomene bestehen dabei nicht, die Patienten sind ANA(antinukleäre Antikörper)/RF(Rheumafaktor)-negativ.

Still-Syndrom als biphasische Erkrankung

In der Regel wird am Anfang der oben beschriebene autoinflammatorische Phänotyp gesehen. Später haben die Patienten häufig einen extrem aggressiven Gelenkbefall mit destruktiver (Poly‑)Arthritis und Befall verschiedener Problemgelenke (Hüften, Handgelenke, Halswirbelsäule). Systemische Zeichen der Autoinflammation stehen in diesen Fällen nicht (mehr) im Vordergrund (Abb. 1). Vor etwas mehr als 5 Jahren wurde die Hypothese generiert, dass es sich beim Still-Syndrom in aller Regel um eine biphasische Krankheit handelt [18]. Initial dominiert die Überaktivierung der angeborenen Immunität mit einer speziellen Schlüsselfunktion für Zytokine, wie z. B. Interleukin(IL)-1 und IL‑6. Im weiteren Verlauf der Erkrankung scheint sich eine Verschiebung der molekularen Mechanismen und der klinischen Präsentation in Richtung einer schweren Autoimmunarthritis zu vollziehen. Der Einsatz der Zytokinblockade ist besonders als First-Line-Therapie in der Initialphase erfolgreich, in der späteren polyartikulären Phase ist das Ansprechen schlechter [7, 27]. Wenn es gelingt, die Hyperinflammation in der Anfangsphase zu unterbrechen, kann die Entwicklung einer chronisch destruktiven Gelenkentzündung im weiteren Verlauf verhindert werden (Abb. 2). Aus dieser Erkenntnis leitet sich die Idee des „Window of Opportunity“ für den Einsatz von Zytokinblockern ab.

Abb. 1
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Biphasisches Krankheitsmodell bei Still-Syndrom. Die Auslöser des komplex-genetischen Still-Syndroms sind nicht bekannt. (1) Relativ banale Trigger (Infektionen, Zellstress) führen zur Aktivierung des angeborenen Immunsystems. Infektiöse „pathogen-associated molecular patterns“ (PAMPs) und sterile „damage-associated molecular patterns“ (DAMPs) können Immunzellen über Toll-like-Rezeptoren (TLR) stimulieren. Granulozyten und Monozyten migrieren in verschiedene Gewebe und sezernieren Alarmine (z. B. S100A8/A9 und S100A12), die über TLR-Aktivierung zu einer Amplifikation beitragen. (2) Verschiedene Schlüsselzytokine wie IL‑1, IL‑6 und IL-18 treiben die Autoinflammation an. (3) Die massive Überaktivierung der IL-18-IFNγ(Interferon-γ)-Achse in dieser Phase kann zu einem Zytokinsturm mit Makrophagenaktivierungssyndrom (MAS) führen. (4) Bei längerfristiger Aktivierung führt eine Immunmodulation zu einer Herunterregulierung von IFN‑γ in Lymphozyten, bei gleichzeitiger Hochregulation von IL-17 in γδT-Zellen. Diese Zellen können in die Synovia migrieren, wo IL-17 an der Entwicklung einer destruktiven Arthritis beteiligt sein kann. Gr Granulozyt, Mono Monozyt, NK natürliche Killerzelle

Abb. 2
figure 2

Phasengerechte Therapieansätze bei Still-Syndrom. In der Frühphase dominiert die Autoinflammation mit den Schlüsselzytokinen IL(Interleukin)-1 und IL‑6. Die Daten zur Erstlinientherapie mit dem IL-1-Inhibitor Anakinra legen nahe, dass ein „Window of Opportunity“ existiert. Im weiteren Verlauf (Amplifikationsphase) wird die Immundysregulation komplexer. Neue Therapieansätze setzen hier an. Eine Option besteht in der Inhibition des JAK(Januskinase)/STAT(„signal transducers and activators of transcription“)-Signalweges, der bei vielen Zytokineffekten eine Rolle spielt. Eine direkte IL-18-Blockade kann ebenso wie eine Typ-2-IFN(Interferon)-Inhibition besonders bei Makrophagenaktivierungssyndrom (MAS) von Zusatznutzen sein. In der Spätphase der Erkrankung liegt nach wie vor eine systemische Erkrankung vor. Allerdings sind weitere Therapieoptionen wie bei Polyarthritis denkbar, mit Kombinationstherapien aus konventionellen und biologischen DMARDs („disease modifying antirheumatic drugs“). TNF Tumor-Nekrose-Faktor

Molekulare Mechanismen der frühen Krankheitsphase – Ansätze für zielgerichtete Therapien

