Warum erfolgt eine spezielle Klassifikation juveniler Arthritiden?

„The fundamental difficulty in discussing rheumatism consists in defining what we mean by it.“

Diese Aussage des englischen Arztes Sir Thomas Barlow Ende des 19. Jahrhunderts hat bis heute nichts an Gültigkeit eingebüßt, sind wir doch gerade in der Rheumatologie unverändert auf eine einheitliche Nomenklatur und Klassifikation zur Sprachregelung und einheitlichen Definition von Erkrankungen angewiesen [1]. Das liegt u. a. in unseren nach wie vor unzureichenden Kenntnissen der Ätiopathogenese sowie im Fehlen pathognomonischer Merkmale bzw. eines diagnostischen Standardtestes für viele der rheumatischen Erkrankungen im Kindes- und Erwachsenenalter begründet. Ohne die Anwendung einheitlicher Klassifikationskriterien lassen sich Studien zur Epidemiologie, Pathogenese und Therapie rheumatischer Krankheiten nicht vergleichen.

Chronische Arthritiden mit Beginn im Kindesalter weisen Gemeinsamkeiten mit im Erwachsenenalter beginnenden Arthritiden auf, es gibt jedoch auch gravierende Unterschiede. Gemeinsam ist ihnen, dass sie als destruierende Arthropathien langfristig zu einem Funktionsverlust führen und die Lebensqualität der Betroffenen erheblich beeinträchtigen können. Sowohl die Arthritiden mit Beginn im Kindesalter als auch jene mit Beginn im Erwachsenenalter gelten mit Ausnahme des M. Still als Autoimmunerkrankungen mit komplexem genetischen Hintergrund, Assoziationen mit bestimmten HLA-Allelen und Th1-ausgerichtetem Zytokinprofil. Sie weisen Ähnlichkeiten in der Gelenkpathologie mit Hyperplasie der Synovialis, deren Infiltration mit mononukleären Zellen, verstärkter Vaskularisation sowie Pannusbildung und letztendlich Knorpel- und Knochenerosionen auf.

Aber juvenile Arthritiden grenzen sich auch von den Arthritiden im Erwachsenenalter ab: Sie sind etwa 10-mal seltener, zeigen andere klinische Präsentationen und einen oft günstigeren Verlauf. Viele der juvenilen Arthritiden treten ausschließlich bei Kindern auf und finden kein Pendant im Erwachsenenalter. Rheumafaktoren (RF) finden sich nur in einer kleinen Subgruppe von Patienten (<5%). Die HLA-Assoziationen bei den juvenilen Arthritiden sind mit Ausnahme des HLA-B27 andere als bei der rheumatoiden Arthritis (RA) des Erwachsenen.

Die ILAR-Klassifikation juveniler Arthritiden setzt sich zunehmend durch

Insgesamt ist die Gruppe der im Kindesalter beginnenden Arthritiden heterogener als jene im Erwachsenenalter und lässt phänotypisch sowie genetisch voneinander (und von Arthritiden im Erwachsenenalter) differierende Subgruppen erkennen. Das findet in einer speziellen Klassifikation dieser Arthritiden Berücksichtigung, der in den vergangenen Jahren verstärkt Aufmerksamkeit gewidmet wurde. Von der „International League of Associations for Rheumatology“ (ILAR) wurde eine neue Klassifikation für juvenile Arthritiden vorgeschlagen und bereits zweimal revidiert [2, 3, 4], die sich international zunehmend durchsetzt und in Europa inzwischen die alte Klassifikation der „European League Against Rheumatism“ (EULAR) ersetzt hat. Eine kritische Auseinandersetzung mit ihr ist deshalb geboten.

Klassifikation chronischer Arthritiden im Kindesalter

Zur Definition der häufigsten rheumatischen Erkrankung bei Kindern und Jugendlichen, der chronischen Arthritis unklarer Genese, wurden bisher verschiedene Klassifikationskriterien vorgeschlagen [2, 3, 4, 5, 6]. Allen gemeinsam ist, dass sie die unterschiedlichen Formen der chronischen Gelenkentzündung im Kindesalter unter bestimmten Oberbegriffen (juvenile rheumatoide Arthritis/JRA, juvenile chronische Arthritis/JCA, juvenile idiopathische Arthritis/JIA) subsumieren und basierend auf klinischen Merkmalen innerhalb der ersten 6 Erkrankungsmonate definierten Subgruppen zuordnen. In Europa wurde die Gruppe der kindlichen Arthritiden ab Ende der 1970er Jahre überwiegend nach den Kriterien der EULAR klassifiziert und als juvenile chronische Arthritis (JCA) bezeichnet.

