Mundtrockenheit ist ein Phänomen, das gerade bei älteren Menschen häufig auftritt. Während die meisten Untersuchungen sich mit einer Erfassung der objektiv bestimmbaren Speichelfließrate beschäftigen, wird der Erfassung der subjektiven Komponente der Mundtrockenheit häufig wesentlich weniger Aufmerksamkeit geschenkt. Aus diesem Grund wird in der vorliegenden Arbeit über den Einfluss der subjektiven Mundtrockenheit auf die mundgesundheitsbezogene Lebensqualität von Senioren in Pflegeheimen berichtet.

Hintergrund

Verschiedene internationale epidemiologische Erhebungen konnten zeigen, dass die Prävalenz der Mundtrockenheit mit zunehmendem Alter stark ansteigt [7, 13]. Dabei wird von einer Prävalenz von weit mehr als 30 % bei Seniorinnen und Senioren mit einem Alter von mehr als 60 Jahren berichtet [2, 13, 19]. Während die objektive Komponente der Mundtrockenheit, die als Hyposalivation bezeichnet wird, mit einer messbaren Verringerung der Speichelfließrate des Probanden einhergeht, ist es häufig die subjektive Empfindung, dauerhaft einen trockenen Mund zu haben (Xerostomie), die für die Betroffenen eine signifikante Verringerung der Lebensqualität bewirkt [5]. Nicht notwendigerweise leiden betroffene Menschen gleichzeitig an subjektiver und objektiver Mundtrockenheit. Kausal für die Genese von Mundtrockenheit können typische Erkrankungen des alten Menschen wie Hypertonie, Diabetes mellitus oder psychische Störungen sein, wobei in vielen Fällen die Ätiologie der Mundtrockenheit auch nicht abschließend geklärt werden kann. Darüber hinaus wird gerade beim Gros der Senioren Mundtrockenheit durch eine Vielzahl xerogener Medikamente ausgelöst [4], was vor dem Hintergrund der zunehmenden Zahl polypharmazeutisch behandelter geriatrischer Patienten relevant erscheint. Patienten mit Hyposalivation klagen neben den typischen zahnärztlichen Befunden wie Karies, Parodontopathien, mikrobiellen Infektionen der Mundhöhle oder mangelnder Retention von herausnehmbarem Zahnersatz häufig über Probleme im zwischenmenschlichen Bereich sowie über Probleme bei der Nahrungsaufnahme und über Sprach- und Schluckstörungen [5]. Derartige Symptome bedingen in vielen Fällen einen Circulus vitiosus und können zur sozialen Isolation der Betroffenen oder zur Genese einer stomatologisch bedingten Malnutrition führen, die letztlich eine erhebliche Verschlechterung des Allgemeinzustands bewirken kann. Da insbesondere bei pflegebedürftigen Senioren die zahnärztliche Betreuung nicht immer mit der erforderlichen Regelmäßigkeit erfolgt [16], erscheint es notwendig, im Sinne eines geriatrischen Gesamtkonzepts Mundtrockenheit als typischen oralen Befund mit Auswirkungen auf den Allgemeinzustand von Senioren zu betrachten.

Fragestellung

Bis dato existieren für Deutschland kaum Daten zur Häufigkeit von Mundtrockenheit sowie ihrer Auswirkungen auf die Lebensqualität des Betroffenen. Darüber hinaus existieren auch weltweit nur wenige Daten zur Mundtrockenheit in der schwer zugänglichen Gruppe von pflegebedürftigen Senioren. Aus diesem Grund bestand das Ziel der vorliegenden Arbeit darin zu untersuchen, inwieweit die mundgesundheitsbezogene Lebensqualität von in Pflegeheimen lebenden Senioren vom Ausmaß einer etwaigen subjektiven Mundtrockenheit beeinflusst wird. Der Studie lag die Hypothese zugrunde, dass die mundgesundheitsbezogene Lebensqualität mit steigender Ausprägung einer Xerostomie sinkt. Ferner sollte in einem zweiten Punkt untersucht werden, inwieweit die subjektive Mundtrockenheit von Faktoren wie der Zahl der eingenommenen Medikamente, dem Trinkverhalten und dem Konsum von Nikotin beeinflusst wird.

