Akute Subduralhämatome (ASDH) werden bei etwa 10–20% der Fälle nach schwerem Schädel-Hirn-Trauma beobachtet. Die Mortalität nach ASDH liegt trotz moderner operativer und intensivmedizinischer Behandlungsmöglichkeiten zwischen 40 und 90% [13]. Die hohen studienübergreifenden Mortalitätsraten sind allein durch das Hämatomvolumen nicht erklärbar. Die schlechten Verläufe müssen im Zusammenhang mit diffusen Parenchymverletzungen, Ödembildungen, fokalen und globalen Ischämien sowie chronisch inflammatorischen Vorgängen, die zu reduzierter Gewebeoxygenierung und Zelltod führen, betrachtet werden [19]. Nur ein Teil dieser Kaskade ist durch operative und intensivmedizinische Maßnahmen beeinflussbar. Vorrangiges Therapieziel ist der Schutz des initial noch vitalen Hirnparenchyms vor sekundären Schädigungen.

Während symptomarme schmale ASDH konservativ behandelt werden können [4], ist für raumfordernde ASDH in der Regel die Indikation zur chirurgischen Entlastung gegeben. Konsens besteht darin, dass bei entsprechender Traumaanamnese, korrelierendem klinischen Aspekt und CT-Befund ein ASDH mit einem Blutungsvolumen >25 ml und/oder Mittellinienverlagerung von >5 mm evakuiert werden sollte und hierzu eine ausreichend große Kraniotomie notwendig ist [17, 18]. Bewusstseinsgetrübte Patienten ohne klinische Zeichen erhöhten Hirndrucks und ohne Nachweis von begleitenden Hirnparenchymläsionen können mit einer limitierten Kraniotomie ohne Duraerweiterung und mit Wiedereinsetzen des Knochendeckels behandelt werden. Im Falle eines bewusstlosen Patienten, bei Vorliegen klinischer Einklemmungszeichen des Hirnstamms und im CT erkennbaren erheblichen parenchymalen Begleitverletzungen ist mit höherer Wahrscheinlichkeit von einer intra-/postoperativen Ödemneigung des Hirngewebes auszugehen. Hier wird von vornherein eine ausgedehnte Entlastungskraniektomie mit Duraerweiterung empfohlen, um über die Blutungsevakuation hinaus dem schwellenden Hirn Raum zu geben. Durch diese Entlastung werden im Schnitt etwa 30 ml (bei maximaler Hemikraniektomie und Duraerweiterung aber bis zu 100 ml) zusätzlichen Raums geschaffen [20].

Die dekompressive Kraniektomie (ob primär oder sekundär) ist im Vergleich zur limitierten Kraniotomie invasiver und mit höheren Komplikationsraten behaftet [21]. Unter anderem deshalb wird bei älteren Patienten nach schwerer Schädel-Hirn-Verletzung von der dekompressiven Kraniektomie abgeraten [5, 13, 22]. Gleichwohl ist das Vorgehen hierzu nicht standardisiert, sondern immer eine spezifische Einzelfallentscheidung, die von der Kombination mehrerer Faktoren abhängig gemacht wird.

Ob eine begrenzte Kraniotomie zur Behandlung des ASDH des älteren Patienten ausreichend ist oder bereits primär eine große dekompressive Kraniektomie durchgeführt werden sollte, ist durch prospektive Studien noch nicht abschließend geklärt. Durch unsere Untersuchung soll herausgestellt werden, ob Patienten >65 Jahre durch eine primäre dekompressive Kraniektomie mit Duraerweiterung gegenüber einer begrenzten osteoplastischen Kraniotomie benachteiligt sind.