In Nordamerika hingegen wurden bevorzugt die Kriterien des „American College of Rheumatology“ (ACR, früher „American Rheumatism Association“, ARA) und der Terminus juvenile rheumatoide Arthritis (JRA) angewendet. Beide Klassifikationen bezogen sich zwar auf die gleiche Gruppe von Erkrankungen und unterschieden ähnliche Beginnformen der juvenilen Arthritis (systemische Arthritis, Oligoarthritis, Polyarthritis), sie schlossen allerdings unterschiedliche Krankheitsgruppen ein (Tab. 1). Das brachte Probleme im wissenschaftlichen Austausch aufgrund der eingeschränkten Vergleichbarkeit von Studiendaten mit sich.

Tab. 1 Klassifikationen der chronischen Gelenkentzündung im Kindesalter

Um diese zu lösen und die internationale Verständigung zu erleichtern wurde deshalb 1993 ein kinderrheumatologisches Komitee der ILAR zur Ausarbeitung neuer Klassifikationskriterien gegründet. Dieses entwickelte auf der Basis eines Expertenkonsensus neue Kriterien und schlug als Oberbegriff für die Gesamtgruppe kindlicher Arthritiden unklarer Genese, die vor dem 16. Lebensjahr beginnen und über mindestens 6 Wochen andauern, den Terminus juvenile idiopathische Arthritis (JIA) vor [2].

JIA wurde von der ILAR als Obergriff der kindlichen Arthritis unklarer Genese gewählt

Mit der ILAR-Klassifikation wurde angestrebt, die verschiedenen Formen der juvenilen Arthritis international einheitlich zu identifizieren und möglichst homogenen, sich gegenseitig ausschließenden Arthritisformen bzw. Kategorien zuzuordnen (Tab. 2). Diesem Anspruch wird sie zumindest partiell gerecht, denn sie trennt, obgleich ebenfalls lediglich auf einer klinischen Zuordnung basierend, immungenetisch und prognostisch voneinander differierende Subgruppen der kindlichen Arthritis ab [7].

Tab. 2 Definition der einzelnen JIA-Subgruppen nach der aktuellen ILAR-Klassifikation [5]

Klinischen Besonderheiten der einzelnen JIA-Formen

Seit dem Jahr 2000 findet die ILAR-Klassifikation auch in der bundesweiten Kerndokumentation für rheumakranke Kinder und Jugendliche Berücksichtigung. Mit der Kinder-Kerndokumentation werden, analog zur Erwachsenen-Kerndokumentation, seit 1997 einmal pro Jahr Arzt- und Patientenangaben zu rheumatischen Krankheiten im Kindes- und Jugendalter an kinderrheumatologischen Einrichtungen erhoben. Im Jahr 2005 nahmen 40 Einrichtungen an der Dokumentation teil, etwa 6000 Kinder und Jugendliche wurden erfasst, darunter 4099 mit JIA. Mit der Kinder-Kerndokumentation konnten Informationen zur relativen Häufigkeit der einzelnen JIA-Subgruppen, ihren typischen Erkrankungsgipfeln (Abb. 1) und klinischen Besonderheiten gewonnenen werden.

Tab. 3 gibt einen Überblick über die klinischen und laborchemischen Charakteristika der juvenilen Arthritiden. Die darin enthaltenen Angaben zur Häufigkeit antinukleärer Antikörper (ANA) bei JIA-Patienten verdeutlichen einerseits, dass ANA die am häufigsten nachgewiesenen Autoantikörper in diesem Kollektiv sind, aber auch, dass die Rate falsch-positiver Befunde relativ hoch ist. So wurden ANA auch bei 16% der Patienten mit systemischer Form der JIA (sJIA) nachgewiesen, bei denen diese eigentlich nicht erwartet werden. ANA werden, gerade im Titerbereich zwischen 1:80 bis 1:640, auch bei bis zu 33% gesunder Kinder gefunden und haben generell eine geringe diagnostische Spezifität für die JIA [8]. Sie sind also weder geeignet Kinder mit JIA von anderen mit Gelenkbeschwerden abzugrenzen, noch Kinder mit verschiedenen JIA-Subgruppen sicher voneinander zu diskriminieren.

