Multikulturelle klinische Abteilungen in den sich schnell entwickelnden Ländern des Mittleren Ostens mit staatlichen Gesundheitssystemen haben vielfache Strukturprobleme und unklare Prozessabläufe, die eine verminderte Produktivität bedingen. Ob eine Qualitätsverbesserung und Effizienzsteigerung durch die Einführung eines Qualitätsmanagementsystems (QMS) in einer universitären ophthalmologischen Abteilung in sich entwickelnden Ländern erreicht werden kann, ist bisher nicht geprüft worden. Dies gilt auch für die Länder des Mittleren Ostens, in denen nur vereinzelt in privaten Institutionen Qualitätsmanagementsysteme eingeführt wurden (Beispiel: King Khaled Eye Specialist Hospital in Riyadh, Saudi Arabien, durch die amerikanische Joint Commission Accreditation International). Besonders die Zeit bis zur Erreichung einer Leistungssteigerung in außereuropäischen Hospitälern wird kontrovers diskutiert [6], und über die Schwierigkeiten durch traditionell begründete und kulturell-ethnische Gegebenheiten in den meist autokratischen staatlichen Systemen ist bisher nicht berichtet worden [1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9, 10, 11, 12, 13, 14, 15, 16, 17, 18, 19, 20, 21, 22, 23, 24, 25, 26]. Daher haben wir im vorliegenden Pilotprojekt geprüft,

  • ob die Einführung eines Qualitätsmanagementsystems in der Augenklinik mit Poliklinik der Sultan-Qaboos-Universität in Muscat, Oman, möglich ist und akzeptiert wird,

  • wie die Einführung des QMS praktisch gehandhabt werden kann und

  • ob das QMS tatsächlich zur kontinuierlichen Qualitätsverbesserung und Effizienzsteigerung geführt hat [6, 8, 10, 11, 19].

Effizienz bedeutet hier bei gleichbleibenden Ressourcen Steigerung der Produktivität, d. h. definierter Leistungen wie Untersuchungen, Operationen, Lehrveranstaltungen, Forschungsprojekte.

Material und Methoden

Die methodische Einführung des QMS erfolgte in 5 Schritten ab 2001 bis zur Zertifizierung nach ISO 9001:2000 im September 2002 und wurde dann bis zur Eingliederung in das QMS des Gesamtklinikums 2005 eigenständig weitergeführt. Das QMS nach ISO 9001:2000 wurde gewählt, weil es besonders die Abläufe und Ablaufverbesserungen berücksichtigt.

Schritt 1: Betriebsanalyse („gap analysis“)

Als Grundlage für die Konzeption des Qualitätsmanagementsystems nach DIN EN ISO 9001:2000 haben wir eine Analyse des gesamten Klinikbetriebs („gap analysis“) erstellt, die den Status quo der einzelnen Bereiche der Augenabteilung primär hinsichtlich der Prozessabläufe und der Dokumentation definiert [20].

Schritt 2: Gesamtleistungserfassung und -kontrolle

Dokumente

Als nächster Schritt wurden zur Gewinnung verlässlicher, d. h. überprüfbarer und transparenter Gesamtleistungsdaten der Abteilung 183 standardisierte klinische, chirurgische und Formblätter zum Ankreuzen entwickelt, die nun in eine elektronische Form überführt worden sind. Sie dienen der standardisierten Dokumentation von Diagnosen, Befunden, Behandlungen und postoperativen Verläufen (z. B. Operationsdokumentation, Anforderung von Untersuchungen etc.).

Register

Hinzu kommen 453 Register, die alle relevanten Vorgänge, Dokumente und Korrespondenzen strukturieren und sortieren, z. B.

  • Patienten: Erfassung von Patienten mit Infektionen, Glaukomen, Diabetikes, Trachom, Makuladegeneration, Uveitis, Trauma;

  • Instrumente: Buchführung über regelmäßige Wartungen und Instandsetzungen mit Serviceplaketten und (Verbrauchs)materialerfassung;

  • bildgebende Verfahren: Erfassung und Speicherung von Angiographien, Photos, Gesichtsfeldern, Topographien etc.;

  • Lehre: Studentenerfassung, Logbücher für Studenten und Assistenten, Examensdokumentation;

  • Forschung: Erfassung der laufenden oder geplanten Projekte mit Umfang, Zeitplan, Finanzierung, Mitarbeitern;

  • Verwaltung: Registrierung der ein- und ausgehenden Korrespondenz, Terminverwaltung, Organisation der nationalen und internationalen Fortbildungen.

