In zahlreichen Studien konnte der prädiktive Wert der Neuroproteine NSE und S100B zur Einschätzung der zerebralen Prognose komatöser Patienten nach kardiopulmonaler Reanimation nachgewiesen werden. Allerdings sind die Grenzwerte beider Biomarker, die ein schlechtes neurologisches Ergebnis, definiert als persistierender vegetativer Status oder Tod, nach einer Reanimation anzeigen, derzeit noch immer nicht klar definiert. Fogel [1] beschrieb eine NSE-Serumkonzentration von 33 ng/ml, Martens [2] 50 ng/ml, Schaarschmidt [3] 30 ng/ml, Meynar [4] 25 ng/ml und Zandbergen [5] 33 ng/ml als Grenzwert für die Vorhersage eines schlechten neurologischen Ergebnisses nach CPR. Martens [2] fand eine S100B-Serumkonzentration über 0,7 µg/l, Rosen [6] über 0,22 µg/l und Böttiger [7] eine Serumkonzentration von mehr als 1,10 µg/l als Grenzwert für ein schlechtes neurologisches Ergebnis nach Reanimation.

NSE ist ein Enzym des Glukosestoffwechsels mit einem Molekulargewicht von 78.000 Dalton und einer biologischen Halbwertszeit von 20 h. Als γγ- und αγ-Enolase kommt NSE in hohen Konzentrationen in Neuronen des ZNS und in den Axonen peripherer Nerven sowie in Zellen neuroendokriner Tumoren, bei kleinzelligem Bronchialkarzinom und in geringeren Konzentrationen in Thrombozyten und anderen peripheren Blutzellen vor [8, 9, 10, 11, 12]. Protein S-100 repräsentiert eine Gruppe kalziumbindender intrazellulärer Proteine mit einem Molekulargewicht von 21.000 Dalton und einer biologischen Halbwertszeit von 2 h. Als ββ-Dimer (S100B) wird es in hoher Konzentration in Neuronen und Gliazellen des ZNS und Teilen des peripheren Nervensystems gefunden, darüber hinaus in geringen Mengen auch in Fett- und Knorpelzellen, im Darm, in der Lunge, im Knochenmark und in der Gefäßmuskulatur der Aorta, jedoch nicht in peripheren Blutzellen [13, 14, 15, 16]. In einer In-vitro-Studie konnten Beaudeux et al. [17] zeigen, dass es in hämolytischen Seren ausschließlich zu einem Anstieg von NSE kommt und die S100B-Konzentration unverändert bleibt.

Beide Neuroproteine sind mittlerweile allgemein akzeptierte Prognosemarker zur Beurteilung der Schwere des zu erwartenden hypoxischen Hirnschadens bei komatösen Überlebenden nach Reanimation.

Eine der Hauptursachen für einen akuten Herz-Kreislauf-Stillstand ist der akute Myokardinfarkt (AMI). Die frühzeitige Wiedereröffnung des betroffenen Koronargefäßes durch eine Koronarangiographie mit PTCA ist die empfohlene Therapie der Wahl [18, 19].

Der Einsatz temporärer Linksherzunterstützungssysteme, wie z. B. der IABP, bei Patienten mit AMI und im kardiogenen Schock wurde in mehreren Studien untersucht und erfolgt zunehmend häufiger im klinischen Alltag großer Versorgungszentren obgleich sich in letzter Zeit kritische Stimmen wegen nicht ausreichender Evidenz mehren [19, 20, 21]. Während solche LVAD bei Reanimierten noch vor wenigen Jahren sehr selten eingesetzt wurden, stieg deren Einsatz auf etwa 32% im eigenen Patientengut im Verlauf der vergangenen Jahre.

Diese Entwicklung veranlasste uns, in einer Fallkontrollstudie an nicht reanimierten Patienten der Frage nachzugehen, ob durch den Einsatz temporärer Linksherzunterstützungssysteme, die im Rahmen einer Koronarangiographie implantiert werden, die Serumkonzentration von NSE und S100B beeinflusst wird.

Material und Methode

Mit dem Einverständnis der Ethik-Kommission des Universitätsklinikums Jena untersuchten wir 80 konsekutive nicht reanimierte Patienten. Dabei handelt es sich um 20 Frauen und 60 Männer, mittleres Alter 67,3 (±13,5) Jahre, die im Rahmen einer Koronarangiographie ein temporäres LVAD erhielten. Die Referenzgruppe wird von 43 Patienten mit unkompliziertem akutem Myokardinfarkt [13 Frauen, 30 Männer, mittleres Alter 64,6 (38–88) Jahre], die kein Linksherzunterstützungssystem erhielten, gebildet.

