Zusammenfassung
Bei etwa 50% der Patienten mit einer Riesenzellarteriitis (RZA) tritt eine Sehstörung auf, eine Amaurosis fugax (AF) bei etwa 30% und eine Diplopie bei etwa 10%.
Bei ungefähr 80–90% der Patienten mit einem Visusverlust besteht ein Sehnerveninfarkt (arteriitische anteriore ischämische Optikusneuropathie, A-AION), bei 10–20% ein arteriitischer Zentralarterienverschluss (A-ZAV).
Ohne Therapie ist bei einseitiger Erblindung mit einem Befall des zweiten Auges innerhalb von Stunden bis Tagen zu rechnen. Eine Erkrankung des vorderen Augenabschnitts (Irisischämie, Episkleritis) ist selten.
Ein okuläres Ischämiesyndrom ist gekennzeichnet durch einen Sehverlust mit Hypotonie, Irisischämie und „cotton wool spots“ (CWS). CWS können bereits bei einer AF auftreten. Bei dringendem Verdacht auf eine RZA ist die sofortige Steroidbehandlung angezeigt. Duplexsonographie und eine Gadolinium-MRT-Untersuchung werden zur Diagnose empfohlen. Eine Arterienbiopsie kann nach Behandlungsbeginn erfolgen.
Abstract
A visual impairment occurs in about 50% of patients with giant cell arteritis (GCA), an amaurosis fugax (AF) in about 30%, and diplopia in about 10%.
An arteritic anterior ischemic optic neuropathy was found in about 80%–90% of patients with visual loss and an arteritic central retinal artery occlusion in about 10%–20%.
Without therapy, involvement of the fellow eye may occur within hours or days in a patient with unilateral blindness. Involvement of the anterior segment of the eye (iris ischemia, episcleritis) is rare.
Ocular ischemic syndrome is defined by visual loss with hypotony, ischemia of the iris, and cotton wool spots (CWS). CWS may already occur with AF episodes. In the case of strong suspicion of GCA, immediate therapy with steroids is indicated. Duplex sonography and a gadolinium MRI examination are of diagnostic importance. A biopsy of the temporal artery may be carried out after the initiation of therapy.
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Die Riesenzellarteriitis (RZA) zählt wegen der drohenden Erblindung zu den wichtigsten ophthalmologischen Notfallsituationen. Bei kaum einer anderen Erkrankung mit Augenbeteiligung tragen Frühdiagnose und rascher Behandlungsbeginn entscheidend dazu bei, eine Erblindung zu verhindern. Die RZA ist die häufigste Form einer systemischen Vaskulitis bei über 50-jährigen Personen. Je nach geographischer Lage (deutliches Nord-Süd-Gefälle) schwankt die Inzidenz zwischen 0,5 und 23,3 Erkrankungen auf 100.000 Einwohner [15].
Augensymptome
Kraniale Symptome wie neu aufgetretene Kopfschmerzen, visuelle Störungen, Claudicatio intermittens des Kauens sind sehr verdächtig auf eine RZA. Meistens bestehen zuvor bereits unspezifische Symptome wie allgemeines Krankheitsgefühl mit subfebrilen Temperaturen, Polymyalgia rheumatica, Gewichtsverlust und Müdigkeit, die zunächst nicht immer direkt an eine arterielle Erkrankung denken lassen [8]. Bei 15% unserer Patienten mit positivem histologischem Befund einer RZA war die Blutsenkungsgeschwindigkeit kleiner als die vom American College of Rheumatology (ACR) angegebenen 50 mm/h [16].
Die hochgradige Sehminderung eines Auges kann innerhalb weniger Tage zur beidseitigen Erblindung führen
Zu den häufigen und am meisten gefürchteten Zeichen einer RZA gehört der Sehverlust. Die meistens hochgradige Sehminderung eines Auges kann ohne Therapie innerhalb weniger Tage zur beidseitigen Erblindung führen. Die Häufigkeit eines Sehverlustes wurde in der Literatur zwischen 10% und 60% angegeben [14], in größeren Statistiken beträgt sie etwa 50% [4]. Nach einem vorübergehenden Sehverlust (Amaurosis fugax, AF) tritt nahezu immer eine bleibende Sehminderung auf.