Kontrolldokumente und mandatorische Dokumente

Um die Anforderungen mit der Realität (vgl. Leistungsparameter) zu vergleichen, eine korrekte Handhabung des QMS zu gewährleisten und sowohl korrektive als auch präventive Handlungen einzuleiten, haben wir zum Konformitätsnachweis nachgeordnete zwingende Dokumente entworfen, die z. B. zu Ergebnissen der Prozessverifizierung und -validierung (Erhebungsbögen), zu Ergebnissen der regelmäßigen Instrumentenkalibrierung, zu Mitarbeiterkompetenz, aber auch zu verlorengegangenem und beschädigtem Eigentum von Patienten, angelegt werden.

Um die regelrechte Planung und Durchführung der Managementstrukturen sicherzustellen, wurden 35 Kontrolldokumente erstellt, wie beispielsweise „document distribution matrix“, „non-conformity reports“ (Abb. 1) etc., anhand derer ein Auditing möglich wird.

Abb. 1
figure 1

Kontrolldokument (Beispiel: Non-conformity-Formular für die Operationsdokumentation)

Schritt 3: Struktur- und Prozessstandardisierung

Prozesse in der Augenklinik, wie etwa Patientenbehandlungen, müssen nach allgemein anerkannten aktuellen Leitlinien („evidence-based medicine“[EBM], preferred practice patterns) standardisiert werden, damit die Möglichkeit besteht, diese nachzuvollziehen und zu überprüfen. Hierfür haben wir Arbeitsanweisungen mit Flowcharts zur Verdeutlichung (Beispiel: Ein Patient soll operiert werden. Welche Schritte sind von der Aufnahme über Operation bis zur Entlassung erforderlich?) entworfen.

Arbeitsanweisungshandbuch

Das Arbeitsanweisungshandbuch haben wir im Sinne eines „Kitteltaschenbuches“ gestaltet und detaillierte Verfahrensanweisungen zu den täglichen Organisations- und Arbeitsabläufen, in denen die entworfenen Dokumente und Register angewendet werden, zunächst in den folgenden Bereichen gegeben:

  • Patientenversorgung (standardisierte Diagnostik und Therapie der wichtigsten Krankheiten nach EBM, stationäre Betreuung);

  • Mitarbeiterorganisation (Stellenbeschreibungen, Arbeitszeiten, Erreichbarkeiten, Urlaubsregelung, Organigramme, Zuständigkeiten);

  • Lehre (standardisierte Lehre/Fortbildung für Studenten, Assistenten, Schwestern, andere Mitarbeiter und zuweisender Ärzte durch Curriculumerstellung);

  • Forschung und wissenschaftliche Arbeit (Richtlinien zur Erstellung wissenschaftlicher Arbeiten: Allgemeine Hinweise, verschiedene Formen wissenschaftlicher Artikel, grundlegende Konzeption und Durchführung unterschiedlicher klinischer Studien, spezielle Hinweise zur Manuskripterstellung);

  • Verwaltung (Richtlinien zu Korrespondenz, Brieferstellung).

Qualitätsmanagementsystem-Handbuch

Das Qualitätsmanagementsystem-Handbuch definiert den Geltungsbereich des QMS in der Klinik mit den verschiedenen Abteilungen (ambulanter/diagnostischer, pädiatrischer, stationärer, poststationärer und operativer Bereich, Lehre, Forschung, internationale Ophthalmologie) und benennt die Qualitätspolitik und -ziele. Darüber hinaus sind im QMS-Handbuch die für das QMS erstellten Dokumente und Wechselwirkungen der Qualitätsmanagementprozesse sowie die Prinzipien der Prozess- und Produktüberwachung und -verbesserung beschrieben. Organigramme, zur schnellen Übersicht häufig in Form von Flowcharts dargestellt, geben Auskunft über die hierarchischen Strukturen, Verantwortlichkeiten und Zuständigkeiten der Abteilungsmitarbeiter und Einheiten („responsibility clusters“). Stellenbeschreibungen legen für die einzelnen Bereiche Anforderungen und Kompetenzen der Mitarbeiter fest, und Dienst- und Verteilungspläne kontrollieren die tages-, wochen- und monatliche Aufgabenverteilung.

Verfahrenshandbuch

Das Verfahrenshandbuch enthält Regelungen der Verfahren des QMS und der Dokumente, die Informationen über das QMS bereitstellen. Hierzu gehören die Handhabung von Qualitätsaufzeichnungen, der Umgang mit Registern, die Durchführung von Audits (intern/extern) sowie von präventiven und korrigierenden Maßnahmen.

Schritt 4: ISO-Mitarbeiterschulung und interne Audits

Alle Mitarbeiter der Augenklinik (Ärzte, Pflegepersonal, Ophthalmotechniker und Verwaltungspersonal) haben an 14 Kursmodulen mit Schulungen und Seminaren zu Inhalt und Bedeutung von Qualitätsmanagementsystemen im Allgemeinen, dem ISO-System im Besonderen, der Implementierung und Aufrechterhaltung aller einzelnen Bestandteile des QMS und die Durchführung interner Audits teilgenommen. Dazu gehörten auch die 3 internen Audits, die sowohl der Überwachung der Implementierung der erstellten Dokumentation und der ordnungsgemäßen Abläufe des Abteilungsalltags als auch dem Training der Mitarbeiter dienten.