Eine schriftliche Einverständniserklärung zur Teilnahme an der Studie wurde entweder von den Patienten selbst oder von deren nächsten Angehörigen während des Aufenthaltes auf der Intensivstation eingeholt. Ausschlusskriterien waren:

  • Reanimationspflichtigkeit unmittelbar vor oder während der Therapie,

  • akute bzw. weniger als 6 Monate zurückliegende Erkrankungen des ZNS,

  • das Vorliegen maligner Tumoren und

  • klinische Zeichen einer Hämolyse.

Folgende temporäre Kreislaufunterstützungssysteme wurden eingesetzt:

  • intraaortale Ballonpumpe (IABP), Datascope Corporation, 15 Law Drive Fairfield, NY 07004-0011, USA,

  • AMED 16F Left Ventricular Assist Device, A Med Systems Incorporation, 2491 Boatman Avenue West Sacramento, CA 95691, USA,

  • Impella Recover LP 2,5 ABIOMED – Impella Cardio Systems, Neuhofer Weg 3, 52074 Aachen, Deutschland,

  • Medtronic Perfusion System ECMO, Medtronic World Headquarters, 710 Medtronic Parkway, Minneapolis, MN 55432-5604, USA.

Die Implantation eines LVAD erfolgte bei 15 Patienten mit geplanter Hochrisiko-PCI, bei 34 Patienten mit großem Myokardinfarkt und drohendem akutem Linksherzversagen und bei 31 Patienten mit kardiogenem Schock, überwiegend verursacht durch einen AMI.

Die diagnostische Klassifikation des AMI erfolgte nach den im Jahr 2003 veröffentlichten ACC/AHA Guidelines. Der kardiogene Schock wurde definiert als systolischer Blutdruck ≤90 mmHg, über mehr als 30 min anhaltend, mit den klinischen Symptomen der Organminderperfusion, wie z. B. Oligurie, kalte und zyanotische Extremitäten sowie Bewusstseinstrübung, und der Notwendigkeit des Einsatzes von Katecholaminen bei kardialer Grunderkrankung [19].

Folgende Fragestellungen galt es, mit dieser Studie zu beantworten:

  • Führt die Behandlung mit einem LVAD bei nicht reanimierten Patienten zu einem Anstieg der Serumkonzentration beider Biomarker?

  • Entwickeln Patienten mit kardiogenem Schock im Vergleich zu Patienten mit Hochrisiko-PTCA und Patienten mit AMI höhere Serumkonzentrationen beider Neuroproteine unter der Behandlung mit dem LVAD?

  • Gibt es Unterschiede in der Serumkonzentration beider Neuroproteine bei Patienten, die mit einem turbinengetriebenen LVAD behandelt werden, im Vergleich zu jenen Patienten, die ausschließlich eine IABP erhalten?

Entsprechend der Behandlungsdauer mit den verschiedenen temporären Linksherzunterstützungssystemen werden die Serumkonzentrationen der beiden Neuroproteine über 3–4 Tage dargestellt.

Die Blutentnahmen für die Bestimmung von NSE und S100B in der Interventionsgruppe erfolgten 2- bis 3-mal täglich parallel zu den routinemäßigen Laborkontrollen, beginnend mit der Aufnahme auf die Intensivstation bis maximal 12 h nach Beendigung der Behandlung mit dem LVAD. In der Referenzgruppe wurden die Serumkonzentrationen von NSE und S100B in 12-h-Abständen über einen Zeitraum von mindestens 48 h, beginnend mit der Aufnahme auf die Intensivstation, gemessen.

Die Bestimmung von NSE ist in unserem Labor täglich verfügbar. Für S100B wurden die Serumproben zentrifugiert, bei –20°C tiefgefroren und im Intervall bestimmt. Die Analyse beider Proteine erfolgte mit einem immunluminometrischen Assay auf dem LIASON Analyser (LIAISON Sangtec 100®, Manufacturer: AB Sangtec Medical, P.O. Box 20045, S-16102 BROMMA, Schweden). Als Normalwerte im Serum Gesunder werden vom Hersteller für NSE 12,5 ng/ml und für S100B 0,15 µg/l angegeben.