Eine genaue Anamneseerhebung ist für die frühe Beurteilung des Befundes von entscheidender Bedeutung (Infobox 1).
Amaurosis fugax
AF-Attacken werden durch eine transitorische Ischämie der Retina, des Sehnerven, der Aderhaut und manchmal durch kombiniert auftretende Durchblutungsstörungen verursacht.
Eine AF-Attacke geht in etwa 50–64% der unbehandelten RZA-Patienten einem bleibenden Visusverlust im Durchschnitt um 8,5 Tage voraus [11]. Deshalb stellt eine AF ein wichtiges Warnzeichen dar. Eine AF ist jedoch unspezifisch, denn sie kann auch ein drohendes Symptom eines nichtentzündlichen Gefäßverschlusses sein, beispielsweise vor einem Schlaganfall. Ein Patient mit den Angaben einer AF ist stets als Notfall anzusehen.
Eine AF kann auch Warnsymptom eines nichtarteriitischen Zentralarterienverschlusses (N-ZAV) sein. So wurde festgestellt [22], dass AF-Attacken bei 33% der Patienten mit einem N-ZAV auftraten. Hingegen tritt eine AF bei einer nichtarteriitischen anterioren ischämischen Optikusneuropathie (N-AION) selten auf [18, 22].
Augenschmerzen
Schmerzen im Augenbereich stellen wesentliche Symptome der RZA dar. Periokuläre oder retrobulbäre Schmerzen wurden nur bei etwa 8% der Patienten [4] angegeben (Infobox 2).
Kopfschmerzen sind bei etwa 20% der RZA-Patienten nicht vorhanden, sodass ein Sehverlust das erste Symptom einer RZA sein kann – diese Erkrankungsform wird auch als okkulte RZA bezeichnet. Erblindungen treten bei der RZA meistens ohne Augenschmerzen auf.
Diplopie
Sind die Augenmuskeln, ihre Nerven oder der Hirnstamm von der RZA betroffen, so entstehen Doppelbilder.
Eine Diplopie wurde nach Literaturangaben von 6–12% der RZA-Patienten angegeben [17]. Das gemeinsame Auftreten von Diplopie und Hepatitis als initiale Befunde einer RZA ist ungewöhnlich [12]. Augenmuskelparesen gehen im Allgemeinen einer Erblindung voraus.
Plötzliches Dunkelsehen, bespielsweise durch ein heißes Bad (Uhthoff-Zeichen), kann einer Erblindung vorausgehen.
Augenbefunde
Siehe Tab. 1.
Sehstörungen bei Patienten mit RZA
In einer retrospektiven Studie stellten Hayreh et al. [4] bei etwa 50% der RZA-Patienten eine Sehstörung fest (Tab. 2 Tab. 1).
Ischämie des Sehnerven
Der Sehverlust als häufigster okulärer Befund wird meistens durch einen Sehnerveninfarkt (A-AION) hervorgerufen. Eine A-AION in seinem bulbusnahen Anteil entsteht durch den entzündlichen Verschluss der hinteren Ziliararterien. Die Häufigkeit eines Sehverlustes wurde in der Literatur zwischen 10% und 60% angegeben [14].
Der Sehverlust wird meistens durch einen Sehnerveninfarkt hervorgerufen
Eine Sehnervenschädigung wurde bei 43,5% von 85 Patienten festgestellt. Bei 17 (38%) der 45 betroffenen Augen war die Sehschärfe besser und bei 28 Augen (62%) schlechter als 0,1 [24].
Wichtige Unterscheidungsmerkmale zwischen nichtarteriitischen und arteriitischen Fundusbefunden
Die wichtigste Herausforderung des Augenarztes besteht zunächst darin, so rasch wie möglich herauszufinden, ob eine nichtarteriitische (N-AION) oder eine arteriitische AION (A-AION) vorliegt.
Nur etwa 5% aller Sehnerveninfarkte von Patienten mit einer Optikusneuropathie werden durch eine RZA hervorgerufen. Ein Sehnerveninfarkt ist meistens Folge eines arteriosklerotisch bedingten, also nichtentzündlichen Gefäßprozesses (N-AION).
