Unter dem Blickwinkel der Versorgungsforschung sind bei Demenzerkrankungen zwei Herausforderungen festzustellen. Erstens: Wie kann erreicht werden, dass möglichst vielen Patienten die für sie geeigneten therapeutischen Möglichkeiten [6, 7] zur Verfügung gestellt werden, um den kurativ nicht behandelbaren und meist chronisch progredienten Krankheitsverlauf günstig zu beeinflussen und die Lebensqualität der Betroffenen zu erhöhen? Zweitens: Wie kann außerdem die Unterstützung für die versorgenden Angehörigen optimiert werden? Welche Faktoren beeinflussen die Entscheidung, ob unterstützende Angebote [4, 13, 15] – ihre flächendeckende Verfügbarkeit vorausgesetzt – auch tatsächlich in Anspruch genommen werden? Diese Arbeit beschäftigt sich mit der zweiten Herausforderung und zwar speziell bezogen auf das Angebot von Betreuungsgruppen.

Bei Betreuungsgruppen werden Demenzkranke in einer Kleingruppe stundenweise außer Haus betreut [8, 10]. Die entsprechenden Angebote finden meist einmal wöchentlich für zwei bis drei Stunden statt. Parallel dazu haben die Angehörigen in vielen Fällen Gelegenheit, sich mit anderen pflegenden Angehörigen in einer Angehörigengruppe auszutauschen. Betreuungsgruppen sind somit eine Form der direkten pflegerischen Entlastung der Angehörigen. Derartige „niedrigschwellige“ Angebote sollen entsprechend der Intention des im Jahr 2008 in Kraft getretenen Pflege-Weiterentwicklungsgesetzes weiter ausgebaut werden. Eine empirische Überprüfung der Effektivität speziell von Betreuungsgruppen erfolgte bisher jedoch nicht. Es kann aber der Schluss gezogen werden, dass Betreuungsgruppen eine Form von Entlastung für Angehörige darstellen. Ohne zwischen verschiedenen Angeboten zu differenzieren, zeigten sich Entlastungsangebote („respite“) in einer Metaanalyse als wirksam im Sinn einer signifikanten Reduktion von subjektiver Belastung und Depressivität bei den pflegenden Angehörigen [13]. Der Nutzungsgrad von Betreuungsgruppen liegt im Durchschnitt jedoch nur bei 5 Prozent [2, 16]. Um diese niedrige Nutzungsrate gezielt beeinflussen zu können, ist es wichtig, die Prädiktoren der Nutzungsrate zu kennen und zwar gerade diejenigen, welche die Perspektive der Angehörigen wiedergeben. Daraus resultiert die erste Fragestellung der Studie: Welche Variablen, die die Pflegesituation aus Sicht der Angehörigen beschreiben, beeinflussen die Inanspruchnahme von Betreuungsgruppen?

Die Erfüllung von Qualitätsstandards ist im Allgemeinen ein Kennzeichen für ein professionelles Versorgungsangebot. Diese Qualitätsstandards geben in der Regel die Sicht von Experten wieder. Die Qualität der Betreuungsgruppen ließe sich unter dem Aspekt der „Kundenfreundlichkeit“ verbessern, wenn die Qualitätsvorstellungen der „Kunden“, hier der pflegenden Angehörigen, konsequent berücksichtigt würden. Bisher sind keine wissenschaftlichen Arbeiten veröffentlich worden, die die Qualitätswünsche der pflegenden Angehörigen eines Demenzkranken zu Betreuungsgruppen qualitativ erfasst haben.

Deshalb lautet die zweite Fragestellung: Welche Qualitätsmerkmale sollen Betreuungsgruppen aus Sicht der Angehörigen erfüllen, und zwar abhängig davon, ob Betreuungsgruppen bereits in Anspruch genommen wurden („Nutzer“) oder nicht („Nichtnutzer“). Um festzustellen, inwieweit eine Übereinstimmung mit den Qualitätsvorstellungen der „Anbieterseite“ besteht oder nicht, wurden zusätzlich Qualitätsmerkmale aus Sicht von Personen erfragt, die eine Leitungsfunktion bei Betreuungsgruppen ausübten.

