Hintergrund

In unserem Artikel „Differentialdiagnostik erblicher Dickdarmkarzinomsyndrome – der Beitrag des Pathologen“ haben wir bereits vor 7 Jahren in diesem Journal die Grundzüge des hereditären Dickdarmkarzinoms skizziert [23]. Der aktuelle Beitrag knüpft unmittelbar an den damaligen Kenntnisstand an, der in vielerlei Hinsicht auch heute noch Gültigkeit besitzt. In diesem scheinbar kurzen Zeitraum sind gleichwohl weitere genetische Erkenntnisse hinzugekommen, die neben zahlreichen ungesicherten, möglicherweise zusammenwirkenden Kandidatengenen auch einige genetische Veränderungen mit spezifischer Zuordnung zu definierten Syndromen aufgedeckt haben. Geeignete Datenbanken wie InSIGHT (www.insight-group.org) versuchen derzeit seitens der Humangenetik die zu erwartende Penetranz der einzelnen Mutationen mehrstufig von gesichert pathogen bis zu einer Variante unklarer Signifikanz zu bewerten und auch der Klinik als Informationsquelle zur Verfügung zu stellen. Kurzum, das Bild ist vollständiger, aber dadurch auch komplexer geworden.

In unserer Vorpublikation haben wir uns schwerpunktmäßig der Erläuterung der Vererbungsmodi (autosomal dominant vs. autosomal rezessiv) und den Theorien zum biallelischen Ausfall (Second-hit-Theorie) der betroffenen Gene gewidmet und dann auf die einzelnen hereditären Dickdarmkarzinomsyndrome angewendet. Im vorliegenden Heft wollen wir ergänzend betonen, dass sich die genaue morphologische Phänotypisierung im Besonderen in der Betrachtung der histologische Subtypen der Polypen auf eine genspezifische, zielgerichtete und damit effiziente Keimbahnanalyse positiv auswirken kann. Eine Übersicht der einzelnen Syndrome mit assoziierter Genetik wird in Tab. 1 gegeben.

Tab. 1 Übersicht der hereditären Kolonkarzinomsyndrome

Wechselspiel zwischen jungem Alter, Polypenanzahl und Genetik

Die morphologisch prägnanteste Ausprägung hereditärer Dickdarmkarzinome sind Polyposissyndrome mit teilweise hunderten von Polypen, bei der die FAP als erstuntersuchte Modellerkrankung als Paradebeispiel fungiert. Differenzialdiagnostisch schwieriger wird der Umgang bei Patienten mit niedriger Polypenanzahl unter Einbeziehung serratierter Läsionen wie hyperplastischen Polypen und sessilen serratierten Adenomen. Das multiple simultane Auftreten von Polypen im Rahmen der Koloskopievorsorge ist in der alltäglichen pathologischen Routine keine Seltenheit. Dabei stellt sich die Frage, ab welcher Anzahl an ein Polyposissyndrom gedacht werden sollte – insbesondere da oft anzunehmen ist, dass nicht alle Läsionen einer Biopsie unterzogen oder bei sekundärer Zuweisung auf mehrere Pathologie-Institute verteilt worden sind. So kennt oft erst der Kliniker die korrekte Anzahl der Polypen. Gemäß WHO gelten eher arbiträr gewählte „cut offs“ krankheitsdefinierend. Für die attenuierte FAP gelten etwa 10–100 Polypen, für das serratierte Polyposissyndrom mindestens 5 SSA proximal des Sigmas oder insgesamt mehr als 20 serratierte Läsionen, für die MUTYH-assoziierte Polyposis mehr als 10 Polypen krankheitstypisch etc. [3]. Tatsächlich weiß man aber, dass abhängig von der potenziellen Penetranz der Genetik die Zahl tumorbegleitender Polypen ohne Untergrenze niedrig bis sogar null sein kann [14, 15]. Umgekehrt sind beim Lynch-Syndrom, das früher als Bestandteil des zwischenzeitlich veralteten Akronyms HNPCC als nichtpolypös determiniert worden ist, durchaus eine Polypenzahl von mehr als 20 beschrieben worden [14]. Die Anzahl der Polypen alleine kann somit nur indirekte Hinweise geben und bedarf des Abgleichs mit der Familienanamnese und dem Alter des Patienten. Für die interdisziplinäre Zusammenarbeit mit den Gastroenterologen sollte daher bei multiplen Polypen eine genaue Erhebung der Familienanamnese und Abgleich mit dem endoskopischen Bild betont werden.

