Hintergrund

Weichgewebssarkome sind seltene, heterogene und überwiegend hochmaligne Tumoren, die eine mesenchymale Liniendifferenzierung aufweisen. Lokale Rezidive sind häufig (20 %) und Metastasen entstehen in ca. einem Drittel der Fälle [2, 16]. Prognostische und prädiktive Marker sollten in Weichgewebstumoren die Therapie nach der chirurgischen Therapie lenken. Die neoadjuvante Therapie wird in einer steigenden Anzahl an Fällen durchgeführt und verbessert offensichtlich die Prognose bei einigen hochmalignen Sarkomen. Die Indikation für eine adjuvante Chemotherapie für hochmaligne Sarkome ist immer noch Stand der Diskussion, und neue diagnostische, prädiktive und prognostische Marker werden dringend gebraucht [8, 13]. Diese Biomarker sollten idealerweise die Therapie bestimmen und speziell eine tumor- bzw. patientenbezogene Therapie einleiten.

Die Angiogenese ist ein Prozess, bei dem neue Blutgefäße aus schon vorhandenen entstehen. Folkman [3] hat erkannt, dass Tumoren nicht über 2 mm wachsen, ohne neue Blutgefäße zu bilden [9, 10, 18]. Im Jahr 2001 nahmen Hanahan u. Weinberg [7] die Angiogenese mit in ihre „Bausteine der Krebsentstehung“ auf und in der neuen Auflage von 2011 ist die Angiogenese immer noch eine der wichtigsten Grundlagen der Krebsentstehung.

Verschiedene Medikamente, die die Angiogenese hemmen, sind in den letzten Jahren entwickelt worden und sind derzeit in Phase-2- und -3-Studien oder werden in vitro untersucht [5].

Vaskuläre endotheliale Wachstumsfaktoren (Vascular Endothelial Growth Factors, VEGFs) und die korrespondierenden Tyrosinkinaserezeptoren (VEGFRs) sind entscheidend bei der Endothelzellproliferation und Aussprossung bzw. der Entstehung und dem Längenwachstum der Blut- und Lymphgefäße [17]. Die VEGFs sind schon in einer kleinen Anzahl von Studien überprüft worden, über die Rezeptoren, also die VEGFRs, ist bis jetzt jedoch noch wenig bekannt.

Weiterhin spielen die Platelet-Derived Growth Factors (PDGFs) und deren Rezeptoren (PDGFRs) eine wichtige Rolle bei der Regulation des Tumorstromas und der Rekrutierung der Perizyten und der glattmuskulären Zellen, welche bei der Stabilisierung der neuen Blutgefäße bzw. der Stimulation der Stromazellen helfen und VEGFA produzieren, um so die Angiogenese voranzutreiben [4, 14].

Da bis jetzt über die Expression der Rezeptoren der Tyrosinkinasen in Sarkomen noch wenig bekannt ist und nur wenige Daten in größeren Sarkomkollektiven vorliegen, waren unsere Ziele:

  • die Sarkome der Ludwig-Maximilians-Universität in München zu charakterisieren und nach der neuen WHO-Einteilung zu kategorisieren,

  • den Expressionsstatus von Tyrosinkinasen in verschiedenen Subtypen der Sarkome zu überprüfen und

  • den Expressionsstatus mit den klinikopathologischen Parametern zu vergleichen.

Methoden

Patientenkollektiv

Gewebearrays („tissue microarrays“, TMAs) von 275 Patienten wurden erstellt. Die Proben entstammten überwiegend den chirurgisch eingesandten Operationspräparaten des Sarkomzentrums der Ludwig-Maximilians-Universität in München. Die klinischen Daten wurden dem Pathologiebericht bzw. der Datenbank der klinischen Studien entnommen (ClinicalTrials.gov, number NCT 00003052 [8]). Zusätzlich wurden die Proben erneut begutachtet (Tumortyp entsprechend der aktuellen WHO-Einteilung und Graduierung). Fast alle Patienten wurden chirurgisch behandelt und anschließend wurde ggf. eine Radiotherapie entsprechend den ESMO-Richtlinien durchgeführt (ESMO/Sarcoma Network Working Group). Das Alter der Patienten lag zwischen 18 und 81 Jahren (Median 54 Jahre, weiblich n = 135, männlich n = 140). Die Tumoren waren lokalisiert in den Extremitäten (n = 92) und Nichtextremitäten (n = 183). Die mediane Follow-up-Zeit war 34 Monate für alle Patienten, 60 Monate für die 151 noch Lebenden und 23 Monate für die schon Verstorbenen.