Die Angaben einer Uveitis für 1% der Patienten mit sJIA und seropositiver Polyarthritis (RF+-PA) sind ebenfalls unerwartet, da üblicherweise bei diesen Patienten eine derartige extraartikuläre Manifestation nicht beobachtet wird. Theoretisch kann es sich bei diesen Patienten um „Ausnahmen von der Regel“ oder „Fehlklassifizierte“ handeln.

Abb. 1
figure 1

Erkrankungsalter der einzelnen Formen der JIA (basierend auf Daten der Kerndokumentation von 2005)

Tab. 3 Charakteristika der einzelnen JIA-Subgruppen im Gesamtkollektiv kinderrheumatologisch betreuter, über die Kerndokumentation 2005 erfasster und im Durchschnitt 4 Jahre kranker Patienten (n=4099)

Systemische Form der JIA (Morbus Still)

Die sJIA unterscheidet sich grundsätzlich von den anderen Formen der JIA und wird heute vielmehr als autoinflammatorisches Syndrom angesehen. Autoantikörper werden in der Regel nicht nachgewiesen, es besteht keine Geschlechtsdisposition. Auch sind keine Assoziationen mit HLA-Allelen bekannt. Aber es gibt Hinweise, dass eine Prädisposition zu einer verstärkten Produktion inflammatorischer Zytokine auf Stimuli, wie z. B. infektiöse Agenzien, Teil des genetischen Hintergrundes bei der sJIA ist. So wurden bei Patienten mit sJIA häufiger der –173 G/C Polymorphismus im „Macrophage Migration Inhibitory Factor-“ (MIF-)Gen und das –174 G-Allel des Interleukin-6-Gens nachgewiesen, die beide mit einer verstärkten Produktion dieser proinflammatorischen Zytokine assoziiert sind [9, 10].

Die systemische Form der JIA wird als autoinflammatorisches Syndrom angesehen

Man geht derzeit davon aus, dass der sJIA eine unkontrollierte Aktivierung des angeborenen Abwehrsystems mit proinflammatorisch aktiven neutrophilen Granulozyten und Monozyten zugrunde liegt, die sich in einer überschießenden Freisetzung der Zytokine Interleukin- (IL-)1β, IL-6 und IL-18 sowie kalziumbindenden S100-Proteinen widerspiegelt [11]. Hieraus erklären sich viele der klinischen Symptome mit intermittierendem Fieber (bis über 39°C), einem nichtfixierten, lachsfarbenen Exanthem (Abb. 2), einer Hepatosplenomegalie, Polyserositis, Lymphadenopathie, Anämie, Leuko- und Thrombozytose.

Abb. 2
figure 2

Typisches rumpfbetontes, flüchtiges Exanthem bei einem einjährigen Mädchen mit sJIA

Die sJIA ist keine homogene Subgruppe der JIA. Sowohl die systemischen als auch die Gelenkmanifestationen können sehr variabel ausgeprägt sein. Zu Erkrankungsbeginn dominieren in der Regel die systemischen extraartikulären Manifestationen. Eine chronische Arthritis entwickelt sich gewöhnlich innerhalb von 6 Monaten nach Fieberbeginn, gelegentlich auch erst Jahre später. Der Krankheitsverlauf ist variabel. Bei bis zu 50% der Patienten verläuft die Erkrankung chronisch-progredient mit schwerer destruierender Polyarthritis und signifikantem Funktionsverlust. Etwa 2–5% der Patienten entwickeln eine lebensbedrohliche Komplikation, die als sekundäre hämophagozytische Lymphohistiozytose oder Makrophagenaktivierungssyndrom (MAS) bezeichnet wird. Plötzliches Fieber, Panzytopenie, Hepatosplenomegalie, Leberinsuffizienz, Koagulopathie mit Hämorrhagien und neurologische Symptome kennzeichnen dieses Syndrom, das einer raschen therapeutischen Intervention bedarf.