Schritt 5: Mess- und Überwachungsinstrumente für die Qualitätssicherung

Um die Möglichkeit zur Durchsetzung einer kontinuierlichen Qualitätssteigerung und Leistungsverbesserung zu bekommen, haben wir zusätzliche Instrumente zur Messung, Überwachung und Analyse von Daten und Abläufen des QMS in Form von Fragebögen, internen Audits und Bewertungs- („Management-review-“)Sitzungen entwickelt und eine Liste von Leistungsindikatoren für die jeweiligen Bereiche erstellt.

Fragebögen

Als ein wesentliches Mess- und Überwachungsinstrument haben wir 2 Fragebögen mit Indikatoren für die Einschätzung der Zufriedenheit von Patienten und Studenten entwickelt, die täglich bei den Patienten in der Poliklinik und auf Station verteilt und 3-monatlich ausgewertet bzw. einmal pro Semestergruppe verteilt und ausgewertet werden (z. B. Fragen an Patienten nach Wartezeiten, Zufriedenheit bzgl. ärztlicher Behandlung und Erklärung und pflegerischer Betreuung, Fragen an Studenten nach Art, Anzahl und Terminierung der Seminare, Umfang, Darbietung und Verständlichkeit des Unterrichtsstoffes). Dadurch können Verbesserungen der Dienstleistung für den Patienten (Ergebnis: Wartezeitverkürzungen) oder die Studenten (Ergebnis: Modulvorlesungen, integrierte Vorlesungen, e-learning) direkt umgesetzt werden.

Mitarbeitergespräche

Einmal jährlich findet ein bewertendes standardisiertes Mitarbeitergespräch mit Einstufung der individuellen Leistung anhand von 35 subjektiv und objektiv anzugebenden Indikatoren statt, womit das Fachwissen, Fertigkeiten und Verhalten beurteilt werden und Schwächen und die Notwendigkeit möglicher Aktionen zur Verbesserung (Weiterbildungen) dokumentiert sind.

Interne Audits

Die vierteljährlich abgehaltenen internen Audits in 9 verschiedenen Bereichen (Stationen, Poliklinik, Geräte, Lehre, Forschung, internationale Ophthalmologie, Hauptoperationsbereich, ambulanter Operationsbereich, Dokumentation) mit anschließenden Management-review-Sitzungen dienen der Systemüberwachung und kontinuierlichen Qualitätsverbesserung.

Leistungsindikatoren

Zur Leistungsevaluierung der Klinik nach innen und für das Benchmarking nach außen haben wir eine Liste von Leistungsindikatoren erstellt, die regelmäßig aktualisiert und überprüft wird. Hierzu gehören:

  • Anzahl und Art der Patientenbehandlungen und Operationen,

  • stationäre Belegung und Verweildauer,

  • Geräteausstattung,

  • Häufigkeit unvorhergesehener Urlaubsverlängerungen und Krankheitsabwesenheiten,

  • Anzahl veranstalteter nationaler und internationaler Fortbildungen und Vorträge auf Kongressen,

  • Anzahl der Postgraduiertenausbildungen, Gastärzte und Besucher,

  • Anzahl der Forschungsprojekte und Veröffentlichungen,

  • Anzahl der telemedizinischen Veranstaltungen.

Statistik

Die Daten der Poliklinik, Operationen, Forschungs- und Lehraktivitäten haben wir mit einer Trendanalyse unter Zuhilfenahme von Regressionskurven, und die Daten zu Belegung und Verweildauer mit einer Varianzanalyse (ANOVA) ausgewertet.

Ergebnisse

Allgemein

Das wichtigste Ergebnis dieses Pilotprojekts ist die durch die ISO-9001:2000-Zertifizierung durch TÜV Nord im September 2002 bestätigte Möglichkeit, dass sich ein Qualitätsmanagementsystem auch unter den schwierigen heterogenen Bedingungen und mit den nicht vorhersagbaren Ereignissen des Mittleren Ostens in multikulturellen Augenabteilungen implementieren und über 3 Jahre erfolgreich fortführen lässt. Die Implementierung ist Voraussetzung für weitere Studien zur Evaluierung des Systems. Anfängliche Skepsis gegenüber dem „deutschen Kontroll- und Überwachungssystem“ im britischen System konnte ausgeräumt und die Mitarbeiter motiviert werden, das QMS zu akzeptieren und dann auch mitzutragen und fortzuführen. Diese Motivation resultierte aus der Prozessablauforientierung der ISO-Norm, die in der personal- und ressourcenknappen Abteilung im Wesentlichen zu einer schnellen Prozessoptimierung und dadurch sichtbar besseren Arbeitsverteilung und Qualitätsverbesserung des Service in allen Aspekten, letztlich dann zu einer messbaren Effizienzsteigerung führte. Die Nachbeobachtung des von uns beschriebenen QMS über 3 Jahre ergibt, dass die Führungs- und Kontrollmittel des QMS nach ISO auch im Mittleren Osten geeignet sind, um eine signifikante Effizienzsteigerung und Qualitätsverbesserung zu erreichen.