Das Konzept der Autoinflammation stützt sich nicht zuletzt auf den Erfolg der Therapien gegen IL‑1, das als Schlüsselzytokin gut etabliert ist [21]. Zur Verfügung stehen der rekombinante IL-1-Rezeptorantagonist Anakinra sowie der monoklonale Anti-IL-1β-Antikörper Canakinumab [23, 25]. Neben der unbestrittenen Rolle von IL‑1 liegt auch eine deutliche Erhöhung von IL‑6 vor. IL‑6 spielt im murinen System eine besondere Rolle bei der Entwicklung systemischer Krankheitsmanifestationen, die mit dem Still-Syndrom gut in Einklang zu bringen sind. Die Therapie mit dem Anti-IL-6-Rezeptor-Antikörper Tocilizumab hat sich als effektiv erwiesen und ist mittlerweile zugelassen [4]. Zusätzlich befindet sich mit Sarilumab ein neuer IL-6-Antagonist in der klinischen Erprobungsphase (Tab. 2).

Tab. 2 Potenzielle neue medikamentöse Ansätze zur Therapie des Still-Syndroms

Im Gegensatz zum nur schwer nachweisbaren zirkulierenden IL‑1 berichten mehrere Studien über eine massive Überexpression von IL-18. Dieses Zytokin wird von einer Vielzahl von Geweben exprimiert. Während die IL-1-Expression reaktiv induziert wird, scheint die IL-18 mRNA(Messenger-Ribonukleinsäure)-Expression und Translation konstitutiv aktiv zu sein. Die Rolle von IL-18 als Biomarker ist gut etabliert, und neuere Studien zeigen IL-18 als kritischen Faktor bei MAS [29]. Erste Erfahrungen zu 23 AOSD-Patienten in einer Phase-II-Studie mit rekombinantem IL-18-Binding-Protein (IL-18BP), Tadekinig alfa, liegen vor. Die prädefinierten Responsekriterien wurden von jeweils 50 % der Patienten mit 2 unterschiedlichen Dosierungen erreicht [6].

Amplifikationsphase bei fortschreitender Autoinflammation

Ein herausragendes Phänomen bei autoinflammatorischen Erkrankungen ist die extrem gesteigerte Freisetzung von myeloischen S100-Proteinen. S100A8/A9 und S100A12 sind im Zytoplasma von Mono- und Granulozyten vorhanden und spielen eine unvollständig verstandene Rolle bei der Homöostase dieser Phagozyten [14]. Neutrophile von SJIA-Patienten weisen eine erhöhte entzündliche Genexpression einschließlich S100A8 und S100A12 auf [2]. Nach ihrer Freisetzung fungieren S100-Proteine als „Alarmine“ (auch „damage associated molecular pattern“ [DAMPs]), die an „pattern recognition receptors“ binden und diese aktivieren [5]. Bei SJIA und anderen entzündlichen Erkrankungen kann die Dysregulation alternativer sekretorischer Wege zudem zur Krankheitspathogenese beitragen und zu einer Übersekretion von S100-Proteinen führen. So können S100-Proteine in Abwesenheit von infektiösen Krankheitserregern ein steriles Entzündungsumfeld erzeugen und nachgeschaltete Effekte auslösen, die durch positive Rückkopplung die Inflammation aufrechterhalten und weiter antreiben [12].

Weiterer Verlauf – Pathophysiologie der arthritischen Krankheitsphase

Der Krankheitsverlauf bei SJIA und AOSD wird je nach Ansprechen auf die Therapie in der Literatur als monophasisch, polyzyklisch oder persistierend beschrieben. Das Still-Syndrom kann – wenn es unzureichend behandelt wird – zu einer Krankheit fortschreiten, die hauptsächlich durch aggressive/destruktive Arthritis gekennzeichnet ist. Obwohl bislang keine spezifischen Autoantikörper nachgewiesen wurden, deuten genetische Assoziationen bei SJIA auf eine Autoimmunkomponente hin [20]. Insgesamt lassen unterschiedliches Ansprechen auf Therapien sowie genetische und immunologische Ergebnisse den Schluss zu, dass eine unausgewogene Expression angeborener Entzündungsfaktoren eine Verbindung zwischen Autoinflammation und Autoimmunität beim Still-Syndrom induziert. So entwickelt sich – bei voranschreitender Erkrankung – auf der Grundlage eines anfänglichen autoinflammatorischen Milieus schließlich eine Autoimmunarthritis [13].

