Spondyloarthritiden sind entzündliche rheumatische Erkrankungen, die sich anhand der klinischen und radiologischen Befunde in eine prädominante axiale Form, inklusive der ankylosierenden Spondylitis (Morbus Bechterew), und eine prädominante periphere Spondylarthritis unterteilen lassen. Die European League Against Rheumatism (EULAR) und die Assessment of Spondyloarthritis International Society (ASAS) empfehlen als medikamentöse Therapie nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) und als nächste Stufe Biologika, z. B. Tumornekrosefaktor-Alpha(TNF-α)-Blocker [6, 7, 15].

Die prädominante axiale Manifestation wird anhand der Klassifikationskriterien der ASAS in nichtröntgenologische Spondyloarthritiden und die klassische ankylosierende Spondylitis (AS) unterteilt. Oft kommt es bei der axialen Erscheinungsform zu Schmerzen sowie Bewegungseinschränkung des Achsenskeletts. Im Spätstadium kann eine komplette Verknöcherung der gesamten Wirbelsäule resultieren.

Trotz Verbesserung der diagnostischen Möglichkeiten beträgt auch in der heutigen Ära der Magnetresonanztomographie (MRT) die Latenz zwischen dem Erstauftreten von Symptomen und der Diagnosestellung einer Spondylarthritis oft noch 5 bis 10 Jahre [17]. Sowohl die nichtbehandelte als auch die mit NSAR und/oder Biologika behandelte AS führen häufig zu einer zunehmenden Einsteifung der Wirbelsäule mit Verlust von Ausgleichsmöglichkeiten über bewegliche Segmente. Eine Hyperkyphosierung der Brustwirbelsäule und/oder Abflachung der Lendenlordose können durch kompensatorische Überstreckung beider Hüften und Beugung in den Kniegelenken ausgeglichen werden (Abb. 1). Nach Ausschöpfung der kompensatorischen Möglichkeiten kommt es zu einer zunehmenden Verschlechterung der Blickachse und letztendlich einer Blickfeldeinschränkung mit Bedrohung der Selbstständigkeit der Patienten (Abb. 2).

Abb. 1
figure 1

Dekompensation der Statik bei Patienten mit ankylosierender Spondylitis. a Einsteifung der Wirbelsäule mit normalem sagittalen Profil. b Wirbelsäule ohne Fehlstellung ankylosiert. Trotzdem Rumpfüberhang nach vorne wegen Beugekontraktur der Hüfte mit Beckenkippung. c Rumpfüberhang trotz maximaler Aufrichtung des Beckens. d Zusätzliche Deformität an der Halswirbelsäule mit einer Steilstellung bzw. Kyphose der Lenden- und Brustwirbelsäule. e Zusätzliche Hyperkyphose der Brustwirbelsäule. (Adaptiert nach Rehart u. Sell [18])

Abb. 2
figure 2

Fallbeispiel: Verlauf einer kombinierten Aufrichtungsspondylodese, zervikal und thorakolumbal bei einem 46-jährigen Patienten mit Globalkyphose bei ankylosierender Spondylitis. a Rumpfüberhang nach rechts. b Anguläre Kyphose zervikothorakal sowie kyphotische Einstellung der Lendenwirbelsäule. c Verlust der horizontalen Blickachse. d,e Präoperative Röntgenbilder. f,g,h Klinische Bilder: 5 Jahre postoperativ konnte die Stellungskorrektur des Rumpfüberhangs zu Seite und nach vorn dauerhaft korrigiert werden. i,j Röntgenkontrollen 5 Jahre postoperativ

Wegen fehlender Pufferwirkung von intakten Bewegungssegmenten ist das Risiko einer Wirbelsäulenfraktur bei Patienten mit AS 3‑ bis 4‑fach erhöht [22]. Darüber hinaus begünstigt die der Spondylarthritis inhärente Osteopenie das Auftreten von Frakturen. Insbesondere der Anteil von Hyperextensionsverletzungen ist bei einer ankylosierten Wirbelsäule sehr hoch. Häufig kommt es zum Aufreißen des ehemals ankylosierten Segments. In der Regel betreffen Verletzungen alle 3 Säulen der Wirbelsäule in verschiedenem Ausmaß hinsichtlich Distraktion und Translation, nicht selten verläuft die Frakturlinie dorsalseitig über mehrere Wirbel nach kranial (Abb. 3). „Typ-B-Extensionsfrakturen“ werden im Ausmaß von ca. 65 % [22] beobachtet. Die langen, rigiden Hebelarme beiderseits des Frakturspalts wirken wie bei Frakturen der langen Röhrenknochen der Extremitäten der Knochenheilung entgegen.