Studiendesign und Untersuchungsmethoden

Studiendesign

Die Studie wurde in 7 kooperierenden Pflegeheimen einer deutschen Großstadt mit etwa 140.000 Einwohnern durchgeführt. Aufgenommen wurden alle Bewohnerinnen und Bewohner der jeweiligen Pflegeeinrichtung, die nicht an Demenz oder kraniomandibulären Dysfunktionen litten. Dies wurde anhand der Dokumentation in der Patientenakte sowie in Rücksprache mit der Heimleitung und dem betreuenden Pflegepersonal sichergestellt. Seniorinnen und Senioren, die Medikamente zur Linderung einer etwaigen Mundtrockenheit verwendeten, wurden von der Teilnahme an der Studie ausgeschlossen. Die Befragung der teilnehmenden Senioren erfolgte an einem einzigen Termin; dabei wurden die Teilnehmer jeweils von einer geschulten Person (G.H.) befragt und – wenn notwendig – wurde Hilfestellung bei Unverständlichkeiten in den Fragebogen gegeben. Im Case-Report-Form wurden ferner Geschlecht und Alter, das Trinkverhalten in Liter/Tag und der regelmäßige Konsum von Nikotin durch Befragung der Seniorinnen und Senioren sowie die gegenwärtigen Erkrankungen und die aktuelle Medikation gemäß der Akte des jeweiligen Bewohners erfasst und in anonymisierter Form ausgewertet.

Bestimmung der mundgesundheitsbezogenen Lebensqualität

Die mundgesundheitsbezogene Lebensqualität wurde mithilfe der deutschen Version des Geriatric Oral Health Assessment Index (GOHAI, [6]) durchgeführt. Dieser wurde von den Autoren in Zusammenarbeit mit dem Büro für Leichte Sprache der Lebenshilfe Bremen im Sinne einer besseren Verständlichkeit modifiziert. Die Beantwortung der 12 Fragen des modifizierten GOHAI erfolgte mithilfe einer 5-stufigen Likert-Skala: 1: „sehr oft“, 2: „oft“, 3: „ab und zu“, 4: „selten“ und 5: „nie“. Die Antworten zu den Fragen 3, 5 und 7 wurden invertiert und die Punktwerte der 12 Fragen zum GOHAI-Score addiert (Range: 12 bis 60 Punkte). Ein hoher GOHAI-Score korreliert mit einer hohen mundgesundheitsbezogenen Lebensqualität.

Bestimmung der subjektiven Mundtrockenheit

Die Xerostomie als Maß der subjektiven Mundtrockenheit wurde mithilfe des sog. Xerostomia-Inventory(XI)-Fragebogens nach Thomson [20] erfasst. Diese ist von einem der Autoren der Studie (S.H.) in eine deutsche Version (sXI-D) übersetzt und in Analogie zum GOHAI mit dem Büro für Leichte Sprache der Lebenshilfe Bremen hinsichtlich seiner Verständlichkeit optimiert worden. Die Beantwortung der 5 Fragen des Fragbogens erfolgte mithilfe einer 3-stufigen Likert-Skala: 1: „nie“, 2: „ab und zu“ und 3: „oft“. Die Punktwerte zu den einzelnen Fragen wurden addiert und ein sXI-D-Score gebildet. Hohe Werte für den sXI-D-Score korrelieren mit einer ausgeprägten subjektiven Mundtrockenheit.

Zahnärztlicher Status

Der zahnärztliche Befund der teilnehmenden Seniorinnen und Senioren wurde in einer kurzen klinischen Untersuchung erhoben, wobei insbesondere die Zahl vorhandener Zähne im Ober- und Unterkiefer erfasst wurde. Implantate wurden wie natürliche Zähne behandelt. Die Versorgung mit Zahnersatz wurde in 2 Subgruppen differenziert, die sich daran orientierten, ob im Ober- bzw. Unterkiefer kein oder festsitzender Zahnersatz vorhanden bzw. herausnehmbarer Zahnersatz auf Zähnen oder Implantaten abgestützt war (zahn- oder implantatgetragener Zahnersatz) oder ob bei wenigen Restzähnen (< 4) bzw. im zahnlosen Kiefer herausnehmbarer Zahnersatz ausschließlich schleimhautgetragen war (schleimhautgetragener Zahnersatz).

Statistik

Die in der Studienklientel erhobenen klinischen Daten wurden als Mittelwerte dargestellt; ferner wurden die Standardabweichung (SD) und der Wertebereich (Range) angegeben. Darüber hinaus wurde Cronbachs α zur Bestimmung der internen Konsistenz der Fragebogen GOHAI und sXI-D berechnet. Einfache lineare Regressionsanalysen wurden verwendet, um Prädiktoren des GOHAI und sXI-D zu identifizieren. Das Signifikanzniveau (α) wurde auf 0,05 festgelegt. Die statistischen Analysen wurden mit dem Programm SPSS 21.0 für Windows (SPSS Statistics, IBM) durchgeführt.

Ergebnisse

Einen Überblick über die epidemiologischen und klinischen Daten der Patientenklientel gibt Tab. 1. Es nahmen 62 Senioren (n = 47; 75,8 % weiblich) mit einem mittleren Alter von 84,4 Jahren (± 8,6; Range: 60 bis 95 Jahre) an der Studie teil. Sechs Patienten waren Raucher (9,7 %), wobei im Mittel 14,2 Zigaretten/Tag (± 5,6 Zigaretten; Range: 6 bis 19 Zigaretten) konsumiert wurden. Im Mittel nahmen die Probanden 8,3 (± 3,9) unterschiedliche Medikamente ein.