Material und Methoden

Design

Die Datengrundlage der Studie besteht aus einer explorativen, schriftlichen, anonymen Befragung pflegender Angehöriger eines Demenzkranken bei häuslicher Pflege, die durch telefonische Interviews mit Personen in Leitungsfunktion in einer Betreuungsgruppe ergänzt wurde. Die Studie wurde als Querschnittsuntersuchung in vier Regionen Deutschlands durchgeführt: in Erlangen und dem Landkreis Erlangen-Höchstadt (südliche Region), in Dortmund und Umgebung (Westen), in der Stadt und dem Landkreis Kassel (nördliche Mitte) und im Bundesland Brandenburg, speziell in der Region um Potsdam (Nordosten). Jede Studienregion besteht sowohl aus städtisch als auch aus ländlich geprägten Gebieten mit mindestens 250.000 Einwohnern und somit mindestens 2.500 Demenzkranken.

Angehörigenbefragung

Die Befragungsunterlagen bestanden aus einem Anschreiben, dem Fragebogen, einem kostenfreien Rückkuvert und einer Informationsbroschüre mit dem Titel „Das Wichtigste über die Alzheimer-Krankheit“ [3]. In dem Anschreiben wurde insbesondere auf die Anonymität der Befragung und Auswertung hingewiesen.

Bei einer angestrebten Verteilung von 500 Befragungsunterlagen je Studienregion wurde innerhalb einer Rekrutierungszeit von sechs Monaten mit einer Rücklaufquote von mindestens 20% gerechnet [5]. Ziel war es, einerseits pflegende Angehörige zu erreichen, die noch keine eigene Erfahrung mit Betreuungsgruppen gemacht hatten („Nichtnutzer“) und andererseits von denjenigen Auskünfte zu erhalten, die Betreuungsgruppen bereits in Anspruch genommen hatten („Nutzer“).

Um die Nichtnutzer zu erreichen, sollten in jeder Studienregion 200 Befragungsunterlagen über den Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) bei der Erstbegutachtung im Rahmen des Pflegeversicherungsgesetzes verteilt werden. Damit ließen sich Angehörige von Demenzkranken, die in den meisten Fällen noch keine Betreuungsgruppe in Anspruch genommen hatten, in einem eher frühen Stadium der Erkrankung erreichen. Wenn eine der beiden im Rahmen der Erstbegutachtung vergebenen Pflegediagnosen „Demenz“ lautete, sollten die Befragungsunterlagen an den Angehörigen übergeben und um Teilnahme an der Befragung gebeten werden.

Um Angehörige mit Nutzungserfahrung zu erreichen, wurden in jeder Studienregion 300 Befragungsunterlagen über die Geschäftsstellen der regionalen Alzheimer-Gesellschaften sowie über weitere Angehörigenberatungsstellen verteilt. Bei diesem Rekrutierungsweg war eher damit zu rechnen, dass die Demenzerkrankung bereits längere Zeit bestand und die Angehörigen inzwischen Erfahrung mit Betreuungsgruppen gemacht hatten.

Von den insgesamt 2000 an die Verteilungszentren ausgegebenen Fragebögen (pro Region 500) wurde 404 von den Angehörigen zurückgesandt. Die überregionale Rücklaufquote belief sich damit auf 20,2%. Regionsspezifisch gliederte sich der Rücklauf in 152 (30,4%) für die Region Brandenburg, 87 (17,4%) für die Region Dortmund, 83 (16,6%) für die Region Kassel und 82 (16,4%) für die Region Erlangen.

