Es ist nicht alles KISS, was krumm ist

Der Mensch hat die angeborene Neigung, komplizierte Dinge und komplexe Vorgänge zu vereinfachen, um bequemer damit umgehen zu können und sich leichter verständlich zu machen. Diese Vorgehensweise hat zweifellos einige Vorteile, birgt aber auch die Gefahr der Simplifizierung und Ungenauigkeit. Als Beispiel möge die sog. „kopfgelenkinduzierte Symmetriestörung“ dienen, kurz KISS genannt, die sowohl bei Medizinern als auch bei Nichtmedizinern große Beachtung findet. Unbeschadet der semantischen Widersprüchlichkeit und nosologischen Ungenauigkeit des Begriffs KISS ist dank eingängiger Internetdarstellung die Zahl der Laiendiagnostiker in letzter Zeit beachtlich gestiegen, was einen sprunghaften Anstieg der die Diagnose KISS zur Folge hat. Das muss nicht immer von Nachteil sein, wie die praktische Erfahrung lehrt, führt jedoch häufig zu unnötiger Besorgnis bei Eltern und zu überflüssigen Behandlungen. Auch hat sich gezeigt, dass die populäre Darstellung der KISS den diagnostischen Blick einzuengen droht, denn es ist eben nicht alles KISS, was krumm ist. Tabelle 1 zeigt verschiedene differenzialdiagnostische Beispiele von Symmetriestörungen, bei denen die Kopfgelenke weitgehend unschuldig sind.

Tabelle 1 Symmetriestörungen im Säuglingsalter—differenzialdiagnostische Beispiele

Fatal ist, wenn Kinder mit zerebralen Störungen einer frühzeitigen Diagnose entgehen, weil richtungweisende Untersuchungen unterbleiben oder pathologische Befunde falsch gedeutet werden, wodurch die prognostisch wichtige frühzeitige Behandlung nicht selten versäumt wird.

Physiologische Frühgeburt

Je jünger der Säugling ist, desto schwieriger ist es, pathologische Befunde von noch physiologischen Reaktionen zu unterscheiden. In den ersten 6–8 Wochen zeigt der Säugling Bewegungsschablonen aus entwicklungsgeschichtlich alten Hirnteilen, die sich etwa ab dem 3. Lebensmonat zunehmend dem Regiment übergeordneter und phylogenetisch jüngerer Hirnareale unterwerfen. Frühkindliche Reaktionen bei jungen Säuglingen wie der Schreitreflex und der Placingreflex verschwinden nach einigen Wochen und kehren erst viele Monate später als zielmotorische Leistung wieder. Ähnliches gilt für die Moro-Reaktion. Dagegen erscheint das soziale Lächeln erst mit 3–4 Monaten, obwohl es zu Lebensbeginn für das Überleben besonders wichtig wäre; ebenso kann sich ein Neugeborenes bei Abkühlung nicht durch Kältezittern selbst erwärmen, auch diese Fähigkeit erscheint erst mit 2–3 Monaten [11]. Prechtl [14] geht davon aus, dass der ursprüngliche Geburtstermin des Urmenschen sich im Laufe der Entwicklungsgeschichte wegen der Relationsverschiebung Kopf zu Rumpf um ca. 2–3 Monate vorverlagert hat, während das motorische Verhalten den alten Zeitplan einhielt. Schreitreflex und Moro-Reflex werden von Prechtl als vorgeburtliche Reaktionen gedeutet. Portmann [13] bezeichnet den Säugling als „physiologische Frühgeburt“, da die Geburt 2–3 Monate früher erfolge, als es dem Reifezustand des Verhaltens entspricht.

Bestimmte Phänomene, die beim 3–4 Monate alten Säugling schon als verdächtig oder pathologisch angesehen werden müssen, können in den ersten 8–10 Wochen noch als Zeichen einer physiologischen Unreife betrachtet werden.

Ist die einseitige Kopfwenderichtung pathologisch?

Verschiedene Autoren machten unabhängig voneinander die Beobachtung, dass 80% der Mütter in aller Welt das Kind auf der linken Seite tragen [6, 9, 12, 17, 18]. Lockard et al. [12] deuten dies mit der Händigkeit der Mutter, Salk [18] vermutet, der Herzschlag der Mutter sei der Grund für diese Linkstragegewohnheit. Ginsburg et al. [8] kamen zur Erkenntnis, dass die Kopfwendepräferenz des Kindes die Ursache für die mütterliche Gewohnheit ist, das Kind auf der linken Seite zu tragen: 75–80% der Säuglinge in allen Kulturkreisen werden mit einer einseitigen Kopfwenderichtung nach rechts geboren (Abb. 1). Diese Kopfwenderichtung wird vom Kind auch spontan wieder eingenommen, wenn der Kopf passiv zur anderen Seite gehalten wird; mit ca. 8–12 Wochen verliert sich diese Gewohnheit ohne weiteres Zutun. In gleicher Weise ist eine einseitige positive Halsstellreaktion in den 1. Lebenswochen im Zusammenhang mit einer einseitigen Kopfwenderichtung als singuläres Symptom nicht als pathologisch zu sehen und kann daher nicht ohne weiteres als Zeichen einer Kopfgelenkblockierung oder gar „kopfgelenkinduzierten Symmetriestörung“ angesehen werden. Für diese Diagnosen müssten weitere pathologische Merkmale nachweisbar sein.

