In der sog. modernen Welt fordert das tägliche Leben immer weniger physische Aktivitäten (Belastungen) und die Selbstverantwortung für den entsprechenden aktiven Ausgleich im Sinne der primären Prävention wird unzureichend wahrgenommen. Dies wird u. a. auch durch die Tatsache belegt, dass laut Ernährungsbericht der Deutschen Gesellschaft für Ernährung 2004 65% der Männer und 55% der Frauen übergewichtig sind und 20% an einer Adipositas erkrankt sind. Als Hauptursache fungiert die Kombination aus chronischem Bewegungsmangel, also einem durch Inaktivität gekennzeichnete Lebenszyklus Belastung – Beanspruchung – Adaptation, und der damit im Zusammenhang stehenden Bilanzstörung zwischen der nahrungsbedingten Energieaufnahme und dem Energieverbrauch. Daraus resultiert bei diesem Anteil der Bevölkerung eine besonders hohe Disposition für Stoffwechselstörungen (Diabetes mellitus mit all seinen Komplikationen) sowie für Erkrankungen des Herz-Kreislauf- (Hypertonie, Arteriosklerose) als auch des Stütz- und Bewegungssystems (degenerative Wirbelsäulen- und Gelenkerkrankungen).

Physisch inaktiver Lebensstil – Disposition für Erkrankungen

Die chronischen physischen Unterforderungen bedeuten ungenügende Beanspruchungen und damit Strukturreize für alle Struktur- und Regulationsebenen des Organismus. In der Folge lernen Kinder selbst einfache Bewegungsfertigkeiten gar nicht mehr bzw. Bewegungen werden nicht korrekt und damit im Sinne einer Fehlbelastung ausgeführt (sensomotorische Koordination) und die grundlegenden sensomotorischen Fähigkeiten bleiben unterentwickelt. Gleichzeitig ist die Lernfähigkeit vermindert. Die neuralen Grundlagen und die kontraktilen Strukturen der konditionellen Fähigkeit Kraft bleiben bzw. werden geschwächt und sie atrophieren. Die biologischen Grundlagen der Ausdauer-, Erholungs- und Adaptationsfähigkeit werden systematisch reduziert. Das Ergebnis ist ein chronischer Dekonditionierungszustand mit verminderter Leistungsfähigkeit, Belastbarkeit und Belastungsverträglichkeit (vgl. [36]), dessen biologische Folgen gemeinsam mit denen der Energiebilanzstörung zur Krankheitsursache werden.

Bei 40% der Schulanfänger finden sich sensomotorische Koordinationsstörungen

Die inadäquate sensomotorische Koordination (Bewegungsqualität) und die verminderte Leistungs-, Kompensations-, Erholungs- und Adaptationsfähigkeit lassen selbst die grundlegenden Aktivitäten des Arbeitslebens und der Freizeit zu Fehlbelastungen werden. Die Belastbarkeit sinkt und dies wird in aller Regel mit einer weiteren Einschränkung der Motivation und Bereitschaft zur Aktivität beantwortet. Dieser circulus vitiosus beginnt sehr früh in der Lebensspanne und er schreitet systematisch fort. So lassen sich bereits bei 40% der Schulanfänger sensomotorische Koordinationsstörungen und bei 60% Schwächen des Bewegungsapparates finden [30], welche nach chronischem Verlauf zu entsprechenden Schmerzsyndromen führen. 33% der 10- bis 19-jährigen Diabetiker sind am Typ II erkrankt, 21–25% der adipösen Kinder weisen eine verminderte Insulinaktivität auf [29] und auch bereits im Kindes- und Jugendalter besteht wie im späteren Erwachsenenalter eine enge Korrelation zwischen den Risikofaktoren physische Inaktivität, veränderte Fettstoffwechselparameter (LDH, Triglyceride), Hypertonie, Adipositas und arteriosklerotische Veränderungen bzw. zwischen der Adipositas, der Hypertonie und dem Diabetes mellitus [27]. In der Folge entwickelt sich Multimorbidität, indem sich z. B. Adipositas, Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems (HKS) und degenerative Gelenkerkrankungen kombinieren und sich dadurch die Möglichkeiten aktiver therapeutischer Konsequenzen gegenseitig negativ beeinflussen. Der Verbrauch von Medikamenten beginnt im Lebenszyklus frühzeitiger und wird umfänglicher.

Konzept des Zyklus Belastung – Adaptation

Der Zyklus „Belastung – Beanspruchung – Ermüdung – Erholung – Adaptation“ (Abb. 1) steht für eine belastungsabhängige und -spezifische biologische Wirkungskette. Diese Wirkungskette funktioniert sowohl bei systematischer physischer Aktivität in Richtung des Strukturaufbaus (positive anabole Richtung) als auch bei chronischer Inaktivität in Richtung des Strukturabbaus (negative katabole Richtung; vgl. Abb. 2). Im Rahmen dieses Zyklus reagieren alle Strukturen des sensomotorischen Systems [33] sowie der Logistik- und der generalisierten und lokalen Regulationssysteme spezifisch und mit differentem Zeitbedarf und Ausmaß auf die systematisch abverlangte Funktion (z. B. Bewegungslernen: bewegungsspezifische neuronale Funktionen und Vernetzungen; Ausdauer: Ausstattung mit aeroben Enzymsystemen und mit Mitochondrien; Kraft: Ausstattung mit Myofibrillen; Entwicklung und Optimierung der lokalen und globalen Regulationen). Hinsichtlich der Schnittstellen zwischen den belastungsadäquaten Beanspruchungen und der spezifischen Umsetzung in Strukturaufbau oder -abbau und damit Funktionsvorteil oder -verlust sind noch viele Fragen offen. Sicher ist, dass die essenziellen Vermittler an dieser Schnittstelle die neurohumoralen, parakrinen und autokrinen Regulationen sind.