Befragung von Personen in Leitungsfunktion

Um einen Eindruck von den Qualitätsvorstellungen der „Anbieterseite“ zu erlangen, sollten pro Studienregion drei Betreuungsgruppen kontaktiert und um Teilnahme an einer telefonischen Befragung gebeten werden. Die Anbahnung der Befragung erfolgte durch die Studienkoordinatoren der jeweiligen Region, indem diese aus dem regionalen „Altenhilfeführer“ die Betreuungsgruppen heraussuchten und kontaktierten, bis drei mündliche Zusagen zur Teilnahme von Personen in Leitungsfunktion erreicht wurden. Da es in der Region Kassel nur eine Betreuungsgruppe gab, wurden insgesamt zehn Personen in Leitungsfunktion befragt. Die Interviewpartner erhielten die Fragen vorab per Post. Das telefonische Interview erfolgte ca. 14 Tage nach dem Einverständnis und wurde von einem geschulten Interviewer nach den Vorgaben des Leitfadens durchgeführt. Die Dokumentation der erhobenen Daten erfolgte schriftlich während des Interviews.

Instrumente

Fragebogen für die Angehörigenbefragung

Der Fragebogen wurde in einer Pilotphase bei 12 Angehörigen auf Verständlichkeit und Akzeptanz geprüft.

Quantitative Daten: Neben soziodemographischen Variablen von Angehörigen und Demenzkranken (Tab. 1) wurden Charakteristika der Pflegesituation und im Zusammenhang mit der Betreuungsgruppe stehende Variablen erhoben. Die Pflegesituation ist wesentlich dadurch gekennzeichnet, wie viel Zeit der Angehörige innerhalb von 24 Stunden für reine Pflegeaufgaben benötigt (Anzahl der Stunden), ob sie/er dabei Hilfe von anderen erhält und ob der Patient eine Pflegestufe im Sinne der Pflegeversicherung hat. Die angebotsbezogenen Variablen „Kennen Sie Betreuungsgruppen?“ und „Nutzen Sie Betreuungsgruppen?“ waren dichotom (ja/nein) zu beurteilen. Für den Fall, dass die Angehörigen Betreuungsgruppen nicht kannten, wurde das Angebot kurz beschrieben, damit weitere Fragen beantwortet werden konnten. Die Einschätzung, wie hilfreich eine Betreuungsgruppe dem Angehörigen in seiner Pflegesituation erscheint, wurde mit einer 5-stufigen Likert-Skala (von 0=“brauche ich nicht“ bis 4=“brauche ich sehr dringend“) und dem Zusatz „unabhängig davon, ob Sie Betreuungsgruppen vorher kannten oder genutzt haben“ erfasst. Außerdem sollte der Angehörige die Erreichbarkeit von Betreuungsgruppen mithilfe der drei Kategorien „Erreichbarkeit ist mir nicht bekannt“, „ist für mich nicht gut erreichbar“ und „ist für mich erreichbar“ beurteilen.

Qualitative Daten: Das Datenmaterial für die qualitative Analyse wurde mit einer offenen Frage erhoben: „Unabhängig davon, ob Sie schon einmal das Angebot Betreuungsgruppe genutzt haben: Was würden Sie persönlich von einer ‚guten‘ Betreuungsgruppe erwarten?“

Die Datenerhebung zur Qualität der Betreuungsgruppen wurde aus zwei Gründen mit einer offenen Frage durchgeführt:

  1. 1.

    Ein standardisierter, validierter Fragebogen, der alle relevanten Qualitätsaspekte enthält und für eine Angehörigenbefragung geeignet ist, war nicht vorhanden.

  2. 2.

    Der „freie Abruf“ der selbst reflektierten („intrinsischen“) Argumente gibt unbeeinflusst von Vorgaben die eigenen Qualitätsvorstellungen der Angehörigen am besten wieder.

Interviewleitfaden für die Personen in Leitungsfunktion

Neben Angaben zur interviewten Person wurden einige Merkmale der Betreuungsgruppe erhoben (Tab. 2). Die offene Frage zur Qualität der Betreuungsgruppe lautete: „Was macht Ihrer Meinung nach die Qualität einer Betreuungsgruppe aus?“

Stichprobenbeschreibung

Die Kennzeichen der befragten Angehörigen und der von ihnen versorgten Demenzkranken sind in Tab. 1 wiedergegeben, die Merkmale der interviewten Personen in Leitungsfunktion und der dazugehörigen Einrichtungen in Tab. 2.