Auch wenn ein Lynch-Syndrom molekular weitgehend ausgeschlossen werden konnte, bleiben beim familiär aufgetretenen CRC trotz des Fehlens begleitender Polypen andere Möglichkeiten wie eben eine MUTYH- oder aFAP-Assoziation als hereditäre Ursachen bestehen. Die Formulierungen in pathologischen Berichten sollten daher diesbezüglich vorsichtig angepasst werden. Da sich Studien zum hereditären Kolonkarzinom in der Regel auf die Momentaufnahme beim Auftreten eines CRC fokussierten, spricht vieles für die Anwendung des Prinzips der Synchronizität der Polypen als Indikator. Über die metachrone Auftretenswahrscheinlichkeit im Verlauf, z. B. neue Adenome pro Jahr, ist leider wenig bekannt. Im Einzelfall kann jedoch ein Blick ins Schnittarchiv gerade bei der Bewertung serratierter Läsionen hilfreich sein, um beispielsweise ein serratiertes Polyposissyndrom durch Neubewertung vormals rechtsseitig hyperplastischer Polypen zu aktuell revidierten SSA zu identifizieren. Als grundlegende Faustregel bleibt bestehen, je älter der Patient und je weniger Polypen (Ausnahme Lynch-Syndrom), desto geringer penetrant und desto weniger relevant muss die genetische Belastung angesehen werden.

Hereditäre Dickdarmkarzinomsyndrome im Überblick

Aus Sicht des Pathologen empfiehlt sich eine zweistufige Untergliederung. Zunächst wird das Fehlen oder Vorhandensein einer Polyposis (trotz der oben erwähnten Limitationen) definiert und dann nach histologischem Subtyp der Polypen unterschieden: überwiegend adenomatöse, gemischt adenomatöse und serratierte sowie überwiegend hamartomatöse Polyposissyndrome [23].

Nichtpolyposis-assoziierte Syndrome

Lynch-Syndrom

Das Lynch-Syndrom ist vergleichsweise häufig und bei ca. 3 %, d. h. bei jedem 35. kolorektalen Karzinom nachweisbar [3]. Der Begriff hereditäres Nichtpolyposis-kolorektales Karzinom (HNPCC) sollte von Pathologen nicht mehr verwendet werden, da einerseits wie oben erwähnt, „nichtpolypös“ irreführend sein kann und andererseits auch nicht kolorektale Tumoren wie etwa das Endometriumkarzinom als Ersttumor auftreten können. Ein Verlust der DNA-Mismatch-repair-Proteine MLH1 (35–40 %), MSH2 (40 %), MSH6 (10–15 %) und PMS2 (5–10 %) führt zu DNA Schädigungen, die sich funktionell besonders über eine Verkürzung der nicht codierenden chromosomalen Mikrosatelliten sowie eine Anhäufung somatischer Mutationen (sog. Hypermutationphänotyp) manifestiert. Als weitere Erklärung für einen sekundären MSH2-Verlust sind mittlerweile auch Deletionen im chromosomal aufwärts gelegenen EPCAM-Gen beschrieben, die sich auf die Promotorregion von MSH2 auswirken können [12, 16].