Oligoarthritis

Die OA stellt in Mitteleuropa die häufigste Form der chronischen Gelenkentzündung im Kindesalter dar. Sie manifestiert sich vorzugsweise im Kleinkindalter und ist eine ausschließlich bei Kindern auftretende Arthritisform. Im typischen Fall erkranken Kleinkinder, vorzugsweise Mädchen. Sie zeigen eine asymmetrische Gelenkentzündung mit bevorzugtem Befall von Knie- und Sprunggelenken (Abb. 3). Per definitionem sind innerhalb der ersten 6 Erkrankungsmonate maximal 4 Gelenke entzündet, in 30–50% der Fälle ist nur ein Gelenk betroffen [12]. Bleibt die Arthritis auch im weiteren Krankheitsverlauf auf maximal 4 Gelenke beschränkt, spricht man von einer persistierenden Form der Oligoarthritis. Werden mehr als 4 Gelenke in den Entzündungsprozess einbezogen, wird die Erkrankung als erweiterte bzw. extended Form der Oligoarthritis bezeichnet. Letztere entwickeln bis zu 50% der Patienten [13]. Eine zu Krankheitsbeginn hohe humorale Entzündungsaktivität sowie eine Arthritis an mehr als einem Gelenk bzw. einem Gelenk der oberen Extremitäten wurden als Prädiktoren für die polyartikuläre Verlaufsform ermittelt [13, 14].

Die meisten Kinder mit JIA haben eine OA, bevorzugt erkranken Mädchen

Die Prognose von Patienten mit extended OA ist wesentlich ungünstiger als jene von Patienten mit persistierender OA. Innerhalb der ersten 15 Krankheitsjahre entwickelt nur etwa ein Drittel (im Vergleich zu 3/4 der Patienten mit persistierender OA) eine Remission. Schwere Funktionsbeeinträchtigungen und erosive Gelenkveränderungen werden ebenfalls häufiger, und zwar bei etwa einem Drittel, beobachtet.

Abb. 3
figure 3

Gelenkbefall bei den einzelnen JIA-Subgruppen innerhalb der ersten 12 Erkrankungsmonate, basierend auf Daten der Kerndokumentation 2005 (n=714, mittlere Krankheitsdauer 6 Monate)

Die OA zeigt starke Assoziationen mit bestimmten HLA-Allelen. Erkrankte tragen häufiger die Allele HLA-A*02, -DRB1*08, -DRB1*11, -DRB1*1301 und -DPB1*0201 [15]. Es wird vermutet, dass mehrere genetische Loci (d. h. ein HLA-A-Gen, 2 HLA-DRB1- oder -DQ-Gene sowie ein -DP-Gen) für die Krankheitsprädisposition verantwortlich sind. Die Akute-Phase-Proteine sind oft normal oder nur leicht erhöht, ANA werden bei etwa 2/3 der Patienten nachgewiesen.

Patienten mit OA haben innerhalb der JIA-Gruppe das höchste Risiko eine Uveitis zu entwickeln, wobei dieses Risiko für ANA-positive fast 4-mal höher ist als für ANA-negative Patienten. Die Uveitis manifestiert sich häufig zu Erkrankungsbeginn, in etwa 10% vor der Arthritis, in etwa 3/4 der Fälle innerhalb des ersten Erkrankungsjahres. Die Uveitis bei der OA ist in der Regel symptomlos. Das Komplikationsrisiko ist deshalb hoch: Etwa jeder dritte Patient entwickelt infolge von Katarakt, Glaukom, bandförmigen Hornhautdegenerationen und anderen okulären Folgeproblemen einen relevanten Visusverlust (≤20/50). Ein engmaschiges ophthalmologisches Screening dieser Patienten, d. h. sofort zur Diagnosestellung und danach zunächst mindestens alle 3 Monate, ist deshalb geboten [16].

Seronegative Polyarthritis

Die Kategorie RF-PA ist die dritthäufigste Form der JIA und umfasst mindestens 3 verschiedene Untergruppen [12].

  • Die erste Untergruppe gleicht der frühkindlichen OA in Folgendem: Beginn im Kleinkindalter, ANA-Positivität, Mädchenwendigkeit, erhöhtes Uveitisrisiko, asymmetrischer Befall von allerdings mehr als 4 Gelenken und Assoziation mit HLA-DRB1*08. Diese ähnliche klinische Präsentation gab Anlass zu der Annahme, dass es sich bei dieser Unterform der RF-PA um die gleiche Erkrankung wie die ANA-positive OA handelt, allerdings mit rascherer Arthritisprogredienz [17].