Tab. 1 Stichprobenbeschreibung
Tab. 2 Beschreibung der interviewten Personen in Leitungsfunktion sowie der Einrichtungen (n=10)

Statistische Vorgehensweise

Quantitative Datenauswertung

Die Fragen zu quantitativen Angaben wurden im Durchschnitt von 96,0% der 404 Angehörigen beantwortet. Um festzustellen, welche Variablen die Inanspruchnahme von Betreuungsgruppen unabhängig voneinander und signifikant beeinflussen, wurde eine binär-logistische Regressionsanalyse durchgeführt. Die dichotome abhängige Variable war die Nutzung (Kodierung: 1) oder Nichtnutzung (Kodierung: 0). Die Kodierung der potenziellen Prädiktoren ist in der Legende von Tab. 3 angegeben. Vor der Durchführung der Regressionsanalyse erfolgte eine Multikollinearitätsuntersuchung, um die Konfundierung durch korrelierende Variablen (r >0,40) vorab ausschließen zu können. Aufgrund der Korrelationen mit anderen unabhängigen Variablen wurden folgende Variablen nicht in die multivariate Analyse eingeschlossen: Verwandtschaftsgrad zwischen Angehörigem und Demenzpatienten, gemeinsames Wohnen, Berufstätigkeit des Angehörigen, Vorhandensein einer Pflegestufe beim Demenzpatienten und subjektiv beurteilte Erreichbarkeit von Betreuungsgruppen. Die Varianzaufklärung durch das Regressionsmodell wird mit R2 nach Nagelkerke angegeben. Die Signifikanz potenzieller Prädiktoren wurde anhand des Wald-Koeffizienten geprüft (α=0,05).

Qualitative Datenauswertung

Die qualitativen Daten wurden mithilfe der qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring [11] ausgewertet. Auf die Umsetzung allgemeiner Gütekriterien qualitativer Forschung wie Verfahrensdokumentation, Regelgeleitetheit und argumentative Interpretationsabsicherung [11] wurde geachtet. Abschließend wurde eine Zuordnung der einzelnen Zusammenfassungen zu den drei Qualitätskategorien Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität wiederum von zwei Forschern unabhängig voneinander vorgenommen.

Ergebnisse

Quantitative Analyse

Mit 43,0% sind Betreuungsgruppen bei den Angehörigen ein eher wenig bekanntes Angebot. Nur etwa ein Achtel der Befragten (12,4%) nutzt es. Bei der Einschätzung, inwieweit dieses Angebot als hilfreich gesehen wird, zeigt sich, dass etwa ein Viertel der Angehörigen eine Betreuungsgruppe sehr dringend (9,9%) oder dringend (15,9%) benötigt, währenddessen über die Hälfte der Befragten der Meinung ist, die Unterstützung durch Betreuungsgruppen nicht (33,4%) oder kaum (19,5%) zu benötigen. Die übrigen 21,2% zeigen sich indifferent („brauche ich einigermaßen“).

Bei der Beurteilung der räumlichen Erreichbarkeit von Betreuungsgruppen überwiegt bei den Angehörigen das Nichtwissen, wo Betreuungsgruppen angeboten werden. Während mehr als ein Viertel der Befragten (29,9%) angibt, dass eine Betreuungsgruppe für sie in der Nähe erreichbar wäre, wissen andererseits knapp zwei Drittel der Angehörigen (63,4%) nichts über die Entfernung bzw. die nächstgelegene Möglichkeit zur Nutzung einer Betreuungsgruppe. Insgesamt 6,7% der Angehörigen urteilt, dass eine Betreuungsgruppe für sie räumlich nicht gut erreichbar ist.