Abb. 1
figure 1

Kopfwendepräferenz des Neugeborenen

Es besteht allerdings kein Zweifel, dass im Säuglingsalter behandlungsbedürftige funktionelle Störungen an bestimmten Regionen des Achsenorgans beobachtet werden, die nachteiligen Einfluss auf die sensomotorische Entwicklung nehmen, ohne dass eine zerebrale Ursache zugrunde liegt [5]. Mitunter ist der Übergang vom noch Normalen zum schon Pathologischen fließend, in anderen Fällen kann die klinische Symptomatik so eindrucksvoll sein, dass der Anschein einer zerebralen Läsion entsteht.

Pathogenetische Differenzierung

Sowohl für die Prognose als auch für die Therapie ist es daher wichtig zu entscheiden:

  • liegt eine behandlungsbedürftige Situation vor oder kann zugewartet werden (mit entsprechender Kontrolle);

  • handelt es sich, sofern ein behandlungsbedürftiger Befund erhoben wird, um eine zerebrale oder um eine peripher-dysfunktionelle Bewegungsstörung.

Ein Patentrezept, mit dem sich diese Fragen sicher beantworten lassen, gibt es nicht. Es stehen allerdings Kriterien und Untersuchungstechniken zur Verfügung, die mit einer recht hohen Wahrscheinlichkeit die richtige Antworte auf diese Fragen geben. Abgesehen von der Röntgendiagnostik handelt es sich dabei ausnahmslos um klinische Untersuchungen.

Die Röntgendiagnostik dient bei manualmedizinischem Vorgehen zum Ausschluss von Kontraindikationen und zur Durchführung bestimmter Therapiemethoden. Eine sog. Segmentblockierung hingegen lässt sich röntgenologisch nicht erfassen, geschweige denn eine zerebrale Läsion.

10-Punkte-Programm

Aus eigener langjähriger Erfahrung mit der Untersuchung bewegungsgestörter Säuglinge und Kleinkinder wurde ein standardisiertes Untersuchungsprogramm abgeleitet, bestehend aus 10 Untersuchungseinheiten einschließlich Röntgendiagnostik [2, 3]. Dieses Untersuchungskonzept wird seit Jahren in den von der ÄGAMK durchgeführten Villinger Kursen für manuelle Kinderbehandlung gelehrt und hat sich in der vorliegenden didaktischen Gliederung bewährt. Das Villinger Schema (Tabelle 2) ermöglicht eine Klassifikation des Krankheitsbildes und erlaubt die sofortige Umsetzung in therapeutisches Handeln.

Tabelle 2 Untersuchungsprogramm bei Säuglingen—Villinger Schema

Bei entsprechender Erfahrung und geeigneten Dokumentationsvorlagen ist der Zeitaufwand für dieses Programm relativ gering, der Informationsgehalt dafür sehr hoch.

Die nachstehende Erläuterung der einzelnen Untersuchungsschritte beschränkt sich auf die wesentlichsten Aspekte; eine detaillierte Darstellung würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen und ist den Weiterbildungskursen vorbehalten.

Beurteilung der Kopf-/Körperhaltung

Die Rückenlage stellt an das sensomotorische System des Säuglings andere Anforderungen als die Bauchlage. Deswegen zeigen Kinder mit segmentalen Dysfunktionen an den Schlüsselregionen des Achsenorgans ebenso wie Kinder mit zerebralen Bewegungsstörungen meist eine ausgesprochene Abneigung gegen die Bauchlage. Mitunter können pathologische Muster in Bauchlage noch sichtbar gemacht werden, wenn das Verhalten in Rückenlage unauffällig erscheint. (Abb. 2a und b)

Abb. 2
figure 2

a 4,5-monatiger Säugling, Haltungsasymmetrie in Bauchlage, fehlende Kopfkontrolle, kein Unterarmstütz; b 6-monatiger Säugling, fehlende Kopfkontrolle in Bauchlage, kein Unterarmstütz; c Plagiozephalus bei TAS

Zu beurteilen sind in Bauch- wie in Rückenlage die Kopf- und Rumpfkontrolle, die Gesichts- und Schädelform, Haltung und Stellung der Extremitäten, Blickwenderichtung, Atembewegung des Abdomens, ggf. Strabismus usw. Als pathologische Befunde werden z. B. dokumentiert:

  • einseitige Rotation und Neigehaltung des Kopfes,

  • fehlende oder unzureichende Kopfaufrichtung und Stützreaktion aus der Bauchlage,

  • Rumpfskoliose,

  • eingeschlagener Daumen,

  • vermehrtes Fausten,

  • Schädelasymmetrie (Abb. 2c),

  • Asymmetrie der Hüftkonturen,

  • asymmetrische Haltung der Beine und Füße,

  • Hinweise auf persistierende Primitivreflexe und

  • symmetrische oder asymmetrische Tonusstörung.