  • Die zweite Untergruppe findet in der seronegativen rheumatoiden Arthritis (RA) des Erwachsenen ein Pendant und ist durch eine symmetrische Arthritis der großen und kleinen Gelenke, einen Beginn im Schulalter, ANA-Negativität und mäßige Erhöhungen der laborchemischen Entzündungsparameter gekennzeichnet.

  • Die dritte Unterform geht mit nahezu fehlenden Gelenkschwellungen („dry synovitis“), Schonhaltungen, Bewegungseinschränkungen sowie Beugekontrakturen einher. Die Laborparameter sind meist unauffällig. Der Krankheitsverlauf ist oft chronisch progredient.

Bei allen Patienten mit RF-PA sind extraartikuläre Manifestationen, abgesehen von einer Uveitis, selten.

Häufiger als bei der OA entwickeln sich im Verlauf erosive Gelenkveränderungen, und zwar nach 6–9 Jahren in 40–80% der Patienten, und dauerhafte Funktionseinschränkungen [18]. Die überwiegende Mehrheit dieser Patienten hat auch im Erwachsenenalter noch eine aktive Erkrankung und bedarf der weiteren rheumatologischen Versorgung.

Seropositive Polyarthritis

Die RF+-PA gilt als pädiatrisches Äquivalent der RA und wird überwiegend bei jugendlichen Mädchen beobachtet. Sie zeigt ähnliche klinische Manifestationen und einen rasch progredienten Verlauf.

Psoriasisarthritis

Im Unterschied zur PsA im Erwachsenenalter manifestiert sich bei Kindern die Arthritis in etwa 50% vor bzw. in 10% mit der Psoriasis [19]. Zu Erkrankungsbeginn präsentiert sich die PsA typischerweise als asymmetrische OA, wobei das Kniegelenk am häufigsten betroffen ist. Aber es gibt auch eine eindeutige Prädilektion für kleine Gelenke (MCP-, MTP-, PIP-, DIP-Gelenke) an Händen und Füßen [20]. Als typischer Gelenkbefall bei der PsA gelten der Befall im Strahl, die Beteiligung distaler Gelenke sowie die Daktylitis, die bei etwa einem Drittel der Patienten beobachtet wird. Axiale Beteiligungen kommen auch im Kindes- und Jugendalter vor, eine Arthritis mutilans hingegen ist selten.

Auch die PsA stellt keine homogene JIA-Kategorie dar. Tritt sie im Kleinkindalter auf, was in etwa 40% der Fall ist, imponiert sie wie eine OA mit asymmetrischem Befall weniger Gelenke, nicht selten ANA-Positivität und Uveitis. Allerdings sind im Vergleich zur oligoartikulären JIA häufiger die kleinen Finger- und Zehengelenke mit betroffen. Bei Auftreten im Schulalter geht sie häufiger mit dem Vorhandensein von HLA-B27 einher und lässt klinische Merkmale der Arthritis mit Enthesitisneigung bzw. Spondyloarthritiden erkennen. Beide Erscheinungsformen, häufiger jedoch die erste, können in eine Polyarthritis münden [21].

Patienten mit polyartikulärer PsA zeigen in signifikantem Ausmaß frühe erosive Veränderungen sowie bleibende funktionelle Beeinträchtigungen. Generell finden sich nach mehr als 5 Jahren Krankheitsdauer bei mehr als 70% der Fälle mit PsA Zeichen der aktiven Arthritis, d. h. im Vergleich zu anderen oligoartikulären JIA-Formen ist die Prognose der PsA ungünstiger.

Enthesitis-assoziierte Arthritis

Diese zweithäufigste Form der JIA umfasst eher männliche, oft HLA-B27-positive Patienten, die typischerweise mit einer asymmetrischen OA der unteren Extremitäten (Knie-, Sprung-, Zehengrundgelenke) und Enthesiopathien (am häufigsten am Achillessehnen- und Plantaraponeurosenansatz) auffallen. Diese Patienten zeigen damit klinische Merkmale der Spondyloarthritis und wurden früher in der Regel als OA Typ II nach der EULAR-Klassifikation oder als Spondyloarthritis nach den „European Spondyloarthropathy Study Group-“ (ESSG-)Kriterien klassifiziert.