Abb. 3
figure 3

Fallbeispiel: Behandlungsverlauf einer sofort therapierten Wirbelsäulenfraktur im Brustwirbelsäulenbereich bei einem Patienten mit ankylosierender Spondylitis. a Präoperatives Röntgenbild ohne Hinweis auf eine Fraktur. b Das Computertomogramm zeigt Gaseinschlüsse und einen kleinen ventralen Versatz des kranialen Wirbels. c Im Magnetresonanztomogramm sind klare Frakturzeichen ventral und dorsal sowie ein Frakturhämatom zu erkennen. d Röntgenverlaufskontrolle 3 Jahre postoperativ mit völliger Wiederherstellung der Stabilität und Geometrie. f Klinisches Bild 3 Jahre postoperativ bei diesem 78-jährigen Patienten: normale Statik; g Blick von dorsal: vernarbte quere Stichinzisionen der perkutanen Instrumentation, Rückenmuskulatur regelrecht

Operation ist die Therapie der Wahl bei frakturierten und in Fehlstellung versteiften Wirbelsäulen

Die konservative Therapie durch adäquate Ruhigstellung ist meist impraktikabel und oft komplikationsbehaftet. So ist infolge der biomechanischen Besonderheiten der ankylosierten Wirbelsäule mit einem höheren Anteil an Pseudarthrosen nach konservativer Therapie zu rechnen. Es drohen neurologische Defizite durch Dislokation, aber auch Reparaturmechanismen mit Knochenappositionen, die Stenosen verursachen können. Trotz äußerer Ruhigstellung im Rahmen der konservativen Behandlung kann eine Stellungsverschlechterung im Frakturbereich mit Ausheilung in Fehlstellung oder gar Pseudarthrose auftreten. Lange Immobilisationszeiten können internistische Komplikationen verursachen wie z. B. thrombembolische Ereignisse, Pneumonien und Dekubitalulzera. Somit sind operative Verfahren die Therapie der 1. Wahl bei frakturierten und krankheitsbedingt in Fehlstellung versteiften Wirbelsäulen. Im Falle relevanter Kyphosen sollte die operative Versorgung mit einer Aufrichtungsspondylodese in Erwägung gezogen werden.

Andersson [1] beschrieb erstmals 1937 destruktive diskovertebrale Läsionen bei Patienten mit AS. Diese sog. Andersson-Läsionen lassen sich mit einer Inzidenz von 5–10 % bei Patienten mit AS finden [14, 20]. Die Ätiologie ist nicht zweifelsfrei geklärt. Zum einen treten hauptsächlich in frühen Krankheitsstadien i.d.R. nichttraumatische Veränderungen im Sinne inflammatorischer Läsionen auf. Zum anderen sind im Stadium der Ankylose und nach Trauma morphologisch ähnliche Läsionen zu beobachten [14]. Im Krankengut der Patienten mit dem Vollbild der AS handelt es sich unserer Meinung nach bei Andersson-Läsionen in den meisten Fällen um Pseudarthrosen nach Ermüdungsfrakturen. Unbehandelt können sich aus solchen Läsionen Areale hochgradiger Instabilität entwickeln mit resultierenden schwersten bewegungsabhängigen Schmerzzuständen und neurologischen Schäden bei zunehmender Dislokation. Die konservative Therapie durch adäquate Ruhigstellung ist in solchen Fällen schwierig und komplikationsbehaftet; das Risiko einer Pseudarthrose bleibt hoch. Die medikamentöse Schmerztherapie bei diesen Andersson-Läsionen ist erfahrungsgemäß unbefriedigend. Daher kommen vordringlich chirurgische Maßnahmen zum Einsatz.

Etwa die Hälfte der Patienten mit AS leidet unter einer Osteopenie bzw. Osteoporose [16, 17]. Aus diesem Grund und wegen Überlagerungsphänomenen in Übergangsregionen ist die konventionelle Röntgendiagnostik oft schwer zu beurteilen. Die meisten Frakturen im Rahmen der AS treten bei Männern [16] und bis zu 80 % in der Halswirbelsäule [12] mit einer Rate neurologischer Defizite von bis 67 % [22] auf, gefolgt von thorakalen Frakturen.