Der Sehverlust bei einer A-AION ist häufig massiv; über 80% der Patienten weisen einen Visus von weniger als Erkennen von Handbewegungen auf [14]. Bei der N-AION resultiert dagegen häufig ein altitudinaler Gesichtsfeldrest (Ausfall meistens des unteren Gesichtsfeldbereichs, seltener des oberen Areals) mit einer partiellen Sehminderung. Ein altitudinaler Ausfall ist bei einer RZA selten, worauf Yoeruek et al. [29] hinwiesen.
Farbe und Größe einer Papille als wichtige Parameter
Augen mit einer A-AION wiesen eine kalkweiß erscheinende Papillenschwellung bei 69% während der akuten Phase einer RZA auf (Abb. 1; [4]).
Im Allgemeinen ist die geschwollene Papille einer N-AION nicht abgeblasst. Die Papillen bei einer N-AION sind meistens klein. Eine AION mit einer großen Papille spricht demnach mit großer Wahrscheinlichkeit für eine A-AION.
Bei einer Optikusneuropathie ist zu beachten, dass eine N-AION sehr selten mit einer chorioidalen Durchblutungsstörung einhergeht [22]. Im Gegensatz zum Glaukom weist der Fundus bei einer A-AION keine parapapilläre Atrophie auf [5].
Ein Sehnerveninfarkt, also eine A-AION, tritt meistens zunächst einseitig auf. Das zweite Auge kann bei zu spätem Therapiebeginn erblinden oder auch noch nach Wochen oder Monaten betroffen sein, insbesondere bei zu rascher Reduktion der Steroidtherapie bei noch aktiver Entzündung.
Eine zu rasche Reduktion der Steroidtherapie kann die Erblindung des zweiten Auges begünstigen
Huna-Baron et al. [7] untersuchten den Augendruck von 16 Patienten mit einer A-AION und bei 16 Patienten mit einer N-AION. Eine Hypotonie wurde bei 1/3 der Patienten mit A-AION festgestellt. Jonas u. Harder [9] untersuchten ophthalmodynamometrisch den diastolischen Kollapsdruck der Zentralarterie und der Zentralvene. Sie fanden, dass dieser Druck bei Patienten mit einer A-AION signifikant tiefer lag als bei 10 Patienten mit einer N-AION.
Entzündlicher Verschluss der A. ophthalmica
Da die posterioren Ziliararterien und die A. centralis retinae aus der A. ophthalmica entspringen, können als Zeichen des seltenen Verschlusses der A. ophthalmica gleichzeitig ein retinaler und ein chorioidaler Infarkt sowie eine A-AION bzw. ein A-ZAV und auch noch Augenmuskelparesen auftreten.
Posteriore ischämische Optikusneuropathie (PION)
Bei einer PION handelt es sich um einen Infarkt des posterioren orbitalen, des intrakanalikulären oder des intrakraniellen Sehnerven. Hayreh et al. [4] stellten bei 7% der Patienten eine PION fest. Typischerweise besteht eine Diskrepanz zwischen schwerem Funktionsverlust des Auges und den fehlenden Fundusveränderungen im akuten Stadium der Erblindung. Nach etwa 2 Wochen zeigt sich eine weiße Papille. Bei einer A-PION kann zusätzlich eine chorioidale Ischämie vorhanden sein [14].
Chorioidale Ischämie
Eine reduzierte Perfusion der Aderhaut wurde mehrfach mitgeteilt. Häufig weisen Patienten mit einer chorioidalen Ischämie keine Symptome auf [14]. Mit der Angiographie kann jedoch die reduzierte Perfusion der Aderhaut nachgewiesen werden.
Arteriitischer Zentralarterienverschluss (A-ZAV)
Ein A-ZAV kann ein- oder beidseitig bei einer RZA entstehen. Ein A-ZAV ist typischerweise durch ein zentrales Makulaödem charakterisiert, meistens besteht ein „kirschroter Fleck“ als wichtiges diagnostisches Zeichen (Abb. 2). Jonasson e al. [10] stellten fest, dass 18% der Patienten mit Sehverlust einen A-ZAV und 82% eine A-AION zeigten. Patienten mit einem A-ZAV weisen nicht selten zusätzlich eine chorioidale Ischämie auf. Derartige kombinierte Durchblutungsstörungen treten typischerweise bei einer RZA auf und sind als ungewöhnlich bei einem N-ZAV anzusehen. Gelegentlich entsteht ein einseitiger A-ZAV mit einer kontraleralen A-AION [24].