Statistische Analyse

Die statistische Analyse wurde mit dem Statistikprogramm SPSS© (SPSS Inc., Chicago, IL, USA) durchgeführt. Die Daten werden als Mittelwerte mit Standardabweichung bzw. in Prozent angegeben. Die Prüfung auf Normalverteilung erfolgte mit dem Test nach Kolmogorov und Smirnow. Mit dem 1- und 2-seitigen t-Test nach Student wurde die Signifikanztestung der NSE und S100B-Serumkonzentrationen gegenüber den Grenzwerten Gesunder und zwischen den Subgruppen durchgeführt. Für die Berechnung der Thrombozytenzahlen und der Hämoglobinkonzentration wurden die einfaktorielle ANOVA und der gepaarte t-Test nach Student verwendet. Ein Konfidenzintervall von p<0,05 wurde als statistisch signifikant angenommen.

Ergebnisse

Referenzgruppe

Alle 43 Patienten wurden erfolgreich mit einer PTCA behandelt und konnten das Krankenhaus ohne Folgeschäden verlassen. Die Ergebnisse der NSE- und S100B-Messungen sind in Abb. 1 dargestellt. Überraschenderweise fanden wir einen signifikanten Anstieg der mittleren NSE-Konzentrationen über den Grenzwert von 12,5 ng/ml zu allen Messzeitpunkten (0 h p>0,001, 12 h p<0,001, 24 h p<0,001, 36 h p=0,001, 48 h p=0,001). Die mittleren S100B-Serumkonzentrationen überschritten den Grenzwert für Gesunde nicht signifikant, obgleich einige Messwerte deutlich erhöht waren (0 h p=0,9, 12 h p=0,4, 24 h p=0,28, 36 h p=0,54, 48 h p=0,375).

Abb. 1
figure 1

Serumkonzentrationen von NSE und S100B bei 43 Patienten mit akutem Myokardinfarkt, die nicht mit einem LVAD behandelt wurden (Referenzgruppe) über einen Zeitraum von 48 h nach Aufnahme auf die Intensivstation. a Die Medianwerte der NSE-Serumkonzentrationen liegen zu allen Messzeitpunkten oberhalb des Referenzwertes von 12,5 ng/ml, b während die Medianwerte der S100B-Serumkonzentrationen den Referenzwert von 0,15 µg/l nicht überschreiten

Interventionsgruppe

Von den 80 mit einem LVAD behandelten Patienten überlebten 69 (86%) ohne Folgeschäden und konnten das Krankenhaus verlassen, 11 Patienten (14%) verstarben auf der Intensivstation. Todesursachen waren in 4 Fällen Rhythmusereignisse, in 4 Fällen septisches Multiorganversagen und in 3 Fällen ein kardiogener Schock. Alle Verstorbenen waren wegen eines kardiogenen Schocks mit einem LVAD behandelt worden.

Es wiesen 93,6% aller Serumproben NSE-Konzentrationen oberhalb des Grenzwertes von 12,5 ng/ml auf, bei 44,1% aller Proben fanden wir NSE-Konzentrationen, die den Grenzwert um mehr als das Doppelte überschritten. Der Anstieg der mittleren Serumkonzentration von NSE gegenüber dem Grenzwert von 12,5 ng/ml war über alle 4 Tage signifikant und betrug am 1. Tag 26,83 ng/ml (p<0,001), am 2. Tag 27,02 ng/ml (p<0,001), am 3. Tag 23,93 ng/ml (p<0,001) und am 4. Tag 23,04 ng/ml (p<0,001). Die mittleren S100B-Serumkonzentrationen lagen ebenfalls signifikant oberhalb des Grenzwertes von 0,15 µg/l, am 1. Tag 0,21 µg/l (p=0,006), am 2. Tag 0,22 µg/l (p<0,001) und jeweils 0,23 µg/l am 3. Tag (p=0,002) und am 4. Tag (p=0,023). In 58,6% aller Serumproben fanden wir S100B-Konzentrationen oberhalb des Grenzwertes von 0,15 µg/l und in 21,4% aller Proben S100B-Serumkonzentrationen, die den Grenzwert um mindestens das Doppelte überschritten (Abb. 2 a, b).