Die 3‑Monats-Mortalität bei AS-Frakturen liegt bei ca. 18 % [21]. Unbehandelte Frakturen können zu einer spinalen Deformität, aber auch zu Spinalkanalstenosen führen (Abb. 4). Abhängig von der Fehlstellung der eingesteiften Wirbelsäule in der präoperativen bildgebenden Diagnostik, von der Blickachse des Patienten und der Ausdehnung des betroffenen Wirbelsäulenabschnitts, vom Patientenzustand sowie von Begleit- und Nebenerkrankungen wird über das Operationsausmaß, den Osteotomieort bzw. das Osteotomieverfahren und die Operationstechnik (offen oder perkutan minimalinvasiv) entschieden [3,4,5, 18].

Abb. 4
figure 4

Fallbeispiel: Andersson-Läsion als Folge einer nicht erkannten Fraktur und deren Behandlung. a,b Die sagittale und koronare Computertomographie der Brustwirbelsäule zeigt eine Knochenerosion im Bereich der ehemals fusionierten Bandscheibe und pseudarthrotische Veränderungen der frakturierten Lamina. c Seitliches Röntgenbild im Stehen präoperativ. d,e Seitliches und a.-p.-Röntgenbild 7 Jahre nach perkutaner dorsaler Instrumentation und thorakoskopisch assistierter ventraler Aufrichtung und Fusion über einen Cage. f,g Klinisches Bild 7 Jahre nach minimalinvasiver dorsoventrodorsaler Sanierung der Verletzung der Brustwirbelkörper 10/11

Präoperative Diagnostik

Zur Senkung der postoperativen Infektionsrate wird ein Absetzen von TNF-α-Blockern (mindestens 2 Halbwertszeiten) und eine Antibiotikaprophylaxe als Einmalgabe („single shot“) empfohlen [11].

Die Planung der Korrektur unter Berücksichtigung der Lokalisation der Deformität, der Bestimmung des optimalen Drehpunkts für die Aufrichtung und der Möglichkeiten und Grenzen der verschiedenen Osteotomieverfahren gehört zur wichtigsten präoperativen Vorbereitung [18]. Daran orientiert sich die bildgebende Diagnostik, z. B. Röntgenaufnahmen im Stehen und MRT-Untersuchung. Ziel ist der Ausschluss von Bechterew-typischer Verklebungen oder Ektasien der lumbalen Dura („leere Dura“ mit Cauda-equina-Syndrom), Spinalkanalstenosen, Myelopathien oder Syringomyelien, eines „tethered cord“ oder einer Arnold-Chiari-Malformation. Eine Computertomographie ist hilfreich z. B. zur Darstellung des Ausmaßes der knöchernen Destruktion bei Andersson-Läsionen oder bei Patienten mit Herzschrittmacher und gelegentlich zur Beurteilung des Ossifikationsgrads von Bandscheiben. Die Fotodokumentation vor einer Rasterwand im Stehen dient zur Beurteilung der Blickachse sowie zur Objektivierung des postoperativen Verlaufs.

Nach der Indikationsstellung bei Patienten mit fixierter Fehlstellung oder bei Patienten mit Gefügelockerung (Segment C1/C2 oder diskoligamentär bei Andersson-Läsion) ist eine Analyse der Fehlstellung zur Bestimmung der Lokalisation der optimalen Korrekturstelle sowie des Ausmaßes notwendig. Hier sind mehrere Fragen zur Festlegung der Operationsart zu beantworten:

  • Bestehen im Rahmen der Grunderkrankung Hüftbeugekontrakturen?

  • Besteht eine instabile Situation wie C1/C2-Instabiliät?

  • Ist eine Andersson-Läsion vorhanden?

  • Wie ausgeprägt ist die ventrale Einsteifung (Syndesmophytose)?

  • Besteht ein zusätzlicher Rumpfüberhang zur Seite?

  • Liegt eine Osteopenie bzw. Osteoporose vor?