Betriebsanalyse („gap analysis“)

Unter Berücksichtigung der Besonderheiten regionaler und kulturell-ethnischer Umstände zeigen wir anhand von Auszügen aus der Betriebsanalyse und Gegenüberstellung der Situation nach Einführung des zertifizierten QMS, welche qualitativen Veränderungen und Einflüsse auf die Effizienz mit der Einführung des QMS erreicht werden können. Bei der Betriebsanalyse wurden die Verbesserungsmöglichkeiten in

  • Diagnostik und Chirurgie mit den bestehenden Personal- und Sachmitteln,

  • Umgang mit den Patienten, Studenten und Mitarbeitern,

  • Management der Mitarbeiter, der Materialausstattung und -beschaffung,

  • Aus- und Weiterbildung,

  • Forschung mit speziellen Zielbereichen wie Ophthalmopathologie, Hornhautbank, Diabetes-, Glaukom- und Low-vision-Screening, internationale Augenheilkunde und Telemedizin

festgelegt.

Ergebnisse vor Implementierung des QMS

Arbeitsanweisungen und standardisierte Prozessabläufe mit standardisierten Formularen, Dokumenten, Registern und Organigrammen existierten nicht (Strukturlevel 1 nach ISO 9000:2001).

Arbeitsanweisungen und standardisierte Prozessabläufe

Fehlende Arbeitsvorschriften und standardisierte Prozessabläufe und Untersuchungen (wie z. B. bei der im Mittleren Osten besonders wichtigen Glaukom- und Diabetesdiagnostik) führte durch den heterogenen Ausbildungshintergrund und -stand der aus 9 verschiedenen Ländern stammenden Ärzte und Schwestern zu unkontrolliertem und nichtstandardisiertem Arbeiten mit lückenhafter Patientendiagnostik und suboptimaler -behandlung. So wurde der Visus als „Fingerzählen in 1, 3 und 6 m“ oder mit „pinhole“ anstelle von subjektiver und objektiver Refraktion definiert mit der Folge von Fehldiagnosen und -indikationen. Die Tonometrie berücksichtigte nicht die Hornhautdicke, was in falschen Glaukomdiagnosen resultierte. Bei Kataraktextraktionen wurde der A-Konstante in der Biometrie keine Bedeutung zugemessen mit der Folge postoperativer Fehlrefraktionen. Die Diagnosen wurden nicht ICD-9- und die Operationen nicht nach ICPM-OPS-301-Kapitel-H5 kodiert. Exzidierte Präparate wurden nicht aufgearbeitet, sondern als Abfall behandelt. Die Arbeitsmotivation, gemessen an telefonischen Verlängerung von Urlauben, unangesagten Abwesenheiten, fehlenden Visiten, Ablehnung von Notfallpatienten und „Verschiebung“ in andere Krankenhäuser, krankheitsbedingten Abwesenheiten, No-shows bei studentischen Lehrveranstaltungen, und die Loyalität gegenüber Patienten, die nicht dem eigenen Stamm angehören (verspätete Ankunft, Verlassen des Arbeitsplatzes bei wartenden Patienten ohne Wiederkehr am gleichen Tag), war niedrig.

Formulare und Dokumente

Fehlende standardisierte Formulare und Dokumente resultierten in fehlerhaften, unvollständigen und nur geschätzten Datenerhebungen zur Gesamtleistungserfassung. So erfolgte die Datenerhebung für einige Leistungsparameter durch „Überschlagen“ der wahrscheinlich behandelten Patienten (nicht: Augen!). Zudem wurde die berufliche Qualifikation der Mitarbeiter/Kompetenzen bei Stellenbesetzungen nicht durch Originaldokumente hinterfragt, sodass Ärzte per Anweisung eingestellt wurden, die für Augenheilkunde nicht spezialisiert waren. Formulare zur Erhebung von Weiterbildungsnotwendigkeiten und eine Dokumentation von Weiterbildungen waren nicht vorhanden.

Register

Fehlende Register ließen eine Patientenerfassung, Gerätewartung oder Nachschubplanung bei Verbrauchsmaterial nicht zu, was im letzteren Fall zu randomisierter Implantation von Intraokularlinsen und einer jeweils mehrwöchigen Schließung der Erwachsenenstation pro Jahr führte. Medikamente, speziell Glaukompräparate, wurden an Patienten entweder unkontrolliert ohne Untersuchung abgegeben, oder viele Medikamente waren nicht vorhanden oder verfallen.

