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Eine Arterienwandentzündung bei einer Riesenzellarteriitis (RZA) beginnt in der Adventitia. Es finden sich dort granulomatöse Infiltrate mit aktivierten T-Zellen (CD4+-T-Zellen) und Makrophagen [24]. Die meisten der einwandernden Zellen kommen aus den adventitiellen Vasa vasorum. Beutelspacher et al. [2] stellten eine verstärkte Anreicherung von Isoprostan-8-epi-PGF2α in Gefäßbereichen mit massiven entzündungsbedingten Gewebsläsionen der Intima der Arterienwand fest. Somit ist eine Beteiligung der Lipidperoxidation in der Pathogenese der RZA anzunehmen.
Die RZA stellt eine der wichtigsten Notfallsituationen dar, da durch den entzündlichen Befall der Aorta, der Herzkranzgefäße und/oder der intrakraniellen Gefäße Lebensgefahr besteht
Die RZA stellt eine der wichtigsten Notfallsituationen dar, da nicht nur Blindheit droht, sondern Lebensgefahr durch den entzündlichen Befall der Aorta, der Herzkranzgefäße und/oder der intrakraniellen Gefäße besteht. Ein Sehverlust infolge eines Verschlusses der Augenarterien stellt die wichtigste frühe, schwere Manifestation dar. Bei zu spät gestellter Diagnose und bei zu spätem Beginn der Kortikosteroidbehandlung besteht die große Gefahr einer beidseitigen Erblindung [7,19]. Es sollte jedem Arzt bewusst sein, dass bei einer Entzündung der Schläfenarterie sowohl eine besondere Gefährdung des Auges vorliegt als auch ein Befall der großen Körperarterien droht. Ein Aortenaneurysma ist als wichtigste schwere Spätmanifestation anzusehen. Auch intrakranielle Gefäßentzündungen mit einem Schlaganfall sind zu befürchten [20].
Das Krankheitsbild der RZA frühzeitig zu erkennen ist entscheidend, um Komplikationen zu verhindern [20]. Zahlreiche diagnostische Hilfen stehen heutzutage hierfür zur Verfügung. Eine vorausgegangene Amaurosis fugax stellt ein Alarmzeichen dar. Auch eine plötzlich auftretende Diplopie und ein Strabismus infolge einer Augenmuskellähmung können einer Erblindung Stunden oder Tage vorausgehen [8,12]. Bei einer akut einsetzenden okulären Hypotonie mit ischämischer Iritis besteht größte Gefahr einer Erblindung beider Augen [14]. Meistens weisen die Augen eine anteriore ischämische Optikusneuropathie (AION), selten einen Zentralarterienverschluss, Arterienastverschluss oder retinale Cotton-wool-Flecke auf [13]. Eine Korrelation eines Sehnervenbefalls mit dem Schweregrad des histologischen Befunds konnte nicht nachgewiesen werden [15].
Es ist erforderlich, bei Sehstörungen alter Menschen stets an diese schwere Allgemeinkrankheit zu denken und frühzeitig diagnostische Maßnahmen zu ergreifen. Neben den typischen Symptomen eines Patienten ist der Lokalbefund einer Schläfenarterie von großer Bedeutung, insbesondere ist auf seitendifferente Pulsationen, Druckschmerz und knötchenförmige umschriebene Verdickungen mit Verhärtungen des manchmal berührungsempfindlichen Gefäßes zu achten [13]. Allerdings ist zu bedenken, dass auch ohne auffälligen Lokalbefund eine RZA vorliegen kann.
Es ist zu bedenken, dass auch ohne auffälligen Lokalbefund eine RZA vorliegen kann
Eine enge Kooperation der Freiburger Augenärzte mit Rheumatologen und Immunologen, Neurologen sowie Radiologen ermöglichte eine intensive Auseinandersetzung mit dem Krankheitsbild der RZA. Diagnostische Verbesserungen wie Farbduplexsonographie [9,22,23] und MRT stellen eine wertvolle Hilfe dar. Der Freiburger Radiologe Thorsten Bley beschrieb erstmals entzündliche Arterienveränderungen bei der MRT-Untersuchung [3]. Der Berliner Rheumatologe Wolfgang Schmidt [23] brachte erstmals den sonographischen Nachweis einer Arterienentzündung. Eindeutige sonographische Untersuchungen können möglicherweise bei charakteristischem klinischen Befund sogar dazu führen, auf eine Arterienbiopsie in Zukunft zu verzichten [9]. Die Biopsie der Schläfenarterie wird aber weiterhin international als diagnostischer „Goldstandard“ angesehen und ist bei jedem verdächtigen Krankheitsbild erforderlich, da eine monate- oder jahrelange allgemeingefährliche Kortikosteroidtherapie nur auf der Grundlage einer eindeutigen Diagnosestellung zu rechtfertigen ist. Eine Biopsie sollte an den Seitenästen der A. temporalis superficialis mit lokalen, sonographisch nachgewiesenen Wandveränderungen, nicht jedoch am Hauptstamm der Arterie – im präaurikulären Bereich – durchgeführt werden [11].
Bei verdicktem Unterhautfettgewebe kann es erschwert sein, eine Schläfenarterie aufzufinden. Zur besseren Treffsicherheit einer tief im Gewebe liegenden Arterie wurde der typische Verlauf einer A. temporalis superficialis anatomisch ermittelt (Abb. 1 [5]). Häufig pulsieren stark entzündete Arterien mit deutlich eingeengtem Lumen nicht mehr oder kaum noch. Es ist deshalb hilfreich, den typischen Arterienverlauf zu kennen, sodass gezielt der Ort der Palpation oder der Arterienbiopsie getroffen werden kann. Auch mit einer Ultraschalluntersuchung kann gezeigt werden, wie die Arterie verläuft.