Abb. 2
figure 2

Mittlere Serumkonzentration von a NSE und b S100B bei 80 Patienten, die im Rahmen einer PCI mit einem LVAD behandelt wurden. *Signifikante Unterschiede zu den oberen Grenzwerten Gesunder (NSE 12,5 ng/ml und S100B 0,15 µg/l)

Beim Vergleich der NSE- und S100B-Serumkonzentrationen der Referenzgruppe mit Patienten der Interventionsgruppe fanden sich in den ersten 24 h keine signifikanten Unterschiede (Abb. 3 a, b). Erst nach 48 h stiegen die Konzentrationen beider Biomarker im Serum der LVAD-Patienten signifikant an (NSE Tag 1 p=0,28, Tag 2 p<0,001, S100B Tag 1 p=0,2, Tag 2 p<0,001).

Abb. 3
figure 3

Mittlere Serumkonzentrationen von a NSE und b S100B bei 43 Patienten mit akutem Myokardinfarkt, die nicht mit einem LVAD behandelt wurden (Referenzgruppe) im Vergleich mit 80 Patienten, die ein Linksherzunterstützungssystem erhielten (Interventionsgruppe). *Signifikante Unterschiede zwischen den beiden Gruppen

In Tab. 1 sind die Basisdaten der gesamten Interventionsgruppe und zweier Subgruppen, Patienten die wegen einer Hochrisiko-PCI bzw. wegen eines AMI (n=49) mit einem LVAD behandelt wurden im Vergleich zu Patienten mit kardiogenem Schock (n=31), dargestellt. Während die demografischen Daten beider Subgruppen vergleichbar sind, war der SAPS-II-Punktewert bei Patienten mit kardiogenem Schock signifikant höher, und die Behandlungsdauer mit dem LVAD sowie die Verweildauer auf der Intensivstation waren signifikant länger.

Tab. 1 Basisdaten aller 80 Patienten, die mit einem LVAD behandelt wurden. Dargestellt sind neben der gesamten Studiengruppe 2 Subgruppen: Patienten, die wegen einer Hochrisiko-PCI bzw. wegen eines AMI mit einem LVAD behandelt wurden, und Patienten mit kardiogenem Schock

In der Subgruppe der Schockpatienten fanden sich in den ersten 48 h der Behandlung signifikant höhere NSE-Konzentrationen als in der Gruppe der Patienten, die wegen eines AMI ohne Schock oder einer Hochrisiko-PTCA mit einem LVAD behandelt wurden (Tag 1 p=0,003, Tag 2 p<0,001, Tag 3 p=0,85, Tag 4 p=0,93); wohingegen die mittleren S100B-Serumkonzentrationen nur am 1. Tag in der Subgruppe der Schockpatienten signifikant erhöht waren (Tag 1 p<0,001, Tag 2 p=0,05, Tag 3 p=0,53, Tag 4 p=0,08), wie die Abb. 4 a, b zeigt. Insgesamt beobachteten wir im Vergleich beider Subgruppen deutlich häufiger Grenzwertüberschreitungen beider Neuroproteine bei den Schockpatienten (Tab. 1).

Abb. 4
figure 4

Mittlere Serumkonzentrationen von a NSE und b S100B bei Patienten, die während einer Hochrisiko-PCI bzw. bei AMI mit einem LVAD behandelt wurden, im Vergleich zu Patienten, die wegen eines kardiogenen Schocks ein Linksherzunterstützungssystem erhielten. *Signifikante Unterschiede zwischen den beiden Subgruppen

Vergleicht man die Serumkonzentrationen beider Biomarker in der Subgruppe mit Hochrisiko-PTCA mit der Subgruppe mit Herzinfarkt, so waren die NSE-Konzentrationen bei den Herzinfarktpatienten signifikant höher, der Unterschied bezüglich der S100B-Konzentration war nicht signifikant (Tab. 2).

Tab. 2 Mittlere NSE- und S100B-Serumkonzentrationen bei Patienten mit Hochrisiko-PTCA im Vergleich zu Patienten mit AMI während der Therapie mit einem Linksherzunterstützungssystem

In Abb. 5 a, b sind die Serumkonzentrationen von NSE und S100B bei Patienten, die ausschließlich mit einer IABP behandelt wurden (n=69), jenen 11 Patienten gegenübergestellt, die zusätzlich bzw. ausschließlich mit einer turbinengetriebenen Pumpe (AMED, Impella, ECMO) unterstützt wurden. Die NSE-Konzentrationen waren in der letztgenannten Gruppe an den Tagen 1 und 2 signifikant höher (Tag 1 p=0,023, Tag 2 p=0,05, Tag 3 p=0,093). Die Unterschiede der Serumkonzentrationen von S100B erreichten nicht das Signifikanzniveau (Tag 1 p=0,73, Tag 2 p=0,25, Tag 3 p=0,45).