Um die Variablen zu bestimmen, die die Nutzung von Betreuungsgruppen beeinflussen, wurde eine binär-logistische Regressionsanalyse durchgeführt. Es zeigt sich, dass mit einer Varianzaufklärung von 55,3% (R2) ein signifikantes Regressionsmodell (χ2 (12)=100,411; p<0,001) identifiziert werden konnte, welches sich durch zwei signifikante Prädiktoren auszeichnet (Tab. 3). Damit können 89,5% der Befragten durch Vorhersage richtig den Kategorien „Nutzer“ oder „Nichtnutzer“ zugeordnet werden. Die Wahrscheinlichkeit der Nutzung von Betreuungsgruppen ist signifikant um mehr als das Doppelte erhöht, wenn das Ausmaß des Brauchens zunimmt. Des Weiteren ist die Wahrscheinlichkeit, dass pflegende Angehörige mit Hauptschulabschluss eine Betreuungsgruppe nutzen, signifikant höher im Vergleich zu pflegenden Angehörigen mit gymnasialem Bildungsabschluss. Tendenziell ist das Nichtvorhandensein anderer bei der Pflege unterstützender Personen prädiktiv für die Inanspruchnahme von Betreuungsgruppen (p=0,055).

Tab. 3 Binär-logistische Regressionsanalyse mit Inanspruchnahme einer Betreuungsgruppe (ja oder nein) als abhängige Variable

Qualitative Analyse

Die häufigsten drei Qualitätswünsche der pflegenden Angehörigen in Bezug auf Betreuungsgruppen sind bei Nutzern und Nichtnutzern zum Teil gleich. An erster Stelle wird übereinstimmend die gezielte Beschäftigung des Demenzkranken, insbesondere körperliche Bewegung und Spiele genannt (jeweils 24%, Tab. 4). An zweiter Stelle erwarten Nutzer „gut ausgebildete“ Betreuer (21%). Dieser Wunsch steht bei den Nichtnutzern an dritter Stelle (10%). Mit 18% am dritthäufigsten nannten die Nutzer „liebevollen“ Umgang mit dem Demenzkranken. Dagegen steht bei den Nichtnutzern die Förderung sozialer Kontakte in der Betreuungsgruppe an zweiter Stelle.

Tab. 4 Qualitätswünsche der Angehörigen (n=404) – Rangliste der häufigsten Wünsche (≥5%)

Die Qualitätsvorstellungen der „Anbieterseite“ sind andersartig (Tab. 5). Zuerst fällt auf, dass keine Qualitätsmerkmale zahlenmäßig herausragend sind – die Häufigkeiten sind eher gleich verteilt. Noch am häufigsten werden eine „entspannte“, „stressfreie“ Atmosphäre in der Betreuungsgruppe genannt sowie das Ziel, Wohlbefinden der Demenzkranken zu erreichen.

Tab. 5 Qualitätskriterien aus der Sicht der interviewten Personen in Leitungsfunktion (n=10) – Rangliste der von mehr als einer Person genannten Kriterien

Diskussion

Die Stichprobe pflegender Angehöriger wurde in vier Studienregionen gezogen, die, über ganz Deutschland verteilt, geeignet sind, sowohl städtische als auch ländliche Gebiete mit unterschiedlicher Versorgungsdichte für Betreuungsgruppen abzudecken. Es handelt sich jedoch nicht um eine repräsentative Stichprobenziehung. Durch das gezielte Ansprechen verschiedener Rekrutierungswege, Medizinischer Dienst der Krankenkassen, Geschäftsstellen regionaler Alzheimer-Gesellschaften und Angehörigenberatungsstellen, ließen sich Angehörige mit unterschiedlichem Erfahrungshintergrund in Hinblick auf Betreuungsgruppen erreichen. Ein Rekrutierungsbias ist jedoch nicht ausgeschlossen. Die Häufigkeiten der einzelnen Qualitätskriterien sind deshalb nur als orientierende Werte zu verstehen. Es kann jedoch mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden, dass ein bedeutender Bias hinsichtlich der Verteilung Nutzer/Nichtnutzer bei der Ziehung der Angehörigenstichprobe entstanden ist, denn mehr als vier Fünftel der befragten Angehörigen haben Betreuungsgruppen noch nicht genutzt. Dies zeigte sich auch in anderen Untersuchungen [2, 16].