Das Lynch-Syndrom ist das Paradebeispiel für eine molekulare Tumorsyndromabklärung durch den Pathologen. Eine Indikationsstellung erfolgt in der Regel durch die revidierten Bethesda-Kriterien, wobei der Pathologe wie im Detail in unserer Vorpublikation ausgeführt, über die typische MSI-Morphologie (medullär, muzinös, siegelringzellig) unter Berücksichtigung des Alters und der Parallelbefunde von Anfang an mitwirkt [23]. Der immunhistochemische Nachweis der MMR-Proteine hat mit einer Sensitivität von 98 % einen festen Stellenwert erlangt und in Einzelstudien bisweilen das klinische Screening übertroffen [20]. Im Einzelfall kann es jedoch auch bei erhaltenem Epitop für die Immunhistochemie einen Funktionsverlust des Proteins geben. Hinzukommen sehr seltene Ausfälle in weiteren MMR-Proteinen wie MSH3 neben weiteren Kandidatengenen wie MLH3 und EXO1 [20]. Aus diesem Grund empfehlen die S3-Leitlinien zum kolorektalen Karzinom, bei immunhistochemisch erhaltenen MMR-Proteinen, aber dem Verdacht auf eine familiäre Belastung (erfüllte Bethesda-Kriterien), eine MSI-Analyse durchzuführen. Sollte ein Verlust von MLH1 und seines Bindungspartners PMS2 vorliegen, kann auch ein sporadisches MSI-Karzinom vorliegen. Dies lässt sich vorzugsweise über eine MLH1-Promotormethylierungsanalyse nachweisen. Alternativ kann aufgrund der Assoziation dieser Tumoren mit dem serratierten Karzinogeneseweg eine BRAF-Mutation als Surrogatmarker für eine sporadische Genese herangezogen werden [3, 15, 20].

Lynch-like-Syndrom

Trotz oder wegen der Möglichkeiten, MMR-defiziente Tumoren genau abzuklären, sind CRC mit eindeutigem MMR-Ausfall und MSI entdeckt worden, die sich ursächlich weder durch eine bekannte Keimbahnmutation noch die genannte Promotormethylierung erklären lassen. Diese Tumoren werden als Lynch-like bezeichnet. Auffälliger Weise treten sie ebenfalls in jüngerem Alter auf, weshalb genetische Mechanismen nach wie vor im Raum stehen und die Patienten auch entsprechenden Vorsorgemaßnahmen zugeführt werden sollten. Ferner unterscheiden sie sich durch eine geringere Auftretenswahrscheinlichkeit der weiteren Lynch-Syndrom-assoziierten Tumoren [6]. Jüngst konnte für einen Teil dieser Patienten gezeigt werden, dass auch rein somatische Mutationen im MLH1- oder MSH2-Gen vorliegen können [17]. Primär ändern diese Fälle nichts an der Vorgehensweise für den Pathologen bei der Lynch-Syndrom-Abklärung. Sie können aber als starkes Argument selbst bei der Immunhistochemie für MSH2 angeführt werden, dass die präzise Phänotypisierung durch den Pathologen die humangenetische Keimbahnanalyse nicht ersetzen kann und somit auch keine Untersuchungen nach dem Gendiagnostikgesetz darstellt.

Polyposissyndrome mit überwiegend klassischen Adenomen

Familiäre Adenomatose polyposis coli

Die Entdeckung der autosomal dominant vererbten Keimbahnmutationen im analog benannten APC-Gen haben wissenschaftlich betrachtet einen starken Schub auch für das allgemeine Verständnis der kolorektalen Karzinogenese geleistet, vgl. hierzu auch unsere Vorpublikation [23]. Das klassische Krankheitsbild präsentiert sich mit hunderten klassischen Adenomen, die in 95 % der Fälle bis zum 35. Lebensjahr auftreten [3]. Als obligate Präkanzerose kommt es unausweichlich zum kolorektalen Karzinom, dessen durchschnittliches Manifestationsalter um die 40 Jahre liegt. Relevant für die Klinik ist die Assoziation dieses Polyposissyndroms mit anderen Erkrankungen wie duodenalen Adenomen, gastralen Drüsenkörperpolypen, Pankreaskarzinomen, Dünndarmkarzinomen etc. [3, 23]. Über die nachgeschaltete Aktivierung des WNT-Signalwegs kommt es zudem zum Auftreten von Desmoidtumoren. Für die pathologische Routinediagnostik sollte dieses Spektrum als eine Einheit zusammengedacht werden, um ggf. mehrere hinweisende Befunde z. B. auch im Rahmen einer nur oberen Ösophagogastroskopie als solche zu erkennen und entsprechend weiterzugeben [23].