Abb. 5
figure 5

Vergleich der mittleren Serumkonzentrationen von a NSE und b S100B bei Patienten, die ausschließlich mit einer IABP bzw. zusätzlich mit einer turbinengetriebenen Pumpe (Impella, AMED, ECMO) behandelt wurden. *Signifikante Unterschiede zwischen den Subgruppen

Unter der Therapie mit dem LVAD beobachteten wir einen signifikanten Abfall der Thrombozytenzahl von im Mittel 32% (1. Tag 219 Gpt/l, 4. Tag 149 Gpt/l, p=0,021) und der Hämoglobinkonzentration von im Mittel 10% (1. Tag 7,85 mmol/l, 4. Tag 7,09 mmol/l, p=0,021) in der gesamten Interventionsgruppe (Abb. 6 a, b). In der Subgruppe der Schockpatienten fanden wir einen signifikanten Abfall der Hb-Konzentration (1. Tag 7,72 mmol/l, 4. Tag 6,92 mmol/l, p=0,018), und in der Subgruppe mit Hochrisiko-PTCA kam es unter der LVAD-Therapie zu einem signifikanten Abfall der Thrombozyten (1. Tag 230 Gpt/l, 4. Tag 182 Gpt/l, p=0,039).

Abb. 6
figure 6

a Mittlere Thrombozytenzahl und b mittlere Hämoglobinkonzentration bei Patienten mit LVAD. Dargestellt ist der Verlauf über 4 Tage für alle Studienpatienten sowie für die Subgruppe der Patienten, die ein LVAD wegen einer Hochrisiko-PTCA bzw. wegen eines AMI erhielten, und die Subgruppe der Patienten mit kardiogenem Schock. Signifikante Unterschiede zwischen Tag 4 und Tag 1 sind mit * gekennzeichnet. Die Angabe der Daten erfolgt als Mittelwert ± Standardabweichung des Mittelwertes

Diskussion

Mit der vorliegenden Fallkontrollstudie untersuchten wir den Einfluss von temporären Linksherzunterstützungssystemen auf die Serumkonzentration der beiden Biomarker NSE und S100B bei nicht reanimierten Patienten, bei denen im Rahmen einer Koronarangiographie ein solches System implantiert wurde. Aufgrund des Vorkommens von NSE in peripheren Blutzellen und der Tatsache, dass temporäre LVAD wie die IABP und v. a. turbinengetriebene Pumpensysteme, eine Zerstörung von Blutzellen verursachen können, erwarteten wir einen Anstieg der Serumkonzentration von NSE, nicht aber von S100B.

Wir konnten bei unseren Patienten über den gesamten Beobachtungszeitraum hinweg eine im Vergleich zu den Grenzwerten Gesunder signifikante Erhöhung der Serumkonzentrationen beider Neuroproteine nachweisen. Dabei fanden wir zahlreiche, zum Teil sehr hohe Konzentrationen insbesondere von NSE aber auch von S100B, welche die in der Literatur publizierten Grenzwerte zur Differenzierung der zerebralen Prognose komatöser Patienten nach Reanimation erheblich überschritten [1, 2, 3, 4, 5, 6, 7]. Obgleich wir mit einem moderaten Anstieg der NSE-Serumkonzentrationen unter der Behandlung mit einem LVAD rechneten, war das Ausmaß des Anstieges der Serumkonzentrationen beider Neuroproteine unerwartet.

Es ist seit Längerem bekannt, dass die αγ- und γγ-Enolase (NSE) in hohen Konzentrationen im Zentralnervensystem und in geringeren Konzentrationen auch in allen peripheren Blutzellen vorkommen. Pahlmann et al. [8, 9] zeigten, dass schon eine geringe Hämolyse zu einem Anstieg der NSE-Serumkonzentration führte. In unserer Untersuchung fanden wir einen signifikanten Abfall der Thrombozyten- und der Hb-Konzentration im Vergleich zu den Ausgangswerten am 1. Tag. Wir bewerten dies als Ausdruck der mechanischen Alteration von Blutzellen durch die verschiedenen LVAD, da schwere Blutungskomplikationen bei keinem der Patienten beschrieben wurden. Daraus erklärt sich zumindest teilweise der Anstieg der NSE-Serumkonzentration während der Behandlung mit dem LVAD und darüber hinaus der bei turbinengetriebenen Systemen signifikant höhere Anstieg der NSE-Serumkonzentrationen im Vergleich zu den Patienten, die ausschließlich mit einer IABP behandelt wurden.