Operative Therapie

Als chirurgische Intervention bei verknöcherter Fehlstellung der Wirbelsäule kommt eine Aufrichtungsspondylodese zum Einsatz. Eine weitere Indikation ist die mechanische Überlastung mit Instabilität des kraniozervikalen Übergangs, v. a. im atlantoaxialen Bereich. Hier droht bei Dislokationen eine Myelopathie bzw. Querschnittlähmung. Da Patienten mit AS bereits im Rahmen der Krankheit über Schmerzen in der Wirbelsäule klagen, kann eine Fraktur übersehen werden. Rund ein Fünftel der Frakturen werden derzeit primär noch übersehen [8]. Unbehandelt können sich hieraus Andersson-Läsionen entwickeln. Anlässlich der Stabilisierung einer Andersson-Läsion kann bei Bedarf durch eine Erweiterung des Frakturspalts mit Dekompression und ggf. Unterstützung der vorderen Säule eine Stellungskorrektur erreicht werden.

Bei Instabilität des kraniozervikalen Abschnitts reicht i.d.R. eine dorsale Spondylodese von C0 subaxial mit mehreren Ankerpunkten am Okziput sowie in der versteiften subaxialen Halswirbelsäule aus. Falls aber, bedingt durch die Schwerkraft des im Rumpfüberhang nach vorn stehenden Patienten, eine ventrale Dislokation mit einer sekundären Einsteifung der ehemaligen Gelenke vorliegt, ist ein ventrales Release bzw. eine Dekompression durch den Mund notwendig.

Nach der präoperativen Analyse wird die Operationsart festgelegt. Bei Frakturen des Rumpfs ohne Notwendigkeit einer Korrektur kann der Eingriff auf eine perkutane Stabilisierung beschränkt werden. In der Regel umfasst dabei eine Instrumentation 3 Wirbelkörper auf jeder Seite des Frakturspalts. Selten ist eine Zementaugmentation der instrumentierten Wirbelkörper oder eine Unterstützung der ventralen Wirbelsäule mit einem Implantat bzw. einem Knochenspan bei einem großen Knochendefekt notwendig.

Ein bedeutender Anteil operativer Versorgungen bei AS sind Aufrichtungsoperationen wegen fixierter Fehlstellung der Wirbelsäule mit Verlust der horizontalen Blickachse. Hier ist die Schaffung eines dorsalen Defekts durch Osteotomie mit Resektion eines Teils oder der kompletten Lamina erforderlich. Sollen mehrere Abschnitte der Wirbelsäule osteotomiert werden, muss die Korrektur u. U. in mehreren Sitzungen durchgeführt werden. Hier gilt die Regel, von kaudal nach kranial zu arbeiten: „Basis zuerst“. Klassischerweise werden zur Korrektur des sagittalen Profils mehrere Osteotomieverfahren beschrieben.

Zur Korrektur des sagittalen Profils werden mehrere Osteotomieverfahren beschrieben

Die Smith-Petersen-Osteotomie (SPO, Abb. 5a, b) basiert auf einer Korrektur durch indirektes Aufreißen der ventralen Anteile nach Entfernung eines dorsalen Resektionskeils aus Dornfortsatz und Lamina. Bei nach suffizienter dorsaler Resektion sich öffnender vorderer Säule handelt es sich um eine „Open-wedge Osteotomie“. Das Ausmaß der erreichbaren Korrektur wird mit 25° angegeben. Nachteile dieser Methode sind die schlechte Steuerbarkeit der vorderen Korrekturstelle sowie die Einengung des Spinalkanals bzw. der Neuroforamina im Korrekturbereich. Aufgrund der Verlängerung der vorderen Säule durch die Korrektur wird ein höheres Risiko für Aortenrupturen befürchtet.

Abb. 5
figure 5

Osteotomieverfahren. a Smith-Petersen-Osteotomie (SPO) vor Korrektur, b nach Korrektur, wenn die ventrale Spange nachgibt. c Die Zielke-Osteotomie nimmt eine Mittelstellung zwischen der SPO (a) und PSO (e) ein. Hier werden bis zu 5 schmale V‑förmige Osteotomien angelegt, in der Hoffnung, dass sie sich entweder als „open wedge“ korrigieren oder bei osteopenischem Knochen als „closing wedge“ durch dorsale Kompression schließen lassen. d „Open-wedge-Osteotomie“. e Pedikelsubtraktionsosteotomie (PSO): Nach Entfernung des Dornfortsatzes, der Lamina und der Pedikel sowie Teilen der Hinterkante lässt sich die Korrektur ohne direkte Durchtrennung vorderer Strukturen durchführen. f Ventral basierte Keilwirbel nach erfolgreicher Korrektur

Oligosegmentale V‑förmige Osteotomien entsprechen in ihrem Ausmaß mehreren schmalen SPO. So wird der interlaminäre bzw. der Raum zwischen den Gelenken um ca. 6 mm verkürzt. Sofern sich die Bandscheibe danach öffnet, lässt sich pro Segment eine Korrektur von ca. 9° erreichen. Entsprechend sind mehrere V‑förmige Osteotomien notwendig, um eine lordosierende Korrektur von 45° zu erreichen. Diese auf Zielke zurückgehende dorsale Lordosierungsspondylodese (Abb. 5c, d) mit Osteotomien zwischen Th11/12 und L3/4 erfordert allerdings immer eine offene Operationstechnik [3].