Attenuierte familiäre adenomatöse Polyposis coli (aFAP)

Die aFAP zeigt, wie wichtig es ist, das Penetranzrisiko jeder Mutation individuell zu ermitteln und wie unterschiedlich sich dieses unmittelbar auf den präsentierten Phänotyp auswirkt. Auch hier liegen Mutationen im APC-Gen vor. Je weiter distal im Gen gelegen und je weniger modifizierend die Natur der Mutation ist, desto geringer sind die Auswirkungen [23]. So werden sich größere Deletionen, Frameshift- oder Stopmutationen in der Regel massiver auswirken als ein Basenaustausch mit möglicherweise nur einzelnem Aminosäureaustausch als Mutationsfolge. Dies führt soweit, dass im APC-Gen auch zahlreiche Varianten unbekannter Signifikanz aufgetreten sind. In einer eigenen unselektierten konsekutiven Fallserie an Karzinompatienten konnten wir auch solche Einzelfälle beobachten. Mit einem Alter über 60 und sogar ohne begleitende Polypen fanden wir eine APC-Gen-Mutation unklarer Signifikanz jedoch mit einem somatischen „second hit“ im Tumor [15]. Das Spektrum der aFAP ist somit möglicherweise breiter als bislang angenommen.

„Polymerase proofreading-associated polyposis“ (PPAP)

Die DNA-Polymerasen POLE und POLD1 übernehmen funktionell das kontrollierte Ablesen der DNA bei deren Synthese und schneiden ggf. inkorrekt eingefügte Nukleotide heraus. Mutationen können sowohl auf Keimbahnebene als auch somatisch auftreten. Unter familiär belasteten CRC-Familien machen PPAP-relevante Mutationen zwar nur 0,3 % aus. Sie kommen nach Ausschluss eines Lynch-, FAP-, aFAP- oder MUTYH-Syndroms jedoch als beste weitere Möglichkeit in Betracht [29]. Die klinische Präsentation ähnelt eher einem attenuierten FAP-Syndrom mit 10–100 Adenomen, es kommen aber auch Varianten mit deutlich weniger Polypen vor [1, 27]. Als Begleiterkrankungen besteht ein erhöhtes Risiko für Endometriumkarzinome und duodenale Adenome wie Karzinome. Seltener sind auch Hirntumoren (Oligodendrogliome) und duktale Mammakarzinome beschrieben [27, 29]. Beim Endometriumkarzinom erwiesen sich im Rahmen des TCGA-Projekts POLE-mutierte Tumoren als prognostisch günstiger, weil sie ultramutierte Tumoren erzeugen mit offenbar entsprechender Induktion einer tumorigenen Immunantwort. Prognostische Daten zum CRC sind aufgrund der Seltenheit noch ausstehend [4, 5].

MUTYH-assoziiertes Polyposissyndrom (MAP)

Das MUTYH-Protein beseitigt oxidativ bedingte DNA-Schädigungen. Es handelt sich bei MAP um einen autosomal rezessiven Erbgang, weshalb sich diese Erkrankung weniger über Generationen hinweg, wohl aber unter Geschwistern vermehrt nachweisen lässt. Es sind zwar über 100 unterschiedliche Mutationen beschrieben, dennoch machen 2 (Y179C und G396D) bereits 70 % aller mutierten Allele aus. Man trifft gehäuft Transversionen von G:C zu T:A an, die sich auch in somatischen APC- und KRAS-Mutationen widerspiegeln können. Charakteristisch ist hierbei v. a. die c.24 G > T (Gly12Cys) KRAS-Mutation [29]. Im klinischen Erscheinungsbild haben diese Patienten oft mehr als 10 bis 20 Polypen, wobei neben klassischen tubulären Adenomen auch hyperplastische Polypen oder SSA auftreten können [8]. Letztere beide Gruppen sind immerhin bei bis zu 40 % der MAP-Patienten anzutreffen. Das mittlere Manifestationsalter liegt bei 45 Jahren. Besonders erwähnenswert ist, dass ca. ein Drittel der Patienten ein CRC ohne begleitende Polypen entwickeln kann. Eine Keimbahntestung auf MUTYH-Mutationen sollte daher insbesondere bei jungen Patienten mit mikrosatellitenstabilen Tumoren in Erwägung gezogen werden [21]. Leider ist keine spezifische Morphologie der MUTYH-assoziierten CRC bekannt.