Arteriitischer Arterienastverschluss (AAV)
Ein A-AAV tritt selten auf. Eine Ischämie kann durch eine Lageänderung hervorgerufen werden [14]. Ein A-AAV kann durch eine Reduktion der Blutströmung in der A. centralis retinae oder der A. ophthalmica mit einer nachfolgenden retinalen Ischämie entstehen. Dabei kann ein „Sludge-Phänomen“ beobachtet werden.
Seltene Visusbesserung unter einer Glukokortikoid-Behandlung
Saha u. Rehman [20] berichteten über die Visusbesserung einer RZA-Patientin, bei der eine chorioidale Durchblutungsstörung mit einem Visus von 0,1 rechts bestand, der sich unter der Prednison-Therapie bis auf 0,6 besserte.
Erhöhte Gefahr einer beidseitigen Amaurose
Die Gefahr der beidseitigen Erblindung ist jederzeit nach dem 50. Lebensjahr gegeben, vor allem im hohen Alter. Jonasson et al. [10] stellten bei 81 Patienten einen bleibenden Sehverlust fest. Bei 36% der beidseits befallenen Patienten betrug das Intervall zwischen der Erblindung des ersten und zweiten Auges weniger als 24 Stunden.
Cotton wool spots (CWS)
Sie treten als lokalisierte Durchblutungsstörungen der retinalen Nervenfaserschicht auf. Sie sind unspezifisch, da sie bei zahlreichen Erkrankungen, die eine retinale Ischämie hervorrufen, wie Hypertonie oder Diabetes, beobachtet werden [26].
Retinale Ischämie
Zeichen einer retinalen Ischämie sind CWS und intraretinale Blutungen.
Ein oder mehrere CWS (Abb. 3) können als frühes Zeichen einer RZA vor einem Sehverlust auftreten.
Mit Diplopie einhergehende Erkrankungen
Die Augenmuskelschwäche kann fluktuieren und ähnlich einer okulären Myasthenie ausgeprägt sein. Eine Diplopie kann aber auch durch Hirnnervenparesen bedingt sein. Bei einer N.-III-Parese ist die Pupille häufig ausgespart; allerdings kann selten auch eine Pupillenstörung vorliegen. Auf eine schmerzhafte Okulomotoriusparese wurde von Day u.Malik [3] hingewiesen. Isolierte Abduzens- oder Trochlearisparesen wurden bei Patienten mit einer RZA selten mitgeteilt. Die rein muskulär oder nerval bedingten Doppelbilder bilden sich unter der Behandlung meistens wieder zurück. Eine Diplopie kann auch bei zerebralen Infarkten auftreten mit Blickparese, internukleärer Ophthalmoplegie, Vertikalnystagmus, Skew-Deviation, Eineinhalbsyndrom und/oder einem Blickrichtungsnystagmus.
Seltene Augenbefunde
Pupillenstörungen treten bei einer RZA als ein Horner-Syndrom entweder als zentraler Prozess zusammen mit anderen Hirnstammläsionen auf oder postganglionär zusammen mit einer N.-III- oder VI-Parese infolge einer Ischämie des Sinus cavernosus [14]. Arunagiri et al. [1] berichteten über das kombinierte Auftreten eines Horner-Syndroms mit einer einseitigen Abduktionseinschränkung.
Über eine Pupillotonie bei RZA-Patienten wurde von mehreren Autoren berichtet.
Eine Protrusio bulbi infolge eines entzündlichen Orbitabefalls durch eine RZA wurde mehrfach mitgeteilt.
Borruat et al. [2] berichteten über ein orbitales Infarktsyndrom bei einer RZA, das gekennzeichnet war durch einen Aderhautinfarkt, einen ZAV, eine Hypotonie und eine vollständige einseitige Ophthalmoplegie.