Abb. 1
figure 1

Der Zyklus Belastung – Adaptation prägt essenziell die Struktur und Funktion. Belastungen sind alle physikalischen Bedingungen und psychophysischen Leistungsvorgaben. Sie führen zu spezifischen Beanspruchungen u. a. der anabolen Hormonsysteme. Die Erholung gleicht verbrauchte Ressourcen aus, repariert Strukturen und produziert die beanspruchungsspezifischen strukturellen Anpassungen

Abb. 2
figure 2

Der Zyklus Belastung – Adaptation ist für die strukturelle und funktionelle Entwicklung, die Leistungsfähigkeit und die Gesundheit essenziell (Mitte). Bei chronischer Inaktivität resultiert Katabolismus und Atrophie und letztendlich Krankheit (links). Infolge chronischer Fehl- und Überbelastung wird die Belastbarkeit überschritten und das Ergebnis ist gleichfalls Krankheit (rechts)

Belastung – Erfordernis für Strukturentwicklung und Strukturerhaltung

Die Belastung resultiert aus der Gesamtheit aller Anforderungen an den Organismus, auf die er zu dessen Bewältigung eine biologische Antwort finden muss. Sie umfasst demzufolge

  • alle passiv einwirkenden, physikalisch definierbaren Lebensbedingungen wie z. B. das Klima und der Lärm,

  • die psychischen und mentalen Anforderungen wie z. B. infolge von Lernprozessen und Stresssituationen und

  • alle Beanspruchungsformen des sensomotorischen Systems, die sensomotorische Koordination (Organisation, Steuerung und/oder Regulation von Bewegungen) und die damit direkt verknüpften konditionellen Leistungsvorgaben Ausdauer und Kraft in Art, Intensität und Umfang.

Die Belastung ergibt sich also aus den verschiedensten Aktivitäten der üblichen Lebenstätigkeit in jedem Abschnitt der Lebensspanne (Vorschule, Schule, Ausbildung, Beruf, Freizeitaktivität) und erfährt durch bewusst zum bevorzugten Bestandteil gemachte Lebenstätigkeiten (Beruf, Leistungssport, Instrumentalist, inaktiver Lebensstil) seine konkrete Akzentuierung.

Beanspruchung – biologische Funktion zur Bewältigung der Belastung

Die Beanspruchung resultiert aus der Belastung. Sie ist von den aktuellen Umgebungs- und Lebensbedingungen und allen momentanen Eigenschaften des Organismus selbst abhängig, die der Leistungserbringung dienen: Dies sind die anatomischen, physiologischen, kognitiven und psychischen Eigenschaften gegeben durch den aktuellen Gesundheits-, Entwicklungs-, Adaptations- und Alterungszustand und den daraus folgenden Fähigkeiten und Fertigkeiten. Des Weiteren sind Motivationen und Emotionen bestimmende Faktoren. Die Beanspruchung entspricht dem biologischen bzw. psychophysischen Aufwand oder dem biologischem Äquivalent, mit dem die Belastung durch den Organismus realisiert wird. Sie kennzeichnet den Anstrengungsgrad des Organismus. Dessen Intensität ergibt sich aus dem Funktionsaufwand der Organsysteme bezogen auf die jeweilige maximal mögliche physiologische Auslenkung, der Intensität des Energiestoffwechsels und dem Regulationsbedarf der neurovegetativen und neurohumoralen sowie der lokal wirksamen humoralen Systeme. Entsprechend kann die Anstrengung mittels subjektiver und objektiver Beanspruchungsparameter erkannt und objektiviert werden.

Der subjektive psychophysische Anstrengungsgrad kann sehr gut mit der Borg-Skala [8, 9, 10, 45] eingeschätzt werden. Die absolut gebräuchlichsten objektiven Beanspruchungsparameter sind die Herzschlagfrequenz und die Laktatkonzentration (Laktat-Leistungs-Diagnostik), aber auch mit dem Elektromyogramm, der Kraft und vielen weiteren Funktionsmerkmalen von Organsystemen kann der Funktionsaufwand des Organismus (vgl. [35]) verlässlich gekennzeichnet werden. Aus wissenschaftlicher Sicht bekommen die beanspruchungsadäquaten Vorgänge der Transkription (Ableseprozess und Übertragung des genetischen Codes von der DNS auf die mRNS) und Translation (Produktion von Proteinen entsprechend der Informationen der mRNS) immer mehr Aufmerksamkeit, weil mit diesen Prozessen zugleich direkt die Beanspruchungsspezifik der resultierenden Adaptationen charakterisiert werden kann.