Patienten und Methoden

Im Rahmen einer prospektiven, nichtrandomisierten Beobachtungsstudie von Januar 2005 bis Dezember 2009 erfolgte die Analyse präklinischer Daten und postoperativer Verläufe bei 50 Patienten (21 weibliche, 29 männliche), die älter als 65 Jahre waren und wegen eines ASDH operiert wurden. Bei 25 Patienten (12 ♀, 13 ♀) wurde das ASDH durch eine begrenzte osteoplastische Kraniotomie (medianer Durchmesser der Trepanation: 6 cm; Gruppe A) entlastet. Bei den anderen 25 Patienten (9 ♀, 16 ♂) wurde eine bis nach temporobasal geführte frontotemporoparietale dekompressive Kraniektomie (Mindestdurchmesser der Trepanation: 12 cm; Gruppe B) mit Duraerweiterungsplastik und intraoperativ nichtreplantiertem Kalottendeckel vorgenommen [18, 20].

Folgende Faktoren wurden analysiert: Alter des Patienten, primäre Glasgow-Koma-Skala (GCS [24]), Hämatombreite und Mittellinienverlagerung im Primär-CT, Zeitraum vom Trauma bis zur Operation und Glasgow-Outcome-Score (GOS [11]) 4 Wochen nach der Operation. Zur Unterschiedstestung wurde der t-Test mit einem Signifikanzniveau ab p<0,05 verwendet.

Resultate

Alle 50 Patienten waren entsprechend der CT-Klassifikation der Traumatic Coma Data Bank [14] dem Muster der „diffusen Verletzung Typ 4“ zuzuordnen. Innerhalb von 4 h nach dem Trauma wurden in der Gruppe A 13 Patienten (52%), in der Gruppe B 15 Patienten (60%) operiert. Später als 4 h nach dem Trauma wurden in der Gruppe A 12 Patienten (48%), in Gruppe B 10 Patienten (40%) operiert. In der Gruppe A waren präoperativ 9 von 25 Patienten (36%) therapeutisch antikoaguliert (Thrombozytenaggregationshemmer oder Phenprocoumon), in der Gruppe B 8 von 25 Patienten (32%). Die Gesamtmortalität im ersten Monat nach der Operation betrug 44% (22 von 50 Patienten), davon in der Gruppe A 10 von 25  (40%), in der Gruppe B 12 von 25 Patienten (48%). Die Ergebnisse der Unterschiedssignifikanztestung der weiteren untersuchten klinischen Faktoren zeigt Tab. 1.

Tab. 1 Tabellarische Gegenüberstellung der Ergebnisse in beiden Gruppen

Diskussion

Der Verlauf nach operativer Behandlung von ASDH ist auch vom Alter des jeweiligen Patienten abhängig. So wurde bei Patienten >61 Jahre eine Mortalität von 73–82% registriert und im Alter von >70 Jahren wird nach Operation eines ASDH mit einem initialen GCS-Wert zwischen 5 und 11 in verschiedenen Untersuchungen nur selten ein dauerhaftes Überleben beobachtet [7, 8, 10, 26]. Bei nichtbewusstlosen Patienten bis zum Alter von 75 Jahren erscheint eine Operation lohnenswert, bei geringer Komorbidität und Komedikation kann diese Altersgrenze sogar noch ausgeweitet werden. Bei über 75-Jährigen mit schlechtem Bewusstseinsgrad wird eher zur abwartenden konservativen Therapie geraten, u. U. kommt bei Stabilisierung dabei noch eine sekundäre Operation infrage. Sollte das Bewusstsein nicht wiedererlangt werden, kann eine Erholung quasi ausgeschlossen werden – die Wahrscheinlichkeit, bei dieser Konstellation nach Operation zu überleben, liegt nur um 5% und bei über 90-Jährigen tendiert sie gegen Null [7, 17]. Bei Patienten im Alter von 21–60 Jahren wurde demgegenüber eine Mortalität nach operativer Therapie des ASDH von 40–64% gesehen [6, 12, 23, 27]. Ob allein durch das Lebensalter des Patienten der Wert einer operativen Behandlung beeinträchtigt wird, ist durch diese Studien aber nicht belegt, und die Empfehlungen hierzu stellen nur einen Anhalt für Therapieentscheidungen dar. In unserem Kollektiv bei über 65-Jährigen fanden wir eine Mortalitätsrate von insgesamt 44%, was nicht wesentlich von den Werten bei jüngeren Patienten abweicht.