Als Folge einer ausgeprägten Ischämie des gesamten Auges wurden Entzündungen des vorderen Augenabschnitts mit Episkleritis oder Iritis beschrieben.
Ein okuläres Ischämiesyndrom ist gekennzeichnet durch eine okuläre Hypotonie, eine Irisischämie, CWS sowie einen Sehverlust, der durch eine A-AION und/oder einen A-ZAV hervorgerufen wird. Hollenhorst [6] beschrieb einen orthostatisch bedingten Sehverlust bei 4 Patienten mit RZA. Bei diesen Patienten trat eine deutliche Sehminderung beim Wechsel aus liegender in die sitzende Position auf. Es zeigte sich ophthalmoskopisch ein deutliches Sludge-Phänomen der Netzhautgefäße bei gleichzeitiger Sehminderung. Eine RZA-Patientin mit einer vollständigen homonymen Hemianopsie links wies eine homonyme inferiore Quadrantenanopsie rechts infolge mehrerer Hirninfarkte auf [19].
Sowohl ein- als auch beidseitige, meistens periphere Fazialislähmungen, in seltenen Fällen supranukleäre Fazialisparese infolge eines Hirnstamminfarktes treten vereinzelt auf.
Die okkulte RZA als wichtiges, oft verkanntes Krankheitsbild
Hayreh et al. [4] stellten bei etwa 20% seiner Patienten eine okkulte RZA fest. Bei älteren Patienten mit einer AF oder einer Erblindung und erhöhtem C-reativen Protein bei fehlenden Allgemeinsymptomen besteht der dringende Verdacht auf eine okkulte RZA.
Maßnahmen zur Diagnosesicherung
Neben den Laboruntersuchungen, der Duplexsonographie und der Gadolinium-MRT-Untersuchung ist die Biopsie der A. temporalis superficialis als diagnostischer „Goldstandard“ weiterhin erforderlich.
Zur Diagnosesicherung ist die Biopsie der A. temporalis superficialis erforderlich
Hierzu ist es ratsam, eine Arterienresektion von mindestens 2 cm Länge zur histologischen Untersuchung vorzunehmen. Bei einem zu kurzen Biopsat besteht die Gefahr einer falsch-negativen Diagnose, da entzündungsfreie Arterienabschnitte („skip areas“) bestehen können.
Differenzialdiagnosen
Die RZA ist bekannt als „Täuscherin“ („masquerader“), da die Symptome den Arzt irreleiten können, sodass nicht selten die Diagnose verspätet gestellt wird.
Die vielen, oft unspezifischen systemischen Symptome können die richtige Diagnose einer RZA verzögern. Andererseits gibt es eine Reihe von Erkrankungen, die einer RZA ähnlich sind. Die Durchblutungsstörungen (AION, ZAV) können auch bei embolischen oder arteriosklerotischen Erkrankungen auftreten. Eine infektiöse Endokarditis kann einen embolischen ZAV hervorrufen, sodass bei den entzündlich veränderten Blutwerten die Differenzialdiagnose erschwert sein kann und eine Echokardiographie im Frühstadium der Krankheitserscheinungen zu fordern ist.
Die Symptome einer Arteriitis können durch zusätzliche Allgemeinkrankheiten verschleiert sein, beispielsweise durch eine arterielle Hypertonie mit dem Symptom „Kopfschmerz“, oder es bestehen Symptome wie eine AF infolge eines Verschlusses der A. carotis interna [25].
Als weitere Differenzialdiagnosen, insbesondere bei Hirnnervenparesen, müssen orbitale Aspergillose, Mukormykose, Sinusthrombose, Nasopharynxkarzinom, Pan-(Poly-)arteriitis nodosa, Pachymeningitis, Zoster ophthalmicus und ein M. Wegener in Erwägung gezogen werden (Infobox 3).
Die Symptome einer RZA können durch systemische Mikroemboli vorgetäuscht werden.