Physiologische Entwicklung und Leistungsfähigkeit

Die Beanspruchung ist essenziell für die physiologische Entwicklung und Leistungsfähigkeit. Der überproportionale biologische Bewegungsdrang des Kindes, in der sog. modernen Welt fortschreitend unterdrückt, sorgt für die erforderliche Beanspruchung und er ist zugleich Ausdruck des psychophysischen Beanspruchungsbedarfs. Er kennzeichnet die in der Phylogenese herausgebildete biologisch erforderliche Voraussetzung sowohl für die physische als auch die psychische und mentale Entwicklung. Gegeben durch die zentralnervösen Prozesse der Handlungsregulation (vgl. [34]), welche im Zuge des intensiven Bewegens systematisch abverlangt und geschult werden, erfolgt die Entwicklung des Zentralnervensystems (ZNS) und gleichlaufend umfängliches sensomotorisches Lernen. Dessen biologische Grundlage ist die adäquate bewegungsspezifische Kognition. Der Übergang in eine gezielte sportliche Aktivität verknüpft mit dem Aneignen von rationalem Wissen, welche Ziele wie zu erreichen sind, unterstützt die Entwicklung. Im Zyklus Belastung – Adaptation steht bis zur Pubertät und relativ wenig Zeit darüber hinaus das sensomotorische Lernen, gleich die neuronale Entwicklung des Gehirns gemeinsam mit seiner funktionsspezifischen Prägung im Vordergrund. Die „übergroße“ Plastizität der neuronalen Strukturen in diesem Abschnitt der Ontogenese fördert die positive Wechselwirkung zwischen biologischer Entwicklung, Lernen und mentaler und physischer Leistungsverbesserung.

Die Realisierung oder Minimierung der sensomotorischen Aktivitäten im Kindes- und Jugendalter sind entscheidend für die Einstellungen und das Verhalten in der gesamten weiteren Lebensspanne.

So essenziell die Beanspruchung für die Entwicklung in der frühen Lebensspanne ist, so essenziell ist sie im letzten Drittel, um die physiologischen Folgen des Alterungsprozesses zu beeinflussen und die Gebrechlichkeit möglichst weit an die Lebensgrenze zu schieben.

Charakteristisch für Beanspruchungen sind zunächst die schnellen Umstellungsreaktionen der Organfunktionen. Mit diesen werden sie auf das erforderliche Funktionsniveau zur Bewältigung der Belastungsvorgabe oder -bedingung eingestellt. Für die adäquaten akuten Umstellungsreaktionen sowie die andauernden und u. a. auch die Ermüdung berücksichtigenden Funktionseinstellungen bestehen z. B. intensive wechselseitige Zusammenhänge zwischen dem sensomotorischen System und dem neurovegetativ-chronotropen Efferenzmuster (Herzschlagfrequenz – Herzschlagfrequenzvariabilität) auf der Basis des Stoffwechselmilieus im Muskel [32, 37]. Das neurovegetative Efferenzmuster ist ein extrem fein justiertes Merkmal der Beanspruchung, in welchem sich die sympathisch vermittelte periphere Durchblutung im Minutenrhythmus und die vagal vermittelte Blutdruck- und Atemrhythmik widerspiegeln. Auf der Seite der Motorik fungieren die motorische Efferenz (Handlungsprogramm) einschließlich der gut bekannten Rückkopplungen von den Mechano- und Chemoafferenzen als Modifikatoren der spinalen und supraspinalen unbewussten und bewussten Regulationen.

Die Beanspruchungsmerkmale von Atmung, Herz-Kreislauf und Energiestoffwechsel zeigen den biologischen Aufwand des entsprechenden Funktionssystems an. Sie stehen aber nur indirekt mit den strukturellen und funktionellen Folgen (Adaptationen) im Zusammenhang. Direkt sind damit die Beanspruchungen der anabolen neurohumeralen, parakrinen und autokrinen Regulationen verknüpft. Ihre Auslenkungen üben die Schlüsselfunktion aus, indem sie die strukturellen Reaktionen in allen Gewebetypen vermitteln und damit bestimmen. Sie regeln z. B. im ZNS die Vernetzung und die Neurogenese (Hippokampus), im Muskel die Hypertrophie oder die Ausstattung mit Mitochondrien. Die herausragende Funktion hierbei hat die Achse Hypothalmus – Hypophyse – periphere Hormondrüse bzw. Leber als Hormonproduzent. Der Hypothalamus unterhält enge informatorische Verbindungen zum Thalamus als Verarbeitungs- und Relaisstation des Hinterstang- (Tiefensensibilität) und Vorderseitenstrangbahnsystems (Oberflächensensibilität, Schmerz, Temperatur) und zum limbischen System (Motivation, Emotionen, Verhalten).