Organigramme

Die Verantwortlichkeiten mit Kontrollorganen (Organigramme) waren nicht geregelt, sodass es zu unvorhersagbaren längeren oder vollständigen Abwesenheiten von Mitarbeitern während der Patientenbehandlung und Dienstzeiten kam und am Wochenende die stationären Patienten nicht betreut wurden. Die fehlenden Organigramme sorgten besonders während des Ramadan für fehlende Ersatzpersonen bei Ausfall von Mitarbeitern, wodurch Lehre und Krankenversorgung kompromittiert wurden. Personelle Zuständigkeiten für Geräte waren nicht definiert und daher wurden defekte Geräte defekt belassen und neu gelieferte defekte Instrumente (z. B. Videoangiographie mit defekter Linse und Fehler in Speichersoftware) nicht reklamiert.

Praktische Ergebnisse nach Implementierung des QMS

Arbeitsanweisungen

Die Arbeitsanweisungen wurden an die Bedingungen Omans mit seinem wechselnden unvorhersagbaren Medikamentenangebot, traditionellen Rechtssystem und Besonderheiten der Patientenforderungen an den Augenarzt angepasst. Sie bildeten damit eine einheitliche Grundlage für Diagnostik und Therapie. Die Messung der Konformität der in den Arbeitsanweisungen vorgegebenen Diagnostik- und Therapierichtlinien erfolgte während der täglichen Kurvenvisite des zuständigen Oberarztes.

Standardisierte Prozessabläufe

Die standardisierten Prozessabläufe, die anhand der Arbeitsanweisungen und mit standardisierten Formularen und Dokumenten erfolgen, regulieren die Patientenversorgung, Lehre und Forschung, Verwaltung und Beschaffung. So wurden von 2000 auf 2004 die

  • Wartezeiten im ambulanten Bereich verkürzt (von 90 auf 25 min),

  • Wartezeiten im präoperativen Bereich verkürzt (von 6 Monaten auf 6 Wochen),

  • Belegungsraten erhöht (von 58 auf 94%),

  • Verweildauern verkürzt (von durchschnittlich 14,5 auf 6,65 Tage) und

  • die Zahl der Publikationen von 7 auf 15/Jahr erhöht.

Eine standardisierte Visustestung objektiv und subjektiv mit internationalem 5-m-System wurde Januar 2002 ein- und die Pinhole-Visustestung ausgeführt. Untersuchungsbefunde wurden 2001 in standardisierten Bögen dokumentiert, die Diagnosen nach ICD-9 und die Operationen nach ICPM kodiert. Tonometer mit integrierter Pachymetrie zur korrekten Druckmessung wurden erworben, und die Berechnung der Intraokularlinsen bezog die A-Konstanten der vorhandenen Linsen mit ein, sodass keine Fehlrefraktionen von >3 Dioptrien mehr auftraten. Liefer- oder Herstellerfirmen von Instrumenten stellten Techniker für Einführung und Training der Mitarbeiter, alle Geräte wurden gewartet und geeicht und mit Wartungsplan versehen. Durch die Strukturierung der Abläufe im Sekretariat (Posteingang, -ausgang) gab es ab 2003 keine verlorene Korrespondenz mehr, und ab 2003 trat kein Beschaffungsengpass durch das Monitoring der Shelf- und Stocklevels auf (non-conformities 2003:0, 2004:0). Obwohl mit den standardisierten Prozessen die ungeplanten Abwesenheiten und no-shows bei Lehrveranstaltungen zwischenzeitlich auf Null gesenkt werden konnten, ist der Einsatz für Belange der Gemeinschaft und für Patienten, die nicht der eigenen Familie angehören, limitiert. Jedes exzidierte Gewebe ist seit Februar 2002 ophthalmopathologisch aufgearbeitet und in monatlichen Visiten interdisziplinär besprochen worden (non-conformities 2001: keine Angaben wegen fehlender Einsendungen, 2002:1, 2003:0, 2004:0).

Formulare und Dokumente

Der Einsatz standardisierter Formulare und Dokumente hat transparente, vollständige und definitive Daten aller Prozesse ergeben, sodass die Trends der Veränderungen der Leistungsparameter zu jedem gewünschtem Stichtag abrufbar sind. Die Daten werden pro Auge und nicht pro Patient erfasst, sodass damit klinische Forschung überhaupt erst möglich geworden ist. Die beruflichen Qualifikationen sind festgestellt und entsprechend der jeweiligen Notwendigkeit sind 2002 fünf, 2003 zwölf und 2004 fünfzehn Weiterbildungen und Trainingskurse abgehalten und dadurch das Wissensniveau der betroffenen Mitarbeiter angeglichen worden.