Der Vergleich zwischen den Qualitätswünschen der Angehörigen und den Qualitätskriterien der interviewten Personen in Leitungsfunktion von Betreuungsgruppen hatte eine explorative Funktion und ist wegen der begrenzen Anzahl von befragten Personen in Leitungsfunktion als erste Orientierung zu verstehen, um Anhaltspunkte für eine grundsätzliche Übereinstimmung oder Abweichung zwischen Anbieter- und „Kundenseite“ zu erhalten.

Bei den Qualitätsvorstellungen pflegender Angehöriger bezüglich Betreuungsgruppen sind Aspekte der Prozessqualität besonders wichtig – eine sinnvolle Beschäftigung des Demenzkranken im Kontext eines liebevollen Umgangs. Die Qualifikation des Personals als Merkmal der Strukturqualität ist den Angehörigen ebenfalls sehr wichtig.

Sicherlich wäre in diesem Zusammenhang eine Erhebung der Qualitätserwartungen der Demenzkranken selbst, die ja die eigentlichen „Nutzer“ sind, interessant. Leider ist es gerade bei einer Demenzerkrankung schwierig, differenzierte verbale Angaben über so etwas Abstraktes wie Qualitätswünsche zu erhalten. Andererseits kann davon ausgegangen werden, dass Menschen mit Demenz sehr sensibel auf ihr Umfeld reagieren und diese Reaktionen emotional auch deutlich kommunizieren. Ein Grund für die Nichtnutzung von Entlastungsangeboten kann also auch in der Ablehnung des Angebots durch den Demenzkranken selbst liegen. Während das primäre Ziel der Angehörigen für die Nutzung von Betreuungsgruppen meist wahrscheinlich die Entlastung ist, mag ein primäres Ziel der Erkrankten selbst eher das Wohlfühlen in der Gruppe sein. Dieser Qualitätswunsch wird in unserer Untersuchung indirekt von den Angehörigen geäußert, wenn sie einen liebevollen Umgang und freundliche Betreuer fordern.

In der Fachliteratur sind keine Ergebnisse einer direkten Befragung pflegender Angehöriger zu deren Qualitätswünschen bezüglich Betreuungsgruppen recherchierbar. Zu finden war eine Arbeit, die unter die Kategorie „Expertenstandard“ fällt und sich mit dem Nutzen von „Supportgruppen für Menschen im Frühstadium einer Demenz“ beschäftigt [12]. Daraus lässt sich ableiten, dass auch das Personal von Betreuungsgruppen gut ausgebildet sein und insbesondere über ein breites Wissen über Demenzen verfügen sollte.

Werden Personen befragt, die eine Leitungsfunktion bei Betreuungsgruppen innehaben, ist ein eher heterogenes Bild verschiedener Qualitätsmerkmale vorherrschend. Mit höherem Stellenwert als in der Angehörigenbefragung werden Kennzeichen der Ergebnisqualität („das Wohlbefinden des Demenzkranken erreichen“) genannt. Außerdem sind zusätzliche Merkmale der Strukturqualität („hoher Betreuungsschlüssel“) bedeutsam. In der Heterogenität der Qualitätsmerkmale auf Anbieterseite spiegelt sich auch die Tatsache wider, dass für Betreuungsgruppen noch keine Leitlinien vorliegen, die die Anbieter für bestimmte Qualitätsmerkmale sensibilisiert haben. Für die begrüßenswerte Entwicklung von Leitlinien sollten neben Experten unbedingt Angehörige und Anbieter miteinbezogen werden.