Achse Hypothalamus – Hypophyse – Leber

Eine der essenziellen anabolen Systeme ist die Achse Releasing-Faktoren des Hypothalamus – Wachstumshormon (GH) der Hypophyse – insulinähnlicher Wachstumsfaktor (IGF-1Ea) der Leber, welcher dann als humoraler Faktor wirksam wird. Kraft- und auch Ausdauerbelastungen führen zu einem akuten intensitätsabhängigen Anstieg der GH-Sekretion. So steht die Intensität von Ausdauerbelastungen, gemessen an der Inanspruchnahme der anaeroben Schwelle, in einer linearen Beziehung zur Stimulation der GH-Freisetzung aus der Hypophyse (Abb. 3, [48]) und nachfolgend der GH-vermittelten IGF-I-Produktion der Leber. Das GH sorgt aus energetischer Sicht während und eine Zeit nach der Beanspruchung für die Mobilisation von Fettsäuren (Lipolyse) und die Glykogenolyse, wodurch ausreichend verwertbare Substrate zur Verfügung gestellt werden. Gleichzeitig wird durch die Stimulation der Produktion der Somatomedine die Basis für die anabolen Prozesse in der Erholung gelegt.

Abb. 3
figure 3

Die Graphik zeigt die Beziehung zwischen der Belastungsintensität, normiert auf die fixe anaerobe Schwelle (1 = Belastung der Laktatschwelle LS) und der ca. 10–15 min nach Belastungsbeginn startenden Sekretion von Wachstumshormon. Es zeigt sich eine lineare Beziehung zwischen der Intensität der Beanspruchung des Energiestoffwechsels und der Hormonfreisetzung. (Adaptiert nach [48]). GH Wachstumshormon

Wachstumsfaktoren werden auch von fast allen anderen Zelltypen hergestellt und es gibt mehrere große Familien (insulinähnlicher Wachstumsfaktor [IGF], „nerve growth factor“ [NGF], „fibroblast growth factor“ [FGF], „transforming growth factor“ [TGF], „mechano growth factor“ [MGF] u. a.). Diese wirken entweder parakrin auf die Nachbarzellen oder autokrin in der gleichen Zelle. Besetzen sie ihre spezifischen Rezeptoren aktivieren sie Signalwege zur Aktivierung oder Hemmung von Genen mit konkreter Strukturverantwortung. Das von der Leber kommende IGF-I wird zumindest teilweise GH-abhängig u. a. auch von der Skelettmuskelfaser produziert und zusätzlich stellt diese einen sehr engen Verwandten des IGF-I, den MGF her. Der Mechanismus der Mechanosensibilität der Skelettmuskelfaser und die Transformation in den DNA-Ableseprozess sind aktuell noch nicht aufgeklärt (Abb. 4). Offensichtlich ist, dass ekzentrische Kontraktionen wirksamer als isometrische und konzentrische Kontraktionen sind. Es erfolgt somit eine differenzierte Stimulation der IGF-I- und der MGF-Produktion. Das Muster wird durch das Belastungsregime geregelt, wobei die Schnittstellen noch weitestgehend unbekannt sind. Die beanspruchungsspezifischen Bilanzen zwischen den Aktivierungen und Deaktivierungen der verschiedenen letztendlich anabolen (Proteinsynthesen) und auch der myogenen Signalwege (Wirkung z. B. auf Satellitenzellen) sowie die Modulationen innerhalb der Komponenten der Signalsysteme durch die aktuell erfolgte Beanspruchung als auch durch aufeinanderfolgende Beanspruchungen mit Summationseffekten (beachte Zeitregime Beanspruchung – Erholung) sind dann für die Spezifik der resultierenden Gewebeantworten verantwortlich. Der Belastungsmodus (vgl. Trainingsmethodik) bestimmt die Beanspruchung und damit das Muster der strukturellen Antworten der IGF-Familie auf z. B. Krafttraining [22].

Abb. 4
figure 4

Die Graphik skizziert die belastungsbedingte Freisetzung von GH, deren Wirkung auf die Transkription der IGF-1-mRNS und der MGF-mRNS über einen mechanosensiblen Mechanismus und die Produktion der Wachstumsfaktoren in der Muskelfaser. IGF sorgt für die Proteinsynthese (anabole Wirkung) und beide Hormone stimulieren die myogene Reaktion. GH Wachstumshormon, IGF insulinähnlicher Wachstumsfaktor, MGF „mechano growth factor“

Die IGF-I-Konzentration steht mit dem Alter, der Adipositas und der aeroben Kapazität in Wechselbeziehung (Abb. 5). Das Alter und die Adipositas haben einen supressiven Effekt, wobei die Adipositas diese Wirkung auch allein hervorruft. Im Altersgang ist die abfallende IGF-I-Konzentration enger mit der sich in gleiche Richtung verändernden aeroben Kapazität verknüpft als mit der Zunahme des Körpergewichts [47]. Die Sauerstoffaufnahme hat unter den physiologischen Variablen den höchsten Vorhersagewert für die IGF-I-Konzentration. Die aerobe Kapazität als das Ergebnis des Ausdauertrainings ist somit nicht nur Ausdruck der entsprechenden Leistungsfähigkeit, sondern kennzeichnet zugleich eine erhöhte Potenz der restitutiven, reparativen und adaptiven Prozesse im Zyklus Belastung – Adaptation. In diesem Sinn ist Training gleich Training der Trainierbarkeit.