Serratiertes Polyposissyndrom

Das serratierte Polyposissyndrom ist mit einer aktuell ermittelten Prävalenz von 0,09 % im Rahmen der Koloskopievorsorge sehr selten, geht aber mit einem erhöhten Risiko für das Entstehen eines CRC einher [30]. Jüngste Ergebnisse bei Patienten mit serratiertem Polyposissyndrom legen Nonsense- und Stop/gain-Mutationen im RNF43-Gen nahe, das als Regulator der ATM- und ATR-Kinase Antwort auf DNA-Schäden fungiert, und negativ die WNT-Signalkaskade beeinflusst [29]. Das Bild hierzu ist allerdings noch nicht abgeschlossen, da einerseits über diese Signalkaskade zahlreiche weitere Kandidatengene existieren und andererseits der Zusammenhang zur Molekularbiologie der beobachteten Polypen noch nicht geklärt ist. Das Spektrum der beobachteten Polypen ist breit und umfasst neben den definitionsgemäß zu erwartenden SSA mit oder ohne Dysplasie und mikrovesikulären hyperplastischen Polypen auch traditionell serratierte und klassische Adenome. Klinisch bestehen so Überlappungen zum MUTYH-assoziierten Polyposissyndrom mit seinem Spektrum an Polypen. Die Analysen des BRAF- und KRAS-Status sowie die Untersuchungen auf MSI ergaben die jeweils entitätsspezifischen Veränderungen mit Assoziation von BRAF und MSI zu den serratierten Läsionen und BRAF/KRAS-Wildtyp oder KRAS-Mutation für die klassischen Adenome [9, 22]. Der genetische Mechanismus bleibt für das serratierte Polyposissyndrom folglich nach wie vor offen, wobei die zahlenmäßige Dominanz serratierter Polypen und der überdurchschnittlich häufige sporadische Verlust von MMR-Proteinen jedoch eine starke namensgebende Assoziation mit dem serratierten Karzinogeneseweg rechtfertigen.

Polyposissyndrome mit überwiegend hamartomatösen Polypen

Die Polyposissyndrome mit überwiegend hamartomatösen Polypen stellen eine gewisse Herausforderung für den Pathologen dar. Im Vordergrund stehen endoskopisch detektierbare polypoide Strukturen, die in einer Mischung aus epithelialen Anteilen und Stromakomponente zunächst als nichtneoplastisch erscheinen, aber im Verlauf Dysplasien entwickeln können. Ein Versuch, die unterschiedlichen Entitäten mit diagnostisch evaluierten Kriterien nebeneinander zu stellen, wird in Tab. 2 präsentiert. Während der Peutz-Jeghers-Polyp noch histomorphologisch mit seinen baumartigen glattmuskulären Verzweigungen und einem lobulierten Wachstumsmuster vergleichsweise gut charakterisierbar ist [28], sind hamartomatöse Polypen beim juvenilen und dem PTEN-hamartomatösen Polyposissyndrom von ihrem sporadischen Gegenstück kaum zu unterscheiden [25]. Für die alltägliche Diagnostik hat daher bei fehlender Eindeutigkeit auch der allgemeinere Überbegriff „inflammatorisch-hamartomatöser Polyp“ seine Berechtigung [20]. Sollten weitere Anhaltspunkte für ein Syndrom bestehen, wie junges Alter, multiples Auftreten, Parallelbefunde, kann das als hinweisend kommentiert werden. Ohnehin gelten für die Definition der im Folgenden genauer beschriebenen Syndrome exakte klinische Kriterien, die im Detail in der aktuellen WHO-Klassifikation aufgeführt sind [3]. Besondere Aufmerksamkeit für die Routine verdient jedoch die Abgrenzung von Mukosaprolapspolypen als Pitfall, die nicht zur Verdachtsdiagnose eines Polyposissyndroms verleiten sollten (Abb. 1; [20]).