Register

Die in Registern erfassten Patienten mit Erkrankungen von besonderer Bedeutung für Oman (z. B. Diabetes, Glaukome, retinale Dystrophien, Frühgeborenenretinopathie, alterskorrelierte Makulopathien, Trachome) sind ab 2002 regelmäßig nachuntersucht, die erfassten Geräte gewartet, kalibriert und mit Wartungsplaketten versorgt und (Verbrauchs)mittel rechtzeitig im September für das Folgejahr nachgeordert worden. Daher kamen keine Stationsschließungen wegen Geräteversagen oder Nachschubengpässen und keine Implantation falsch refraktionierender Intraokularlinsen mehr vor. Jeder Patient wird seit 2001 vor einer Medikamentenverschreibung auch vom Arzt gesehen, und die Poliklinikapotheke ist kontrolliert ausgestattet worden, was zu einer qualitativen Verbesserung der Patientenversorgung geführt hat.

Organigramme

Tages-, Wochen- und Monatspläne regeln die Verantwortung, Zuständigkeiten, Kontroll- und Ersatzpersonen gemäß dem Ausbildungsstand der Mitarbeiter und werden in einem morgendlichen Meeting besprochen. Dadurch haben sich der Arbeitsfluss, die Anwesenheit der Mitarbeiter und die kontinuierliche Patientenversorgung seit Januar 2002 signifikant verbessert, was aus dem Fehlen negativer Bemerkungen in den ausliegenden Fragebögen zur Patienten- und Studentenzufriedenheit sowie den registrierten Reparaturanforderungen ersehen wurde. Trotzdem konnte wegen des Personalmangels in der wachsenden Abteilung keine ausreichende klinische Kontrolle durch Oberärzte in der Poliklinik durchgeführt werden. Die personelle Zuständigkeit für einzelne Geräte erbrachte eine signifikante Verbesserung der Verlässlichkeit, sodass im Hauptoperationsbereich nach 8 Reparaturanforderungen 2002 und 3 im Jahr 2003, 2004 keine mehr für die Phakomaschinen ausgestellt werden musste.

Effizienz

Die Produktivität hinsichtlich definierter Leistungen bei gleichbleibenden Ressourcen in der Abteilung konnte direkt nach der Einführung des QMS signifikant auf allen Gebieten der Gesamtleistungserfassung erhöht werden. Die besonderen Schwierigkeiten, einen über längere Zeit persistierenden Aufschwung zu erreichen, liegen in dem interferierenden Umfeld, das jederzeit die Funktion eines QMS ausschalten kann.

Leistungsparameter Klinik

Vor Implementierung des QMS

Die Effizienz der Abteilung lag im Vergleich mit nordeuropäischen Universitätskliniken derselben Größe – korrigiert für 10 Monate Arbeitszeit (Ramadan und religiöse Ferien) – im Durchschnitt bei 20%. Deshalb wurden die auffallend langen Verweildauern, schlechte Bettenausnutzung und niedrige Operationszahlen bei hohen Umlagerungszeiten im Operationssaal von 45 min zu Leistungsparametern gemacht. Auch die wenigen Patienten und Prozeduren in der Poliklinik wurden zu den Leistungsparametern gerechnet. Das qualitative Spektrum der Operationen beschränkte sich 2001im Wesentlichen auf einfache „nichtuniversitäre“ Operationen.

Nach Implementierung des QMS

Die Auswirkung des QMS auf die Leistungsparameter konnte sofort und dann über die folgenden 3 Jahre deutlich gesehen werden: Die Standardisierung der Prozessabläufe mit Dokumenten, Formularen und Registern resultierte in einer Arbeitszeitverkürzung und ergab einen allgemeinen Anstieg der Patientenzahlen (Tab. 1) mit signifikanter Erhöhung der diagnostischen Untersuchungen (Tab. 2; p <0,05), der Zahl ambulanter Patienten (p <0,05), der stationären großen Operationen (p=0,001) und der Belegungsrate (p=0,001) und Verminderung der Liegedauer (p=0,001). Dadurch wurde die Abteilung international vergleichbar. Die Umlagerungszeit im Operationssaal betrug 2001 im Durchschnitt 45 min, dagegen 15 min im Jahr 2004. Das qualitative Spektrum der Patienten erweiterte sich besonders auf vitreoretinale Erkrankungen (2000: 5, 2001: 23, 2002: 458, 2003: 792, 2004: 725; p <0,05). Einige andere Operationen wurden ebenfalls signifikant häufiger vorgenommen (nach ICPM-H5: Lider +42%, Muskeln +467%, Konjunktiva +49,3%, Kornea +555%, Iris, Ziliarkörper, VK, Sklera +396%, Linse +29%, Retina, Glaskörper und Chorioidea +2617%, Orbita und Auge +151%), Operationen an den Tränenwegen waren um −28% vermindert (Tab. 3).