Tab. 1 Epidemiologische und klinische Daten der Teilnehmenden

Der mittlere GOHAI-Score betrug 53,6 (± 7,9; Range: 23–60), der mittlere sXI-D-Score 7,9 (± 2,2; Range: 5–15). Die interne Konsistenz (Cronbachs α) betrug 0,59 (GOHAI) bzw. 0,66 (sXI-D), wobei die interne Konsistenz des GOHAI bei Ausschluss des ersten Item auf 0,80 gesteigert werden konnte. Die Anzahl der Probanden, die auf die einzelnen Fragen des GOHAI mit „sehr oft“, „oft“ oder „ab und zu“ antworteten, gibt Tab. 2 an, Tab. 3 gibt die Anzahl der Probanden an, die auf die einzelnen Fragen des modifizierten Xerostomia-Inventory-Fragebogens mit „oft“ oder „ab und zu“ antworteten. Die lineare Regressionsanalyse zeigte, dass der sXI-D-Score die einzige signifikante Einflussvariable auf den GOHAI-Score darstellte (p< 0,001; Tab. 4). Kein signifikanter Einfluss konnte für die Zahl der vorhandenen Zähne und Implantate im Ober- (p = 0,192) bzw. Unterkiefer (p = 0,305) sowie für die Art des vorhandenen Zahnersatzes (p = 0,055) nachgewiesen werden. Die Zahl eingenommener Medikamente war ein signifikanter Prädiktor des sXI-D-Scores (p= 0,039), wohingegen das Trinkverhalten (p = 0,454) und der Konsum von Nikotin (p = 0,636) keinen signifikanten Einfluss auf den sXI-D-Score hatten (Tab. 5).

Tab. 2 Fragen des modifizierten GOHAI sowie Anzahl und prozentualer Anteil der Probanden, die auf die entsprechende Frage mit „sehr oft“, „oft“ oder „ab und zu“ geantwortet haben
Tab. 3 Fragen des modifizierten Xerostomia-Inventory (sXI-D)-Bogens sowie Anzahl und prozentualer Anteil der Probanden, die auf die entsprechende Frage mit „oft“ oder „ab und zu“ geantwortet haben
Tab. 4 Lineare Regressionsmodelle zur Erfassung von Einflussvariablen auf den GOHAI-Score
Tab. 5 Lineare Regressionsmodelle zur Erfassung von Einflussvariablen auf den sXI-D-Score

Diskussion

Die Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung zeigen, dass die mundgesundheitsbezogene Lebensqualität von Senioren signifikant vom Ausmaß der Xerostomie beeinflusst wird. Damit kann die der vorliegenden Studie zugrunde liegenden Hypothese akzeptiert werden.

Im Rahmen des Projekts konnten insgesamt 62 Senioren in 7 unterschiedlichen kooperierenden Pflegeheimen einer deutschen Großstadt befragt werden. Allerdings wäre es wünschenswert, noch umfassendere Daten zur Erfassung der mundgesundheitsbezogenen Lebensqualität von pflegebedürftigen Senioren in Deutschland zu haben. In dieser Hinsicht wäre die Durchführung von Multizenterstudien anzudenken, da – der Verwendung hinsichtlich der Übersetzung in leichte Sprache modifizierter Fragebogen zum Trotz – ein erheblicher Zeitaufwand notwendig war, um die Befragung der Bewohner durchzuführen. Darüber hinaus leidet ein wesentlicher Teil der Bewohner eines Pflegeheims an Demenz und ist nicht für eine Aufnahme in eine Studie, die sich mit der Erfassung der mundgesundheitsbezogenen Lebensqualität in den Wochen vor dem Befragungstermin beschäftigt, geeignet. Insgesamt müssen die Daten der vorliegenden Studie aufgrund der verhältnismäßig geringen internen Konsistenz mit einer gewissen Zurückhaltung interpretiert werden.