Molekulare Mechanismen, die angeborene und adaptive Immunität überbrücken

Neben der Verstärkung der angeborenen Immunität können Zytokine wie IL-1β und IL-18 eine wichtige Rolle bei adaptiven Immunantworten spielen [13]. Tatsächlich wurde IL-18 zunächst als Interferon-γ(IFN-γ)-induzierender Faktor beschrieben, da es die IFN-γ-Expression induzieren kann, während es die regulatorische IL-10-Expression blockiert. IL-1β ist an der Differenzierung von Th17-Zellen und IFN-γ/IL-17 koexprimierenden T‑Lymphozyten beteiligt. Darüber hinaus unterdrückt IL-1β stark die IL-10-Expression in T‑Zellen und fördert die IFN-γ-Produktion in menschlichen Th17-Zellen, was das Gleichgewicht zwischen pro- und antiinflammatorischen Zellfunktionen beeinflusst. Eine besondere Rolle kommt vermutlich einem Ungleichgewicht zwischen regulatorischen und amplifizierenden Faktoren beim Still-Syndrom zu. Kürzlich wurden zellspezifische IL-10-Defekte bei SJIA-Patienten und einem Mausmodell beobachtet, was zu einer unzureichenden IL-10-Produktion führt [10]. Im Gegensatz zu einem möglichen Mangel an antiinflammatorischen Faktoren ist die Rolle von verstärkenden „Alarminen“ in diesem Zusammenhang relativ gut belegt [14].

Zellen, die angeborene und adaptive Immunität überbrücken

Aktuelle Studien haben die Rolle von „angeborenen adaptiven Zellen“ betont, die angeborene und adaptive Immunantworten überbrücken [15]. Bei SJIA exprimieren γδT-Zellen, aber nicht Th17-Lymphozyten, vermehrt IL-17, was die Ergebnisse in einem murinen SJIA-Modell bestätigt [1]. Wichtig ist, dass IL-1β maßgeblich an der IL-17-Expression sowohl von γδT- als auch von iNKT(„invariant natural killer T cells“)-Zellen beteiligt ist. γδT- und IL-17/IFN-γ-positive T‑Zellen sind auch bei Patienten mit SJIA relevant [15]. Die Expansion von γδT-Zellen und die iNKT-Zellaktivierung können durch IL-18 verstärkt werden. Beide Zelltypen exprimieren – im Gegensatz zu CD4+-T-Zellen – reichlich IL-18R. Bei Mäusen wurde nachgewiesen, dass Typ-I-IFN-Signale die Produktion von IL-18 verstärken können [30]. Kürzlich konnte dieses Phänomen auch im humanen System bestätigt werden [28].

Typ-1-Interferon als neues Target für die Therapie des Still-Syndroms

Typ-1-IFN (IFN-α/β) wurde in der Vergangenheit beim Still-Syndrom nicht systematisch untersucht. Allerdings wurde gezeigt, dass die IL-1-Blockade bei SJIA-Patienten eine Typ-1-IFN-Signatur induziert [23, 24]. Auf zellulärer Ebene zeigt die Transkriptomanalyse von SJIA-Neutrophilen – neben anderen Genen – eine Hochregulation von Transkripten, die mit IFN-Signalwegen verbunden sind. IL-1- und Typ-1-IFN sind Schlüsselfaktoren für zwei Prototypen von Entzündungsreaktionen, die sich diametral gegenüberstehen und gegensinnig beeinflussen [17]. So kann eine erhöhte Typ-1-IFN-Expression lediglich ein relativ unspezifisches Rückkopplungsphänomen bei Zytokinblockade sein. Dennoch wird spekuliert, dass gerade die verminderte Fähigkeit von SJIA-Monozyten, auf INF zu reagieren, die Voraussetzungen für die übermäßige IL-1β-Aktivität und damit für die Entwicklung des Still-Syndroms schaffen könnte. Interessanterweise finden JAK(Januskinase)-Inhibitoren momentan Eingang in die Behandlung rheumatischer Erkrankungen, und es sind Studien zum Still-Syndrom in Vorbereitung bzw. angelaufen (Tab. 2). Es wird interessant sein, welche Effekte dieses Therapieprinzip durch die Beeinflussung der pleiotropen, teilweise gegensinnigen Regulationswege der Mediatoren auf die Krankheitsprogression beim Still-Syndrom entfalten wird (Abb. 1 und 2).

Typ-2-Interferon als neues Target für die Therapie des Makrophagenaktivierungssyndroms bei Still-Syndrom

Typ-2-IFN (IFN-γ) wird überwiegend von adaptiven Immunzellen produziert. Bei SJIA wurden reduzierte Serum- und Plasmaspiegel von IFN‑γ und CXCL‑9, einem Surrogat für die IFN-γ-Signalisierung, beschrieben [22]. Es wurde eine defiziente IFN-γ-Freisetzung aus natürlichen Killerzellen (NK-Zellen) von SJIA-Patienten beobachtet. Th1-Zellen sind zwar in der Anzahl im peripheren Blut von krankheitsaktiven Patienten erhöht, weisen aber eine bemerkenswert niedrige Expression an intrazellulärem IFN‑γ auf, die teilweise als Reaktion auf die IL-1-Blockade korrigiert wird [15].