Abb. 5
figure 5

Schematische Darstellung der Beziehungen der IGF-1-Konzentration im Blut zum kalendarischen Alter, der Ausprägung der Adipositas laut BMI und der aeroben Kapazität (Sauerstoffaufnahme). BMI Body-Mass-Index, GH Wachstumshormon, IGF-1 insulinähnlicher Wachstumsfaktor 1, VO 2 Sauerstoffaufnahme

Neben der IGF-I-Familie fungiert das Myostatin (Mitglied der „transforming growth factor-β“(TGF-β)-Familie) als Regulator der muskulären Strukturanpassung. Es ist ein funktioneller Antagonist. Kraftbeanspruchungen erhöhen die IGF-I-Spiegel und reduzieren den Myostatinspiegel. So beteiligt sich letzterer Faktor mittels Konzentrationsabfall an der belastungsbedingten Muskelhypertrophie, wobei gleichfalls ekzentrische Muskelkontraktionen eine höhere Auswirkung auf die Senkung des Spiegels haben als konzentrische und isometrische Kontraktionen [23]. Beim Menschen konnte eine Reduktion des Wirkspiegels sowohl auf lange wie kurze Krafttrainingsphasen, aber auch bereits auf eine akute Kraftbelastung gefunden werden [20, 21, 26, 50]. Im Tierexperiment sorgte selbst Ausdauerbelastung für einen Abfall der Myostatinkonzentration [43].

Achse Hypothalamus – Hypophyse – Testes/Ovar

Ein weiteres essenzielles anaboles System ist die Achse Releasing-Faktoren des Hypothalamus – Gonadotropine der Hypophyse (LH = ICSH) – Testosteron der Testes bzw. des Ovars. Infolge Krafttrainings kommt es zum signifikanten Anstieg der Testosteron- und der Wachstumshormonspiegel. Ebenso steigt intensitätsabhängig der Kortisolspiegel signifikant an, wodurch die Substratbereitstellung gesichert wird. Der akute Anstieg der Katecholaminspiegel ist für die Energiefreisetzung während der Kraftbelastung entscheidend und das Kortisol unterstützt dabei die lipolytische Wirkung von Adrenalin und Noradrenalin. So reagieren die Hormonspiegel intensitätsabhängig auf den Umfang einer Krafttrainingseinheit [40]. Der Trainingszustand hat einen Einfluss auf die Hormonfreisetzung bei gleichen Belastungsintensitäten. Krafttrainierte Personen reagieren mit geringeren Auslenkungen [11]. Damit wird das trainingsmethodische Prinzip belegt, dass die Belastung mit dem Trainingszustand ansteigen muss, um weiter Effekte auslösen zu können.

In einem Review zeigen Kraemer und Ratamess [31], dass Krafttraining mit dem Einsatz großer Muskelgruppen und hohem Umfang, mittlerer bis hoher Intensität und kurzen Intervallen eine Tendenz zu höheren hormonellen Auslenkungen (Testosteron, GH, Kortisol) gegenüber Belastungen geringen Umfangs, hoher Intensität und langen Erholungsintervallen verursacht. Desgleichen weisen sie auf die Wirksamkeit hoher Hormonauslenkungen und mechanischer Stimuli für die Ausstattung mit zytoplasmatischen Steroidrezeptoren hin, welche essenziell für die Vermittlung der Hormoneffekte sind. Den akuten belastungsabhängigen Hormonanstiegen wird gegenüber den chronischen Veränderungen in Ruhe die höhere Bedeutung für die anabolen und myogenen Muskeladaptationen zugeschrieben.

Ermüdung – biologisches Ergebnis der Beanspruchung

Die Ermüdung ist das Ergebnis der Beanspruchung. Sie entsteht, wenn die Beanspruchung

  • mit einer Mindestintensität bzw. einer bestimmten Stoffwechselintensität über eine ausreichend lange Zeit (Ausdauer) absolviert,

  • mit mittlerer bis höchster Intensität mittels einer entsprechenden Anzahl von Wiederholungen (Kraftausdauer – Maximalkraft) ausgeführt,

  • mithilfe von Lernschritten (Teile der angestrebten finalen Bewegung) oder auch mit der gewünschten Finalbewegung häufig genug wiederholt (sensomotorisches Lernen) wird.

Die Ermüdung ist durch den Leistungs- und/oder den Qualitätsverlust der Bewegungshandlungen gekennzeichnet. Sie basiert auf einem reversibler Funktionsverlust der peripheren und zentralen Strukturen des sensomotorischen Systems, der Logistik- und der Regulationssysteme. Die Bewegungsgeschwindigkeit sinkt, die Lasten können nicht mehr bewältigt werden und die Bewegungsqualität ist reduziert.

Die Ermüdung ist die zwingende Voraussetzung für die Auslösung funktioneller und struktureller Adaptationen, weshalb die Trainingsmethodik den Grundsatz der Mindestbelastung kennt. Die resultierende Mindestbeanspruchung wurde ausgelöst, wenn die beanspruchungsspezifischen Auslenkungen der die Adaptationen vermittelnden hormonellen Reaktionen hervorgerufen wurden und somit wirksam werden können.