Auch hier müssen physiologische Varianten von pathologischen Befunden unterschieden werden: junge Säuglinge weisen bei passiver oder aktiver Rotation des Kopfes häufig die sog. Fechterhaltung auf mit Streckung der gesichts- und Beugung der hinterhauptseitigen Extremitäten. Es handelt sich hierbei nicht, wie allgemein angenommen, um den sog. asymmetrischen tonischen Nackenreflex (ATNR), weil die Fechterhaltung nicht tonisch fixiert ist, im Gegensatz zu Kindern mit ausgeprägten zerebralen Bewegungsstörungen, die in einem tonischen Muster verharren. Die physiologische Fechterhaltung verliert sich gegen Ende der 8.–10. Woche, kann aber auch unter normalen Bedingungen als sporadisches „Hintergrundmuster“ noch bis zum 4. und 5. Monat beobachtet werden. Persistiert die Fechterhaltung als kopfwendeabhängiges Muster über längere Zeit, ist dies ein Hinweis auf eine sensomotorische Reifungsverzögerung ohne Beweis für eine zerebrale Ursache.

Orthopädischer Status

Gefahndet wird wie üblich nach Achsenfehlstellungen der Wirbelsäule oder Fehlbildungen an Kopf, Rumpf und Extremitäten. Die Mobilität der einzelnen Wirbelsäulenabschnitte und der Extremitäten wird untersucht, der Muskeltonus geprüft, gefahndet wird nach muskulären, kapsulären und ligamentären Kontrakturen, Formfehlern des Skelettsystems und krankhaften Veränderungen an den Gelenken. Beim Tonusasymmetriessyndrom (TAS) ist neben einer Gleitstörung der Patella häufig ein Streck- oder Beugedefizit im konkavseitigen Ellbogen- oder Kniegelenk zu finden, ebenso eine „windschiefe „ Fußhaltung [2] mit Vorfußadduktion auf der einen und Abduktion auf der anderen Seite.

Besondere Aufmerksamkeit verdienen die Hüftgelenke; hier ist im Rahmen der Frühdiagnostik die Sonographie obligatorisch.

Beurteilung der frühkindlichen Reaktionen

Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass verschiedene Autoren [11, 13, 14] das reflektorisch-motorische Verhalten des Säuglings in den ersten 2–3 Monaten als vorgeburtliche Bewegungen bezeichnen. Hierzu gehören die sog. frühkindlichen Reaktionen: Magnetreflex, Schreitreaktion, Placingreaktion, Galant-Reaktion, Gabellareflex, Moro-Reaktion, Bauerreaktion, Fechterhaltung usw. (Abb. 3) Auf die detaillierte Beschreibung dieser Reaktionen wird mit Hinweis auf die einschlägige neuropädiatrische Literatur verzichtet [7, 15]. Diese Reaktionen sind beim gesunden Neugeborenen normalerweise auslösbar, die physiologische Waltezeit der Reaktionen schwankt zwischen 4, 6 und 8 Wochen. Ein Persistieren dieser Reaktionen weit über den 3. Monat hinaus ist ebenso auffällig wie ein Fehlen dieser Reaktionen bzw. ein Auslösen mit verlängerter Latenzzeit.

Abb. 3
figure 3

Frühkindliche Reaktionen

Beurteilung der generalisierten Motorik (general movements)

Der Ethologe und Neuropädiater Heinz Prechtl entwickelte in den 70er Jahren am Neuropädiatrischen Institut der Universität Groningen/NL mit den Methoden der vergleichenden Verhaltensforschung ein diagnostisches Verfahren zur Beurteilung der autonomen Bewegungen junger Säuglinge („assessement of general movements“). Diese Untersuchungsmethode hat sich inzwischen als zuverlässige Methode zur Früherkennung von Bewegungsstörungen erwiesen [10, 16].

Fetale Bewegungen sind bereits 7–8 Wochen nach der letzten Menstruation sonographisch sichtbar In dieser frühen Säuglingsphase führt das Kind andauernd wechselnde motorische Muster durch, wobei es auf ein ständig variierendes Repertoire komplexer Bewegungen zurückgreift. Typisch ist die Gleichzeitigkeit komplexer, variabler und flüssiger Bewegungen. Es sind Komplexbewegungen von einigen Sekunden bis Minuten Dauer. Die Beurteilung der generalisierten Motorik ist in den ersten 4 Lebensmonaten möglich, bevor die Willkürmotorik diese autonomen Bewegungen ablöst.

Prechtl teilt die Bewegungsarten in 3 Phasen ein, gerechnet ab der letzten Menstruation:

  1. 1.