Im Gegensatz zur Hyposalivation als objektive Komponente der Mundtrockenheit, die bei einer stimulierten Speichelfließrate von weniger als 0,7 ml/min angenommen wird [8], existiert kein Wert, der das Vorliegen einer Xerostomie anzeigt. Damit sind Studien zur Prävalenz der Xerostomie, die unterschiedliche Methoden anwenden, auch nur sehr schwer vergleichbar. Im internationalen Kontext befand sich der in der vorliegenden Studie beobachtete mittlere sXI-D-Score von 7,9 in einem vergleichbaren Rahmen wie bei internationalen Untersuchungen mit ähnlicher Klientel [20]. Neben der Bestimmung der subjektiven Mundtrockenheit mithilfe eines Fragebogens wäre es denkbar, auch die Speichelfließrate als Maß einer objektiven Veränderung der Speichelsekretion zu messen. Allerdings konnte in früheren Untersuchungen unserer Gruppe gezeigt werden, dass der Einfluss der Speichelfließrate auf die mundgesundheitsbezogene Lebensqualität gering ist [5]. Darüber hinaus ist die Durchführung der Sialometrie zur Bestimmung der Speichelfließrate gerade in einer sehr alten Klientel, die häufig auch erhebliche motorische Einschränkungen hat, mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden. Deswegen hätte solchen Daten auch nur eine geringe Aussagekraft beigemessen werden können. Aus diesen Gründen wurde in der vorliegenden Untersuchung auf die Bestimmung der Speichelfließrate verzichtet.

Der beobachtete signifikante Einfluss der Zahl eingenommener Medikamente auf die subjektive Mundtrockenheit unterstreicht die in etlichen internationalen Studien gemachten Beobachtungen und spiegelt ein wissenschaftlich mit zunehmender Intensität diskutiertes Phänomen wider [3, 9, 11, 12, 14, 20]. Dabei wurden verschiedene gerade bei Senioren verwendete, häufig verschriebene Medikamente mit Mundtrockenheit assoziiert, darunter insbesondere Antidepressiva, Neuroleptika, Antihypertensiva, Antidiabetika oder Antithrombotika [1, 17, 18].

Die Vierte Deutsche Mundgesundheitsstudie (DMS-IV) konnte zeigen, dass immer mehr Senioren immer mehr eigene Zähne besitzen [10]. Allerdings wird in dieser Studie die kontinuierlich wachsende Zahl hochbetagter Senioren mit einem Alter von mehr als 75 Jahren nicht erfasst. In diesem Kontext zeigen die Daten der vorliegenden Untersuchung, dass gerade hochbetagte Senioren zu mehr als 40 % zahnlos und regelmäßig mit schleimhautgetragenem Zahnersatz versorgt sind; demgegenüber wird in der DMS-IV von einer Zahnlosigkeit von 22,6 % bei Senioren im Alter zwischen 65 und 74 Jahren berichtet [10]. Vor diesem Hintergrund muss das Vorhandensein von Speichel in geeigneter Qualität und Quantität als wesentliche Voraussetzung für die Retention von schleimhautgetragenem Zahnersatz gelten. Dabei überrascht das Ergebnis der vorliegenden Untersuchung insofern, als – trotz des signifikanten Einflussfaktors der Xerostomie – kein signifikanter Einfluss der Art der prothetischen Versorgung auf die mundgesundheitsbezogene Lebensqualität nachgewiesen werden konnte. Dieses Phänomen spiegelt sich auch in dem erheblichen Anteil der Befragten wider, die keine oder nur geringe Probleme mit ihrem Zahnersatz beim Essen oder Sprechen äußerten. Diese Ergebnisse bestätigen damit frühere Untersuchungen unserer Arbeitsgruppe, die einen ähnlichen Sachverhalt bei ambulanten Patienten einer Universitätszahnklinik mit einem Alter von mehr als 60 Jahren belegen konnten [5]. Damit verdeutlichen die Ergebnisse der vorliegenden Studie, dass die mundgesundheitsbezogene Lebensqualität nicht allein durch offensichtliche zahnärztliche Determinanten wie die Zahl von Zähnen oder Implantaten oder die Art von Zahnersatz bestimmt wird. Diese Überlegungen befinden sich im Einklang mit den Ergebnissen anderer Untersuchungen, die neben rein zahnmedizinischen auch psychosoziale und wirtschaftliche Faktoren als wesentliche Einflussfaktoren für die mundgesundheitsbezogene Lebensqualität älterer Patienten nachweisen konnten [15].

Fazit für die Praxis

Die vorliegende Untersuchung konnte zeigen, dass

  • Xerostomie ein mit einer erheblichen Einschränkung der mundgesundheitsbezogenen Lebensqualität einhergehendes Problem bei pflegebedürftigen Senioren ist,

  • die konsiliarische Einbindung eines Zahnarztes in das geriatrische Assessment dazu beitragen könnte, Xerostomie und Hyposalivation sowie assoziierte Probleme bei Seniorinnen und Senioren zu erkennen,

  • im Sinne eines geriatrischen Gesamtkonzepts Maßnahmen zur Linderung der Xerostomie getroffen werden sollten. Diese könnten etwa eine kritische Hinterfragung potenziell xerogener Medikamente oder die Anwendung von Speichelersatzmitteln zur Linderung der Xerostomie umfassen.