Nach Entfernung eines ASDH wird eine Reduktion des intrakraniellen Drucks häufiger und in größerem Ausmaß nach Dekompressionskraniektomie als nach begrenzter Kraniotomie beobachtet [9]. Darüber hinaus kommt es häufiger zur Rückbildung einer Mydriase, wohingegen sich gemessen am Langzeitverlauf in der zitierten Studie kein klinischer Vorteil durch die Kraniektomie aufzeigen ließ. Dies wird nach Dekompressionskraniektomien bei anderweitig nicht beherrschbarem traumatischen Hirnödem nach schwerem geschlossenen Schädel-Hirn-Trauma ähnlich gesehen [1, 16], wobei hier in einigen Studien – zumindest für Subpopulationen (speziell mit jüngerem Lebensalter) – auch klinisch relevante positive Effekte auf die Kraniektomie an sich zurückgeführt werden [5, 15].

In der Literatur herrscht also keine Einigkeit darüber, ob beim ASDH die ausgedehnte Dekompression der begrenzten Kraniotomie aus klinischen Gesichtspunkten klar überlegen ist, wenngleich die Mehrheit der Autoren Tendenzen hierfür erkennen lässt. Ob der Faktor Lebensalter hinsichtlich des Überlebens nach dekompressiver Kraniektomie gegenüber begrenzter Kraniotomie tatsächlich Relevanz besitzt, ist aber statistisch nicht einwandfrei zu klären. Wir konnten jedenfalls keine signifikanten Vorteile für ältere Patienten nach begrenzter Kraniotomie gegenüber der invasiveren dekompressiven Kraniektomie beim ASDH finden.

Anerkannt ist, dass die primären und sekundären kaskadenartigen Destruktionsvorgänge des Hirnparenchyms die wesentliche Rolle für das langfristige klinische Ergebnis nach traumatischem ASDH spielen [12, 19, 27]. Die osteoklastische dekompressive Kraniektomie ist ein Standardverfahren in der Neurotraumatologie zur Entfernung traumatisch bedingter intrakranieller Massenläsionen und zur operativen Senkung erhöhter intrakranieller Druckwerte. Hierdurch kann eben diesen sekundären Schädigungen möglicherweise effizienter vorgebeugt werden. Einen Grund, über 65-Jährigen allein aus Altersaspekten diese Therapieoption vorzuenthalten, konnten wir anhand unserer Ergebnisse nicht identifizieren. Im Gegenteil haben wir bei vergleichbarer Mortalität und vergleichbarem neurologischen Ergebnis sogar einen Trend zur Anwendung der dekompressiven Kraniektomie in Fällen mit schlechterem GCS-Wert, größerem Hämatom und größerer Mittellinienverlagerung ermittelt, wenngleich dieser Unterschied nicht signifikant verschieden war. Diese Tendenz wurde auch bei anderen Autoren beobachtet [17] und ist als Ergebnis der fehlenden Randomisierung des Patientenkollektivs zu betrachten.

Fazit für die Praxis

  • Die Entfernung raumfordernder traumatischer Subduralhämatome bei über 65-Jährigen kann auch mit einer begrenzten Kraniotomie suffizient gelingen.

  • Die höhere Invasivität einer ausgedehnten dekomprimierenden Kraniotomie ist kein pauschal kontraindizierender Faktor bei älteren Patienten.

  • Ein höheres Lebensalter allein ist kein Grund, eine ausgedehntere operative Kraniotomie zu unterlassen, wenn diese erforderlich sein sollte.