Tab. 2 Merkmale spezifischer hamartomatöser Polypen nach Shaco-Levy et al. [25]
Abb. 1
figure 1

Inflammatorisch-hamartomatöser Polyp des Sigmas (ab) bei einem 19-jährigen Patienten. Hochgradiger Verdacht auf ein juveniles Polyposesyndrom – Genetik ausstehend. Beachtenswert sind die ödematöse Lamina propria und die leicht zystisch dilatierten glandulären Strukturen. Rektaler Mukosaprolapspolyp (cd) einer 40-jährigen Patientin. Man beachte die durch Zug entstehenden leichten muskulären Auffaserungen und die oberflächlichen Erosionen. Es fehlen aber eine Arborisierung der muskulären Fasern und ein lobulierter Aspekt, die für einen Peutz-Jeghers-Polypen vorliegen müssten

PTEN-Hamartom-Tumorsyndrom (PHTS)

Unter diesem Syndrom werden bei starken genetischen Überlappungen das Cowden-Syndrom und das Bannayan-Riley-Ruvalcaba-Syndrom zusammengefasst [3]. Beiden liegen autosomal dominant vererbte Keimbahnmutationen im Phosphatase-and-tensin-homolog-Gen (PTEN) oder der Subunit B oder D des Dehydrogenasekomplexes (SDHB oder SDHD) zu Grunde. Klinischerseits ist das Fortschreiten der hamartomatösen Polypen im Dickdarm zu Adenomen und Karzinomen nur anekdotisch beschrieben. Ein erhöhtes Risiko für kolorektale Karzinome ist somit nach wie vor in der Diskussion [10]. Ein gesichertes Malignitätsrisiko ist hingegen stark auf andere Organsysteme verlagert. So treten gehäuft Schilddrüsenkarzinome überwiegend vom follikulären Typ sowie bei Frauen sehr häufig Brustkrebs auf. Ferner sind auch zerebrale Veränderungen assoziiert sowie weitere Tumoren wie Endometriumkarzinome, Sarkome, Meningeome etc. in der Diskussion. Als weitere relevante benigne Indikatorläsionen sind mukokutane Läsionen wie Trichilemmome, akrale Keratose und papillomatöse Papeln beschrieben [18]. Entsprechend diesem Spektrum wurden diagnosebestimmende Major- und Minorkriterien definiert [3, 19]. Auffällig ist ferner das vermehrte Auftreten gastrointestinaler Ganglioneurome bei einem Teil der Cowden-Syndrom-Patienten [24]. Es kann daher lohnen, sowohl multiple inflammatorisch-hamartomatöse Polypen als auch multiple Ganglionneurome des Kolorektums als Indikatorläsionen zu betrachten und eine weitere Abklärung unter Einbezug der institutsinternen Vorbefunde als auch der Klinik zu erwirken.

Juvenile Polypose

SMAD4- und BMPR1A-Keimbahnmutationen machen 50–60 % der juvenilen Polyposisfälle aus. SMAD4 ist in die zelluläre Mediation des Transformin-growth-factor-β(TGF-β)-Signalwegs eingebunden und inhibiert funktionell Zellteilung und Wachstum. Auch BMPR1A wirkt entlang des TGF-β/BMP-Signalweg, weshalb auch weitere Gene dieser Kategorie als hereditäre Ursache in der Diskussion sind [13, 20]. Klinisch präsentieren sich zwei Drittel aller Patienten unter 20 Jahren mit der Möglichkeit juveniler Polypen im gesamten Gastrointestinaltrakt. Bei einem ausschließlichen Befall des Kolorektums müssten es krankheitsdefinierend je nach Autor mindestens 3–5 sein [3, 13].

Das juvenile Polyposissyndrom ist mit zahlreichen weiteren kongenitalen Anomalien von ZNS, Urogenital- und Herz-Kreislauf-System vergesellschaftet. Eine besondere Assoziation besteht mit dem hereditären hämorrhagischen Teleangiektasiesyndrom mit pulmonalen arteriovenösen Malformationen [3]. Die schwersten Verlaufsformen enden bereits nach wenigen Lebensjahren letal in Folge von Diarrhöen und Anämien. Bei den langjährigen Verlaufsformen besteht ein kumulatives Risiko am CRC zu erkranken von 39 %, aber auch andere Tumoren wie Magen, Dünndarm- und Pankreaskarzinome schlagen mit einem kumulativen Risiko von 15 % zu Buche. Dysplasien in juvenilen Polypen zu erkennen, ist aufgrund der entzündlich-reaktiven Epithelveränderungen deutlich erschwert und geht wenn vorhanden mit deutlicher Villosität der Polypen einher. Außerhalb des Syndroms gibt es bislang keine Evidenzen für eine maligne Transformation sporadischer inflammatorisch-hamartomatöser Polypen [20].