Allerdings ist damit nicht der signifikante Anstieg der S100B-Serumkonzentrationen erklärbar. In einem In-vitro-Versuch konnten Beaudeux et al. [17] zeigen, dass die NSE-Serumkonzentration proportional zum Ausmaß der Hämolyse, gemessen mittels freiem Hämoglobin, anstieg, während die S100B-Konzentration sich nicht veränderte [17]. In weiteren Untersuchungen anderer Autoren war in den Zellen des peripheren Blutes kein S100B gefunden worden [15, 16]. Damit scheidet die Hämolyse als Ursache des Anstieges der S100B-Konzentration aus unserer Sicht aus. Da das verwendete immunluminometrische Assay hochspezifisch für den Nachweis der S-100B-Monomere ist, kann der Serumanstieg von S-100 in unserer Untersuchung auch nicht durch die Freisetzung anderer S100-Untereinheiten erklärt werden [24].

Der zerebrale Biomarker S100B ist ein sehr sensitiver Marker für kleinste zerebrale Läsionen

In der Literatur wird der zerebrale Biomarker S100B als ein sehr sensitiver Marker auch für kleinste zerebrale Läsionen beschrieben. So fanden Ingebrigsten und Romner [25, 26, 27] bei Patienten mit leichtem Schädel-Hirn-Trauma häufiger und früher einen Anstieg der S100B-Serumkonzentration als pathologische Veränderungen in der zerebralen Computertomographie.

Unsere Studienpatienten wurden täglich einer klinischen Untersuchung mit besonderer Berücksichtigung des neurologischen Status unterzogen. Bei keinem unserer Patienten wurden neurologische Ausfälle beobachtet, wobei die beatmeten Schockpatienten nur eingeschränkt beurteilt werden konnten.

Hahnel et al. [28] berichteten nach angiographischer Untersuchung zerebraler Arterien bei 20% ihrer Patienten über neu aufgetretene und im MRT sichtbare zerebrale embolische Herde. Omran et al. [29] und Busing et al. [30] berichteten ebenfalls über embolische Hirninfarkte nach Herzkatheteruntersuchung, die bei 15–22% der untersuchten Patienten im zerebralen MRT nachweisbar waren, ohne jegliche klinische Symptomatik. Besonders betroffen waren Patienten mit langer Untersuchungsdauer und mit Passage der Aortenklappe. Im Gegensatz dazu fanden Hamon et al. [31] in einer Untersuchung an 46 Patienten mit Koronarangiographie lediglich bei einem Patienten frische Hirnembolien im MRT. Bei einem Teil der Patienten, die während der Koronarangiographie mit transkranieller Dopplersonographie untersucht wurden, konnten jedoch Mikroembolien im Ultraschall nachgewiesen werden.

Obgleich die Schlussfolgerung mit unseren Daten nicht beweisbar ist, halten wir es aufgrund der oben angeführten Literatur für sehr wahrscheinlich, dass der signifikante Anstieg der NSE und S100B-Serumkonzentrationen in unserer Studie zumindest teilweise aus klinisch unbemerkten zerebralen Mikroembolien resultiert. Eine zerebrale Bildgebung durch ein MRT, die diese Vermutung hätte bestätigen können, war in unserem Untersuchungsprotokoll jedoch nicht vorgesehen.

In der Gruppe der Patienten mit kardiogenem Schock beobachteten wir einen nichtsignifikanten Trend zu höheren NSE- und S100B-Serumkonzentration. Eine mögliche Ursache dafür könnte die signifikant längere Therapiedauer mit den LVAD in dieser Subgruppe sein. Aufgrund der Tatsache, dass S100B in der Gefäßwand der Aorta nachgewiesen wurde, ist es vorstellbar, dass durch die mechanische Alteration der Aorta durch die LVAD messbare Mengen an S100B freigesetzt wurden. Der höhere SAPS-II-Punktewert, die signifikant längere Behandlungsdauer mit dem LVAD und die längere Verweildauer auf der Intensivstation werten wir als Ausdruck des höheren Krankheitsschweregrades der Schockpatienten. Alle 11 Verstorbenen aus der Interventionsgruppe gehörten zu dieser Patientengruppe. Es ist möglich, dass kritische Blutdruckabfälle im Rahmen des kardiogenen Schocks bei einem Teil dieser Patienten zu einer globalen zerebralen Hypoxie mit konsekutiven Neuronenuntergängen geführt und damit zu einem Anstieg der Serumkonzentration beider Neuroproteine beigetragen haben. Demgegenüber stehen allerdings Untersuchungsergebnisse von Jordan et al. [32], die in einer Untersuchung an Patienten mit Schlafapnoesyndrom trotz schwerer, rezidivierender nächtlicher Hypoxämien keinen Anstieg von NSE und S100B im Serum beobachteten.