Erholung – Phase der Restitution, Reparation und Adaptation

Die Erholung ist jener Zeitraum, indem all jene biologischen Prozesse ablaufen, die der Wirksamkeit oder Zielstellung der Belastung entsprechen. Die Beanspruchung, ausgeführt bis zur Entstehung des spezifischen Ermüdungsmusters, war die erforderliche biologische Provokation zur Aktivierung der entsprechenden Regulationen zur Anpassung der Struktur an die abverlangte Funktion.

Zunächst gleichen die regenerativen und reparativen Prozesse den reversiblen Funktionsverlust wieder aus. Die energetischen Ressourcen wie z. B. das Glykogen werden aufgefüllt und mittels zelleigener physiologischer Reparaturmechanismen strukturelle Schädigungen repariert. Diese Vorgänge gehen fließend und überlappend in die anabolen Strukturprozesse über. Dadurch werden die biologischen Voraussetzungen geschaffen, dass eine gleichartige Belastung unter gleichen Bedingungen zu einer verminderten Beanspruchung führt. Auch wenn die phänotypischen Nachweise der strukturellen und funktionellen Anpassung wie z. B. die Verbesserung der Bewegungsqualität, die Erhöhung der Sauerstoffaufnahme oder auch der Kraft einen unterschiedlich langen Zeitraum erfordern, die Prozesse der Transkription der notwendigen Informationen aus dem Zellkern und damit die biologische Aktivierung der Prozesse findet sehr schnell statt. Diese Vorgänge beginnen z. B. bereits nach einer einzigen Krafttrainingseinheit.

Bei diesen Prozessen sind die Mitglieder der IGF-Familie und das Myostatin die beiden wichtigsten Regulatoren mit Schlüsselfunktionen für die Muskelhomöostase [19, 44].

Das Myostatin fungiert als Negativregulator des Muskelwachstums, indem es jeweils

  • die Myoblastenproliferation während der Myogenese,

  • die Satellitenzellaktivierung und

  • die Proteinsynthese im Muskel erwachsener Spezies hemmt und damit bei der Entwicklung der Muskelatrophie eine wichtige Rolle spielt.

Die IGF-Familie als Positivregulator ist essenziell für das Muskelwachstum [19] und hat einen sehr komplexen und großen anabolen und myogenen Wirkungskreis, indem sie jeweils

  • die Proliferation und Differenzierung der Satellitenzellen als obligater Mechanismus der Hypertrophieentwicklung [1, 2] und

  • die Gentranskription und die Proteintranslation [3] aktiviert.

Die Aktivierung des IGF-I-Systems ist im Muskel bereits nach einer Belastungseinheit nachweisbar und hoch sensitiv gegenüber Dehnung bzw. ekzentrischen Kontraktionen [5]. Der MGF ist verantwortlich für die frühzeitige Aktivierung der Satellitenzellen [24]. Sie versorgen die postmitotischen Skelettmuskelfasern anhaltend mit Zellkernen und damit mit genetischem Material.

Des Weiteren induzieren die Mitglieder der IGF-Familie IGF-IEa und MGF die belastungsbedingte Kollagensynthese in den Sehnen und bestimmen wesentlich dessen Adaptation [23].

Neuroprotektion

Die IGF-Familie ist aber nicht nur im Bereich der Muskulatur aktiv. IGF-I überwindet problemlos die Blut-Liquor-Hirn-Schranke. Im Gehirn besitzen sehr viele Zellen IGF-I-Rezeptoren [7] und das Hormon wird als neuronaler Überlebensfaktor [53] angesehen. Als Neuroprotektor ist IGF-I essenziell beteiligt an

  • der belastungsbedingten Neurogenese im Hippokampus [54] und Gyrus dentatus [55] und darüber u. a. ein Faktor der Gedächtnisleistung [49],

  • der belastungsbedingten Neovaskularisation [52, 41] im Gehirn bzw. der Angiogenese auch in anderen Geweben [16]

  • der Beeinflussung des O2-Managements in den Neuronen,

  • der Sicherung des lebenswichtigen Glucosemetabolismus der Neurone [25],

  • der Modulation einer breiten Palette homöostatischer Mechanismen von den grundlegenden metabolischen Erfordernissen bis zur Aufrechterhaltung der Plastizität [53],

  • der Modulation der apoptose- und der neuritogeneseabhängigen Proteine [17],

  • der Modulation der Ca-Homöostase,

  • der Modulation der Membranerregbarkeit durch die Beeinflussung der Ionenkanäle, der Synapsengröße und der Glutamatrezeptoren [53] und

  • der Regulation der Amyloidablagerungen im Gehirn durch Vergrößerung der Clearance [14].

Der Wachstumsfaktor IGF-I hat mit dieser Wirksamkeitspalette auch einen Einfluss auf das Schlaganfallgeschehen sowohl im Sinne der Prävention wie der Therapie. Die belastungsinduzierten Anstiege des IGF-I erhöhte die Überlebensrate und die Plastizität im Gehirn. Systematische aerobe Belastungen steigern die Aufnahme von IGF-I in ischämische Hirngebiete (Motorkortex, Striatum), das Infarktvolumen wird reduziert und die sensomotorische Funktion signifikant verbessert [12].