    Frühgeborenenphase („preterm general movements“) von der 36.–38. Woche p.m. (post menstruationem).

  2. 2.

    Räkelphase („writhing age“) von der 36./38.–46./48. Woche p.m., also etwa von der Geburt bis zur 8. Lebenswoche.

  3. 3.

    Zappelphase („fidgity age“) von der 46./48.–56./58. Woche p.m., also etwa vom 3.–4,5. Lebensmonat.

Die Bewegungen eines gesunden Säuglings in allen 3 Phasen sind variabel, komplex und fließend, als abnormal gelten stereotype, einfache, monotone, abrupte, steife und starre Bewegungen. Aus diesen Beurteilungskriterien ergibt sich für jede Phase folgende Qualitätsskala:

  • normal,

  • suboptimal,

  • auffällig,

  • eindeutig abnormal.

Aufgrund ausgedehnter Quer- und Längsschnittuntersuchungen konnte gezeigt werden, dass die Beurteilung der frühkindlichen generalisierten Motorik frühzeitig eine zuverlässige Voraussage über die normale oder pathologische motorische Entwicklung des Kindes erlaubt, die in ihrer Treffsicherheit möglicherweise den herkömmlichen neurologischen Untersuchungsmethoden sogar überlegen ist.

Labyrinthstellreaktion (LSR)

Die Prüfung der frontalen Labyrinthstellreaktion ist bei jeder Säuglingsuntersuchung obligatorisch: der senkrecht, exakt am Becken gehaltene Säugling wird in einer langsamen Bewegung zur rechten und anschließend zur linken Seite gekippt. Der Rücken des Kindes ist dem Untersucher zugewandt. Beurteilt werden ab dem 3. Lebensmonat die Aufrichtung des Rumpfes und Einstellung des Kopfes im Raum. Physiologisch ist eine lotrechte Einstellung des Kopfes mit horizontaler Mundstellung und harmonischer Ausgleichskonvexität des Rumpfes zur jeweiligen Kippseite (Abb. 4).

Abb. 4
figure 4

Normale LSR beidseits

Pathologisch ist das einseitige oder beidseitige Abkippen des Rumpfes spätestens ab dem 4. Lebensmonat (Abb. 5). Diese Reaktion ist nicht spezifisch für die Kopfgelenke oder die Halswirbelsäule, sondern kann auch bei primären Funktionsstörungen an anderen Wirbelsäulensegmenten bis hin zum ISG phatologisch ausfallen.

Abb. 5
figure 5

Pathologische LSR nach links

Halsstellreaktion (HSR)

Beim Prüfen der Halsstellreaktion wird der Kopf des auf dem Rücken liegenden Säuglings langsam passiv zur einen, dann zur anderen Seite rotiert. Bei jungen Säuglingen in den ersten 4–6 Wochen kann es zu einer En-bloc-Rotation des ganzen Körpers bei passiver Drehung des Kopfes kommen, die auch seitendifferent sein kann, als singuläres Zeichen jedoch nicht pathologisch zu werten ist. Ab dem 3. Lebensmonat sollte die passive Rotation des Kopfes zu beiden Seiten ohne Mitbewegen des Körpers möglich sein, gestattet ist eine leichte Rumpfkonvexität zur Gesichtseite (Abb. 6a).

Abb. 6
figure 6

a Normale HSR nach rechts, b abnormale HSR nach links bei 3-monatigem Säugling

Abnormal ist eine einseitige oder auch doppelseitige Mitrotation des Rumpfes (Abb. 6b), abnormal sind bei älteren Kindern seitendifferente Bewegungsantworten ggf. mit Schulterretraktion, Adduktion und Innenrotation der Beine sowie Spitzfußhaltung. Dieser Kopfrotationstest wird in Mittelstellung der Halswirbelsäule, in Nutation und in Reklination durchgeführt. Hierdurch ist eine approximative Höhenbestimmung einer segmentalen Dysfunktion möglich (Kopfgelenke, mittlere Halswirbelsäule, zervikodorsaler Übergang). Diese Untersuchung dient also sowohl der Beweglichkeitsprüfung der Halswirbelsäule als auch der Beurteilung der von den Nackenrezeptoren induzierten Bewegungsantwort des Körpers. Eine einseitig positive Halsstellreaktion spricht für eine segmentale Dysfunktion, eine doppelseitig positive Reaktion, verbunden mit Erhöhung des Muskeltonus und Opisthotonus, kann Hinweis auf eine zentrale Störung sein.

Seitneigetest (SNT)

Wie bei der vorigen Reaktion werden beim Seitneigetest des Kopfes sowohl die Beweglichkeit der Halswirbelsäule als auch die Bewegungsantwort des Rumpfes und der Extremitäten beurteilt. Physiologisch ist bei passiver Seitneige des Kopfes eine leichte Rumpfkonvexität zur Gegenseite bei lockerer Extremitätenhaltung. Pathologisch ist neben der eingeschränkten Seitneigebewegung eine Ausweichrotation des Rumpfes über die sagittale (supraumbilikale) Achse (Abb. 7).