Bei der Pedikelsubtraktionsosteotomie (PSO) ist die Schaffung eines ventral basierten Keilwirbels das Ziel. Nach Entfernung von Dornfortsatz und Lamina analog zur SPO erfolgt bei der PSO das weitere Vortreiben der Osteotomie nach ventral durch Resektion der Pedikel und Wirbelkörperhinterkante (Abb. 5e, f). Mit diesem Verfahren wurden segmentale Korrekturen bis 40° [2] beschrieben. Bei nicht ausreichender Korrektur ist eine zweite PSO möglich, so lassen sich Lordosierungen von 60–70° [13] realisieren. Im Vergleich zur SPO ist die Komplikationsrate relativ höher, da eine vollständige Destabilisierung durch fehlende Scharnierfunktion im Bereich des Querfortsatzes oder der Rippenregion entsteht. Bei dieser Methode ist das Risiko für intra- bzw. postoperative Hämatome erhöht, bei Mehretagen-PSO resultieren oft deutliche intraoperative Blutverluste. Die PSO sollte im thorakalen Bereich nicht durchgeführt werden, da durch den ventral gelegenen Drehpunkt das hohe Korrekturausmaß mit einer ebenso hohen Kanalverkürzung einhergeht und neurologische Komplikationen durch Deformierung des Thorakalmarks drohen. Im zervikothorakalen Übergang wird eine Modifikation der PSO im Bereich C7 nach Mason/Urist durchgeführt. Hier sollte auf die Nervenwurzeln, v. a. C8, geachtet werden. Im Falle einer nicht ausreichenden Osteotomie könnte es bei der Korrektur zu einer Kompression der C8-Wurzel kommen.

Bei kompletter Verknöcherung der ventralen Säule („Bambusstab“) erfordert die sichere Korrektur eine zusätzliche gezielte Osteotomie des ehemaligen Bandscheibenraums von ventral. Hierbei handelt es sich um eine dorsoventrale Osteotomie, die es erlaubt, Korrekturlokalisation und -ausmaß gezielt zu erreichen. Um die erhebliche Invasivität der offenen Thorakotomie und ein Umlagern des Patienten in der Phase der temporären Instabilität zu vermeiden, kann die Osteotomie thorakoskopisch oder retroperitoneoskopisch assistiert in minimalinvasiver Technik in Bauchlage durchgeführt werden (Abb. 6a, c).

Abb. 6
figure 6

Kombinierte ventrale und dorsale Osteotomie. a Thorakoskopischer Blick auf das mit einem Meißel durchtrennte fusionierte Bandscheibenfach, b die dorsale V‑förmige Osteotomie, c nach Öffnung der Osteotomie ventral. d Die minimalinvasiv angelegte Osteotomie der eingesteiften Segmente Th11/Th12 und L1/L2 ventral und dorsal im Schema. e Grenzen einer dorsalen Osteotomie, dargestellt am Wirbelsäulenpräparat. f Korrekturergebnis im Schema

Idealerweise wird die minimalinvasiven Osteotomietechnik ventral und dorsal mit der perkutanen Stabilisierung von dorsal kombiniert (Abb. 6b, e).

Aufgrund des langen Hebelarms einer ankylosierten Wirbelsäule ist u. U. eine Instrumentation bis iliakal zu empfehlen, zumal die Iliosakralgelenke bei diesen Patienten ohnehin eingesteift sind.

Für das kraniale Wirbelsäulenende sollten ventrale Plattenspondylodesen als alleinige Versorgung der ankylosierten Halswirbelsäule absolut vermieden werden, weil sie keine ausreichende mechanische Stabilität erzielen können. Darüber hinaus ist im Falle eines Versagens nach alleiniger ventraler Plattenversorgung, resultierendem Korrekturverlust und Einsteifung in Kyphose der operative Zugangsweg zur Revision verbaut.