Im ZNS sind weitere beanspruchungsabhängige Mechanismen aktiv, die die neuronalen Netzwerke funktionsfördernd und protektiv beeinflussen. Intensive synaptische Übertragungsprozesse triggern einen für die Neurone protektiven Signalweg. Sie aktivieren einen Transkriptionsfaktor (ATF-3). Dieser schützt zumindest im Laborversuch Neurone des Hippokampus vor der Apoptose und dem (NMDA-Rezeptor) induzierten Zelltod, der u. a. durch einen Abfall der Glucose- und Sauerstoffversorgung hervorgerufen wird. Bei Tieren vermag die Aktivierung des Transkriptionsfaktors auch den Schädigungsgrad eines zerebralen ischämischen Insults zu reduzieren [58]. Diese Ergebnisse kennzeichnen die synaptische neuronale Aktivität nicht nur als Voraussetzung für die zelluläre Funktionsfähigkeit, die Entwicklung einer erleichterten Erregungsübertragung (Langzeitpotenzierung) im für das Gedächtnis verantwortlichen Hippokampus, sondern auch für das Überleben der Neurone. Auf alle Fälle scheint die elektrische Aktivität zur Aktivierung von Genen zu führen, die neuroprotektive neuronale Reaktionen zur Folge haben [4].

Rüstige alte Menschen haben im Vergleich zu gebrechlichen höhere BDNF-Plasmaspiegel

Ein weiterer für das Wachstum und die Differenzierung der Neurone verantwortlicher Wachstumsfaktor ist das Protein „brain-derived neurotropic factor“ als Produkt des BDNF-Gens [6]. Er ist Mitglied der Familie der Neurotropine (auch „glial-derived neutrophic factor“ [GDNF], „nerve growth factor“ [NGF]), welche im zentralen und peripheren ZNS aktiv sind. Zum Beispiel haben rüstige im Vergleich zu gebrechlichen alten Menschen die höheren BDNF-Plasmaspiegel. Beide Gruppen reagieren auf ein Physiotherapieprogramm mit einer Erhöhung der Konzentration, sodass physische Beanspruchung auch im Alter entsprechend wirksam ist. Diesem Wachstumsfaktor muss demnach auch eine inaktivitätsbedingte Rolle bei der Entwicklung der Gebrechlichkeit zugeschrieben wird [13].

Im Tiermodell lässt sich zeigen, dass aerobe Trainingsbelastungen über längere Zeiträume gegenüber kürzeren (ein Monat gegenüber 6 Monate) einen höheren Grad an Neuroprotektion auslösen. Die Synapsenfunktionen, die Zeichen des oxidativen Stresses, die sensomotorische sowie die kognitive Funktion werden positiv beeinflusst [18]. Neben der Dauer der Trainingszeiträume ist auch die Intensität ein wichtiger Parameter für die Auslösung protektiver Wirkungen. Intensivere aerobe Belastungen veranlassen eine signifikant stärkere Ausprägung des hypoxieinduzierbaren Faktors („hypoxic inducible factor“[HIF]-1α), intensivieren die Glykolyse in den Neuronen, erhöhen die Expression von Glucosetransportern, der Phosphofruktokinase, der Laktatdehydrogenase und der AMP-aktivierten Proteinkinase (schützt vor ATP-Mangel). Mit diesen Adaptationen ist die Neuroprotektion gegenüber ischämischen Ereignissen gesteigert [28].

Lebenszyklus Belastung – Adaptation

Der Lebenszyklus Belastung – Adaptation kennzeichnet und prägt die Ontogenese des Menschen. Er verantwortet bei „ausreichender“ und „ausgewogener“ Dosierung der Belastung die Struktur und Funktion des Organismus im Sinne von Entwicklung, Erhaltung und Gesundheit, führt bei chronischer Inaktivität zu Funktions- und Leistungseinbußen und ist darüber ein gut bekanntes Kettenglied in der Ätiologie von internistischen, psychischen und orthopädischen Erkrankungen und er ist auf der anderen Seite bei chronischen Über- und Fehlbelastungen gleichartig wirksam (Abb. 2). Im Kindes- und Jugendalter ist er sogar essenziell für die Ausprägung der genetischen Potenzen und entsprechend für die physiologische Entwicklung der Struktur und Funktion. Ungenügende altersadäquate Belastungen legen frühzeitig die Grundlagen für chronische Krankheitsentwicklungen (s. oben). Im frühen und mittleren Erwachsenenalter sollte die Belastung stets so dosiert werden, dass die Funktions- und Leistungsfähigkeit erhalten wird und ein frühzeitiger inaktivitätsbedingter Abbau ausbleibt. Spezifische mentale (geistige Leistungen) und sensomotorische (Sport) Zielstellungen lassen sich ausschließlich durch ein darauf spezifisch abgestimmtes, in der Regel sehr langfristig angelegtes Belastungsregime verwirklichen. Der Begriff für ein solches Belastungsregime ist Training. Es handelt sich um eine auf das konkrete Ziel ausgerichtete komplexe, nach wissenschaftlichen Kriterien organisierte, planmäßige, langfristige, logische, systematisch aufgebaute und geregelte Gestaltung des Prozesses Belastung-Beanspruchung-Adaptation [38]. Regelung erfolgt, weil das aktuelle Trainingsprogramm hinsichtlich Inhalt, Umfang und Intensität immer dem bis dahin erworbenen Adaptationszustand entsprechen muss, um Leistungen wieder aufzubauen, zu stabilisieren oder weiter auszuprägen. Es gibt eine gesetzmäßige Wechselbeziehung zwischen Belastung, Adaptation und Leistung. Das Training ist die einzige Methode, um diese Komponenten gezielt miteinander zu verknüpfen.