Abb. 7
figure 7

Abnormaler SNT nach rechts (Ausweichbewegung des Rumpfes und eingeschränkte Kopfseitneige). Normaler Befund nach links

Diese 3 Tests: Labyrinthstellreaktion (LSR), Halsstellreaktion (HSR) und Seitneigetest sind bei geringstem Zeitaufwand äußerst aussagefähig.

Manualmedizinische Exploration der sensorischen Schlüsselregionen

Mit LSR, HSR und Seitneigetest wurde bereits die Beweglichkeit der Halswirbelsäule und des zervikodorsalen Übergangs geprüft. Gleiches erfolgt durch passive Rotation des Beckens gegenüber dem Schultergürtel für den dorsolumbalen Übergang (Abb. 8).

Abb. 8
figure 8

Bewegungsprüfung des dorsolumbalen Überganges

Die manuelle Untersuchung der ISG beginnt mit der vergleichenden Beweglichkeitsprüfung in den Hüftgelenken:

  • Abduktion,

  • Adduktion,

  • Beugeadduktion des Beins zur Gegenschulter,

  • Innen- und Außenrotation,

  • Extension und Flexion jeweils im Seitenvergleich.

Bewegungseinschränkungen in einem Hüftgelenk bei sonographisch intakter Hüfte deuten auf eine sakroiliakale Dysfunktion hin (Abb. 9).

Abb. 9
figure 9

Außenrotationseinschränkung im linken Hüftgelenk

Der orientierenden Beweglichkeitsprüfung folgt die palpatorische Untersuchung der autochthonen Muskulatur, gesucht wird nach segmentalen Nozireaktionen und seitendifferentem Tonus (Abb. 10). In klassischer Weise wird dabei durch segmentale Bewegung die therapeutische Richtung ermittelt. Dieser Vorgang erfordert beim Säugling wegen der kleinen anatomischen Verhältnisse einige Übung. Zur manuellen Diagnostik gehört auch die funktionelle Untersuchung der stammnahen und -fernen Extremitätengelenke.

Abb. 10
figure 10

Palpatorische Untersuchung des zervikookzipitalen Übergangs

Myofasziale (osteopathische) Diagnostik

Ein Kind mit TAS aufgrund segmentaler peripherer Funktionsstörungen zeigt ebenso eine gestörte myofasziale Viskoelastizität an Kopf, Rumpf und Extremitäten wie ein Kind mit zerebraler Bewegungsstörung. Zu untersuchen sind daher die epikraniellen fibromuskulären Strukturen des Schädels auf Strammung und Lockerung, der Zustand der Schädelnähte, die myofaszialen Strukturen der Übergangsregionen des Achsenorgans einschließlich Diaphragma in Verbindung mit der Fascia thoracolumbalis (Abb. 11). Aufschlussreich ist v. a. bei Säuglingen mit Gedeihstörungen die Untersuchung des Abdomens, wobei sich umschriebene Indurationen in Höhe des Pylorus, der Kardia, der iliozökalen Klappe usw. finden lassen, ebenso auch an den ligamentären Verbindungen des Beckens. Ein dysfunktionelles Tonusasymmetriesyndrom (TAS), das bereits längere Zeit besteht, zeigt regelmäßig auch myofasziale und funktionelle Befunde am femuropatellaren Gleitlager, dem proximalen Tibiofibulargelenk sowie den Talonavikulargelenken.

Abb. 11
figure 11

Myofasziale Untersuchung der Fascia thoracolumbalis

Neurologische Untersuchung

Muskeleigenreflexe als propriozeptive, segmental gebundene Reflexe sind beim normal entwickelten Säugling stets vorhanden, bei unruhigen Kindern jedoch nicht immer einfach zu erhalten. Beurteilt wird nach den bekannten Kriterien. Zu den exterozeptiven Reflexen zählen die sog. Pyramidenzeichen (Babinski, Roche, Chaddock, Oppenheim, Gordon, Rossolimo).

Eindeutig positive Pyramidenzeichen sind Hinweis auf eine kortikospinale Störung.

Phasische und tonische Streckreaktionen der Extremitäten sind in den ersten 4–6 Lebenswochen als physiologische Reflexe zu beobachten, sie sollten bis zum 3. Lebensmonat allmählich verschwinden. Zu den phasischen Streckreaktionen zählen Handwurzel- und Fersenreflex.

Durchführung des Handwurzelreflexes: Beklopfen der Handwurzel bei maximal dorsal extendiertem Handgelenk in Richtung auf den gebeugten Ellbogen. Antwort: phasische Streckung der Extremität mit Beugung der Finger.

Durchführung des Fersenreflexes: Fuß wird maximal in Dorsalextension gehalten, die Ferse wird in Richtung des Unterschenkels beklopft, die Antwort besteht in einer phasischen Streckung der unteren Extremität, ggf. mit Zehenbeugung.