Im Unterschied zu den anderen JIA-Formen ist bei der EAA eine isolierte Koxitis zu Erkrankungsbeginn nicht ungewöhnlich. Seltener ist ein polyartikulärer Beginn, bei dem vor allem die Zehen- und Fingergelenke betroffen sind. Daneben finden sich charakteristischerweise Tarsitiden (als Resultat einer Arthritis, Enthesitis, Bursitis und Tenosynovitis im Mittelfußbereich), Tenosynovitiden (häufig an der Sehne des M. tibialis posterior) und in 5–10% symptomatische anteriore Uveitiden. Rückenschmerzen als Zeichen der axialen Beteiligung treten oft erst im Krankheitsverlauf hinzu. In etwa einem Drittel der Fälle kann eine Sakroiliitis in den ersten 5 Erkrankungsjahren magnetresonanztomographisch nachgewiesen werden, was die Zugehörigkeit dieser Gruppe zu den Spondyloarthritiden unterstreicht [22].

Die Mehrzahl der EAA-Patienten entwickelt im Verlauf eine ankylosierende Spondylitis

Mit zunehmender Krankheitsdauer nimmt der Anteil der Patienten mit entzündlicher Wirbelsäulenbeteiligung zu. Im frühen Erwachsenenalter haben etwa 40% der Patienten mit EAA eine gesicherte und weitere knapp 40% eine mögliche ankylosierende Spondylitis entwickelt [23]. Eine subklinische entzündliche Darmerkrankung kann ebenso wie bei Erwachsenen mit Spondyloarthritis beobachtet werden, auch wurde bereits bei Kindern und Jugendlichen über kardiale Beteiligungen und pulmonale Auffälligkeiten berichtet [24].

Andere Arthritis

Die Gruppe der undifferenzierten Arthritiden umfasst keine separate Untergruppe, sondern Patienten, die in keine, meist aufgrund einer positiven Familienanamnese für Psoriasis, oder in mehrere der oben angeführten 6 Subgruppen eingeordnet werden können.

Vorteile und Grenzen der ILAR-Klassifikation der juvenilen Arthritis

Noch vor 10 Jahren gab es nicht nur auf internationaler, sondern auch auf nationaler Ebene Unterschiede in der Klassifikation der verschiedenen Formen der Arthritis im Kindesalter. Klassifiziert wurde je nach regionaler Präferenz nach den EULAR-, aber auch nach den ACR-, ESSG- und Vancouver-Kriterien [19]. Während in den USA, auch in den Zulassungsstudien der „Food and Drug Administration“ (FDA), oft noch die JRA-Kriterien des ACR Anwendung finden, werden hierzulande inzwischen fast ausnahmslos die ILAR-Kriterien berücksichtigt. Daraus resultierte eine Vereinheitlichung der Terminologie und damit eine bessere Vergleichbarkeit von betreuten Patientenkollektiven und durchgeführten Therapien, z. B. im Rahmen der Kinder-Kerndokumentation. Aber nicht nur die einheitliche Terminologie, sondern auch die in der ILAR-Klassifikation stärker differenzierten Definitionen der einzelnen juvenilen Arthritisformen mit Angabe von Ausschlusskriterien und Berücksichtigung des Krankheitsverlaufes gestatten eine im Vergleich zur EULAR- oder ACR-Klassifikation bessere Vergleichbarkeit von Untersuchungskollektiven und Abgrenzung der verschiedenen juvenilen Arthritisformen.

Trotz besserer Subgruppenkategorisierung bleibt die ILAR-Klassifikation allerdings hinter ihrem Primärbestreben, der Klassifizierung homogener Subgruppen, weit zurück. Verschiedene JIA-Subgruppen (z. B. OA, RF-PA, PsA) umfassen nach wie vor ein inhomogenes Patientenkollektiv, wie mehrere Studien, in denen die ILAR-Kriterien Anwendung fanden, belegen [23, 25, 26, 17].

Des Weiteren ist die ILAR-Klassifikation aufgrund ihrer Komplexität nicht einfach anzuwenden, was bisher wiederholt kritisch angemerkt wurde und bereits zu konkreten Verbesserungsvorschlägen (z. B. Ranking der Kategorien, Erweiterung der Ausschlusskriterien) Anlass gab [24, 27, 28].

Zwei Beispiele:

  • Ein Patient mit einer Arthritis in 4 Gelenken, einer Daktylitis sowie Nagelauffälligkeiten im Sinne von Tüpfelungen kann der JIA-Kategorie „Psoriasisarthritis“ zugeordnet werden, aufgrund der fehlenden Psoriasis passt er theoretisch aber auch in die Kategorie „Oligoarthritis“. Letztendlich muss das Krankheitsbild der Kategorie „andere Arthritis“ zugeordnet werden, weil keine eindeutige Kategorisierung möglich ist [28].