Auch in Bezug auf die Nutzung von Betreuungsgruppen liegen keine demenzspezifischen Studien aus Deutschland vor. Deshalb müssen wir zum Vergleich auf internationale Studien zurückgreifen. Die Differenzen, die sich in diesen Vergleichen zeigen, sind sicherlich zum Teil auf Unterschiede zwischen den Kulturen und den Gesundheitssystemen zurückzuführen und sollten folglich nicht überbewertet werden.

Auffällig ist, dass nur weniger als die Hälfte der Befragten Betreuungsgruppen kennen. Dies zeigt sich in ähnlicher Weise auch bei Toseland et al. [16], die eine Bekanntheitsrate von 49,7% nachwiesen. Die niedrige Bekanntheit des Angebots ist natürlich eine wesentliche Ursache für den relativ geringen Nutzungsgrad. Brodaty et al. [1] berichteten jedoch, dass die Inanspruchnahme entlastender Angebote durch Angehörige gering ist, selbst wenn diese bekannt sind und sogar, wenn ihre Nutzung kostenlos ist [9]. Das bedeutet, dass es noch andere wesentliche Variablen geben muss, die die Nutzung determinieren. In unserer Untersuchung war die Einschätzung der Angehörigen, wie hilfreich Betreuungsgruppen sind, ein signifikanter Prädiktor für die Nutzung.

Aus der Untersuchung von Toseland et al. [17] ergab sich, dass diese Einschätzung, wie hilfreich verschiedene Angebote des Gesundheitssystems sind, kein signifikanter Prädiktor für den gesamten Umfang der Inanspruchnahme ist. Die vom Bekanntheitsgrad abhängige Inanspruchnahme wird jedoch von der Einschätzung als hilfreich signifikant moderiert, wenn die Nutzungsrate auf ein einzelnes Angebot bezogen ist – wie in unserer Untersuchung. Hier gaben 26% der Befragten an, dass sie eine Betreuungsgruppe dringend bzw. sehr dringend benötigen. Es ist anzunehmen, dass ein Teil der übrigen 74% andere Entlastungsangebote nutzt, darunter sicherlich auch Angebote, die eine umfangreichere Entlastung bieten, wie beispielsweise Tagesstätten. Diese Nichtnutzer von Betreuungsgruppen brauchen diese folglich auch nicht, weil ihr Bedarf an Entlastung in einem höheren Maße abgedeckt ist, als die Betreuungsgruppen dies leisten könnten. In der bereits zitierten Untersuchung von Toseland et al. [16] stellte sich zudem heraus, dass die Nutzer unter den pflegenden Angehörigen im Schnitt mehr als drei verschiedene Angebote gleichzeitig in Anspruch nahmen. Trotzdem liegt der Prozentsatz derer, die Betreuungsgruppen dringend oder sehr dringend benötigen, in unserer Studie mit 26% deutlich höher als bei Toseland et al. [16] mit 11,2%. Daher lässt sich Folgendes schlussfolgern: Ist beabsichtigt, möglichst viele pflegende Angehörige wirksam zu entlasten, sollte ihnen von Anbieterseite und von Vertretern des Gesundheitssystems, insbesondere von den „policymakers“, das Angebot Betreuungsgruppe nicht nur möglichst gut bekannt gemacht werden, sondern es sollte ihnen vor allem auch verdeutlicht werden, welche individuellen Vorteile die Nutzung von Betreuungsgruppen für sie bringt.

