Pflegekassen haben seit 2015 den Auftrag, Leistungen zur Prävention im Setting der stationären Pflege zu erbringen (§ 5 SBV XI). Die Stärkung kognitiver Ressourcen ist eines der im Leitfaden Prävention des GKV-Spitzenverbandes ausgewiesenen Handlungsfelder. Die Empfehlungen beruhen auf der Basis der Sichtung systematischer Übersichtsarbeiten, die nicht spezifisch für das Setting sind. Für die Behandlung von Demenz liegt eine S3-Leitlinie vor, die kognitive Stimulation bei Personen mit leichter bis moderater Demenz empfiehlt (Empfehlungsgrad B, Evidenzebene IIb).

Demenzielle Erkrankungen gelten als wesentlicher Risikofaktor für Heimunterbringungen. Die durchschnittliche Prävalenzrate für Demenz in der stationären Pflege liegt bei 68,6 % (95 %-KI 67,0–69,8 %) und variiert in einzelnen Pflegeheimen zwischen 45 % und 94 % [24]. Da die kognitive Leistungsfähigkeit einen erheblichen Beitrag zu einer weitgehend selbstständigen Lebensführung auch in der Heimunterbringung leistet, ist die Stärkung kognitiver Ressourcen ein wichtiges Ziel präventiver Aktivitäten. Prävention kann hier nicht im Sinne einer Primärprävention von Demenz verstanden werden, und Angebote werden zwischen dem Grad kognitiver Einschränkungen differenzieren müssen.

Den Empfehlungen im Leitfaden Prävention [14] liegen 4 systematische Übersichtsarbeiten [13, 26, 28, 29] geringer bis hoher methodischer Qualität zugrunde, die zusammenfassend auf eine moderate Evidenz für die präventive Wirksamkeit von kognitiven Aktivitäten auf das kognitive Leistungsniveau älterer Personen hinweisen. Allerdings erfolgte keine für das Setting der stationären Pflege spezifische Bewertung der präventiven Wirksamkeit.

Zwei der Übersichtsarbeiten betrachten ausschließlich kognitive Leistungsfähigkeit als Endpunkt [26, 28]. Eine dritte Arbeit moderater Güte betrachtete zusätzlich den Gemütszustand und fand Hinweise auf eine Verbesserung [13]. Die vierte Arbeit guter Qualität [29] betrachtete u. a. Lebensqualität, Depressionen und Stimmungen und fand Hinweise auf die Verbesserung von Lebensqualität, nicht auf die Verbesserung von Stimmung oder die Reduktion depressiver Symptome. Eine Verbesserung der kognitiven Leistungsfähigkeit könnte möglicherweise auch die Durchführbarkeit der Aktivität des täglichen Lebens erhöhen; dies wurde in keiner der Arbeiten untersucht. Welcher der angesprochenen Endpunkte angestrebt wird oder ob die Verbesserung der kognitiven Leistungsfähigkeit an sich als patientenrelevanter Endpunkt verstanden wird, dazu gibt der Leitfaden Prävention der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV; [14]) keine Auskunft.

Zielsetzung dieser systematischen Übersichtsarbeit ist daher eine Bewertung der präventiven Wirksamkeit von Angeboten zur Förderung der kognitiven Aktivität auf die kognitive Leistungsfähigkeit bei Pflegebedürftigen in der stationären Pflege.

Methodik

In den elektronischen Datenbanken MEDLINE (PubMed), The Cochrane Library, EMBASE, CINAHL (EBSCO) und PsycINFO (EBSCO) wurde Ende Februar 2017 eine systematische Literaturrecherche nach bereits publizierten Primärstudien durchgeführt. Der Suchstring enthielt Schlagwörter sowie Textwörter für das Setting, die interessierende Intervention und den patientenrelevanten Endpunkt. Es fand eine Limitation der Artikelsprache auf Deutsch und Englisch statt. Ergänzend erfolgten eine Sichtung von Referenzlisten der als relevant eingestuften Primärstudien sowie eine Suche nach nichtpublizierten Primärstudien in Studienregistern. Die Suchverläufe und eine Tabelle der ausgeschlossenen Volltexte können bei der Korrespondenzautorin angefragt werden.