  • Gleiches trifft auf ein HLA-B27-positives Mädchen mit OA und entzündlichem Rückenschmerz zu. Dieses Krankheitsbild passt in die Kategorie „Enthesitis-assoziierte Arthritis“. Da es sich aber ebenfalls der OA zuordnen ließe, fällt es ebenfalls in die Kategorie „andere Arthritis“.

Dass die Kriterien wahrscheinlich nicht immer so konsequent angewendet werden, suggeriert der erheblich schwankende Anteil von Patienten mit so genannten „anderen“ bzw. nicht sicher klassifizierbaren Arthritiden von 4–21% in den nach den ILAR-Kriterien klassifizierten Patientenkollektiven. Wie groß die Untersuchervariabilität bei der Klassifikation nach den ILAR-Kriterien in der Praxis tatsächlich ist, wurde bisher nicht geprüft, ebenso wenig die Reliabilität und Validität der Kriterien.

Die ILAR-Klassifikation wurde eigentlich für den wissenschaftlichen Austausch entwickelt. Weil eine Trennung zwischen „wissenschaftlicher“ und „klinischer“ Nomenklatur (und Klassifikation) schwer realisierbar ist, haben die neuen Namen für die juvenilen Arthritiden inzwischen in den klinischen Alltag Einzug gehalten. Sie werden in der Kommunikation unter ärztlichen Kollegen, aber auch mit den betroffenen Familien verwendet. Nicht-kinderrheumatologisch tätige Ärzte sind allerdings oft wenig mit der neuen Nomenklatur bzw. Klassifikation vertraut. Auch für den Patienten bzw. dessen Familie stellt die komplizierte Nomenklatur und Klassifikation, die inzwischen in Eltern- bzw. Patienteninformationsbroschüren Eingang gefunden hat, eine Herausforderung dar. Ablesbar ist das u. a. daran, dass zum Zeitpunkt des Betreuungswechsels von der pädiatrischen in die internistische Rheumatologie, d. h. nach im Mittel 7 Jahren Krankheitsdauer, nicht einmal jeder zweite Jugendliche seine Erkrankungsform korrekt benennen kann.

Eine weitere Schwäche der ILAR-Klassifikation liegt in der unzureichenden Abbildung von Patienten mit Spondyloarthritiden. Anhand der ILAR-Klassifikation werden Patienten mit juvenilen Spondyloarthritiden vorzugsweise in der Gruppe der EAA abgebildet, da deren klinisch wichtigste Krankheitskennzeichen, nämlich Arthritis, Enthesitis und entzündlicher Rückenschmerz, diese Subgruppe definieren. Auch Patienten mit ankylosierender Spondylitis werden meist in die EAA-Kategorie eingeordnet, eine spezielle Berücksichtigung erfährt diese fortgeschrittene axiale Beteiligung jedoch nicht. Nun finden sich aber nicht alle Patienten mit juveniler Spondyloarthritis in der EAA-Gruppe wieder. Je nach untersuchtem Patientenkollektiv werden bis über 50% der Fälle auch den Kategorien PsA, OA, RF-PA und andere Arthritis zugeordnet [25]. Das liegt u. a. daran, dass Patienten mit Psoriasis bzw. einer entsprechenden Familienanamnese per definitionem aus der EAA-Gruppe auszuschließen sind, ebenso wie jene mit reaktiver Arthritis und Spondyloarthritis bei entzündlicher Darmerkrankung. Bei letztgenannten versteht sich die Arthritis nicht als idiopathische, sondern als bei einer bekannten Grunderkrankung auftretende.

Dadurch besteht eine erhebliche Diskrepanz zum gängigen Konzept der Spondyloarthritiden in der internistischen Rheumatologie als einer Gruppe von HLA-B27-assoziierten Erkrankungen der Enthesien und Gelenke, die durch enterale oder urogenitale Infektionen getriggert werden und im Krankheitsverlauf eine Spondylitis, Sakroiliitis bzw. ein weites Spektrum extraartikulärer Manifestationen entwickeln können [26].