Fersen- und Handwurzelreflex sind Zeichen einer Störung der kortikospinalen Regulation und ständige Begleiter der infantilen Spastik. Ab dem 3. Lebensmonat sind sie nur als abnormale Reflexe zu beobachten. Sie können allerdings auch in abgeschwächter, meist einseitiger Form bei peripher dysfunktionellem Syndrom (z. B.TAS) auftreten, sollten aber nach erfolgreicher Behandlung der funktionellen Störung verschwinden. Eine Persistenz dieser phasischen Streckreaktionen mit eindeutiger Reflexantwort ist abnormal und erlaubt die frühzeitige Erkennung einer infantilen Zerebralparese.

Tonische Streckreaktionen sind der suprapubische Streckreflex sowie der gekreuzte Streckreflex.

Durchführung des suprapubischen Streckreflexes: Kopf in Mittelstellung, Fingerdruck auf die Mitte der Symphyse. Die positive Antwort besteht in einer stereotypen Streckung eines oder beider Beine (meist in Innenrotation, Adduktion Spitzfußstellung).

Durchführung des gekreuzten Streckreflexes: Beugung eines Knies und Druck des Hüftkopfes über den Oberschenkel in die Hüftpfanne bei leichter Adduktion des Oberschenkels. Positive Antwort: Streckung des anderen Beins, meist in Adduktion, Innenrotation, Spitzfußstellung.

Positive Streckreaktionen sind spätestens ab dem 3. Lebensmonat ein Hinweis auf eine zerebrale Bewegungsstörung.

Ein weiteres sicheres Zeichen der infantilen Spastik bzw. einer kortikospinalen Störung ist der Fußklonus, der über kurze, rhythmische Bewegung des Fußes in Dorsalextension bei leichter Kniebeuge ausgelöst wird. Der Klonus zeigt sich als serielle, rasch ablaufende Plantarflexionsbewegung des Fußes über mindestens 3 s.

Weitere Zeichen einer zentralen Störung sind ein weit über das 2. Trimenon hinaus persistierender Handgreifreflex sowie der Babkin-Reflex: bei Fingerdruck in die palmare Handfläche kommt es zu Öffnen des Mundes. Diese Reaktion ist in den ersten 4 Lebenswochen noch physiologisch, bei älteren Kindern ein Hinweis auf eine kortikospinale Störung.

Neurokinesiologische Untersuchung

Die wohl verbreitetste Screeninguntersuchung im Säuglingsalter ist die Prüfung der Lagereaktionen nach Vojta [1]. Sechs dieser Lagereaktionen hat Vojta bereits vorgefunden und fügte eine 7. hinzu, die Vojta-Reaktion. Sein unbestrittenes Verdienst besteht in der entwicklungsphysiologischen Analyse dieser Reaktionen und der Standardisierung ihrer Bewertung [20]. Die Lagereaktionen nach Vojta können als statokinetische Reaktionen bezeichnet werden, da sie durch Bewegungen ausgelöst werden und bestimmte Bewegungsantworten zeigen. Alle Reaktionen zeigen die Gesetzmäßigkeiten der in den motorischen Zentren des Hirnstamms integrierten Handlungsabläufe der Stell- und Haltereflexe [19], wobei die Bewegungsantworten des gesunden Säuglings entsprechend dem Reifezustand des ZNS unterschiedliche und typische Muster aufweisen. Diese Bewegungsmuster werden nach Trimena eingeteilt (1.–4. Trimenon), zeigen jedoch stets gleitende, sich mitunter überlappende Übergangsmuster. Die Beurteilung der Lagereaktionen nach Vojta erfordert einige Übung, bei fehlerhafter Durchführung besteht die Gefahr falsch-positiver oder falsch-negativer Befundauswertung. Auf Durchführung und Bewertung der einzelnen Reaktionen kann hier nicht eingegangen werden.

Die häufigsten Fehlerquellen seien kurz skizziert: fehlerhaft ist beim Traktionsversuch das Anheben des Rumpfes bis zum Sitzen, statt nur bis zu einem Winkel von 45°, ebenso ist die Berührung des Handrückens zu vermeiden. Beim Axillarhang soll das Kind nicht in den Achselhöhlen hängen, die paravertebralen Rückenmuskeln dürfen—ebenso wie bei der Vojta-Reaktion—nicht mit den Daumen berührt werden. Bei der Vojta-Reaktion soll das Kind nicht über die Horizontale hinaus gekippt werden, die Hände müssen vor Durchführung der Untersuchung geöffnet werden, desgleichen auch bei der Peiper-Isbert-Reaktion und der Collis-Horizontalhängereaktion (freie Hand). Für alle diese Reaktionen gilt, dass die Bewertung im Augenblick der Durchführung erfolgt und nicht erst nach einigen Sekunden.

Bei regelmäßigem Üben und entsprechender Erfahrung bietet die neurokinesiologische Untersuchung nach Vojta ein hohes Maß an Informationen über den sensomotorischen Entwicklungsstand des Kindes.