In die systematische Übersichtsarbeit wurden randomisierte kontrollierte (RCT), cluster-randomisierte kontrollierte (cRCT) und kontrollierte klinische Primärstudien (CCT) eingeschlossen, die die präventive Wirksamkeit von kognitiver Aktivität auf die kognitive Leistungsfähigkeit bei Pflegebedürftigen in der stationären Pflege untersuchten. Entsprechende Interventionen konnten kognitives Training, kognitive Stimulation, eine Mischform oder vergleichbare Aktivitäten sein. Unter kognitivem Training wird die Durchführung von Übungen kognitiver Funktionen verstanden, unter kognitiver Stimulation die Anregung kognitiver Tätigkeit, z. B. über die Aktivierung von Altgedächtnisinhalten oder Einbindung in Konversationen [10].

Nichtberücksichtigt wurden Primärstudien mit multimodalen Interventionsformen, wie beispielsweise kognitive Interventionen mit körperlich aktivierenden Kursinhalten. Eingeschlossen wurden nur Primärstudien, in denen der Mini-Mental-Status-Test (MMST; [12]) oder ein gegen den MMST getestetes Erhebungsinstrument mit einer Mindestkorrelation r = ± 0,70 verwendet wurde [4]. Alternative Interventionen oder eine übliche Versorgung waren als Kontrollbedingungen zulässig.

Die Selektion der Literaturzitate in den Datenbanken erfolgte durch 2 Autorinnen 2‑stufig: 1. Die Titel und Abstracts wurden mithilfe der Selektionskriterien hinsichtlich ihrer Einschlussfähigkeit geprüft, und 2. wurden die Volltexte potenziell relevanter Referenzen einem zweiten Selektionsprozess unterzogen. Die Datenextraktion wurde durch eine Autorin vorgenommen und eine zweite überprüft. Mithilfe nachstehender Kriterien [15] fand eine Bewertung der methodischen Qualität sämtlicher eingeschlossener Primärstudien durch 2 Autorinnen unabhängig voneinander statt: randomisierte und verdeckte Gruppenzuteilung, Verblindung der Studienpopulation, der Studiendurchführenden sowie bei Messung der Endpunkte, unvollständige Ergebnisdaten, selektives Berichten von Ergebnisdaten und andere Ursachen systematischer Fehler. Diskrepante Einschätzungen der Einschlussfähigkeit und des Verzerrungspotenzials der Primärstudien konnten durch Diskussion oder durch Hinzuziehen der Expertise der dritten Begutachterin beigelegt werden.

Die Ergebnisse von 10 Primärstudien wurden im Rahmen von Metaanalysen mit dem Statistikprogramm R (Version 3.3.3) statistisch zusammengefasst. Aufgrund einer durch unterschiedliche Studienpopulationen und Interventionen erwarteten hohen statistischen Heterogenität wurde den Auswertungen das „Random-effects“-Modell zugrunde gelegt [9]. Infolge der verschiedenen in den Primärstudien verwendeten Erhebungsinstrumente fand eine Berechnung von standardisierten Mittelwertdifferenzen (SMD) mit 95 %-KI als Effektmaß unter Adjustierung für kleine Fallzahlen statt [3]. Bei Verfügbarkeit wurde hierbei auf die Ergebnisse von „Intention-to-treat“-Analysen zurückgegriffen. Falls Erhebungen mit Instrumenten durchgeführt wurden, die negativ mit dem MMST korrelieren, wurden die Skalen in eine mit dem MMST übereinstimmende Richtung transformiert [7]. Die Gewichtung der einzelnen Effektschätzer folgte der Methode der inversen Varianz [3]. Relevante Subgruppenanalysen (nach Interventionsdauer, -format, -art und kognitivem Status) wurden a priori festgelegt. Die Robustheit der Effektschätzer wurde durch Sensitivitätsanalysen unter Ausschluss von CCT und vermutlich Heterogenität verursachender Primärstudien überprüft. Die Präsenz und das Ausmaß von statistischer Heterogenität wurden mittels χ2-Test (α = 0,1) und I2-Statistik identifiziert [16] und gemäß Cochrane-Handbuch [8] bewertet.