Altitudinaler Ausfall
Ein Ausfall der unteren, seltener der oberen Gesichtsfeldhälfte tritt typischerweise bei einer N-AION auf. Eine langsam entstehende bilaterale Hemianopia inferior kann auch ein wichtiges differenzialdiagnostisches Zeichen eines chiasmanahen Tumors sein. Bei 11 von 120 Patienten (9,2%) mit einem Tumor der mittleren Schädelgrube wurden altitudinale Ausfälle beschrieben [21].
Bei zerebralen Infarkten werden homonyme und bitemporale Ausfälle beschrieben.
Gesichtsschwellung
Schmerzhafte Gesichts- und Lidschwellung wurden von mehreren Autoren bei RZA beschrieben. Bei einer schmerzhaften Gesichts- und Lidschwellung kommt als Differenzialdiagnose ein allergisches Angioödem infrage [28]. Auch eine Sinusitis kann vorliegen.
Eine schmerzhafte Ophthalmoplegie kann auch bei nichtarteriitischen Erkrankungen auftreten. So berichteten Mehelas u. Kosmorsky [13] hierüber bei einem metastasierenden Nierenzellkarzinom.
In der Differenzialdiagnose entzündlicher Erkrankungen sind vor allem die bakteriell-embolisch bedingten Gefäßverschlüsse des Auges bei infektiöser Endokarditis anzuführen, die stets von einer autoimmunologisch bedingten Arteriitis zu unterscheiden sind. Terruso et al. [27] berichteten über einen 80-jährigen Patienten mit einer durch Streptokokken hervorgerufenen Endokarditis.
Lokale Zusatztherapie des Auges
Die Behandlung einer RZA kann nur in enger Kooperation mit dem Internisten erfolgen. Der Augenarzt kann nur beratend bezüglich einer Therapie des Augenbefundes zur Seite stehen. Der Augenarzt sollte den Augenbefund überwachen und bei einer Sehstörung behandeln.
Bei frischem ZAV kann eine Bulbusmassage zu einer zumindest teilweisen Reperfusion der Retina führen.
Eine Senkung des Augendrucks dient einer Verbesserung des Gefäßwiderstands, sodass die retinale Durchblutung verbessert wird. Der Augendruck lässt sich medikamentös oder vorübergehend durch eine Parazentese senken. Bei einigen Patienten verschlechtert sich die Durchblutung in aufrechter Körperposition. Bei diesen Patienten kann sich die akute Sehminderung durch strenge Bettruhe mit Flachlagern des Kopfes verbessern [11, 23, 25].
Die wichtigste Maßnahme ist stets die systemische Akuttherapie mit Glukokortikoiden und Antikoagulanzien.
Fazit für die Praxis
Bei etwa 80% der Patienten mit einer Augenbeteiligung bei RZA besteht ein Sehnerveninfarkt. Die Gefahr einer beidseitigen Erblindung innerhalb von Stunden bis wenigen Tagen ist groß. Eine frühzeitige hochdosierte Glukokortikoid-Therapie ist bei dringendem Verdacht auf eine RZA erforderlich.
Abbreviations
- A-AAV:
-
Arteriitischer Arterienastverschluss
- A-AION:
-
Arteriitische anteriore ischämische Optikusneuropathie
- ACR:
-
„American College of Rheumatology“
- AF:
-
Amaurosis fugax
- A-PION:
-
Arteriitische posteriore ischämische Optikusneuropathie
- A-ZAV:
-
Arteriitischer Zentralarterienverschluss
- CWS:
-
„Cotton wool spots“
- N-AION:
-
Nichtarteriitische anteriore ischämische Optikusneuropathie
- N-ZAV:
-
Nichtarteriitischer Zentralarterienverschluss
- PION:
-
Posteriore ischämische Optikusneuropathie
- RZA:
-
Riesenzellarteriitis
- ZVA:
-
Zentralarterienverschluss
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Interessenkonflikt
Der korrespondierende Autor gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
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Nach einem Vortrag anlässlich des Freiburger Vaskulitis-Symposiums im Rahmen des 550-jährigen Bestehens der Universität Freiburg (23. Juni 2007).
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Schmidt, D., Neß, T. Augenbefunde und Differenzialdiagnosen bei Riesenzellarteriitis (Arteriitis cranialis). Z. Rheumatol. 68, 117–123 (2009). https://doi.org/10.1007/s00393-008-0376-4
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