Intraoperative Maßnahmen

Eine fiberoptische bzw. videolaryngoskopische Intubation kann bei zu erwartenden Schwierigkeiten der Atemwegssicherung bei in Fehlstellung eingesteifter Halswirbelsäule notwendig sein [19].

Empfohlen wird die Lagerung auf einem knickbaren und intraoperativ auf Höhe der Osteotomie(n) kontrolliert verstellbaren Spezialtisch. Der Kopf sollte zur Vermeidung von Druckstellen im Gesicht in einer abgepolsterten Spezialschale gelagert werden, bei der ein Spiegel jederzeit und v. a. nach Stellungskorrekturen die Kontrolle von Augen und Nase erlaubt. Zur Vermeidung einer Kompression der Baucheingeweide sollten spezielle Tischrollen benutzt werden.

Trotz der Möglichkeit, die intraoperative maschinelle Autotransfusion einzusetzen, sollten bei offenen Aufrichtungsspondylodesen auch Blutkonserven in ausreichender Menge bereitgestellt werden. Ebenso sollten eine kontrollierte Hypotension und ein Temperaturmanagement erfolgen. Da im Rahmen der Aufrichtungskorrektur mechanischer Stress am Rückenmark entstehen kann und dadurch die Gefahr einer Querschnittlähmung besteht, sollte ein elektrophysiologisches intraoperatives Monitoring mittels sensorisch und/oder motorisch evozierter Potenziale durchgeführt werden, ggf. ist ein intraoperativer Aufwachtest erforderlich. Eine perioperative Antibiotikaprophylaxe ist bei lange dauernden offenen chirurgischen Eingriffen an der Wirbelsäule zu empfehlen.

Postoperative Maßnahmen

Unter postoperativer adäquater Schmerztherapie und Atemgymnastik ist die Remobilisation am 1. Tag nach dem Eingriff möglich. Biologika sollten weiterhin mindestens eine Halbwertszeit bzw. bis zur Wundheilung pausiert werden. Wenn es der Zustand des Patienten erlaubt, sollte eine Röntgenaufnahme der gesamten Wirbelsäule in 2 Ebenen am 1. postoperativen Tag durchgeführt werden, um die Implantatlage und die Korrektur beurteilen zu können. Im weiteren Verlauf ist eine Fotodokumentation anzustreben. Eine evtl. vorhandene Thoraxdrainage kann ab dem 2. postoperativen Tag nach entsprechender Röntgenkontrolle entfernt werden. Die Begleiterkrankungen sind weiterhin adäquat zu behandeln. Die Schnittbildgebung sollte im Falle postoperativer Komplikationen aktualisiert werden. Mindestens 1 Nacht lang bzw. bis zur Entfernung der Thoraxdrainage werden die Patienten auf der Wachstation (Intermediate Care Station) überwacht.

Wegen der eingesteiften Rippenglenke muss die verbliebene Zwerchfellatmung für die postoperative Oxygenierung ausreichend sein. Eine engmaschige Kontrolle des Neurostatus ist v. a. während der ersten postoperativen Tage sehr wichtig.

Komplikationen

Zu den allgemeinen Komplikationen gehört die Lungenembolie, v. a. bei fehlender Brustkorbbeweglichkeit infolge der eingesteiften Rippenwirbelgelenke.

Bei der offenen Aufrichtungsoperation muss insbesondere bei der Kombination von 2 PSO mit hohem (bis zu 4 l) Blutverlust [23] gerechnet werden.

Lagerungsschäden sind trotz spezieller und umsichtiger Lagerung nicht selten. Durch die reduzierte Immunabwehr und langjährigen Vorbehandlungen mit NSAR und TNF-α-Blockern treten bei Patienten mit Morbus Bechterew öfter Wundheilungsstörungen auf [16].

Als spezifische Komplikation kann es wegen Osteopenie bzw. Osteoporose zu einer Schraubenlockerung oder Auswanderung der Schrauben mit progredienter translatorischer Dislokation und Abknickung des Duraschlauchs mit neurologischen Ausfällen kommen. Die Folge davon kann ein Korrekturverlust mit einer Verschlechterung der horizontalen Blickachse sein.