Ergebnisse

Studienlage

Insgesamt wurden 6112 Referenzen in der systematischen Literaturrecherche identifiziert. Nach Entfernung von 322 Duplikaten konnten 5790 Artikel in das Title‑/Abstract-Screening einbezogen werden. Nach Ausschluss von 5764 irrelevanten Treffen wurden 26 Volltextartikel beschafft und durchgesehen und anschließend 10 Primärstudien final eingeschlossen (Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Flussdiagramm der Identifizierung relevanter Primärstudien (für die Primärstudien Cheng (2014) [5, 6] und Kawashima (2005) [17, 19] wurden jeweils 2 Volltexte eingeschlossen)

Die Gesamtgüte der Evidenzlage wurde insgesamt als niedrig eingestuft. Diese Einschätzung beruht primär auf oftmals unzureichender oder unklarer Verdeckung der Gruppenzuteilung sowie Verblindung von Studienteilnehmenden und Studienpersonal. Eine fehlende Verblindung resultiert zumeist aus offenkundigen Interventionen und kann bei Umsetzung von Interventionen und Kontrollbedingungen in ein und derselben Einrichtung mit einem Verzerrungsrisiko einhergehen. Darüber hinaus ist, aufgrund einer mangelnden Verfügbarkeit von Studienprotokollen oder -registrationen, die Gefahr von Verzerrung durch selektives Berichten von Ergebnisdaten meist nicht nachprüfbar. Das Verzerrungspotenzial der einzelnen Kriterien und eine Gesamtbewertung für jede eingeschlossene Primärstudie sind Tab. 1 zu entnehmen.

Tab. 1 Verzerrungsrisiko der eingeschlossenen Primärstudien

Im „funnel plot“ (Abb. 2) ist keine asymmetrische Verteilung erkennbar, die auf das Fehlen von Ergebnissen üblicherweise kleinerer statistisch nichtsignifikanter Primärstudien hindeutet. Eine formale Prüfung auf das Vorliegen von Publikationsbias bestätigt diese Einschätzung mit einem statistisch nichtsignifikanten Ergebnis (p = 0,08985; [11]).

Abb. 2
figure 2

Grafische Darstellung der Primärstudien in einem „funnel plot“

Ergebnisse zu den Interventionen

Die Ergebnisse aus allen 10 Primärstudien konnten in einer Metaanalyse statistisch zusammengefasst werden (Tab. 2). Eine Teilnahme an Interventionen kognitiver Aktivität kann im Vergleich zu einer üblichen Versorgung oder alternativen Interventionen die kognitive Leistungsfähigkeit stationär Pflegebedürftiger statistisch signifikant begünstigen (SMD = 0,46, 95 %-KI 0,06–0,87, p = 0,0252). Unter kognitiver Aktivität wurden heterogene Interventionen zusammengefasst, die u. a. Erinnerungsvermögen, räumliche und zeitliche Orientierung, Aufmerksamkeit und Wahrnehmung, Sprache, kritische Denkfähigkeit und Problemlösungsfähigkeit umfassen konnten. Was mit einer „Fortsetzung der üblichen Versorgung“ gemeint ist, wurde in den Studien überwiegend nicht näher bezeichnet. Die Heterogenität zwischen den Studien ist als substanziell einzustufen (I2 = 70 %, p = 0,0004; Abb. 3).