Die verschiedenen Facetten des Krankheitsbildes stellen Ärzte unterschiedlicher Fachrichtungen immer wieder vor große diagnostische Schwierigkeiten
Die verschiedenen Facetten des Krankheitsbildes mit Entzündung der A. facialis, A. occipitalis, A. vertebralis, des Aortenbogens oder der Gefäße viszeraler Organe führen Ärzte unterschiedlicher Fachrichtungen immer wieder vor große diagnostische Schwierigkeiten. Hinterkopf- oder Nackenschmerzen durch Entzündung der A. occipitalis werden häufig fehl gedeutet, beispielsweise irrtümlich als ein HWS-Syndrom diagnostiziert [18]. Gesichtsschmerzen, besonders mit Kau-, Kiefergelenk- oder Zahnschmerzen sowie Trismus oder Claudicatio der Zungenbeweglichkeit oder Schluckbeschwerden können durch umfangreiche HNO-ärztliche und kieferorthopädische Untersuchungen zu einer Verzögerung der entscheidenden diagnostischen serologischen und sonographischen Maßnahmen führen (Abb. 2). Auch eine Sinusitis kann im Rahmen einer RZA auftreten [16].
Eine Entzündung der Schläfenarterie kann auch bereits in jugendlichem Alter im Rahmen anderer Vaskulitiden wie einer Churg-Strauss-Vaskulitis, einem Lupus erythematodes, einer Panarteriitis nodosa oder einem Morbus Wegener entstehen [12,21].
Therapie
Die Frühbehandlung mit Kortikosteroiden ist bei begründetem Verdacht einer RZA erforderlich. In der Literatur wurden Beispiele von Erblindungen angeführt, weil zur Sicherung der Verdachtsdiagnose noch zu lange auf eine Biopsie gewartet worden ist. Deshalb sollte umgehend mit der Therapie begonnen werden, denn eine Biopsie ist nur selten notfallmäßig durchzuführen. Eine Biopsie kann auch noch mehrere Tage oder sogar Wochen nach Beginn einer Kortikosteroidbehandlung positiv ausfallen [14]. Im Allgemeinen empfiehlt es sich jedoch, die Biopsie kurze Zeit nach dem Behandlungsbeginn zu veranlassen, damit die Verdachtsdiagnose gesichert werden kann. Bevor bei einem alten Menschen mit Sehstörungen und beschleunigter BSG und allgemeinen Krankheitszeichen mit hochdosierter Kortikosteroidbehandlung begonnen wird, sollte jedoch eine Endokarditis durch den Internisten ausgeschlossen werden [17]. Eine enge Zusammenarbeit des Augenarztes mit dem Internisten und ggf. Neurologen ist bei der Frage der Kortikosteroiddosis, der kortikosteroideinsparenden Behandlung durch zusätzliche Gabe von anderen Immunsuppressiva und der Osteoporoseprophylaxe erforderlich. Zur Thromboseprophylaxe werden Aspirin bzw. Heparin empfohlen. Buono et al. [4] stellten eine Visusbesserung eines Patienten mit therapieresistenter RZA durch eine Heparinbehandlung fest.
Zytokine sind verantwortlich für die Akute-Phase-Reaktion bei der RZA. Der Tumornekrosefaktor-α (TNFα), der von den Makrophagen freigesetzt wird, und aktivierte T-Lymphozyten sind im Wesentlichen für den entzündlichen Prozess verantwortlich. Bei einzelnen Patienten mit einer RZA hat sich bei therapieresistenter Kortikosteroidbehandlung eine Besserung durch TNFα-Antikörperbehandlung gezeigt [1].
Eine Sehverschlechterung durch eine RZA ist nicht nur medikamentös, sondern auch lokal zu therapieren
Der Augenarzt sollte beachten, dass eine Sehverschlechterung durch eine RZA nicht nur medikamentös mit hochdosierter Kortikosteroidbehandlung, sondern auch lokal zu therapieren ist, beispielsweise durch Bulbusmassage bei einem Zentralarterienverschluss oder durch (ggf. mehrtägiges) Flachlagern des Patienten mit Kopftieflage, da sich orthostatisch bedingte Durchblutungsstörungen des Sehnerven in aufrechter Körperhaltung verschlechtern können [6,10,12]. Auch eine den Augendruck senkende Behandlung kann retinale Durchblutungsstörungen günstig beeinflussen. Ob eine frühzeitig durchgeführte isovolämische Hämodilution oder eine Plasmapherese zu einer Sehverbesserung einer beginnenden anterioren ischämischen Optikusneuropathie (AION) führen kann, ist bisher nicht nachgewiesen worden.
Die Arteriitis weist einen häufig mehrere Jahre anhaltenden, jedoch meistens selbstlimitierenden Verlauf auf, der aber durch Rezidive charakterisiert ist. Eine augenärztliche und eine internistische Überwachung in regelmäßigen Abständen sind deshalb notwendig. Eine noch vorhandene Entzündungsaktivität im Langzeitverlauf ist durch eine BSG- und CRP-Bestimmung sowie durch den biologischen Marker Interleukin-6 nachzuweisen [25].
Die Behandlungen bei Langzeitbeobachtungen erfolgen durch den Hausarzt in Absprache mit dem beratend zur Seite stehenden Augenarzt.
D. Schmidt
T. Neß
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Schmidt, D., Neß, T. Riesenzellarteriitis (Arteriitis temporalis, Arteriitis cranialis). Ophthalmologe 103, 293–295 (2006). https://doi.org/10.1007/s00347-006-1328-5
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