In einem Positionspapier der International Society of Exercise and Immunology (ISEI) konstatieren Walsh et al. [57] Konsensus darüber, dass Training (ein systematisch realisierter Zyklus Belastung – Adaptation) auch präventiv für eine Reihe von onkologischen Erkrankungen wirksam ist. Ebenso, dass Training die Antitumorimmunität erhöht und Entzündungsmediatoren vermindert. Bis heute sind aber die konkreten Schnittstellen dieser Beziehungen zwischen den immunologischen und entzündlichen Mechanismen, der physischen Aktivität und dem Krebsrisiko noch sehr unzureichend verstanden und sie müssen deshalb als vorläufig betrachtet und intensiv untersucht werden.

Beeinflussung der Alterungsprozesse

Der Zyklus Belastung – Adaptation ist auch ein Hauptelement bei der gezielten Beeinflussung der Alterungsprozesse. Ein umfängliches sensomotorisches Koordinationstraining, so vielfältig wie möglich, vermittelt über die neurohumeralen Regulationen, richtet sich gegen die Apoptose in den Neuronenpopulationen und den Abbau der Vernetzung. Das Ausdauertraining wie das Krafttraining haben gegenüber der Jugend im Alter zwar geringere Auslenkungen der Hormonfreisetzungen zur Folge, sie bleiben dennoch die einzige und essenzielle Wirkungsgrundlage zur Verzögerung des systematischen Abbaus der aeroben Kapazität sowie der Entwicklung der Sarkopenie. Die sogar wahrscheinlich intensivere Stimulation der GH- und IGF-Freisetzung infolge des Trainings der konditionellen Fähigkeiten Ausdauer und Kraft gegenüber dem der Bewegungskoordination hat möglicherweise einen noch intensiveren protektiven Effekt für das Gehirn.

Dem Training der konditionellen Fähigkeiten kann somit eine Verstärkerfunktion für die Erhaltung der Struktur und Funktion des Gehirns zugeschrieben werden.

Physische Aktivität (Laufen) steigert u. a. die Neurogenese im Hippokampus und sichert, unterstützt und entwickelt damit die Gedächtnisleistungen des Gehirns (beachte Kognition und sensomotorische Koordination sind sehr eng verknüpft), triggert die synaptische Plastizität und fördert damit Lernprozesse [56]. Mit dieser sehr wichtigen, aber nicht vollständigen zusammenfassenden Tatsache sollte eine systematische physische Belastung das prägende Merkmal der gesamten Ontogenese als essenzieller Entwicklungsreiz, zur Erhaltung der strukturelle Integrität und Funktion sowie als Instrument der Wahl zur Beeinflussung der Alterungsprozesse sein.

Des Weiteren ist eine organisierte physische Belastung und damit der aktive Zyklus Belastung – Adaptation ein wichtiges Instrument, um chronische Schmerzsyndrome zu verhindern oder zu lindern. Untersuchungen der zerebralen Durchblutung [46] zeigen, dass sensomotorisch hoch relevante Hirnstrukturen an der Verarbeitung des Schmerzes beteiligt sind, sodass eine intensive Interaktion zwischen Bewegung und Schmerz besteht. Des Weiteren beeinflussen durch die Beanspruchung auch aktivierte efferente Schmerzhemmsysteme indirekt und direkt ausgehend vom Motorkortex, dem Thalamus, dem Mittelhirn (periädukatales Grau), der Brücke (Locus coeruleus) und der Medulla oblongata (Nc. raphe magnus) die schmerzrelevanten Neuronenpools im Hinterhorn des Rückenmarks. Auch die motorischen Efferenzen der Pyramidenbahn wirken sich im Hinterhorn aus. Gleichfalls tragen die propriorezeptiven Afferenzen dort auch direkt zur Minimierung oder Auslöschung der Wirksamkeit von Schmerzafferenzen bei. Die intensive Beteiligung der primären sensorischen und motorischen Kortexareale und ihrer kortikokortikalen und kortikosubkortikalen Verknüpfungen und damit von Bewegungen an der Schmerzchronifizierung und -unterdrückung belegt die Tatsache, dass einerseits chronische Schmerzen mit veränderten Repräsentationen im primären somatosensorischen Kortex verbunden sind [42] und andererseits dass die elektrische Stimulation des primären Motorkortex therapieresistente chronische neuropathische Schmerzen reduzieren kann [39]. Efferenzen des Tractus corticospinalis modulieren direkt die Verarbeitung der nozizeptiven Afferenzen der C-Fasern im Hinterhorn [51] des Rückenmarks.