Tab. 1 Leistungsindikatoren – Übersicht
Tab. 2 Leistungsindikatoren – diagnostische Untersuchungen
Tab. 3 Leistungsindikatoren – Operationsspektrum

Leistungsparameter Postgraduiertenlehre

Vor Implementierung des QMS

Thematisch geregelte Assistenten- und Mitabeiterfortbildungen fehlten, nationale und internationale Fortbildungen erfolgten weniger als einmal/Jahr und in unregelmäßigen Abständen. Individuelle Fortbildungswünsche wurden nicht beachtet. Gastärzte und Fellows waren selten.

Nach Implementierung des QMS

Die Anzahl interner und nationaler Fortbildungsveranstaltungen sowie Trainingsprogramme für das Personal nahm signifikant zu (Tab. 4; p=0,001). Von 2002–2005 kamen 46 internationale Besucher zu Gastvorträgen, und die Klinik hatte in der Zeit 10 Gastärzte und Fellows und hielt 15 Postgraduiertenkurse ab.

Tab. 4 Leistungsindikatoren – Lehre

Leistungsparameter Forschung und Wissenschaft

Vor Implementierung des QMS

Es wurden praktisch ausschließlich klinische Kasuistiken herausgegeben. Geordnete klinische Studien und grundlagenwissenschaftliche Kooperationsprojekte sowie drittmittelgeförderte Projekte waren nicht existent.

Nach Implementierung des QMS

Die Forschungs- und Publikationskontrolle mit definierten Zeitmodulen zum Motivationsenhancement ergab eine zunehmende wissenschaftliche Aktivität und Zuwendung zu drittmittelgestützten Forschungsprojekten. Die Zahl der Forschungsprojekte, Drittmittel, Publikationen, Kongressbeiträge und Vortragseinladungen hat einen signifikanten Anstieg gezeigt (Tab. 5 und 6; p=0,003). Aus Tabelle 6 ist anhand des zunehmenden Anteils der Publikationen und Abstracts (2005: 17 von 31=54,8%), die im Rahmen der drittmittelgestützten Forschungsprojekte entstanden sind, eine Schwerpunktbildung der klinischen Forschung abzulesen.

Tab. 5 Leistungsindikatoren – Forschung gesamt
Tab. 6 Leistungsindikatoren für drittmittelgeförderte Projekte (einschl. 2005)

Diskussion

Im vorliegenden Pilotprojekt vom 01.06.2001 bis 01.01.2005 haben wir gezeigt, dass auch unter den besonderen Umständen eines sich schnell entwickelnden Landes im traditionell geprägten Mittleren Osten wie Oman die Einführung eines QMS in einer Universitätsaugenklinik möglich ist. Das QMS wird auch längerfristig von den multikulturellen einheimischen und Gast(„expat“)ärzten und anderen Mitarbeitern akzeptiert und getragen und hat zu sichtbaren Änderungen im Systemablauf der Abteilung geführt [10, 11, 15]. Die anfängliche Skepsis, dass die Einführung eines QMS Zeitverschwendung sei, ist durch die gewonnenen Daten zur Qualitätsverbesserung und Effizienzsteigerung in diesem Pilotprojekt entkräftet worden [6, 7, 11, 15]. Nach der Zertifizierung unseres QMS, das die Belange der Gesellschaft in Oman berücksichtigt, ist das abteilungsspezifische QMS in das Gesamt-QMS, ebenfalls nach ISO 9001:2000, des Universitätsklinikums inkorporiert worden [12].

Nicht alle Abteilungen eines Klinikums sollten in diesem Pilotprojekt umfassend einbezogen werden wie bei der JCAI (Joint Commission Accreditation International) Akkreditierung [7, 8], sondern zunächst sollte besonderer Wert auf die Überwachung und Optimierung der Prozesse, der Datengewinnung und -kontrolle, Mitarbeiterkompetenz und klinische, Forschungs- und Lehrproduktivität, die die (über)regionale Akzeptanz definieren, gelegt werden [7, 8, 17, 21]. Aus diesem Grund haben wir das ISO-9000:2001-QMS für das dargestellte Projekt gewählt [9, 19, 20, 21].

Aus Europa, Nord- und Südamerika und Ostasien liegen Erfahrungsberichte zur Anwendung von Qualitätsmanagement- und Effizienzsteigerungssystemen vor, die aber nicht auf regionalspezifische kulturelle Besonderheiten eingehen [1, 2, 3, 4, 14, 18, 19, 20, 23]. Auch in die vergleichende Besprechung verschiedener Akkreditierungs- bzw. QM-Systeme wie EFQM (gilt für Unternehmen in Europa), KTQ (gilt für Krankenhäuser in Deutschland), Visitatie (gilt für Arztpraxen in Holland) und ISO gegenüber der JCI sind bisher keine längerfristigen Erfahrungen in einem sich entwickelnden Land einbezogen worden [7, 8, 13].