Peutz-Jeghers-Syndrom

Die autosomal dominant vererbten Keimbahnmutationen im LKB1- und STK11-Gen führen zu einer nahezu vollständigen Penetranz in Form eines Peutz-Jeghers-Syndroms [7]. In Peutz-Jeghers-Polypen ist das zweite Allel des STK11-Gens erhalten. Es genügt somit offenbar eine genetische Haploinsuffizienz ohne „second hit“ [20]. Das Erscheinungsbild ist charakterisiert durch typische mukokutane Pigmentierung (Café-au-lait-Flecken insbesondere perioral, aber auch palmar, plantar, bukkal und perianal) und gastrointestinale hamartomatöse Polypen. Zwar können diese vom Magen bis zum Rektum und sogar in der Gallenblase auftreten, in der Regel stehen jedoch intestinale Peutz-Jeghers-Polypen im Vordergrund. Diese können bei entsprechender Größe zur Intussuszeption führen bis hin zur operationspflichtigen Ileussymptomatik. Einige Autoren beschreiben dysplastische Foci auch in Peutz-Jeghers-Polypen, womit sie eine maligne Transformation und das erhöhte Risiko für gastrointestinale Tumoren begründen [20]. Dies erklärt aber nicht das Malignitätspotenzial in anderen Organen, wie beispielsweise dem Sex-cord-Tumor mit anulären Tubuli (SCTAT) des Ovars, dem Adenoma malignum der Cervix uteri, testikulären Sertoli-Zell-Tumoren, Pankreas- und Mammakarzinomen, bei letzterem mit einer vergleichbar aggressiven Penetranz, wie wir sie aus dem BRCA-Mutationsspektrum kennen [3, 11].

Hereditäres gemischtes Polyposissyndrom

Das hereditäre gemischte Polyposissyndrom ist eine sehr seltene Variante, die alle 3 beschriebenen kolorektalen Polypen – Adenome, serratierte Polypen und Hamartome – gleichermaßen zulässt. Eine Duplikation der Promotorregion des Gens GREM1 führt zu dessen Überexpression. Es präsentiert sich mit 10–100 Polypen ähnlich einer aFAP und ist bislang sehr selten in Ashkenazy-Familien beschrieben [20, 29].

Nichthereditäre kolorektale Polyposissyndrome

Der Vollständigkeit halber sei noch auf einige nichthereditäre Polyposissyndrome hingewiesen. Das Cronkhite-Canada-Syndrom ist hier das bekannteste Beispiel, das sich mit einer typischen klinisch-endoskopischen Manifestation mit Alter über 50, wässrigen Diarrhöen, Protein- und Gewichtsverlust präsentiert und zahlreiche breitbasige eher zystisch imponierende Polypen aufweist [2, 20]. Ferner sind auch sekundäre inflammatorische Polyposen bei CED-Erkrankungen beschrieben [26]. Bei sporadischen Polyposen handelt es sich insgesamt um sehr seltene Differenzialdiagnosen mit typischem klinischem Hintergrund.

Fazit für die Praxis

  • Der Pathologe hat eine wichtige Rolle bei der Identifikation von Indexpatienten mit hereditärem Colonkarzinom; dies trifft besonders für das Lynch-Syndrom zu.

  • Über die Bildung von 3 großen Gruppen an Polypen: klassische Adenome, gemischt serratierte Polypen mit klassischen Adenomen oder hamartomatöse Polypen lassen sich die spezifischen Polyposissyndrome bereits grob differenzieren.

  • Relevant ist, dass eine große Bandbreite in der genetischen Penetranz der einzelnen Mutationen vorliegt. Hier wäre es wünschenswert, eine verstärkte interdisziplinäre Zusammenarbeit mit der Humangenetik zu etablieren.

  • Über modifizierende Umweltfaktoren oder Medikationen bei entsprechender genetischer Belastung ist wenig bekannt. Interessant wird sein, welche Ergebnisse die NSAR-Prophylaxe bei Familien mit HNPCC-Syndrom im Rahmen der aktuellen CAPP2-Studie bringen wird.