Gibt es eine spastische Bedrohung?

Als abnormale Reaktionen gelten starre Streck- oder Flexionshaltung der Extremitäten, Fausten, Schulterretraktion, opisthotone oder auch hypotone Haltung des Rumpfes, fehlende Kopfkontrolle usw., um nur einige wenige Beispiele aus der Vielzahl der pathologischen Muster zu nennen. Bei abnormalen Lagereaktionen sprach Vojta von zentraler Koordinationsstörung (ZKS), die er in 4 Gruppen einteilte:

  • 1–3 abnormale Lagereaktionen entsprechen dabei einer leichtesten ZKS,

  • 4–5 abnormale Lagereaktionen gelten als leichte ZKS,

  • 6–7 abnormale Lagereaktionen(!) als mittelschwere ZKS,

  • eine schwere ZKS liegt vor, wenn alle Lagereaktionen abnormal sind und zusätzlich ein pathologischer Muskeltonus besteht (hyperton oder hypoton).

Diese Einteilung von Vojta ist sicherlich problematisch und in dieser Form nicht haltbar. Sie hat in der Vergangenheit auch dazu geführt, von spastischer Bedrohung zu sprechen, wenn mehrere Lagereaktionen abnormal waren, wodurch die Meinung entstand, dass mit entsprechender Behandlung eine spastische Bedrohung abgewendet werden könne. Dies ist natürlich nicht der Fall: die Spastik bei infantiler Zerebralparese ist Zeichen einer Läsion des 1. Motoneuron, also einer Pyramidenbahnschädigung. Nach heutigem Stand des Wissens können untergegangene Motoneuronen nicht ersetzt werden. Das bedeutet, wenn eine Schädigung kortikospinaler Strukturen vorliegt, kann eine Spastik nicht abgewendet werden, sondern wird sich früher oder später in irgendeiner Form entwickeln. Wenn sich dennoch nach anfänglich abnormaler Lagereflexologie unter entsprechender Behandlung keine Spastik entwickelt und das Kind eine ungestörte sensomotorische Entwicklung erreicht, lag auch keine zerebrale Läsion vor und eine Spastik war von vorne herein gar nicht zu erwarten. In den meisten Fällen dürfte es sich dabei um ein peripher-dysfunktionelles Syndrom handeln. Der Begriff „spastische Bedrohung“ ist daher obsolet.

Seitendifferente Bewegungsantworten beachten

Die Ursache für diese Fehleinschätzung dürfte darin zu suchen sein, dass peripher-dysfunktionelle Zustände (Blockierungen an den sensorischen Schlüsselregionen, [5]) im Säuglingsalter abnormale Bewegungsantworten bei Durchführung der Lagereaktionen zeigen. Die Unterscheidung gegenüber Kindern mit zerebraler Läsion erfolgt qualitativ hinsichtlich Ausprägung und Komplexität der Bewegungsantwort, ferner ist der Einfluss auf den Gesamtmuskeltonus zu bewerten. Es muss betont werden, dass bei dysfunktionellen, nichtzerebralen Ursachen die neurokinesiologischen Reaktionen typischerweise seitendifferent ausfallen in der Weise, dass eine Reaktion zur einen Seite normal sein kann, zur anderen Seite ein pathologisches Muster zeigt (Abb. 12). Das ist bei zerebralen Bewegungsstörungen in der Regel nicht zu erwarten, von der Hemispastik abgesehen. Überdies zeigt ein peripher-dysfunktionelles Syndrom (TAS) mit seitendifferenten Lagereaktionen keine eindeutigen phasischen oder tonischen Streckreaktionen und keine Pyramidenzeichen.

Abb. 12
figure 12

Neun Monate altes Kind: abnormale Vojta-Reaktion nach rechts, altersentsprechende Reaktion nach links bei segmentaler Dysfunktion der oberen HWS

Die Prüfung der Lagereaktionen hat sich in der Kontrolle des Therapieergebnisses insbesondere auch bei TAS-Kindern (vulgo „KISS“) bewährt: der therapeutische Erfolg bei einem Kind mit TAS darf nicht allein daran gemessen werden, ob es den Kopf gerade hält und zu beiden Seiten bewegt, nicht mehr als Schrei- oder Spuckkind gilt usw. Vielmehr muss überprüft werden, ob die Haltung des Kindes nicht nur in Rücken-, sondern auch in Bauchlage dem physiologischen Alter entspricht und auch, ob dies für die Lagereaktionen nach Vojta ebenfalls zutrifft: man wird dann oft feststellen können, dass bei einem scheinbar ausgeheilten TAS die Lagereaktionen einseitige Bewegungsantworten zeigen, die 1–2 Trimena hinter dem physiologischen Alter zurück sind, während der Befund auf der Gegenseite normal ist. Solche Kinder bedürfen einer weiteren Kontrolle, ggf. auch Behandlung, um eine seitengleiche sensomotorische Integration zu erreichen. Als empfindlicher Test bietet sich hier die neurokinesiologische Untersuchung nach Vojta an.