Tab. 2 Studiencharakteristika eingeschlossener Primärstudien
Abb. 3
figure 3

Metaanalyse über alle eingeschlossenen Primärstudien. N Anzahl Teilnehmende, MW Mittelwert, SD Standardabweichung, SMD Standardisierte Mittelwertdifferenz, KI Konfidenzintervall

In einer Sensitivitätsanalyse wurde nach Ausschluss von vermutlich Heterogenität verursachenden Studien [21, 23] ein kleinerer statistisch nichtsignifikanter Effekt (SMD = 0,19, 95 %-KI −0,07–0,46, p = 0,1564) bei zugleich niedriger Heterogenität (I2 = 26 %, p = 0,2215) gezeigt. Trotz einer lediglich mäßigen Reduktion des Effektschätzers unter Ausschluss der CCT (SMD = 0,42, 95 %-KI −0,06–0,90, p = 0,0882) lässt die zweite Sensitivitätsanalyse ebenfalls keinen statistisch signifikanten Unterschied erkennen (I2 = 74 %, p = 0,0003).

Der Vorteil einer Teilnahme an kognitiven Trainingsangeboten konnte im Vergleich zu verschiedenen Kontrollbedingungen über einen trainingsfreien Zeitraum (durchschnittlich 6 Monate) tendenziell aufrechterhalten werden, wenngleich der Effektschätzer seine statistische Signifikanz einbüßt (SMD = 0,21, 95 %-KI −0,32–0,73, p = 0,4444; I2 = 60 %, p = 0,1161). Eine statistisch signifikant bessere kognitive Leistungsfähigkeit konnte nach Teilnahme der Pflegebedürftigen an mindestens 3‑monatigen Interventionen kognitiver Aktivität beobachtet werden (SMD = 0,63, 95 %-KI 0,16–1,11, p = 0,0090), während Interventionen mit kürzeren Zeiträumen keinen statistisch signifikanten Effekt erzielen (SMD = 0,18, 95 %-KI −0,52–0,88, p = 0,6197). Dennoch besteht zwischen den Subgruppen kein statistisch signifikanter Unterschied (p = 0,2911).

Eine weitere Subgruppenanalyse lässt einen statistisch signifikant besseren kognitiven Status nach Teilnahme an individuell auszuführenden Interventionen im Vergleich zu verschiedenen Kontrollbedingungen erkennen (SMD = 0,61, 95 %-KI 0,07–1,15, p = 0,0279). Bei Betrachtung von Studienteilnehmenden, die die Trainingseinheiten in Gruppen absolvierten, wurde hingegen keine statistisch signifikante Überlegenheit identifiziert (SMD = 0,24, 95 %-KI −0,34–0,83, p = 0,4156). Wenngleich die Ergebnisse auf einen größeren Unterschied bei individuell ausgerichteten Interventionsformaten hindeuten, fällt ein Vergleich beider Subgruppen statistisch nichtsignifikant aus (p = 0,3714).

Unter Differenzierung nach der Interventionsart ist eine statistisch signifikante Überlegenheit von kognitiven Trainingsmaßnahmen erkennbar (SMD = 0,63, 95 %-KI 0,16–1,11, p = 0,0090), wohingegen kognitive Stimulationen keine statistisch signifikant bessere kognitive Leistungsfähigkeit erzielen (SMD = 0,18, 95 %-KI −0,52–0,88, p = 0,6197). Eine Gegenüberstellung beider Subgruppen deutet auf keinen statistisch signifikanten Unterschied hin (p = 0,2911).

Zuletzt wurde die präventive Wirksamkeit in Abhängigkeit des kognitiven Status stationär Pflegebedürftiger zu Studienbeginn bewertet. Hierfür wurden die mit unterschiedlichen Instrumenten erhobenen Ausgangswerte auf einer gemeinsamen Skala vereinheitlicht und der Median der Werte ermittelt. Bei stationär Pflegebedürftigen mit einer bei Studienbeginn über dem Median liegenden kognitiven Leistungsfähigkeit konnte eine statistisch signifikante Überlegenheit kognitiver Trainingsformen gezeigt werden (SMD = 0,78, 95 %-KI 0,03–1,54, p = 0,0409). Dahingegen wurde bei Teilnehmenden mit einem unter dem Median befindlichen kognitiven Leistungsvermögen kein statistisch signifikanter Vorteil identifiziert (SMD = 0,20, 95 %-KI −0,20–0,60, p = 0,3243). Ein Vergleich beider Subgruppen lässt keinen statistisch signifikanten Unterschied erkennen (p = 0,1792; Tab. 3).