Klassifikation der juvenilen Arthritis im Erwachsenenalter

Juvenile Arthritiden sind überwiegend spezifische Erkrankungen des Kindesalters, sie sind jedoch nicht auf das Kindes- und Jugendalter beschränkt. Etwa jeder zweite Patient geht mit aktiver Erkrankung ins Erwachsenenalter und wird in der Regel durch einen internistischen Rheumatologen weiter betreut. Dieser Betreuungswechsel geht dann bei über der Hälfte der Patienten mit einem Diagnosewechsel einher (Abb. 4).

Nur 45% der Patienten werden im Erwachsenenalter weiterhin unter der Diagnose JIA geführt, 40% als differenzierte oder undifferenzierte Spondyloarthritis und 16% inkorrekterweise als RA. Das ist nicht nur für die Patienten irritierend, sondern auch für Prognosebeschreibungen hinderlich.

Abb. 4
figure 4

Klassifikation der juvenilen (d. h. vor dem 16. Lebensjahr aufgetretenen) Arthritis bei 16- bis 25-jährigen Patienten in der pädiatrischen vs. internistischen Rheumatologie (Daten der Kinder- und Erwachsenen-Kerndokumentation 2004)

Warum die pädiatrische Nomenklatur juveniler Arthritiden im Erwachsenenalter bisher wenig Anwendung fand, wurde bislang nicht untersucht. Erklären kann man es zumindest nicht allein mit der neuen komplizierten ILAR-Klassifikation, denn auch zuvor wurden weniger als die Hälfte der Patienten im Erwachsenenalter weiter unter dem Namen JCA geführt. Unkenntnis und Ignoranz mögen hier eine Rolle spielen, aber auch die bewusste Nichtanwendung der pädiatrischen Nomenklatur bei fehlender Zulassung der üblicherweise in der internistischen Rheumatologie eingesetzten Antirheumatika für die JIA (JCA/JRA) im Erwachsenenalter.

Ein weiteres Problem besteht sicher in der Diskrepanz zwischen pädiatrischer und internistischer Nomenklatur rheumatischer Erkrankungen. So werden auch in der ILAR-Klassifikation für analoge Erkrankungen andere Namen als in der internistischen Rheumatologie verwendet (z. B. RF+-PA vs. RA, EAA vs. undifferenzierte Spondyloarthritis). Außerdem finden mit Ausnahme der OA mögliche Verlaufsformen/Diagnoseübergänge in der ILAR-Klassifikation zu wenig Berücksichtigung (z. B. ankylosierende Spondylitis).

Fazit für die Praxis

Neue Kenntnisse zur Epidemiologie und Ätiopathogenese haben unser Verständnis der verschiedenen Erkrankungsformen der juvenilen Arthritis und deren therapeutische Beeinflussbarkeit erheblich verbessert. Die ILAR-Klassifikation hat hierzu durch eine Vereinheitlichung der Terminologie, welche die Grundlage für den globalen Vergleich von Studiendaten bildet, beigetragen. Die ILAR-Klassifikation der juvenilen Arthritis ist jedoch weit davon entfernt, unseren heutigen Ansprüchen an Klassifikationskriterien [29] gerecht zu werden. Die Zuverlässigkeit, Präzision und Anwendbarkeit ihrer Kriterien gilt es ebenso zu prüfen wie die Varianz bei ihrer Anwendung, was ggf. eine weitere Modifikation der Kriterien nach sich zieht.

Lösungsbedarf besteht auch im Hinblick auf das Nomenklatur- und Klassifikationsproblem juveniler Arthritiden im Erwachsenenalter. Ausschließlich bei Kindern auftretende rheumatische Erkrankungen (wie die Oligoarthritis mit Uveitis) sollten im Erwachsenenalter, auch bei Progredienz zur Polyarthritis, nicht als RA bezeichnet werden. Andererseits ist bei analogen Erkrankungen eine gemeinsame Nomenklatur z. B. mit dem Vorwort „juvenil“ bei Beginn im Kindesalter wünschenswert. Anzustreben sind somit von pädiatrischen und internistischen Rheumatologen akzeptierte Klassifikationskriterien und eine Nomenklatur der juvenilen Arthritiden, die eine altersunabhängige Fortschreibung der Diagnose zulassen, eine Änderung der Verlaufsform selbstverständlich berücksichtigend. Das könnte sowohl die Kommunikation zwischen pädiatrischen und internistischen Rheumatologen als auch unser Wissen um den Krankheitsverlauf von im Kindesalter beginnenden Arthritiden verbessern.