Die Schulbildung der pflegenden Angehörigen war ein signifikanter Prädiktor für Inanspruchnahme, was mit der Untersuchung von Toseland et al. [17] übereinstimmte, allerdings in umgekehrter Wirkrichtung. In ihrer Studie steht eine höhere Bildung in Zusammenhang mit einer höheren Nutzung von „human services“. In unserer Studie dagegen nutzen Angehörige mit gymnasialem Bildungsabschluss signifikant seltener eine Betreuungsgruppe als Angehörige mit Volks-/Hauptschule. Die Ursachen, warum das Angebot „Betreuungsgruppe“ Angehörige mit höherer Schulbildung weniger gut erreicht, müssen näher erforscht werden. Wir vermuten folgenden Zusammenhang: Über 73% der pflegenden Angehörigen in unserer Studie waren Frauen. Gerade bei diesen erhöht sich der Prozentsatz der Berufstätigen mit dem Grad der Schulbildung. Es könnte daher sein, dass die Berufstätigkeit bei vielen der höher gebildeten Frauen zu einem Bedarf an umfangreicheren Unterstützungsangeboten wie beispielsweise Tagesstätten führt, da nur solche Angebote die Pflege mit einem Beruf vereinbar machen, wohingegen Betreuungsgruppen eher eine punktuelle Entlastung an höchstens einem Tag pro Woche darstellen. Solche umfangreicheren Angebote müssten dann häufiger von pflegenden (weiblichen) Angehörigen mit höherer Schulbildung genutzt werden, was in der Vergleichsstudie, die sich ja auf viele verschiedene Angebote bezog, der Fall war. Weiterhin berichteten Toseland et al. [17], dass die Variablen Alter und Geschlecht des Angehörigen, städtischer versus ländlicher Lebensraum, Krankheitsdauer und Pflegezeit pro Tag keine signifikanten Prädiktoren für Inanspruchnahme sind. Dies steht im Einklang mit den Ergebnissen der hier vorgestellten Regressionsanalyse zur Nutzung von Betreuungsgruppen. In einer Untersuchung von Romero et al. [14] konnte die Rate der Inanspruchnahme ambulanter Angebote außerdem durch ein vierwöchiges stationäres Behandlungsprogramm erhöht werden, wobei sich auch diese Untersuchung nicht auf ein ambulantes Angebot, sondern auf verschiedene externe Hilfen, darunter Betreuungsgruppen, bezieht.

Nicht verwunderlich ist, dass bei Angehörigen, die zu Hause keine Hilfe von anderen bei der Pflege erhalten, ein statistischer Trend zu einer höheren Nutzungsrate von Betreuungsgruppen besteht.

Insgesamt schätzten nur 6,7% der Befragten, dass das Angebot Betreuungsgruppe für sie schlecht erreichbar ist. Dieser Wert ist mit den Ergebnissen aus der Literatur (5,4%) [16] vergleichbar. Die Unkenntnis über die nächstgelegene Möglichkeit zur Nutzung einer Betreuungsgruppe ist mit 63,4% jedoch weitaus häufiger (im Vergleich 50,3% bei [16]). Da in anderen Studien die problemlose Erreichbarkeit von Angeboten mit der Nutzung positiv assoziiert war [9, 17] und in der vorliegenden Studie ein Großteil der Befragten nichts über die Erreichbarkeit der nächstgelegenen Betreuungsgruppe wusste, sollte nicht nur der Vorteil einer solchen Betreuung verdeutlicht, sondern auch klar über die Lage und verkehrstechnische Anbindung der nächstgelegenen Betreuungsgruppe informiert werden.

Kernaussagen

  • Um die Nutzung von Betreuungsgruppen zur Entlastung der Angehörigen zu steigern, sollte das Angebot nicht nur bei den Angehörigen bekannt sein, sondern den pflegenden Angehörigen sollten vor allem auch die Vorteile einer Nutzung verdeutlicht werden.

  • Die Lage und verkehrstechnische Erreichbarkeit der nächstgelegenen Betreuungsgruppe sollte jedem pflegenden Angehörigen vermittelt werden.

  • Um den Qualitätsvorstellungen der Angehörigen nahezukommen, sollte auf eine adäquate Beschäftigung der Erkrankten in den Betreuungsgruppen geachtet werden, wobei körperliche Bewegung und Spiele explizit gewünscht werden.

  • Neben einer guten Vorbereitung auf die Tätigkeit in einer Betreuungsgruppe (Ausbildung) sollte auf einen wertschätzenden, „liebevollen“ Umgang mit den Demenzkranken besonders geachtet werden.