Qualitätsverbesserung

Wir haben in dem vorliegenden Projekt in Oman kulturell bedingte Limitationen des QMS für die kontinuierliche Verbesserung mancher Verhaltensweisen auf Seiten des Personals erkannt. Ein QMS kann keine gesellschaftlichen Änderungen bewirken. Trotzdem ist eine Qualitätsverbesserung, gemessen an der Systemcompliance, der Patienten-, Mitarbeiter- und Studentenzufriedenheit und der Mitarbeiterkompetenz, durch Trainingskurse erreicht worden. Als Folge sind Klinik-, Forschungs- und Lehrproduktivität bei gleichzeitiger Qualitätsverbesserung erhöht und damit eine Effizienzsteigerung über einen längeren Zeitraum in der Augenklinik erreicht worden [6, 11, 15, 17]. Durch die Einführung des standardisierten Organisations- und Verfahrenssystems ist das jährliche Benchmarking mit anderen regionalen Augenkliniken möglich geworden. Das ist besonders auch für die Vergleichskliniken wichtig, um Schwachstellen zu definieren und eine Verbesserung von Qualität und Leistung auf nationaler Basis zu erreichen. Dadurch bekommt das prozessorientierte QMS an der Universitätsaugenklinik in Muscat eine Leitfunktion mit (über)regionaler Akzeptanz, die eine Leistungsverbesserung in der gesamten Region nach sich gezogen hat. Auch die Änderung im qualitativen Spektrum der Operationen zugunsten der für eine Abteilung der Maximalversorgung relevanten schwierigen Operationen und der vitreoretinalen Operationen in einem Land mit etwa 16% Diabetikern in der Bevölkerung ist als Qualitätsverbesserung anzusehen.

Effizienzsteigerung

Eine Steigerung der Produktivität, d. h. eine Steigerung der definierten Leistungsparameter bei gleichbleibenden Ressourcen, konnte in der vorliegenden Studie noch während der Einführung des QMS und nicht erst mehrere Jahre später erreicht werden [6]. Sowohl klinische wie auch Lehr- und Forschungseckdaten konnten signifikant gesteigert werden. Das ISO-System wurde allerdings nicht mit anderen Systemen zur Effizienzsteigerung verglichen.

Problemzonen

Die Probleme der kontinuierlichen Qualitätsverbesserung durch das beschriebene QMS sind wesentlich durch das Familien- und Stammessystem in Oman begründet. So kommt es zu unerwarteten längeren Abwesenheiten, wenn ein Familienmitglied des Mitarbeiters stirbt oder erkrankt und zu unterschiedlichen Behandlungen. Multikulturelle Mitarbeiterstäbe (Gastarbeiter) haben zwar keine Stammespräferenzen, aber den Patienten – und Studenten – des Gastlandes gegenüber ein eher distanziertes Verhältnis, was ebenfalls zu bilateralen Nonkonformitäten führen kann.

Strukturell bedingte Probleme „von außen“ sind an Schnittstellen mit anderen Abteilungen entstanden, solange diese noch nicht am QMS beteiligt waren und entscheidende Funktionen inne hatten, wie z. B. die Beschaffungsabteilung. Nur eine konsequente, möglichst elektronische Buchführung und Überwachung gewährleistet ein Maximum an Sicherheit für ausreichenden und rechtzeitigen Materialnachschub. Die Integration einer zertifizierten Augenabteilung in ein QMS-Gesamtkonzept eines Hospitals ist daher entscheidend für die kontinuierliche Verbesserung der Schnittstellen.

Auch seitens der Verwaltung konnten wir Probleme definieren, die die Zukunft eines tragfähigen QMS stark beeinflussen: Hierbei handelt es sich um direkte unvorhersagbare und unstrukturierte Interferenzen und teilweise oder vollständige Terminierungen des QMS durch Entscheidungsträger im stammesorientierten traditionellen System, die einer kontinuierlichen Qualitätsverbesserung und Effizienzsteigerung entgegen stehen.

Fazit für die Praxis

Das praktizierte Qualitätsmanagementsystem nach ISO 9001:2000 kann die gestellten Aufgaben der Qualitätsverbesserung und Effizienzsteigerung auch unter den schwierigen Bedingungen eines traditionell geprägten, sich entwickelnden Landes im Mittleren Osten erfüllen. Es eignet sich als Werkzeug für die (inter)nationale Vergleichbarkeit von Ergebnissen definierter Leistungsindikatoren hinsichtlich Forschung, Lehre und Patientenversorgung.