Tab. 3 Subgruppenanalysen

Diskussion

Die systematische Übersichtsarbeit gibt Hinweise auf eine Überlegenheit präventiver Interventionen zur Förderung der kognitiven Aktivität im Vergleich zu einer üblichen Versorgung oder alternativen Interventionsformen. Sie lässt keine Aussage darüber zu, welche Arten von kognitiven Interventionen wirksam sind, und keine Bewertung, ob in der gegenwärtigen Praxis in stationären Pflegeeinrichtungen hinreichend Angebote zur Förderung der kognitiven Aktivität unternommen wurden.

Nach Ausschluss von vermutlich Heterogenität verursachenden Primärstudien konnte lediglich ein sehr kleiner, statistisch nicht mehr signifikanter Effekt bei einer zugleich niedrigen Heterogenität gezeigt werden. Da ein zunehmendes Lebensalter stationär Pflegebedürftiger ein Risikofaktor für demenzielle Veränderungen ist [27], resultiert ein den ausgeschlossenen Primärstudien zugrunde liegender starker Effekt möglicherweise aus einem niedrigeren Durchschnittsalter der jeweiligen Interventionsgruppen. Darüber hinaus können diese markanten Trainingsgewinne durch ein höheres kognitives Ausgangsniveau der an den Interventionen teilnehmenden stationär Pflegebedürftigen gegenüber jenen in den Kontrollgruppen begünstigt worden sein [25]. In einer dieser Primärstudien [23] ist zudem eine aufmerksamkeitssteigernde Wirkung durch Trainingseinheiten in vertrauten virtuellen Trainingswelten mit spezifisch zu erreichenden Zielsetzungen denkbar. Dadurch, dass sich ein mit demenziellen Erkrankungen üblicherweise einhergehendes Aufmerksamkeitsdefizit ungünstig auf die allgemeine kognitive Leistungsfähigkeit auswirkt, kann dieser als Ausreißer klassifizierte Effekt möglicherweise zusätzlich durch die Eigenart des Trainingsprogramms erklärt werden.

Die Ergebnisse lassen ferner erkennen, dass stationär Pflegebedürftige eher von länger andauernden als von kürzeren Angeboten profitieren könnten. Trotz einer altersbedingten Minimierung der kognitiven Leistungsfähigkeit im Zeitverlauf scheinen Interventionen mit einem Trainingszeitraum von mindestens 3 Monaten keine Reduktion des interventionsbedingten Effekts hervorzurufen. Da in sämtlichen eingeschlossenen Primärstudien mit längeren Zeiträumen kognitive Trainingsmaßnahmen statt kognitiver Stimulationen durchgeführt wurden, kann der Unterschied zwischen diesen Subgruppen ebenso durch die beiden verschiedenen Interventionsarten bedingt sein.

Zwei Primärstudien führten Nachbeobachtungen durch [6, 22]. Der gemeinsam berechnete Effektschätzer lässt vermuten, dass die Wirkung nach Interventionsabschluss andauert. Eine Verbesserung der kognitiven Leistungsfähigkeit im trainingsfreien Zeitraum steht einer Verschlechterung bei Pflegebedürftigen ohne vorherige Interventionsteilnahme gegenüber. Allerdings wurde in einer dieser Primärstudien [22] eine Verschlechterung des kognitiven Ausgangsniveaus im Verlauf des Trainingsprogramms „NEUROvitalis sinnreich“ erfasst, das kognitive Aktivitäten mit sensorisch-stimulierenden und Entspannungsübungen kombiniert. Im Gegensatz dazu weisen stationär Pflegebedürftige in der Kontrollgruppe nach 8 Wochen ein im Vergleich zu Studienbeginn verbessertes kognitives Leistungsvermögen auf. Eine zuvor durchgeführte randomisierte kontrollierte Pilotstudie [20] konnte durch das anscheinend ähnlich modifizierte Trainingsangebot „NEUROvitalis“ ebenso keine Verbesserung der kognitiven Leistungsfähigkeit erzielen.