TMA-Konstruktion

Der Sarkom-TMA wurde erstellt mit 0,6 mm Stanzen in Duplikaten von allen 275 Proben einschließlich Normalgewebe entsprechend standardisierter Methode [12].

Immunhistochemie der Tyrosinkinasen

Die immunhistologische Färbung wurde an 5 μm dicken Gewebeschnitten durchgeführt. Kommerziell verfügbare Antikörper gegen VEGFR-1, 2, 3 und PDGFR-A, B wurden angewendet (Tab. 1). Die Immunhistochemie wurde in standardisierter Weise durchgeführt. Die Schnitte wurden wie in Tab. 1 vorbehandelt und dann mit den Antikörpern inkubiert. Weiterhin wurde die PDGFRB-Färbung mit dem Ventana-Benchmark-XT-Färbeautomaten mit dem XT ultraView DAB-Kit (Ventana Medical Systems) durchgeführt. Alle Schnitte wurden Hämatoxylin (Vector) gegengefärbt. Um eine unspezifische Färbung auszuschließen, wurden Systemkontrollen durchgeführt. Die Färbungen wurden evaluiert und semiquantitativ ausgewertet:

  • 0 negativ,

  • 1 gering,

  • 2 mäßig,

  • 3 stark positiv.

Für die statistische Auswertung wurde die Gruppe 0/1 als niedrige Expression und 2/3 als hohe Expression zusammengefasst. Die statistische Auswertung wurde mit dem SPSS-Programm Version 20 durchgeführt (SPSS, Chicago, IL), wobei Werte von < 0,05 als signifikant angesehen wurden.

Tab. 1 Antikörper und Vorbehandlung

Ergebnisse

Die gezielte Hemmung der Angiogenese ist eine vielversprechende Strategie zur Krebsbekämpfung [3, 7]. Vaskuläre endotheliale Wachstumsfaktoren (VEGFs) und ihre Rezeptoren (VEGFR-1–3) spielen hierbei eine sehr wichtige Rolle. Wir analysierten in einer Studie die Expression der VEGFRs und PDGFRs in einem sehr großen Kollektiv von Weichgewebstumoren. Als Standardmethode wurde hierbei die TMA-Technologie und die Immunhistochemie als In-situ-Proteinanalyse verwendet. Die Kombination dieser beiden Methoden ermöglicht die Untersuchung von hunderten von Proben in sehr standardisierter Art und Weise [6]. In unser früheren Publikation an einem etwas kleineren Kollektiv konnten wir zeigen, dass die Heraufregulation von p16(INK4A) mit einer Senescence-Barriere assoziiert war und eine Herunterregulation von p16(INK4A) mit einem kürzeren Überleben signifikant korreliert war [11]. In dieser Studie erweiterten wir unser Tumorkollektiv und untersuchten die VEGF- und PDGF-Rezeptoren, um eventuell Gruppen zu finden, die von einer sogenannten gezielten Therapie profitieren. Die VEGF-Rezeptoren (VEGFRs) gehören zur Familie der Tyrosinkinaserezeptoren. Insgesamt wurden bis jetzt 3 Rezeptoren identifiziert [15]:

  • VEGFR-1, auch bekannt als Flt-1 (fms-like TK1),

  • VEGFR-2 oder auch KDR („kinase insert domain-containing receptor TK“) und

  • VEGFR-3, auch bekannt als Flt-4 (fms-like TK4).

Unser Tumorkollektiv zeigte eine hohe Expression von VEGFR-1 in 61 %, VEGFR-2 (KDR) in 11 %, VEGFR-3 in 64 %, PDGFR-A in 42 % und PDGFR-B in 73 %. Eine hohe Expression von VEGFR-1–3 war mit einem kürzeren Überleben assoziiert (Abb. 1, Abb. 2).