Chronologisches Alter vs. Entwicklungsalter

Aus der Summe der erhobenen Befunde lässt sich beim Säugling der Reifezustand des ZNS bestimmen und der Istzustand mit dem Sollzustand des chronologischen Alters vergleichen. Die Kenntnis der Gesetzmäßigkeiten einer ungestörten Säuglingsentwicklung wird daher vorausgesetzt (Abb. 13; [21]). Die neurologischen Untersuchungen zusammen mit der neurokinesiologischen Diagnostik ermöglichen zudem die Differenzierung zwischen zerebral bedingten Störungen und peripher-dysfunktionellen Zuständen, z. B. TAS.

Abb. 13
figure 13

Die 3 Phasen der Aufrichteentwicklung vom 1.–12. Lebensmonat

Während die Reifeverzögerung bei zerebralen Störungen in der Regel homogen ist und alle Qualitäten erfasst, zeigen TAS-Kinder ein dissoziiertes Muster. Dies wird insbesondere in Bauchlage des Kindes deutlich: während ein TAS-Kind in Rückenlage nach Behandlung ein dem chronologischen Alter entsprechendes Bewegungs- und Haltungsmuster von Kopf, Rumpf und Extremitäten zeigen kann, treten in Bauchlage sofort abnormale Haltungsschablonen oder zeitlich verzögerte Muster in Erscheinung. Dies bezieht sich z. B. auf die Qualität der Kopfkontrolle oder die Fähigkeit des Kindes, in den Unterarm- oder Handstütz zu gehen. Hinzu kommt die bereits beschriebene Seitendifferenz bei der neurokinesiologischen Untersuchung. Die sorgfältige Beachtung dieser Kriterien erleichtert die Wahl des Zeitpunkts, wann eine Therapie beendet werden kann.

Röntgenuntersuchung

Bei bestimmten Behandlungsmethoden an der Halswirbelsäule, wie z. B. der Atlastherapie nach Arlen, ist eine Röntgenuntersuchung obligatorisch. Zum einen müssen Kontraindikationen wie entzündliche oder tumoröse Prozesse ausgeschlossen werden, ebenso wie Segmentationsstörungen, Fehl- und Missbildungen. Zum anderen ist für die Durchführung z. B. der Atlastherapie die Kenntnis der individuellen Relation des 1. Halswirbelkörpers zum Okziput von größter Wichtigkeit, da sich nur aus dem Röntgenbild die therapeutische Impulsrichtung ermitteln lässt [4]. Hingegen ist es nicht möglich, wie immer noch angenommen wird, eine segmentale Blockierung z. B. aus der röntgenologischen Stellung von Atlas und Axis zu diagnostizieren. Die Stellung des 1. Halswirbelkörpers gegenüber dem Okziput korreliert keineswegs immer mit der manualmedizinischen segmentalen Diagnostik. Auch ist aus der (Rotations-)Stellung des Axis kein Rückschluss auf eine wie immer geartete Dysfunktion zu ziehen, da sich die radiologische Rotationsstellung des Axis beim gleichen Patienten im Sitzen und im Liegen unterschiedlich darstellen kann. Da die Durchführung der Atlastherapie von der Relation Atlas/Okziput abhängig ist und nicht von der Lokalisation der segmentalen Dysfunktion, stellt die Atlas-a.p.-Aufnahme beim Säugling eine der wenigen Röntgenuntersuchungen dar, die vornehmlich aus therapeutischen Gründen durchgeführt wird (Abb. 14). Ob in jedem Fall eine seitliche Aufnahme angefertigt werden soll, wird unterschiedlich diskutiert. Wenn die genaue Analyse des lege artis durchgeführten Atlas-a.p.-Bildes keinen Hinweis auf eine pathologische Veränderung zeigt (die Stellungsasymmetrie ist nicht als solche zu betrachten!), kann wohl in der Regel auf eine seitliche Aufnahme verzichtet werden, um die Strahlenbelastung zu minimieren.

Abb. 14
figure 14

Atlas-a.p.-Aufnahme eines 4-monatigen Säuglings: Linkslateral- und Anteriorposition des 1. HWK

Fazit für die Praxis

Die beschriebenen 10 diagnostischen Schritte des Villinger Schemas ermöglichen mit einer sehr hohen Genauigkeit die Unterscheidung zwischen zerebral und nichtzerebral bedingten Bewegungsstörungen und die Einordnung des sensomotorischen Reifezustands, gemessen an der altersphysiologischen Norm. Diese Erkenntnisse sind unverzichtbar für eine prognostische Einschätzung und die therapeutische Planung.

Das manualmedizinische und osteopathische Untersuchungsprogramm leitet direkt in therapeutisches Handeln über, bestehend aus propriozeptiver Stimulation, weicher Mobilisation, Atlastherapie, segmentaler Manipulation und osteopathischen Behandlungstechniken.