Vorübergehende radikuläre Ausfälle, v. a. im Bereich der Osteotomie, können bei 10 % der operierten Patienten auftreten. So kann es zu einer C7- oder C8-Parese nach Osteotomien im zervikothorakalen Bereich und zu einer L2-, L3- oder L4-Radikulopathie nach lumbalen Osteotomien kommen. Neben direkter mechanischer Irritation ist dies meist den veränderten geometrischen Lagebeziehungen mit Zug auf die Nervenwurzeln geschuldet und deshalb meist reversibel. Nachblutungen im Osteotomiebereich sowie der Umstand einer angulären Verkürzung des Neuralrohrs mit Kompression von dessen Inhalt sind Hauptursachen einer direkten postoperativen neurologischen Verschlechterung. Da das Risiko einer Querschnittlähmung mit dem Ausmaß der Korrektur korreliert, sollten Winkel über 35° zugunsten einer 2‑Etagen-Korrektur vermieden werden.

Osteotomien im Lumbalbereich bergen ein hohes Risiko für neurologische Verschlechterung

Eine weitere Komplikationsquelle bei Osteotomien im Lumbalbereich wird häufig unterschätzt: Bei langjährigem Verlauf der axialen Spondylarthritiden können ohne oder mit operativer Behandlung im Lumbalbereich die Caudafasern mit der Dura verkleben und beim Patienten mit AS zum Cauda-equina-Syndrom mit teilweise gravierenden Funktionsausfällen führen. Nicht erst, wenn es bei weiterem Fortschreiten dieses Prozesses zu knöchernen Destruktionen und Duraektasien kommt, bergen Osteotomien in solchen Arealen ein hohes Risiko für eine neurologische Verschlechterung. Dies unterstreicht den Stellenwert der sorgfältigen präoperativen Analyse und differenzierten Auswahl der Osteotomielokalisation und -technik.

Die publizierte Komplikationsrate operativer Eingriffe bei Patienten mit AS liegt sowohl bei elektiven Korrektureingriffen mit 20 % [2] als auch in der Frakturversorgung mit bis zu 51 % [21] deutlich höher als bei anderen wirbelsäulenchirurgischen Eingriffen. Im Vergleich der anatomischen Lokalisation wurden für Korrekturen hochgradiger zervikothorakaler Fehlstellungen mit 27–87 % Komplikationsrate, davon 2,6 % Mortalitätsrate, die schlechtesten Ergebnisse angegeben [9]. Diese enorm hohen Komplikationsraten, die auf einer PubMed-basierten Auswertung von 6 Studien erhoben wurden, lassen sich nach unserer Erfahrung bei entsprechender Infrastruktur und Expertise eines spezialisierten Zentrums sowie der Verwendung weniger invasiver Techniken wesentlich senken [5]. Gleichwohl unterstreichen sie v. a. bei Traumafällen die Wichtigkeit einer raschen, suffizienten – meist operativen – Versorgung, bevor die häufig unvermeidbare Fehlstellung eingetreten ist.

Eigene Ergebnisse

In der Zentralklinik Bad Berka wurden von 1994 bis einschließlich 2014 bei 334 Patienten mit ankylosierender Spondylitis 437 Korrekturspondylodesen durchgeführt. Die akuten Traumafälle wurden hier nicht einbezogen, der Homogenität wegen werden ausschließlich die Ergebnisse elektiver Aufrichtungseingriffe dargestellt. So wurden an diesem Krankengut über einen Beobachtungszeitraum von bis zu 20 Jahren im Durchschnitt 1,4 Eingriffe pro Patient (teils als Korrekturen an unterschiedlichen Wirbelsäulenabschnitten, teils als Komplikationsbehandlung) erforderlich. Der Inzidenz schwerer Verläufe entsprechend umfasste das Patientengut 37 Frauen und 297 Männer. Das Durchschnittsalter zum Zeitpunkt der Operation betrug bei allen Patienten 53,3 Jahre (ältester Patient 85 Jahre, jüngster 26 Jahre).

Bei 27 Patienten (6,2 %) lag eine atlantoaxiale Instabilität mit Dislokation vor. Davon mussten 12 Patienten zusätzlich zur dorsalen Stabilisierung transoral operiert werden. Wegen Spinalkanalstenose und Instabilität bei fehlender Fusion in der subaxialen Halswirbelsäule war bei 6,4 % eine Operation notwendig. Bei 115 Patienten (26,3 %) war eine Korrekturspondylodese zervikothorakal aufgrund einer angulären Kyphose indiziert.

Lokale Probleme an der Brustwirbelsäule waren mit 4,5 % selten zu beobachten. Hier handelte es sich hauptsächlich um Andersson-Läsionen.