Abb. 1
figure 1

10-Jahres-Überlebenskurven in Abhängigkeit von der Histologie (UPS, n = 81, Leiomyosarkom, n = 50, Synovialsarkom, n = 28, Liposarkom, n = 57, Angiosarkom, n = 32; MPNST, n = 11). UPS undifferenziertes pleomorphes Sarkom, MPNST maligner peripherer Nervenscheidentumor

Diskussion

Nach unserem Kenntnisstand erstellten wir eines der derzeit größten Tumorkollektive von Weichgewebstumoren mit dem entsprechenden Überleben der Patienten und untersuchten dies auf die Expression von VEGFRs und PDGFRs. Wir konnten zeigen, dass eine hohe Expression mit einer Tumorprogression assoziiert war. Bis jetzt gibt es nur wenige Studien an Sarkomen und den Rezeptoren der Tyrosinkinasen. Im Jahre 2009 publizierten Abdeen et al. [1] bei 48 Patienten mit Osteosarkomen, dass eine hohe VEGFR-3-Expression mit einem reduzierten Überleben korrelierte. Zwei Jahre später zeigte eine Gruppe aus Japan, dass VEGFR-2 und PDGFR-B das Überleben bei Angiosarkomen beeinflusst [19].

Vor kurzem publizierten Kilvaer et al. [9] eine Studie mit 181 Patienten, in der sie den Einfluss von VEGFGRs auf rezidivfreies, metastasenfreies und krankheitsspezifisches Überleben in Abhängigkeit von der Tumorlokalisation und der Therapie zeigten. Weiterhin wiesen dieselben Autoren [10] nach, dass ein hohes VEGFR-3 bei weiten operativen Sicherheitsabständen signifikant mit einem kürzeren Überleben korreliert. Wir fanden in unserer Studie, dass eine hohe Expression von VEGFRs mit der Tumorprogression assoziiert ist und unabhängig von der Lokalisation und der Therapie mit einem kürzeren Überleben der Patienten korreliert. Die Überlebensanalyse zeigte, dass die 21 Patienten, bei denen alle 3 VEGFRs hoch exprimiert waren, eine statistisch signifikant schlechtere Überlebensrate hatten als die anderen. Insbesondere hat von diesen Patienten bislang keiner 10 Jahre überlebt. Hingegen gab es bei den 64 Patienten, bei denen alle 3 VEGFRs niedrig exprimiert waren, 9 Patienten, welche 10 Jahre überlebten, von den 190 restlichen Patienten haben 27 mehr als 10 Jahre überlebt (Abb. 2).

Abb. 2
figure 2

Univariate Überlebensanalyse der Tumoren in Abhängigkeit von der VEGFR-1- bis 3-Expression

Der orale Tyrosinkinaseinhibitor Pazopanib ist für die Therapie der Patienten mit hochmalignen Sarkomen bei nicht wirksamer Erstlinientherapie genehmigt. Die Hauptangriffspunkte sind VEGFR-1–3 und PDGFR-A/B. In der Phase-3-Studie mit PALETTE verlängerte die Therapie mit Pazopanib das Gesamtüberleben signifikant (12,5 vs. 10,7 Monate) und es gab mäßig starke Nebenwirkungen. Die Therapie mit Pazopanib war assoziiert mit einer niedrigen Gesamtansprechrate (6 %), einer sehr guten Rate an Krankheitsstabilisierung (67 %), jedoch auch in 23 %der Fälle mit einer Tumorprogression [18]. Weil einige der Tumoren nicht auf die Therapie ansprechen, sind weitere Studien nötig und ggf. sollten vorher der Rezeptorstatus bzw. bestimmte Proteinsignaturen überprüft werden, um dann eine gezielte Therapie einzuleiten.

Fazit für die Praxis

  • In unserem Tumorkollektiv der Ludwig-Maximilians-Universität zeigen die nach der neuen WHO-Einteilung kategorisierten Sarkome beim 10-Jahres-Überleben distinkte Überlebensverläufe in den Kaplan-Meier-Kurven.

  • Verschiedene Tyrosinkinaserezeptoren zeigen ein distinktes Expressionsmuster in bestimmten Subgruppen der Sarkome.

  • Die vaskulären endothelialen Wachstumsfaktoren (VEGFRs) sind mit der Tumorprogression in Sarkomen assoziiert.

  • Da nicht alle Patienten bei zur Zeit laufenden klinischen Phase-2- und -3-Studien auf eine Rezeptortyrosinkinaseinhibitortherapie ansprechen, sollten die Angriffspunkte der Medikamente bzw. bestimmte Proteinsignaturen für entscheidende Signaltransduktionswege vor der zielgerichteten Therapie bestimmt werden, um dann eine personalisierte Therapie durchzuführen.