Eine dem Leistungsstand angemessene Ausrichtung der Interventionen scheint mit einem größeren Vorteil für stationär Pflegebedürftige mit einer zu Studienbeginn besseren kognitiven Leistungsfähigkeit einherzugehen. Dieser Befund steht im Einklang mit wissenschaftlichen Erkenntnissen, in denen älteren Personen mit verstärkten kognitiven Beeinträchtigungen über eine begrenzte kognitive Plastizität verfügen [1, 25]. Aus aktuelleren Forschungsarbeiten geht indessen ein niedrigeres kognitives Ausgangsniveau als wesentlicher Prädiktor für eine Steigerung der kognitiven Leistungsfähigkeit hervor [22]. Wenngleich eine Teilnahme von Personen mit leichter bis moderater Demenz an kognitiven Interventionen in Gruppen empfohlen wird [10], scheinen stationär Pflegebedürftige den Ergebnissen zufolge vermehrt von individuell ausgerichteten Aktivitäten zu profitieren.

Angesichts methodischer Schwächen sämtlicher eingeschlossener Primärstudien und einer substanziellen Heterogenität gründen die Ausführungen auf einer insgesamt niedrigen Evidenzgüte. Eine mögliche Überschätzung der tatsächlichen Wirksamkeit kognitiver Aktivitäten wurde u. a. durch CCT mit erheblichen methodischen Einschränkungen begünstigt. Eine abschließende Beurteilung der präventiven Wirksamkeit von Interventionen zur Förderung der kognitiven Aktivität bleibt insgesamt schwierig. Dennoch weisen die Primärstudien größtenteils auf einen Vorteil von präventiven Maßnahmen zur Förderung der kognitiven Aktivität für stationär Pflegebedürftige hin und es traten, sofern berichtet, keine interventionsbezogenen unerwünschten Ereignisse auf. Allerdings fehlen den Studien eine theoretische Reflexion, welche unerwünschten Wirkungen möglich wären, und deren systematische Erfassung.

Kritisch diskutiert werden kann zudem, inwieweit die kognitive Leistungsfähigkeit in der stationären Pflege ein patientenrelevanter Endpunkt ist. Es könnte die Auffassung vertreten werden, dass ein verbesserter mentaler Status (gemessen am MMST) nicht mit einer Verbesserung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität, der Stimmung oder der Lebenserwartung einhergehen muss und entsprechend nicht patientenrelevant ist. Es lässt sich aber auch die Auffassung vertreten, dass ein besserer kognitiver Status Pflegebedürftigen ein Stück Würde und Chance auf Autonomie zurückgibt.

Fazit für die Praxis

  • Trotz niedriger Güte der Evidenz kann eine Implementierung präventiver Angebote zur Förderung der kognitiven Aktivität in der stationären Pflege empfohlen werden.

  • In weiteren Forschungsvorhaben ist eine Identifikation der für stationär Pflegebedürftige effektivsten Interventionen unter Berücksichtigung verschiedener Belastungsnormative erforderlich, die möglichst im Rahmen hinreichend großer und methodisch gut angelegter Primärstudien zu evaluieren sind.

  • Um die kognitive Leistungsfähigkeit stationär Pflegebedürftiger, die über verstärkte kognitive Beeinträchtigungen verfügen, ebenfalls bestmöglich fördern zu können, sollte in zukünftigen Primärstudien idealerweise eine differenzierte Bewertung der Wirksamkeit nach dem kognitiven Ausgangsniveau erfolgen.

  • Eine eindeutige Beurteilung der Nachhaltigkeit von präventiven Maßnahmen kognitiver Aktivität setzt zusätzliche Primärstudien mit trainingsfreien Nachbeobachtungen voraus.