NSE und S100B werden möglicherweise doch aus ischämischem Herzmuskelgewebe freigesetzt

Bei den Patienten, die ein LVAD wegen einer Hochrisiko-PTCA oder eines ausgedehnten Myokardinfarktes erhielten, beobachteten wir bei den Patienten mit akutem Herzinfarkt signifikant höhere Serumkonzentrationen beider Neuroproteine als bei den Patienten mit elektiver Hochrisiko-PTCA. Das legt aus unserer Sicht die Vermutung nahe, dass NSE und S100B doch aus ischämischem Herzmuskelgewebe freigesetzt werden. Die unerwartet hohen Serumkonzentrationen insbesondere von NSE, aber auch von S100B in unserer Referenzgruppe stützen diese Theorie. Dem widersprechen allerdings Untersuchungsergebnisse von Kiewitz, der zwar einen raschen Anstieg von S100A bei Herzinfarktpatienten fand, einen Anstieg von S100B aber nicht beschrieb [31]. Auch andere Autoren fanden in ihren Untersuchungen kein S100B in Myokardzellen, lediglich Spuren von NSE im Reizleitungssystem und mRNA für S100B [15, 16].

Bei Implantationen von automatischen internen Defibrillatoren fanden Dworschak et al. [34] einen Anstieg von NSE und S100B, der mit der Häufigkeit notwendiger Schockabgaben zur Therapie von Kammerflimmern während der Implantation korrelierte. Bei der Implantation von Herzschrittmachern beobachtete die gleiche Autorengruppe keinen Anstieg von NSE und S100B im Serum der Patienten. Es bleibt weiteren Untersuchungen vorbehalten, ob tatsächlich NSE und S100B aus ischämischen Myokardzellen freigesetzt werden.

Obgleich es weitere Mechanismen der Freisetzung von S100B, die aus dem Verteilungsmuster in den verschiedenen Geweben resultieren, geben kann, sind diese aus unserer Sicht für die dargestellte Patientengruppe von nachrangiger Bedeutung.

Fazit für die Praxis

Der Einsatz von temporären Linksherzunterstützungssystemen kann zu einer signifikanten Freisetzung der zerebralen Biomarker NSE und S100B führen, insbesondere bei kardiogenen Schockpatienten und bei Patienten mit akutem Herzinfarkt. Als Ursachen kommen eine Zerstörung peripherer Blutzellen durch die Linksherzunterstützungssysteme, klinisch nicht in Erscheinung tretende zerebrale Mikroembolien, verursacht gleichfalls durch diese Systeme oder durch die PTCA selbst, sowie eine Freisetzung von NSE und S100B aus ischämischen Myokardzellen infrage.

Bei komatösen Überlebenden einer Reanimation, die im Rahmen der Primärversorgung eine Koronarangiographie mit PTCA erhalten oder ein LVAD wegen eines persistierenden kardiogenen Schocks, muss mit einem Anstieg der Serumkonzentration der prognostisch genutzten Neuroproteine NSE und S100B gerechnet werden, unabhängig von dem durch den Kreislaufstillstand verursachten zerebralen Schaden. Daraus kann eine Überschätzung des Ausmaßes der hypoxisch bedingten Hirnschädigung durch den Kreislaufstillstand und eine Fehleinschätzung der zerebralen Prognose resultieren. Die Autoren empfehlen, bei diesen Patienten die Einschätzung der zerebralen Prognose zwingend durch weitere etablierte Verfahren, wie z. B. die Ableitung der somatosensorisch evozierten Medianuspotenziale und frühzeitige Sedierungspausen, zur klinisch-neurologischen Beurteilung des Patienten, zu ergänzen.