Eine globale Kyphose, thorakal und lumbal, mit oder ohne Andersson-Läsion, war häufigster Grund für eine Osteotomie (222 Patienten, 50,8 %). Von diesen Patienten benötigten 28 eine zusätzliche zervikothorakale Osteotomie, da die Ankylosierung i.d.R. die gesamte Wirbelsäule betrifft.

Eine isolierte Korrektur der Lendenwirbelsäule war nur bei 3,4 % der Patienten notwendig, Hauptgrund waren hier Stenosen oder eine progressive Kyphosierung. Der lumbosakrale Übergang und das Sakrum waren nur bei 11 Patienten (2,5 %) versorgungspflichtig. Posttraumatische Fehlstellungen und damit verbundene mechanische Schmerzen aufgrund übersehener Insuffizienzfrakturen des Sakrums waren generell das pathologische Substrat.

In Bezug auf minimalinvasive Korrekturspondylodesen (Abb. 2 und 6) konnte Ibrahim [10] an 51 unserer Patienten zeigen, dass bei einem durchschnittlichen Blutverlust von 698 ml eine durchschnittliche Korrektur von 32,2°, ein Stehgrößenplus von im Mittel 8,3 cm, unter Verbesserung des Oswestry Disability Index von 48,7 auf 19,3 im letzten Follow-up erreicht wurden.

Eine durch knöcherne Durchbauung mechanisch sichere Ausheilung einer kombinierten dorsalen und ventralen Osteotomie erforderte ungefähr 8 bis 12 Monate. Sobald die Fusion eingetreten war, kam es zu keinem Korrekturverlust mehr, es sei denn, eine Fraktur trat auf. Während sich stenosebedingte Myelopathien und Radikulopathien i.d.R. deutlich besserten, erlitten 2 Patienten neue und bleibende Querschnittlähmungen. In einem Fall geschah dies sofort postoperativ, im zweiten verschlechterte sich der postoperativ regelrechte Neurostatus wohl vaskulär bedingt innerhalb von 24 h zu einer kompletten sensiblen und motorischen Paraplegie. Postoperativ neue und nach 12 Monaten persistierende radikuläre und myelopathische Verschlechterungen mussten bei 5 Patienten festgestellt werden.

Im Langzeitverlauf traten bei bisher 4 Patienten klinisch und radiologisch Cauda-equina-Syndrome unterschiedlichen Ausmaßes auf (Abb. 7).

Abb. 7 a,b
figure 7

Verklebungen der Caudafasern und Ektasien der lumbalen Dura mit korrespondierenden knöchernen Arrosionen und konsekutivem Cauda-equina-Syndrom nach langjähriger Spondylitis ankylosans. Osteotomien, zumal mit starken Verkürzungen des Kanals wie bei der Pedikelsubtraktionsosteotomie, sollten in diesen Arealen wegen neurologischer Komplikationsgefahr unter allen Umständen vermieden werden

Die 30-Tage-Mortalität lag bei 0,46 % (2 Patienten): Ein Patient verstarb 36 h nach erforderlicher kardiopulmonaler Reanimation am Ende der Operation, ein weiterer nach völlig problemlosem Verlauf und Remobilisation nach 12 Tagen an einer Lungenembolie.

Fazit für die Praxis

  • Die chirurgische Korrektur der Globalkyphose führt zur Rebalancierung der Statik, Normalisierung der Blickachse und insgesamt deutlichen Verbesserung der Lebensqualität.

  • Bei akuten Frakturen mit neurologischen Defiziten ist das operative Vorgehen mit Dekompression und Stabilisierung die Therapie der 1. Wahl.

  • Bei Andersson-Läsionen kann einer schleichenden Verschlechterung von Statik und evtl. auch Neurostatus vorgebeugt werden. Der Haupteffekt der operativen Therapie ist die enorme Verbesserung der mechanisch induzierten Schmerzsymptomatik.

  • Die Langzeitergebnisse sind trotz relativ hoher Rate an Komplikationen gut bis sehr gut.

  • Minimalinvasive Verfahren sind, sofern operationstaktisch sinnvoll, eine Möglichkeit, auch umfassende Korrekturen schonend durchzuführen.

  • Die subtile präoperative Planung bezogen auf die individuelle Deformität ist bei der Wahl der anzuwendenden operativen Strategien entscheidend.