Ein MAS entwickelt sich bei 10–20 % der Patienten mit Still-Syndrom als katastrophaler Zytokinsturm

Bis heute ist die Dichotomie dieser sehr begrenzten Rolle von IFN‑γ bei der Arthritis des Still-Syndroms im Vergleich zu seiner herausragenden Rolle beim MAS nicht verstanden. Ein MAS entwickelt sich bei etwa 10–20 % der Patienten mit Still-Syndrom als katastrophaler Zytokinsturm. IFN‑γ induzierte Chemokine sind während des MAS deutlich erhöht. Die IFN-γ-Neutralisation kann die klinischen und labortechnischen Merkmale des MAS im Mausmodell normalisieren (Tab. 2).

Darüber hinaus wurde kürzlich in einer Pilotstudie an 6 Patienten mit SJIA-assoziiertem MAS nachgewiesen, dass die IFN-γ-Blockade mit Emapalumab wirksam ist [3]. Der Widerspruch zwischen einer niedrigen IFN-γ-Expression in zirkulierenden Immunzellen während der aktiven SJIA auf der einen Seite sowie die Relevanz einer gestörte IL-18:IFN-γ-Achse als Voraussetzungen für die fulminante IFN-γ-Expression während eines MAS auf der anderen Seite ist bis heute nicht verstanden (Abb. 1).

Ausblick: Neue Klassifikationskriterien und Treat-to-Target-Strategien

Für SJIA und AOSD sind verschiedene Klassifikationskriterien vorgeschlagen worden (Tab. 3). Die ILAR-Kriterien werden aus verschiedenen Gründen kritisiert, insbesondere weil hier als Conditio sine qua non eine mindestens 6 Wochen dauernde Arthritis verlangt wird [16]. Idealerweise sollten Patienten vor Beginn einer chronischen Arthritis identifiziert werden, um rasch eine effektive, zielgerichtete Therapie innerhalb des „Window of Opportunity“ zu beginnen. Das optimale Ziel einer solchen Strategie ist gerade die Vorbeugung (und nicht nur die Behandlung) einer chronischen Arthritis. Zu diesem Zweck wurden von der Paediatric Rheumatology International Trials Organisation (PRINTO) konsensbasierte Kriterien vorgeschlagen, die eine Klassifikation als SJIA ohne chronische Arthritis erlauben [16]. Dieser Neuvorschlag wird gegenwärtig in einer internationalen Studie evaluiert. In Deutschland erfolgte im Rahmen des PRO-KIND-Projektes mittels Expertenkonsens ebenfalls eine Falldefinition für Patienten mit SJIA, wobei hier Patienten mit „definitiver SJIA“ sowie mit „wahrscheinlicher SJIA“ (ohne Nachweis einer Arthritis) unterschieden werden. Basierend auf den genannten Falldefinitionen sind verschiedene Therapien der definitiven oder wahrscheinlichen SJIA möglich [9]. Ein zentraler Bestandteil der PRO-KIND-Konsensustherapiestrategien ist die Formulierung einer zielgerichteten Therapie (Treat-to-Target). Durch die Anwendung dieser Strategien soll eine Harmonisierung der bis dato sehr variablen Behandlung der SJIA erreicht werden, damit eine bessere Vergleichbarkeit entsteht. Die Praktikabilität dieser Strategie soll in einem durch den Innovationsfonds des Gemeinsamen Bundesausschusses geförderten Projekt evaluiert werden. Durch die Optimierung der Behandlungsstrategien sollen durch die Unterbrechung des biphasischen Verlaufs der Erkrankung Komplikationen wie das MAS sowie die Chronifizierung mit Langzeitschäden verhindert werden [8].

Tab. 3 Verschiedene Klassifikationskriterien für das Still-Syndrom

Fazit für die Praxis

  • Beim Still-Syndrom handelt es sich um ein Krankheitsspektrum von der systemischen juvenilen idiopathischen Arthritis (SJIA) bis zur „adult-onset Still’s disease“ (AOSD).

  • Die biphasische Erkrankung zeigt einen Phänotypenshift vom autoinflammatorischen Fiebersyndrom zur Autoimmunarthritis.

  • In der Pathogenese dominiert initial die Autoinflammation mit Überaktivierung der angeborenen Immunität.

  • Im Verlauf kommt es zur Aktivierung von Mechanismen, die angeborene und adaptive Immunität überbrücken.

  • Initialtherapie: Bei frühzeitiger Treat-to-Target-Therapie im „Window of Opportunity“ ist evtl. ein Abwenden des biphasischen Verlaufes möglich.

  • Bei refraktären Fällen: Neue immunmodulatorische Therapieansätze sind derzeit in der Erprobungsphase.